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Epistel-Postille (Wilhelm Löhe)
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Am einundzwanzigsten Sonntage nach Trinitatis.

Ephes. 6, 10–17.
10. Zuletzt, meine Brüder, seid stark in dem HErrn, und in der Macht Seiner Stärke. 11. Ziehet an den Harnisch Gottes, daß ihr bestehen könnet gegen die listigen Anläufe des Teufels. 12. Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel. 13. Um deßwillen, so ergreifet den Harnisch GOttes, auf daß ihr an dem bösen Tage Widerstand thun, und alles wohl ausrichten, und das Feld behalten möget. 14. So stehet nun, umgürtet eure Lenden mit Wahrheit, und angezogen mit dem Krebs der Gerechtigkeit, 15. Und an Beinen gestiefelt, als fertig zu treiben das Evangelium des Friedens, damit ihr bereitet seid. 16. Vor allen Dingen aber ergreifet den Schild des Glaubens, mit welchem ihr auslöschen könnet alle feurigen Pfeile des Bösewichts. 17. Und nehmet den Helm des Heils, und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes.

 DAs Leben ein Kampf, nicht mit Fleisch und Blut allein, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, mit den Herren der Welt, den Dämonen: dies ist das große Thema unserer heutigen Epistel. Mit dieser Epistel vereinigt aber ist das Evangelium von der Heilung, welche unser hochgelobter HErr an dem Sohne eines königlichen Beamten zu Kapernaum aus der Ferne bewirkte. Da soll wohl nach dem Sinne der Kirche dem kämpfenden Heere der Christenheit der große Beistand, der Kriegsherr, gezeigt werden, der aus der Ferne hilft, ja der selbst nahe ist. Oder, was dasselbe ist, es soll wohl neben dem königlichen Herrn, der in der Nähe und Ferne die Krankheiten und alles beherrscht, das von Ihm mit Kraft und Sieg begabte Heer Seiner Nachfolger erscheinen. Neben dem Gewaltigen gehen die Gewaltigen, und das Andenken an jenen stärkt diese. Im Andenken an Ihn laßt uns fröhlich in unsere Epistel hineingehen, wie in ein Rüsthaus Gottes, uns Waffen zu holen, damit wir alsdann wohlgerüstet herausgehen in den Kampf, den uns der HErr nachgelaßen hat, da Er sich von dannen zum Throne Seiner Herrlichkeit schwang.

 Das Leben ein Kampf; wer kann das leugnen? Oder wer ist von diesem Kampfe ausgenommen? Kämpft einer nicht gegen die Welt und ihren Fürsten, so kämpft er wider den Himmel und den Himmelsfürsten: alles trägt Waffen, was Mensch heißt. Und nicht bloß, was Mensch heißt, trägt Waffen, auch die Engel Gottes streiten und sind Kriegsleute. Wenn| auch die seligen Geister der abgeschiedenen Frommen das wunderbare Vorrecht haben, in Gottes allmächtiger Hand zu ruhen, so daß sie keinerlei Qual anrührt; so finden wir doch Michael und seine Engel von Anfang der Welt, im alten Testamente und im neuen, schäftig und mächtig, Krieg zu führen; auch die seligen Engel haben jetzt noch, bis die Aeonen des ewigen Triumphes beginnen, Kampf und Streit. Der Menschensohn und hochgelobte Gott, unser HErr JEsus Christus war in der Welt wie wir, und hatte heißen Kampf, bis die Stunde ablief, welche er mit dem Siegesruf: es ist vollbracht, beschloß. Nun sitzt Er auf Seines Vaters Thron, Seine Ritterschaft und Mühsal ist zu Ende; aber ein Kriegsmann ist und bleibt Er doch noch. Kämpft Er auch in müheloser Allmacht an der Spitze der Seinen, so kämpft Er doch und läßt Sichs nicht verdrießen, die Feinde immer wieder nieder zu legen, welche das Leben und die Kraft, die Er ihnen gönnt, unermüdlich zum Widerstand gegen Ihn anwenden und bis ans Ende der Tage nicht ruhen werden; nicht ruhen, bis endlich Zeit und Stunde kommt, zu welcher ihnen die Macht genommen wird, wider den König anzugehen, welchen der HErr eingesetzt hat in Seinem heiligen Himmel. Die Zukunft des HErrn zur Erlegung des Antichrists und Seine letzte Zukunft zum allgemeinen Weltgerichte sind furchtbare Heereszüge zur Besiegung aller Feinde, so daß also auch für