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Epistel-Postille (Wilhelm Löhe)
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Am sechsten Sonntage nach dem Erscheinungsfeste.

Col. 3, 18 – 4, 1.
18. Ihr Weiber, seid unterthan euren Männern in dem HErrn, wie sichs gebühret. 19. Ihr Männer, liebet eure Weiber, und seid nicht bitter gegen sie. 20. Ihr Kinder, seid gehorsam den Eltern in allen Dingen; denn das ist dem HErrn gefällig. 21. Ihr Väter, erbittert eure Kinder nicht, auf daß sie nicht scheu werden. 22. Ihr Knechte, seid gehorsam in allen Dingen euren leiblichen Herren, nicht mit Dienst vor Augen, als den Menschen zu gefallen, sondern mit Einfältigkeit des Herzens und mit Gottesfurcht. 23. Alles, was ihr thut, das thut von Herzen, als dem HErrn, und nicht den Menschen. 24. Und wißet, daß ihr von dem HErrn empfangen werdet die Vergeltung des Erbes; denn ihr dienet dem HErrn Christo. 25. Wer aber Unrecht thut, der wird empfangen, was er Unrecht gethan hat; und gilt kein Ansehen der Person, 1. Ihr Herren, was recht und gleich ist, das beweiset den Knechten, und wißet, daß ihr auch einen HErrn im Himmel habet.

 DIe Evangelien der Epiphaniensonntage haben uns so manche Herrlichkeit aus dem Leben unsers HErrn JEsus Christus aufgeschloßen; wir könnten den Gang durch sie hin bis zum heutigen sechsten Sonntag mit einem Gange vergleichen, der zum Gipfel eines Berges hinan führt; die letzte Abtheilung des Weges wird mit dem heutigen Evangelium vollendet und wir kommen mit demselben auf die höchste Höhe. Die Herrlichkeit des HErrn leuchtet uns hier in ungewohntem Maße entgegen, alle vorigen Evangelien der Epiphaniensonntage erscheinen wie Strahlen gegen das Meer des Lichtes, welches uns heute leuchtet, denn dies Evangelium handelt ja von der Verklärung Christi. Diesem evangelischen Glanze gegenüber stehen zwei Episteln, von denen man eine für den heutigen Tag auswählen kann. Die eine, aus dem zweiten Briefe Petri, 1, 16–21 genommen, scheint neben dem Evangelium wie der Vollmond in seiner Herrlichkeit, wenn er die Sonne, die in ihr Gluthmeer untergegangen ist, ablöst. Auch sie handelt von der Verklärung Christi auf dem heiligen Berge, wenigstens ihrem halben Theile nach, und wenn auch der andere Theil von dem prophetischen Worte handelt, so geschieht doch auch das in einer Weise, welche keineswegs die vom Glanze der Verklärung JEsu erhobene Seele herunterstimmt, sondern im Gegentheil ganz geeignet ist, uns in dem Siegsgefühle zu erhalten, das uns erfüllt, wenn wir unsern Erlöser in jener Herrlichkeit schauen, vor welcher die Welt so klein wird, in welcher Er selbst aber so groß steht. Die andere Epistel schließt sich eng an die des fünften Epiphaniensonntags an, ist aus dem Brief Pauli an die Colosser, 3, 18–4, 1 genommen und scheint neben das Evangelium von der Verklärung unsers HErrn gar nicht wohl gestellt werden zu können. Sie gibt Befehle über das gegenseitige Verhalten der Männer und Frauen, der Eltern und Kinder, der Herren und Sklaven, und man kann sich in diese Textwahl erst dann finden, wenn man sich auf’s neue vergegenwärtigt hat, was der Grundgedanke der Beiordnung und Auswahl unsrer epistolischen Texte zu den evangelischen ist. Neben der Glorie Christi erscheint immer die Glorie der Gemeinde. Hält man