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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

freiwilligen Uebernahme der Leibeigenschaft Christi, zu einer Besitzerin großer Verheißungen gemacht, wenn der Richter der Welt als Rächer des Ungehorsams der Sklaven gegen ihre Herren dargestellt, und durchaus nicht gestattet wird, daß ein Sklave sich wegen Sklavensünden mit seinem Sklavenstande entschuldige, wenn auch die Person des ärmsten unter den Armen, nemlich des Sklaven, im Gerichte nicht angesehen wird: – und das alles ist ja der Fall, wie V. 22–25 in unserm Texte zu lesen – so ist das schier die höchste Leistung, die ich mir denken kann, das größte, sittliche Wunder, welches ich angezeigt finde, und ein wahrer Beweis, ja ein Pfand, daß um so leichter das Geringere, die Verklärung unsrer Familienverhältnisse, gelingen müße. Noch einen Blick, meine Lieben, in diese Verklärung eines tiefen Dunkels. Denkt euch nach dem letzten Verse unsers Textes einen reichen Pflanzer von Westindien unter der Heerde seiner Sklaven. Gebt ihm in seine Seele das lebendige, herrschende Bewußtsein, daß er selbst ein Sklave sei, ein Leibeigner, nemlich des HErrn im Himmel, daß er einen HErrn im Himmel habe. Laßt ihn mit diesem Bewußtsein unter seinen Sklaven walten, und einem jeden darreichen, was recht und gleich, was recht und billig ist. Gebt ihm also eine Anerkennung des Sklavenrechtes in seinen Sinn, dazu Willigkeit und Freudigkeit, nicht blos gerecht, sondern billig gegen seine gekauften Knechte zu sein. Damit habt ihr ihn ausgestattet, daß er unter seinen Sklaven schier in der Glorie eines Patriarchen steht, wie Abraham, der offenbar seine Sklaven dem HErrn seinem Gotte gewann und sie in den Bund der Beschneidung brachte. Elieser und Abraham, ein Sklave und ein Herr! Was für ein Bild und welch eine Versöhnung der Herrschaft und der Sklaverei in den beiden. Und das eben ist es, was das Christentum will. Es greift nach den Werken des Teufels und macht Gotteswerke daraus. Es macht aus dem Sklaven einen Sohn und Bruder, aus dem Herrn einen Vater und Bruder, aus der schreienden Dissonanz aller sittlichen Zustände eine himmlische Harmonie, eine Musik in den Ohren Gottes und der Menschen, ein heiliges, wunderbares Kunstwerk, dadurch der Teufel verspottet und sein Reich zerstört wird. Große Zwecke und Ziele. Wenn sie auch nicht durch die Jugend und durch die Thaten JEsu möglich wurden, welche wir in der Zeit der Epiphaniensonntage feierten, so treten wir nun eben deshalb in die Passionszeit und in’s Gedächtnis der Leiden Christi ein und Seines großen Todeskampfes, damit wir merken, welche Mittel der Herr zu Seinem Zwecke ergreift und welche siegreichen Wege Er zu Seinen Zielen einschlägt. Durch die Kraft Seines Todes und Seiner Auferstehung gelingt Ihm alles, Seine Verklärung, die der Menschen, des Ehestandes, des Familienlebens, der Sklaverei.

 Deshalb ruf’ ich Ihm jetzt schon, obwohl erst vor den Pforten der Passionszeit, entgegen ein österliches Hallelujah! Amen.




Am Sonntage Septuagesima.

1 Cor. 9, 24 – 10, 5.
24. Wißet ihr nicht, daß die, so in den Schranken laufen, die laufen alle, aber Einer erlanget das Kleinod? Laufet nun also, daß ihr es ergreifet. 25. Ein jeglicher aber, der da kämpfet, enthält sich alles Dinges: jene also, daß sie eine vergängliche Krone empfangen, wir aber eine unvergängliche. 26. Ich laufe aber also, nicht als aufs Ungewisse; ich fechte also, nicht als der in die Luft streichet. 27. Sondern ich betäube meinen Leib, und zähme ihn, daß ich nicht den andern predige und selbst verwerflich werde. 1. Ich will euch aber, liebe Brüder, nicht verhalten, daß unsere Väter sind alle unter der Wolke gewesen, und sind alle durch das Meer gegangen; 2. Und sind alle unter Mose getauft, mit der Wolke und mit dem Meer;
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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/149&oldid=- (Version vom 1.8.2018)