den HErrn unsern König die Zeit unangefochtner Ruhe noch nicht gekommen ist. Ja, da der Kampf der Welt und ihres Fürsten nicht bloß gegen den Sohn Gottes angeht, sondern auch gegen den Vater und den Geist, so finden wir sogar den dreieinigen ewigen Gott, so unbegreiflich es ist, und so unfaßlich, daß Er es duldet, angefochten und bekriegt von den Geschöpfen Seiner Hand, an deren Erlösung Er alles und alles gewendet hat. So ist denn seit dem Fall der Engel und Menschen alles im Kampf, Kampfeszeit ist bis ans Ende, und weil die letzte Zeit, die letzte Stunde ist, weil der Satan und seine Engel und seine Welt entweder bald siegen müßen oder nimmer siegen werden, so wird der Kampf immer heftiger und die tausendfachen listigen Anläufe des Teufels, von denen St. Paulus redet, mehren sich, werden immer unvermeidlicher, bald verdeckter, bald offenbarer. Des himmlischen Reiches Stehen und Siegen und noch weit mehr der einzelnen Seelen Sieg und Triumph sammt aller ewigen Seligkeit für sie steht auf dem Spiel, und alle Stunden beginnt aufs neue das böse Stündlein, alle Tage der böse Tag, da man fallen kann und auch wirklich Viele, ja Unzählige fallen. O großer Ernst des Lebens! Blast in die Trompeten, wecket die Schläfer auf, thut alles was ihr könnet, damit ein jeder begreife, das Leben sei ein Kampf. Wer Ohren hat, der höre, was der hohe Apostel Paulus in unserem Texte von diesem Kampfe redet.
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 Das erste, was uns in St. Pauli Wort entgegen tritt, ist die Schwierigkeit des Kampfes. „Wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sagt der Apostel, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nemlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel.“ Der Apostel will keineswegs läugnen, daß wir auch mit Fleisch und Blut zu kämpfen haben, mit feindseligen gottlosen Menschen, mit den Kindern der Welt, die dem Reiche Gottes und Christi widerstreben; hätten wir aber nur mit denen den Kampf zu bestehen, so ständen Menschen gegen Menschen, und es brauchte uns um so weniger bange zu sein, als wir ja wißen, daß wir nicht allein sind, sondern eine starke Hilfe auf Seiten derer steht, welche Gott und seinem Christus dienen. Nun aber lehrt uns der apostolische Mund, daß wir es nicht bloß mit Menschen, mit Fleisch und Blut zu thun haben, daß unser Kampf ein viel größerer und schwererer ist, weil er geradezu die gefallenen Engel zum Gegentheil hat. Es kann uns hiebei völlig gleichgiltig sein, ob der und jener an gefallene Engel glaubt oder nicht, ihre Wirkung inne wird, oder sich dieselbe anders erklärt. Wir, die wir im Lichte der göttlichen Offenbarung wandeln, und uns allein durch sie die Wege weisen laßen, können um so weniger uns verhehlen, daß wir ein böses Geisterreich uns gegenüber haben, als gerade derjenige Theil der heiligen Schrift, welcher von jedermann als der lichtere und klarere anerkannt wird, oftmals, öfter als das alte Testament, von diesen unsern Feinden redet und vor ihnen warnt. Unser heutiger Text ist davon allein schon Zeuge genug. Steht uns nun ein unsichtbares Reich gegenüber, von deßen Kriegshelden und Heeren wir bemerkt und beobachtet sind, so leuchtet ohnehin schon ein, daß unsere Feinde| großen Vortheil haben, denn sie sehen und erkennen uns ja; wir aber großen Nachtheil, denn wir sehen und kennen sie nicht. Es ist schon das ein schrecklicher Gedanke, von Feinden umgeben zu sein, die man nicht warnehmen kann. Denkt man sich nun ferner, daß diese Feinde ein ungezähltes Heer an Menge sind, so braucht man sich dieselbigen gar nicht einmal als sehr mächtig vorzustellen, die Furcht wächst doch: denn gegründet auf die Unsichtbarkeit des feindlichen Heeres mehrt sie sich durch Ueberlegung der Menge. Nun finden wir aber in der heiligen Schrift, daß der Fall der Engel sich nicht etwa bloß auf die untergeordneteren Klaßen der Geister