das fest, so erscheint allerdings auch diese zweite Epistel des sechsten Epiphaniensonntags des Evangeliums würdig; denn gegenüber dem außerordentlichen Lichte des Erlösers erscheint uns auch ein Licht, nemlich die Gemeinde des HErrn in der christlichen Verklärung ihres häuslichen Lebens. Da nun die erstere Epistel der Hauptsache nach gleichen Inhalts mit dem Evangelium ist, so laßt uns diesmal getrost die zweite zum Gegenstand unsrer Betrachtung machen und mit einander die christliche Verklärung des Familienlebens betrachten, wie St. Paulus dieselbe nach| unsrem Texte vorstellt und unter den Christen haben will. –

 Bereits haben wir im Vorübergehen gesagt, daß die Epistel die Eheleute, die Kinder und Eltern, die Sklaven und Herren ihrer Pflichten erinnert. Der Inhalt der Epistel ist also dreitheilig, so zwar, daß ein jeder von den drei Theilen wieder je in zwei Theile zerfällt, wie es denn bei den Verhältnissen, die behandelt werden, nicht anders sein kann. Bei der Anordnung der Unterabtheilungen eines jeden von den drei Haupttheilen ist einerlei Verfahren beobachtet: es sind nemlich immer die Pflichten desjenigen Theiles, welcher dem andern untergeordnet ist, voran gestellt, also die Pflichten der Weiber den Pflichten der Männer, die der Kinder denen der Eltern, endlich die der Sklaven denen der Herren. Wie wenn der Apostel hätte sagen wollen, daß vor allen die Untergebenen ihre Schuldigkeit thun müßen, wenn es wohl stehen soll in der Gesellschaft; wie wenn er also gerade von ihnen für den allgemeinen Frieden und die allgemeine Wohlfahrt am meisten erwartet und im Sinne gehabt hätte, sie besonders für die Wohlfahrt der Familien verantwortlich zu machen. Es tritt das auch so stark hervor, daß unter den untergeordneten die untergeordnetsten, die Sklaven, die eingehendste und längste Ermahnung bekommen. Hätte der Apostel den Weg eingeschlagen, – welchen ihm das Mitgefühl und Mitleid mit denen eingegeben hätte, welche der leidende Theil in der Menschheit genannt werden können; so würde er das umgekehrte Verfahren beobachtet, er würde wenigstens die Männer und die Herren vorzugsweise ermahnt, die Sklaven und die Frauen aber getröstet haben. Aber entweder hat der Apostel die hohe Meinung, welche andre von der bevorzugten Stellung der Männer, Eltern und Herren zu haben pflegen, nicht getheilt, oder er hat gerade den mehr untergeordneten und leidenden Theil der Menschen für berufen erachtet, durch getreue Erfüllung schwererer Pflichten dem HErrn desto größere Ehre zu machen. Uebrigens kann auch kein Mensch leugnen, daß in unsrem Texte die Pflichten des bevorzugten Theiles der Menschheit immer so hingestellt sind, daß sie denen genau entsprechen, welche dem untergeordneten Theile gepredigt werden. Gerade diese Harmonie ist das hervorstechendste und wunderbarste, und man kann deutlich erkennen, wie es der Apostel keineswegs hauptsächlich damit zu thun hat, dem einzelnen Theile das Seine, sondern vielmehr allen das Ihre zu sagen, damit alle ihren Beitrag zum Glück und zur Wohlfahrt des Ganzen thun können. St. Paulus sucht das Wohl der Kirche, darum lehrt er immer eine Hand die andre waschen, einen Theil sich gegen den andern so benehmen, daß beide glücklich und zufrieden mit einander leben und dadurch den HErrn preisen können.

