Epistel-Postille (Wilhelm Löhe)
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SEitdem die Evangelienpostille des Unterzeichneten erschienen ist, wurde er von Freunden und auch von dem Verleger oftmals gebeten, in ähnlicher Weise eine Epistelpostille zu veröffentlichen. Nicht deshalb, weil er selbst so großen Drang gehabt hätte, ein Buch der Art zu liefern, sondern ganz einfach, um seinen Freunden zu Willen zu sein, nahm er mehrmale den Anlauf, Epistelpredigten auszuarbeiten. Es wollte jedoch niemals gelingen, da kein hinlänglicher treibender Eifer zur Sache in seiner Seele vorhanden war. Da fügte es Gott im Spätsommer des vorigen Jahres, daß er durch leibliche Leiden verhindert wurde, die Kanzel zu besteigen. Es zeigte sich bald, daß die körperliche Anstrengung, die mit dem Predigen verbunden ist, seinem leiblichen Zustande für längere Zeit nicht zuzumuthen sein würde. In dieser Noth entstand in ihm der Gedanke, ob nicht der Gemeinde vielleicht damit gedient werden könnte, daß ihr schriftlich abgefaßte Vorträge des erkrankten Pfarrers vorgelesen würden. Nach reiflicher Berathung mit verständigen Freunden gedieh der Gedanke zum Entschluß und kam zur Ausführung. Die Vorträge wurden jedoch von mir nicht eigenhändig geschrieben, da ich die Anstrengung des Schreibens nicht minder, wie die des Sprechens zu vermeiden hatte. Ich konnte nichts thun, als diktiren und die diktirten Vorträge in die Hände meiner theuren Vertreter niederlegen. Sowohl meine näheren Freunde, als der Verleger waren der Meinung, daß die gelesenen Vorträge vielleicht dem Bedürfnisse derer, welche eine Epistelpostille von mir gewünscht hatten, dienen und gedruckt werden könnten, und daß es auf diese Weise zu der versprochenen Epistelpostille kommen würde. Daß ich nun der Ansicht meiner Freunde folgte, und einwilligte, eine diktirte Postille erscheinen zu laßen, wird man hie und da als Hochmuth oder sonst auf eine Weise ausdeuten, die mir zum Tadel gereichen kann. Vielleicht aber begreift auch einer und der andere, daß in dem Gehorsam gegen die Ansicht meiner Freunde etwas Selbstverläugnung liegt. Es ist am Tage, daß bei einer anderen Entstehungsweise dieses Buches meine Leistung eine bessere, also auch der Tadel, den ich erndten werde und voraussehen kann, und damit das Weh für meinen alten Adam geringer geworden wäre. – So wie ich stehe, habe ich es für nöthig erachtet, die Entstehungsweise des Buches anzuzeigen, und meine Kühnheit zu entschuldigen; die Beweggründe meines Entschlusses, das Buch, so wie es ist und sein kann, Denen zu geben, die es wünschten, befehle ich dem HErrn, der mir gnädig sei.
Um eine gewisse Aehnlichkeit dieser Epistelpostille mit meiner vor zehn Jahren zum erstenmal erschienenen Evangelienpostille herzustellen, habe ich aus dem Jahrgange 1842 des Nördlinger Sonntagsblattes die kurzen Evangelienlectionen, welche ich damals lieferte, abdrucken lassen. Die dort fehlenden wurden neu geschrieben.
Es ist mir hie und da der Vorwurf gemacht worden, daß ich mich in meiner Evangelienpostille nicht genug an diejenige Gedanken- und Ausdrucksform gehalten habe, welche in der lutherischen Kirche die herkömmliche ist; manche sind der Meinung, daß die Sprache und Gedankenfügung des sechszehnten Jahrhunderts für alle Zeiten maßgebend sei; sie wittern Ketzereien, wo ihnen der gewohnte Ton nicht entgegen kommt. Wie weit man nun ein Recht habe, denselben Vorwurf (wenn es nemlich wirklich ein Vorwurf ist) auch auf dieses Buch anzuwenden, wird sich zeigen. Jedenfalls aber lebe ich der Ueberzeugung, den Ergebnissen der Reformation, den desfalls vorhandenen symbolischen Bestimmungen, insonderheit aber der theuren Lehre von der Rechtfertigung allein aus Glauben,| welche ich persönlich am allerwenigsten entbehren kann, getreulich anzuhangen. Sollte ich trotz dieser Ueberzeugung hie und da wirklich gefehlt haben, ohne es zu wißen oder zu wollen, so verhüte Gott, daß ich einen mir nachgewiesenen Fehler festhalten oder vertheidigen wollte. Ich kann wohl mit Augustinus, dem großen Lehrer, in Beziehung auf alles, was ich je und je gesagt und geschrieben habe, sprechen: „Domine DEUS unus, DEUS Trinitas, quaecunque in his dixi de tuo, agnoscant et tui: si quae de meo, et tu ignosce, et tui. Amen.“ Zu deutsch: „Herr Gott, einig im Wesen, dreifaltig in Personen, alles, was in diesem meinem Buche von dem Deinen genommen ist, das laß auch Deinen Kindern gefallen; was aber von dem Meinen dabei ist, das verzeihe mir Du und laß mirs auch Deine Kinder verzeihen.Neuen Dettelsau,
St. Johannis des Täufers Tag 1858.
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