bezog, sondern seinen Anfang gerade in den obersten Reihen nahm, welche zunächst den Thron des HErrn umgeben, und wir können aus mancherlei Stellen der heiligen Schrift schließen, daß von den obersten Reihen bis zu den untersten, von den hochbegabtesten bis zu den mindest begabten Geistern hinab dieser Fall hindurchriß, wie ein fallender schwerer Stein. Ist nun diese gesammte Schaar von mannigfaltigen Engeln einmüthig gegen uns, gegen die Kirche Gottes auf Erden gerichtet, steht sie uns, als ein mächtiger und wohlgeordneter Organismus, als ein Reich in sich, gegenüber, so wird die schon vorhandene Furcht auch dadurch gemehrt. Dieselbigen bösen Geister aber werden uns nun noch überdies als Weltbeherrscher dargestellt, und uns damit geradezu gesagt, daß die Bosheit der Menschen keineswegs unberathen ist und sich selbst überlaßen; sie wird wohl einmal während der tausend Jahre, in welchen der Teufel gebunden sein soll, von dem bösen Geisterreiche verlaßen und unberathen sein, dann aber auch dem Einfluße des Reiches Christi unterliegen und ihre sich mehrenden und stauenden Waßer keinen Abfluß finden; aber gegenwärtig ist sie noch berathen und geleitet, und mehr als Fleisch und Blut es denkt, ist die Welt daher im Zusammenhang und völligen Einklang mit dem bösen Geisterreiche. Diese Fürstentümer, diese Mächte, diese Geisteswelt der Bosheit, die selbst unter dem Himmel, in den Lüften, wie die Schrift lehrt, ihren Sitz hat und ihr Spiel treibt, hat ihr Werk in dieser Finsternis der Zeit, beherrscht die Welt und wendet sich mit aller Macht und List, mit aller Behendigkeit und Schnelligkeit gegen das Reich JEsu Christi, die arme streitende Kirche, und diese wie eine schüchterne Taube, wie ein gejagtes Reh muß nun ringsum von oben und zu den Seiten umgeben und umschwirrt sein von einem nächtlichen, schrecklichen Kriegesheer der Teufel, und alle Augenblicke auf einen neuen Anlauf, auf einen Schlachttag, auf ein böses Stündlein warten. Wer kann diese Lage der Kirche also nehmen, ohne einerseits zu erkennen, wie sehr die Teufel die Kirche Gottes fürchten müßen, dies scheue Reh, andererseits aber wie schwer und schrecklich ihr Kampf sei.
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 Erkennen wir nun auf der einen Seite die große Macht der Feinde, und die daher rührende Schwierigkeit des Kampfes, so wird uns andererseits das Gefühl unserer Noth nur desto mehr durchdringen, wenn wir an die Notwendigkeit des Sieges denken und an unsere große Schwachheit. Es ist schon richtig, daß wir gar nicht alleine diesen Kampf zu führen haben; es sind ja die Engel mit uns im Kampfe, die reinen Geister, deren Macht gegenüber den Dämonen gar wohl in Anschlag zu bringen ist. Es ist uns auch vielfach in der heiligen Schrift von Kämpfen der guten Engel gegen die bösen Bericht gegeben, und der Sieg ist immer auf Seiten der guten. Aber können denn die guten Engel den Sieg für das Ganze gewinnen, wenn wir auf Erden den Sieg verlieren? Ist nicht im Ganzen der Sieg verloren, wenn ihn die streitende Kirche auf Erden verliert? Ja ist nicht geradezu der Kampf, von dem die Rede ist, ein Kampf der streitenden Kirche auf Erden? Ist es nicht unsere Sache, um deren willen er geführt wird? Meint denn der Teufel und kann er meinen, die Engel zu fällen und zu überwinden, die im Guten bestanden sind und ihr Fürstentum verloren haben? Ihnen kann und wird er die Seligkeit gewislich nicht mehr rauben, aber uns kann er verderben, uns, die wir zugleich so schwach sind. Wenn er uns, den linken schwachen Flügel, schlägt, schwingt sich der rechte, starke unverletzt zum Himmel, aber die Schlacht ist dennoch verloren, und wir sind verloren; unser ewiges Heil steht also auf dem Spiele. Da sieht man, was auf unsern Kampf ankommt und wieviel zu fürchten steht. Dazu sind wir, daß ich abermals wiederhole, so schwach und durch unseren Fall mit dem Feinde innerlich so sehr verwandt, also nicht bloß träg und kraftlos, sondern durch unsern alten Menschen gewissermaßen Verbündete des Feindes. Und doch| ergeht an uns der Ruf: „Seid stark, meine Brüder, im HErrn und in der Macht Seiner Stärke, – bestehet gegen die listigen Anläufe des Teufels, – thut Widerstand, wenn das böse Stündlein kommt, richtet alles wohl aus, behaltet das Feld.