 Sehen wir nun zunächst auf das Verhältnis der Eheleute, so werden die Frauen zuerst angeredet und ihnen die Unterordnung unter die Männer, der Gehorsam auf’s Gewißen gegeben. „Ihr Weiber, sagt er, gehorchet euren Männern,“ oder „seid unterthan euren Männern.“ Das morgenländische Weib weiß nicht anders, als daß sie gehorchen und unterthan sein muß; es scheint daher überflüßig, es zur Unterthänigkeit zu ermahnen. Allein da das Christentum den Grundsatz aufstellt: „Da ist kein Mann und kein Weib, sondern allzumal Einer in Christo JEsu,“ so konnte das gläubig gewordene Weib bei der Stellung und Hebung, welche die Frauen in Christo JEsu bekamen, wohl auf den Gedanken kommen, als bringe der Geist Christi auch unter die Eheleute eine andere Ordnung, als brauche es nun die alte Unterordnung ferner nicht. Dem tritt nun der heilige Paulus entgegen und zwar nicht allein durch seine Einschärfung der Unterthänigkeit des Weibes unter den Mann, sondern auch durch Anfügung eines besondern Grundes, nemlich: es gezieme sich nicht anders für Frauen, die in Christo JEsu seien. „Seid unterthan den Männern, wie es sich ziemt in dem HErrn,“ so sagt er. Damit ist freilich der ganze Nebel niedergeschlagen, und es kann niemand mehr auftreten und von einer Befreiung der Frauen vom Gehorsam gegen ihre Männer, von Aufhebung des Gehorsams reden, er müßte denn selbst nicht in Christo JEsu sein und sich für befugt halten, sich über das, was Er und Seine Apostel einmüthig sagen, freventlich wegzusetzen. Es ist wohl allerdings richtig, daß manche Frauen vermöge ihrer Gabe und der Beschaffenheit ihrer Männer denselben vorangehen und ihnen den Weg zeigen müßen, müßen sage ich, weil es auch die Noth erfordert und hie und da alles zu Grunde gehen würde, wenn nicht ein kluges Weib dem Manne in die Zügel griffe; aber ein Glück, ein| Lebensglück, eheliches Glück kann man ein solches Verhältnis doch kaum nennen. Kein rechtes Weib mag dem Manne übergeordnet sein, es ist ihr nur wohl, wenn sie gehorcht und gehorchen kann: dem Manne nachwandeln ist Frauenglück, sowie es Mannesglück ist, dem Weibe voranzugehen. Daher laßen wir getrost als allgemeine Regel stehen und gehen, was der Apostel sagt, ermahnen die Ehefrauen zum Gehorsam gegen ihre Männer und drücken das Siegel Christi unter die apostolische Vermahnung mit den Worten: „wie es sich ziemet in dem HErrn.“

 Nicht weniger wichtig und des Apostels würdig ist nun aber seine Ermahnung an die Männer: „Ihr Männer, liebet eure Weiber und seid nicht bitter gegen sie.“ Da haben wir zum Frauengebot das entsprechende Männergebot. Dem Weibe ziemt Unterthänigkeit, dem Manne aber Liebe und sanfte Güte. Es hat auch das Weib Ursache, sich den Befehl der Liebe und sanften Güte anzueignen; wer weiß das nicht, wer findet es nicht nöthig? Aber der Apostel gebietet den Männern, was er bei den Frauen voraussetzt. Es könnte ja auch nicht einmal sein, daß die Frau dem Manne, wie es ihr geziemt, ohne Liebe und Güte gehorchen könnte; der Sklave kann aus Sklavensinn und Furcht gehorchen, das Weib aber kann nur aus Liebe und Güte gehorchen, denn sie ist eben keine Sklavin, sondern dem Manne in Christo JEsu gleich. Dagegen wird zwar die Liebe und Güte beim Manne nicht in der Form des Gehorsams hervortreten dürfen, sondern rein in der eigenthümlichen Faßung der Liebe und Güte, der Herablaßung und Schonung, der Liebe, die sich weder erbittern läßt, noch selbst erbittert. Ein gehorsames Weib und ein liebender, gütiger Mann stimmen zusammen und geben dem gesammten häuslichen Leben den Grundton tiefinniger Einigkeit und großen Friedens. Dazu kann es wargenommen werden an allen Orten und Enden, wie Mannesliebe und Güte durch Frauengehorsam hervorgerufen wird, umgekehrt aber auch der Gehorsam der Frauen durch Liebe und Güte des Mannes. Ein ungehorsames, widersetzliches und trotziges Weib hört auf, liebenswürdig zu sein, tödtet im Manne die Liebe und schürt den bittern Unmuth; hinwiederum macht Lieblosigkeit und Bitterkeit des Mannes dem Weibe das Gehorchen schwer. So sieht also jedermann, wie die beiden Ermahnungen an die Eheleute trefflich zusammengehen. Merkwürdig ist es dabei, daß den Männern insonderheit gesagt ist, nicht bitter gegen die Frauen zu sein. Der Unerfahrene begreift vielleicht nicht, warum gerade die Bitterkeit verboten wird; der Erfahrene aber weiß sehr wohl, daß nichts in der Welt gewöhnlicher ist, als Bitterkeit der Männer gegen die Frauen, und daß viel tausend Seufzer der Frauen über die Bitterkeit der Männer zu Gott aufsteigen; das muß aber nicht allein in unsern Gegenden und Zeiten, das muß auch früherhin, das muß je und je so gewesen sein, das muß eine besonders häufige Unart des männlichen Herzens gegen das weibliche, das muß eine Art von erblicher Verderbnis des menschlichen Herzens sein, sonst würde es der Apostel nicht für nöthig gefunden haben, es besonders hervorzuheben, aller andern Untugend zu geschweigen und diese zu benennen.