“ Das sind ja wieder nicht Worte des Gesetzes an die gefallene Menschheit, in der Absicht gegeben und gesprochen, daß unsere Ohnmacht an den Tag komme und wir desto williger und reifer werden, in die durchbohrten Hände zu fallen, sondern es sind Worte an Christenmenschen gerichtet, denen die Kraft gegeben ist, zu können, was sie sollen, für welche die apostolischen Ermahnungen lebendige stärkende Lüfte sind. So schwach wir also seien, so listig und mächtig der Feind, so muß doch der Sieg möglich sein. Der heilige Augustinus betet der Kirche vor: „Gib, o HErr, was du befiehlst, und befiehl alsdann, was du willst“; der HErr aber erhöret ihn und die betende Kirche, und gibt, was Er befiehlt. Was Er den Seinen gebeut, das muß schon darum möglich sein, weil Er es gebeut, und weil Er die Kraft dazu gibt. Das deutet ja auch der Apostel damit an, daß er spricht: „Seid stark in dem HErrn und in der Macht Seiner Stärke“; so wie in der Mahnung: „Ziehet an den Harnisch Gottes“, d. i. den von Gott geschenkten Harnisch, die von Gott gegebene Waffenrüstung. Wir haben ja freilich keine Kraft von Natur; aber wenn Gott eilet, Sein Vermögen unserer Schwachheit beizulegen, wenn Er in uns ist und wir in Ihm, dann können wir wohl in den Krieg gehen, und wenn Er Selbst uns wappnet, dann werden wir bewahret sein. So thöricht es daher auch wäre, wenn wir unsere Hoffnung auf die eigene Kraft wollten setzen; so feige und unverantwortlich wäre es doch auch, wenn wir bei der Verheißung einer göttlichen Unterstützung Lust und Muth zum Kampfe wegwerfen und am Sieg verzagen wollten. Als einst Israel in den Krieg zog gegen seine Feinde, hieß es: „Der HErr wird für euch streiten, ihr werdet stille sein.“ So ist auch jetzt noch der Kampf mehr ein Kampf Gottes, wenn auch nicht ohne uns, als ein Kampf der Menschen. Wer dem HErrn vertraut, der fleucht nicht, sondern er bläst gläubig in die Trompeten, damit die Mauern Jerichos fallen. Da heißt es eben auch wieder, wie Luther übersetzt: „Gläubet ihr nicht, so bleibet ihr nicht,“ und der Sieg geht mit dem Glauben. Deshalb hüte sich ein jeder vor der Feigheit des Unglaubens. Den gewaltigen und zahlreichen Feind im Auge, im Gedächtnis und Bewußtsein die hohe Verantwortlichkeit des Kampfes, erneure man sich im Geiste seines Gemüthes und ergreife die Waffenrüstung, welche zum Siege hilft.
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 Diese Waffenrüstung legt uns der Apostel mit ungewöhnlicher Ausführlichkeit vor, Stück für Stück, so daß es ist, als sähe man den Streiter und Kämpfer sich anziehen. „So stehet nun,“ sagt der Apostel, und man sieht bei diesen Worten den Streiter Christi im gewöhnlichen Kleide stehen. Der Apostel sagt aber auch: „Ergreifet die Waffenrüstung Gottes, ziehet sie an, daß ihr bestehen könnet gegen die listigen Anläufe des Teufels.“ Wenn also der Mensch in seinem gewöhnlichen Friedenskleide steht, so kann er nicht bestehen: er muß die göttliche Waffenrüstung haben. Seine Stärke ist keine eigene, sein Sieg kein eigener, es ist alles von Gott dem HErrn. Was ergreift er nun zu allererst von der gesammten Rüstung, die ihm dargereicht wird? Er nimmt zuerst den Gurt, der das Kleid zusammenhält, der den Lenden das Gefühl der Stärke und Kraft mehrt, und den Mann fertig macht zum Gange vorwärts und zum Streit. Was aber dem irdischen leiblichen Menschen der Gurt seiner Nieren leistet, das thut dem geistlichen Menschen die Wahrheit. Wer dem Teufel entgegen gehen soll und seinem Herrn, der muß im