 Ich denke, meine lieben Schwestern, ihr verheiratheten Frauen, meine lieben Brüder, ihr Ehemänner, da die Schrift überhaupt nütze ist zur Lehre, zur Strafe, zur Beßerung, zur Züchtigung, so wird das euch vorgelegte apostolische Wort euch auch in die Seele greifen und ihr werdet bei Ueberlegung desselben viel Sünden zu bekennen, zu bereuen und abzulegen finden; es wäre gewis auch den Eheleuten insgesammt nichts nöthiger, als eine Correktion ihres Herzens und Lebens durch die apostolische Stelle des heutigen Textes. Wie gar viel würde anders werden, wie süß das Leben vieler Familien, wenn weiter gar nichts geschähe, als nur das, daß die Frauen den Ungehorsam, die Männer aber die Lieblosigkeit und Bitterkeit ließen.

 An die Darlegung des richtigen Verhaltens der Eheleute gegen einander schließt der Apostel seine Ermahnung für Kinder und Eltern an und ruft zunächst den Kindern zu: „Ihr Kinder, seid gehorsam den Eltern in allen Dingen, denn das ist wohl gefällig vor dem HErrn“. Bei dieser Ermahnung zum Gehorsam ist nicht dasselbe Wort gewählt, welches im vorausgehenden 18. Verse an die Ehefrauen gerichtet ist. Zu den Ehefrauen spricht der Apostel: Ordnet euch unter, seid unterthan; zu den Kindern aber: „seid gehorsam“. Unterthänigkeit, Unterordnung ist kein Wort, welches so in’s Innere greift und von Grund aus den Menschen unterordnet, wie das Wort „Gehorsam“. Der Unterthänige ordnet sich unter aus| Rücksicht, auch wenn er in dem oder jenem Fall die Unterordnung nicht für beßer erkennt als den eigenen Weg und Willen; der aber gehorcht, öffnet sein Inneres für die Stimme deßen, dem er gehorcht, er geht mit seinen Gedanken und mit seinem Willen auf das ein, was er vom andern hört, er fügt sich nicht blos äußerlich, er fügt sich auch innerlich. Beide Worte sind vortrefflich gewählt für die Personen, an welche der heilige Paulus redet: Die Frauen ordnen sich unter und fügen sich, die Kinder gehorchen; bei jenen zeigt sich der Gehorsam der Erwachsenen, bei diesen der Gehorsam der Unmündigen. Beide Ermahnungen schließen sich auch auf das schönste an einander an, an die Unterordnung der Frauen der Gehorsam der Kinder. Zwar sollen die Kinder auch den Müttern gehorchen; da ihre Mütter sich aber selbst wieder den Hausvätern unterordnen sollen, so erscheinen sie als Vorgängerinnen der Kinder im Gehorsam; das fromme, unterthänige Eheweib ist nicht blos Vorbild, sondern auch Anführerin und Lehrerin ihrer Kinder im Gehorsam. In diesem apostolischen Zusammenschluß der Mütter und Kinder zu einer gehorsamen Schaar liegt große Weisheit. Wenn in einem Hause die Kinder nicht gehorchen, so trägt ein widerspenstiges, mürrisches, ungehorsames Weib davon oftmals die Schuld. Die Kinder sehen den täglichen Ungehorsam ihrer Anführerin und Mutter; was Wunder, wenn sie ihr nachahmen? Ein unterthäniges Weib gewinnt nicht allein das Herz des Mannes für sich, sondern auch die Herzen der Kinder für den Vater. Sie ist nicht der Gipfel des Familienlebens, aber sie ist der rechte lebendige Mittelpunkt, von dem aus die Strömung des häuslichen Friedens und Unfriedens nicht blos abwärts auf die Kinder, sondern auch aufwärts auf den Hausherrn geht. – Merkwürdig ist es, meine lieben Brüder, daß wir bei den Kindern und bei den Sklaven rücksichtlich des Gehorsams einen und denselben apostolischen Beisatz finden. Es heißt nemlich: „Gehorchet euren Eltern in allen Dingen“; ebenso heißt es im 22. Verse: „Ihr Sklaven, gehorchet euren leiblichen Herren in allen Dingen.“ Während aber in den drei großen Parallelstellen vom Gehorsam der Frauen, nemlich in unsrer Textesstelle, Eph. 5, 22–24 und 1. Petri 3, 1 immer ein und dasselbe Wort, nemlich „Unterordnung, Unterthänigkeit“ gebraucht wird; so findet sich der Zusatz „in allem“ bei keiner von den drei Stellen, als in der aus dem Epheserbriefe, und auch hier nur, nachdem der Mann zu Christi Bild, das Weib aber zum Bilde der Gemeinde erklärt und eben damit der Unterordnung ihre volle Schönheit und Heiligkeit zugeschrieben ist. Wenn nun gleich eine einzige Stelle der Schrift hinreicht, eine Lehre oder eine Pflicht zu begründen, so wird doch immerhin die verschiedene Stellung und Betonung, sowie der seltenere und öftere Gebrauch eines Wortes nicht ohne Ursache sein, und es wird doch, namentlich in dem Fall, von dem wir gegenwärtig reden, geschloßen werden müßen, daß den Kindern der Gehorsam gewaltig eingeprägt sei. Es versteht sich von selbst, daß bei diesem starken Dringen auf Gehorsam fromme Eltern und fromme Befehle vorausgesetzt werden. Auch die Eltern stehen unter den göttlichen Geboten, sollen und dürfen wider dieselben nichts anordnen; ein Gebot in bösen Dingen ist eben so schlimm, als Gehorsam in bösen Dingen. Die Ausnahmen aber vorausgesetzt, ist und bleibt es aller Kinder unverletzliche Pflicht, ihren Eltern bis zu der bestimmten Zeit der Mündigkeit in allen zeitlichen Dingen, in den geistlichen und ewigen Dingen aber bis an’s Ende gehorsam zu sein.
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 Dem apostolischen Gebote des Gehorsams der Kinder entspricht nun ferner die apostolische Vermahnung an die Väter, ihre Kinder nicht zum Zorne zu reizen, damit sie nicht scheu werden. So wie wir oben aus dem Verbot der Bitterkeit der Männer gegen die Weiber geschloßen haben, daß diese Bitterkeit den Männern leicht zustoßen möchte und uns die tägliche Erfahrung die Bestätigung dazu geliefert hat, so können wir aus dem Verbote, welches der Apostel den Vätern gibt, ihre Kinder nicht zu erbittern oder aufzureizen, gleichfalls den Schluß machen, daß das männliche Herz zu solchem Fehler vielfach geneigt sei. Es ist freilich eine sehr unliebsame Beschreibung des männlichen Herzens, wenn man sich dasselbe als geneigt zur Bitterkeit und zu einem aufreizenden und selbst gereizten Benehmen gegen Weib und Kinder, also gegen die liebsten Angehörigen vorgestellt findet, und es läge allerdings ein wenig Trost darin, wenn man denken dürfte, daß doch selten einmal ein Mann vorkäme, der diese apostolischen Verbote besonders auf sich zu beziehen und deshalb Buße zu thun hätte. Allein dieser Trost wird durch die Erfahrung so ziemlich| weggenommen. Es findet sich leider sehr oft, daß Männer, auch beßere, unter den Einflüßen des göttlichen Geistes stehende, ihren Frauen das Leben bitter und sauer machen durch unzufriedene Unruhe, durch gereiztes, leidenschaftliches, zorniges Benehmen und durch dieselben Sünden und Fehler auch zur Erziehung ihrer Kinder untauglich werden. Wie viele Familien und Häuser gibt es, in welchen man jenes scheue, unkindliche zurücktreten der Kinder vor den Vätern bemerken kann, von welchen man oft genug den richtigen Schluß auf eine lieblose, ungütige, bittere, gereizte Behandlung der Väter machen muß. Und wie oft kann man die Selbstanklage von Vätern hören, daß sie ihre Kinder nicht selbst erziehen, noch viel weniger selbst lehren könnten, sie seien zu ungeduldig dazu, sie wollten lieber einen Haufen fremde Kinder, als die eignen unterrichten und erziehen. Es mag wohl tief mit in der angebornen Selbstgerechtigkeit und dem angeerbten Hochmuth des Menschen liegen, daß ein Vater den eignen lieben Kindern so unnütz werden und so ferne treten muß. Da macht ein jeder an seine Leibeserben die größten Ansprüche, denkt sich dieselben geistlich und gemüthlich reich begabt, vergißt, wie schwer er sich selbst zu einiger Tugend und