Bewußtsein der göttlichen Wahrheit stehen, die Wahrheit verleiht getrosten Muth, sie stählt den Menschen zum guten Kampf, sie macht ihn geeignet vorwärts zu gehen gegen den Feind seiner Seligkeit. Wer die göttliche Wahrheit nicht kennt, dem fehlt von der Rüstung das erste und nöthigste Stück; das Gefühl deßen, was er soll und weshalb er in den Streit geht, wird ihm mangeln, daher ist allerdings das nöthigste und erste, was ein Christ haben muß, die Wahrheit. Aber wir würden uns nicht getrauen und auch nicht tüchtig sein, die Wahrheit zu bekennen und zu vertheidigen, wenn uns die Gerechtigkeit mangelte. Das Gefühl unserer großen Unwürdigkeit, das Bewußtsein unserer Sünde, das böse Gewißen, welches uns ohne Ende nagt, würde uns vollkommen untüchtig machen zu dem gesammten Kampfe, der vor uns| liegt, alle Augenblicke würde unsere Brust der Gefahr tödtlicher Pfeile ausgesetzt sein, wenn uns nicht die neue Gerechtigkeit wie ein Krebs, d. i. wie ein Panzer deckte, die Gerechtigkeit des Glaubens mit ihrer ins Leben übergehenden sproßenden Kraft. Ist daher der Mensch mit Wahrheit gegürtet, so muß er auch mit der unverwüstlichen Gerechtigkeit JEsu gepanzert werden und seine Seele fest in dem Gedanken ruhen, welchen er Christo zuspricht: „ich bin rein um Deinetwillen.“ – Ist nun aber das Kleid gegürtet, der Panzer angelegt, was ist das dritte? Nun macht der, des Brust geschützt ist, seine Füße bereit zum Kampf, bindet die Sohlen unter und sorgt, daß er auf der rauhen Bahn des Schlachtfeldes unbesorgt und unverletzt dahin laufen könne. Was ist aber nach der geistlichen Deutung die Beschuhung der Füße und ihre Bereitung zum Gang? „Die Bereitschaft zu treiben das Evangelium des Friedens,“ denn der Apostel ermahnt: „Unterbindet eure Füße in Bereitschaft des Evangeliums des Friedens.“ Gekräftigt durch Wahrheit, geschützt durch Gerechtigkeit gegen alle Vorwürfe des Teufels und des eignen Herzens läuft der Christ dahin und bekennt das Evangelium, predigt den Gekreuzigten, bietet allen den Seinen im Evangelium den Frieden an. So wie er nun aber den Frieden Christi predigt, und die Welt zur Seligkeit beruft, wehrt sich der Satan und es entzündet sich der helle Streit. Nun fliegen die feurigen Pfeile des Bösewichts; nun erhebt sich im Innern der Zweifel, vom Teufel angeschürt, nun kommt von Außen der mächtige Widerspruch; nun entwickelt sich die volle Noth des Kampfeslebens, der Panzer allein will nicht schützen, es muß mehr Bedeckung geschafft werden, und wie der Gepanzerte von einem Schild und Helm gedeckt wird: so muß nun in diesem geistlichen Kampfe auch ein Schild herbei und ein Helm, damit man nicht unterliege. Der Schild, mit dem man auslöschen kann alle feurigen Pfeile des Bösewichts, ist der Glaube, und der Helm, unter welchem das Haupt auch unter den Schlägen des Feindes unversehrt erhalten wird, ist das Heil, welches uns JEsus Christus erworben hat. Was willst du denn thun, wenn die feurigen Pfeile fliegen, wenn deine Zuversicht wankt, wenn du dich trotz des Panzers für unbewehrt erkennst? Du kannst ja doch nichts anders, als deinen Glauben anregen, deine Zuversicht durch heilige Uebung und Andacht stärken, damit den Schild ausstrecken, der deinen Panzer verstärkt und auch deine Füße bedeckt, daß du der Gerechtigkeit dir wieder bewußt wirst, und im Getümmel des Kampfes deine Ruhe dir wieder hergestellt wird. Und wenn es dir bang wird um deine Rettung, um das Heil der Ewigkeit, was kannst du weiteres thun, als dich erinnern, daß du das Heil schon besitzest und dein Haupt freudig und fröhlich machen durch die Berufung auf schon vorhandene Gnade? Der Panzer, der Schild und Helm haben gewissermaßen einerlei Art und Natur: sie schirmen und schützen, während der Gurt von anderer Art ist, nicht schützt, sondern das Gefühl der Stärke und leichten Gang verschafft. So gehören auch in der geistlichen Waffenrüstung