Tüchtigkeit hindurch gerungen hat, wie sauer er seinen Eltern und Lehrern geworden ist, und stürmt auf die armen Kinder ein, als wären sie bereits der unfruchtbare Feigenbaum, welcher dort bei Jerusalem die Menschen mit seinem frühen Laube täuschte. Unter solchen rauhen, rohen Vaterhänden werden dann freilich die armen Kinder nichts; scheu und schüchtern meldet der Sohn den Umgang des Vaters, und der Vater darf sich nicht einmal beklagen, weil ihm sein eignes Gewißen sagt, daß er selbst von allem die Schuld trage. Traurige Kinderzucht! Da weint die Hausmutter über den bittern Mann, die Kinder über den rauhen Vater, unglücklicher aber als alle ist er selbst, der Mann, der Vater, der die Seinen unglücklich macht und damit sich selbst. Wahrlich hier ist eine Einladung zur Buße für viele und zugleich eine Einladung zum Glücke für viele. Wie manches Haus gibt es, wo nur Einer sich bekehren darf, nemlich der Vater, so bekehren sich alle, und alle sind glücklich. Der dem Weibe seiner Jugend die bittern Reuethränen über die eingegangene unglückliche Ehe auspreßt und die Kinder seines Leibes zu keinem fröhlichen Dasein gedeihen läßt durch seine Sünde, kann auf einmal das Glück seines Brautstandes und die süßeste Kinderseligkeit herwiederbringen, so wie er aufhört, roh zu sein und die ungezogene, bübische Art mit jenem edlen und milden Wesen vertauscht, mit jenem heiligen Maße des Benehmens, welches dem Manne Liebe, Ehre und freudigen Gehorsam der Seinen gewinnt. Ich reiße mich los von diesem Wehepunkte vieler Familien, aber mit tiefen und heißen Wünschen der geistigen Genesung vieler Männer, und wende mich nun zum letzten Theile unsres Textes.
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 Dieser letzte Theil wendet sich an die Knechte und an die Herren, weitläufig, sorgfältig eingehend an die Knechte, kurz und kräftig an die Herren. Ihr wißet, meine lieben Brüder, daß in der heiligen Schrift unter den Knechten Sklaven gemeint sind, Leibeigene, nicht Miethlinge und Lohndiener, wie wir sie haben. Damit erkennet ihr aber auch, daß unser Text von einem Verhältnisse handelt, welches unter uns keine praktische Anwendung findet, nemlich vom Verhältnis der Leibeigenen zu ihren Herren. In unsren Gegenden gibt es bekanntlich keine Sklaven mehr. Wenn man auch versuchen wollte, die überaus schönen Worte des Apostels auf die bei uns bestehenden Verhältnisse zwischen den Hausvätern und ihren Dienstboten anzuwenden, so würde man es doch nicht durchweg zur Anwendung bringen können. Auf ein Verhältnis des freien Vertrages, wie es zwischen den Herren und Dienstboten unter uns besteht, paßen nun einmal diese Worte nicht, und ich fürchte, es ist eine rein vergebliche Mühe, die Anwendung, namentlich in unsern Zeiten, auf unsre Verhältnisse zu machen. Gewis ist der Stand der Knechte und Mägde ein sehr ehrenwerther; er könnte ein Stand der Erziehung sein für unsre reifere Jugend, ein Stand, der auch für Söhne und Töchter der gebildeten und höheren Stände, wenn er von ihnen gesucht und in rechter Weise benützt würde, großen Segen schaffen könnte. Es ist ein großes Unglück, daß der Lohndienst der Knechte und Mägde bei uns nicht so angesehen wird, daß kein Mensch aus Lust und Liebe in fremde Dienste geht, jeder sich nur unter dem Drang der Noth und Armuth in den Dienst anderer Familien begibt. Wie sich in andern Dingen an die Noth die Schlechtigkeit anhängt, so geschieht es auch bei dem Nothdienst der Knechte und| Mägde. Gäbe es viele fromme Knechte und Mägde, oder vielmehr, gibt es hie und da einen oder den andern frommen Knecht, eine und die andere fromme Magd, so konnten sie ohne Zweifel die Worte unsres Textes zu einem Knechte- und Mägdespiegel wählen. Sie könnten sich aus Liebe in dasselbe Verhältnis setzen, und in dem Gedanken, in ihren Herrschaften Christo zu dienen, selige Weihe, große Hebung und Freudigkeit finden. Ebenso könnten die Herren im letzten Verse unsres Textes sich angeeifert finden, ihren Dienstboten fromme Hausväter zu sein. Wie einfach, wie völlig richtig und gerecht wäre für sie der Schluß: Wenn man den Sklaven, was recht und gleich ist, beweisen soll, wie vielmehr wird man es den freien Leuten beweisen müßen, die sich um Geld und Lohn herbei laßen, fremder Leute Dienste zu thun. Auf dem Boden der Liebe zwischen Dienstboten und Herren könnte also allerdings die schönste Anwendung unsres Textes erwachsen. Wie froh würde ich auch sein, wenn es unter euch vielen Dienstboten und Knechten gefiele, diese Anwendung zu machen! Wie gerne will ich sie auch selbst machen, und euch helfen, wenn ihr wollet. Und wie viel mehr werde ich mich gedrungen fühlen, bei solchen Texten, in denen unsre Verhältnisse ihre Zurechtweisung und Förderung finden, die nöthige eingehende Erklärung zu geben, ja wo möglich in euer Herz zu dringen, damit diese hochwichtige Angelegenheit unsrer Tage, das Verhältnis der Lohnarbeiter und ihrer Dienstherren recht beleuchtet und in seiner christlich verklärten Gestalt der Gemeinde lieb und werth gemacht, ach, Gott gebe, in einige Uebung gebracht werde. Heute aber stehe ich im Dienste meines heutigen Textes und seines nächsten Sinnes, und da mir die Verhältnisse mangeln, für die ich eine eingehende Betrachtung des apostolischen Wortes für Herren und Sklaven zu machen hätte, so erlaube ich mir nur, euch etwas eingehender auf die mächtige Wirkung aufmerksam zu machen, welche das Christentum auf das Verhältnis zwischen Herren und Sklaven nach unserm Texte hervorbringen kann und vielfach hervorgebracht hat.
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 Ich kann mir, meine lieben Brüder, als ein Mann, der unter einem freieren Volke aufgewachsen ist, gar nichts jämmerlicheres denken, als die Sklaverei. Ich will gar nicht einmal auf den Misbrauch des Sklaven sehen, von dem uns so manchmal berichtet wird, der zu Gott im Himmel schreit, und über den man Fäuste ballen könnte, auch wenn man sanften, liebevollen Geistes ist, ja gerade wenn man das ist. Aber es ist mir schon das Eine jämmerlich genug, einen Menschen denken zu müßen, den Gott geschaffen, Christus erlöset und der Geist Gottes geheiligt hat, der aber seines Leibes nicht Herr ist, und unter dem Zwang eines andern dermaßen steht, daß er ihm ohne Lohn und Dank zu Nutzen leben, und alle seine Zeit und Kraft, ja auch die seines Weibes und seiner Kinder, einem andern hingeben muß, dem gegenüber er kaum irgend ein Recht in Anspruch nehmen darf. Und dieses Verhältnis, welches meinem natürlichen Sinn so widerwärtig und schwierig vorkommt, tilgt dennoch das Christentum nicht geradezu aus. Es fordert nicht mit Feuer und Schwert dazu auf, dasselbe von der Erde hinweg zu thun, wo man es irgend findet; nein, es erkennt das Recht der Herren über die Sklaven an, und weiß, wie unser Text den laut redenden Beweis gibt, die Sklaverei zu verklären, und in einen heiligen göttlichen Stand, ja in eine Freude und Bewunderung der heiligen Engel und der Kirche Gottes umzuwandeln. Wahrlich, meine Freunde, wenn sich irgend das Christentum groß und mächtig erweist, so ist es in diesem Falle. Da geschieht in der That etwas Aehnliches, wie auf dem Berge der Verklärung. Wie auf diesem der erniedrigte Christus auf eine kleine Zeit in die Herrlichkeit Seiner Erhöhung eintrat, so wird in unserm Texte die Menschheit in ihrer tiefsten Erniedrigung, in der Sklaverei ergriffen, und dieser Stand in der Glorie einer königlichen und priesterlichen Zier gezeigt. Da erprobt sich die verklärende Kraft des göttlichen Geistes, da kann, wer Augen hat zu sehen, mit Augen sehen, ja mit Händen greifen, von wannen die Religion Deßen ist, der selbst Knechts- und Sklavengestalt angenommen hat, und im Grunde am Kreuz den Tod eines Sklaven starb; denn das Kreuz war im Altertume die Todesweise der Sklaven. Schön und herrlich ist es, wenn Mann und Weib sich wohl begegnen, Eltern und Kinder im großen Frieden und in Liebe leben; aber wenn die Sklaverei zu einem Institute göttlicher Erziehung, zu einer Schule des einfältigen, ungeheuchelten Dienens, zu einem priesterlichen Stande, darin man Gott dem HErrn dienen kann, zu einer| freiwilligen Uebernahme der Leibeigenschaft Christi, zu einer Besitzerin großer Verheißungen gemacht, wenn der Richter der Welt als Rächer des Ungehorsams der Sklaven gegen ihre Herren dargestellt, und durchaus nicht gestattet wird, daß ein Sklave sich wegen Sklavensünden mit seinem Sklavenstande entschuldige, wenn auch die Person des ärmsten unter den Armen, nemlich des Sklaven, im Gerichte nicht angesehen wird: – und das alles ist ja der Fall, wie V. 22–25 in unserm Texte zu lesen – so ist das schier die höchste Leistung, die ich mir denken kann, das größte, sittliche Wunder, welches ich angezeigt finde, und ein wahrer Beweis, ja ein Pfand, daß um so leichter das Geringere, die Verklärung unsrer Familienverhältnisse, gelingen müße. Noch einen Blick, meine Lieben, in diese Verklärung eines tiefen Dunkels. Denkt euch nach dem letzten Verse unsers Textes einen reichen Pflanzer von Westindien unter der Heerde seiner Sklaven. Gebt ihm in seine Seele das lebendige, herrschende Bewußtsein, daß er selbst ein Sklave sei, ein Leibeigner, nemlich des HErrn im Himmel, daß er einen HErrn im Himmel habe. Laßt ihn mit diesem Bewußtsein unter seinen Sklaven walten, und einem jeden darreichen, was recht und gleich, was recht und billig ist. Gebt ihm also eine Anerkennung des Sklavenrechtes in seinen Sinn, dazu Willigkeit und Freudigkeit, nicht blos gerecht, sondern billig gegen seine gekauften Knechte zu sein. Damit habt ihr ihn ausgestattet, daß er unter seinen Sklaven schier in der Glorie eines Patriarchen steht, wie Abraham, der offenbar seine Sklaven dem HErrn seinem Gotte gewann und sie in den Bund der Beschneidung brachte. Elieser und Abraham, ein Sklave und ein Herr! Was für ein Bild und welch eine Versöhnung der Herrschaft und der Sklaverei in den beiden. Und das eben ist es, was das Christentum will. Es greift nach den Werken des Teufels und macht Gotteswerke daraus. Es macht aus dem Sklaven einen Sohn und Bruder, aus dem Herrn einen Vater und Bruder, aus der schreienden Dissonanz aller sittlichen Zustände eine himmlische Harmonie, eine Musik in den Ohren Gottes und der Menschen, ein heiliges, wunderbares Kunstwerk, dadurch der Teufel verspottet und sein Reich zerstört wird. Große Zwecke und Ziele. Wenn sie auch nicht durch die Jugend und durch die Thaten JEsu möglich wurden, welche wir in der Zeit der Epiphaniensonntage feierten, so treten wir nun eben deshalb in die Passionszeit und in’s Gedächtnis der Leiden Christi ein und Seines großen Todeskampfes, damit wir merken, welche Mittel der Herr zu Seinem Zwecke ergreift und welche siegreichen Wege Er zu Seinen Zielen einschlägt. Durch die Kraft Seines Todes und Seiner Auferstehung gelingt Ihm alles, Seine Verklärung, die der Menschen, des Ehestandes, des Familienlebens, der Sklaverei.

 Deshalb ruf’ ich Ihm jetzt schon, obwohl erst vor den Pforten der Passionszeit, entgegen ein österliches Hallelujah! Amen.




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