die Gerechtigkeit, der Glaube und das Heil zusammen. Wie der Schild und Helm den Panzer vervollständigt und ergänzt; so muß der Glaube die Gerechtigkeit halten und decken und die Hoffnung des ewigen Heiles die Zuversicht wecken, daß wir unversehrt hindurchdringen werden zum Leben. Gerechtigkeit, Glaube und Heil sind unsere Schutzwaffen: die Gerechtigkeit macht das Herz getrost, das kommende Heil hält unser Haupt aufrecht, und der Glaube hält beides durch Erinnerung der göttlichen Verheißungen fest. Dabei ist man innerlich gekräftigt durch die göttliche Wahrheit; man weiß, an welchen man glaubt und von wem unsere Gerechtigkeit und unser Heil stammt. – Es geht aber mit den bloßen Schutzwaffen für die nicht ab, die in der Welt das Evangelium des Friedens treiben; man bedarf auch eine Trutzwaffe, nemlich das Schwerdt des Geistes, welches ist das Wort Gottes. Das Wort ist Verheißung und schafft den Glauben, gibt Evangelium, Bereitschaft es zu treiben, und großen Frieden; aber es ist auch Waffe, es gibt die Angriffswaffe, es liefert die Pfeile, es schafft die Mittel, das Reich des Teufels zu überwältigen und zu stürzen. So wie der kein Kriegsmann ist, der sich in vollen Waffen hinstellt und den Angriff des Feindes erleidet; so wie ein jeder Kriegsmann sich ganz notwendig wehren, ja angreifen muß, so müßen auch die Bekenner des Evangeliums, die in der Bereitschaft stehen, den Frieden zu predigen, der in Christo JEsu ist, dulden zwar, aber nicht bloß dulden, sondern auch das Wort| der Wahrheit führen und streiten. Das unschuldige Gotteslamm, so groß im Dulden, hat in der Zeit Seiner großen Leiden und Seines Sterbens mit dem Schwerdte des Geistes auch solche Streiche geführt gegen die alte Schlange, – denkt z. B. an die sieben letzten Worte, – daß uns vielleicht nur das Auge fehlt zu sehen, daß Sein Thun nicht geringer war, als Sein Leiden, daß Sein Kampf nicht bloß im Dulden, sondern auch im mächtigen Angriff durch das Wort bestand. Dem Lamme Gottes nach artet der Streiter des Lammes. – Diese gesammte Waffenrüstung Gottes wird uns glänzender erscheinen, wenn wir ihr gegenüber vergleichend stellen, was uns der Feind statt ihrer bieten und womit er uns entwaffnen möchte. Der Wahrheit gegenüber steht die Lüge, die gewis dem Leibe nicht Halt und Haltung gibt, wie ein Gurt. Der Gerechtigkeit JEsu gegenüber sehen wir die Sünde, die uns umringt und durchdringt, die gewis kein Panzer, wohl aber eine Last genannt werden mag, uns für immer zu erdrücken. Statt der Bereitschaft zu treiben das Evangelium des Friedens möchte uns der Feind so gerne die laue Trägheit geben und die Verzagtheit, die doch vom Reiche Gottes ausschließt. Für den Glauben an Gottes Verheißungen gäbe er uns gerne Zweifel, und anstatt des Heiles Verzweiflung und ewige Verlorenheit. Statt aber die gewaltigen Schläge des göttlichen Wortes zu erleiden würde er uns am allerliebsten Satansgründe, Scheingründe der Hölle gegen das heilige Wort in die Seele bohren. So hätte er es gerne, – St. Paulus aber ermahnt uns im Gegentheil, die Waffenrüstung zu ergreifen und uns durch ernsten Gebrauch derselben zu üben in Krieg und Sieg, getrost voran zu gehen und nicht zu zweifeln, daß unser sein und werden muß der Sieg.

 Unser Kampf wird in einer solchen Finsternis geführt, daß viele die Feinde gar nicht sehen, das Getöse ihrer Waffen gar nicht merken, die fliegenden Pfeile nicht gewar werden und geradezu leugnen, daß ein Kampf sei. Dagegen spüren und empfinden die wachen Seelen den Kampf oft nur allzuschwer; oft wird ihnen die grauenvolle Tiefe aller unglückseligen Möglichkeiten wie von Blitzen und Streiflichtern des göttlichen Wortes schaudererregend aufgedeckt. Es wird ihnen zuweilen bang und weh, daß sie sehnsuchtsvoll rufen: „Wie gut wird sichs doch nach der Arbeit ruhn, wie wohl wirds thun.“ Für jetzt aber gilt es eben stehen im Kampf und nicht müde werden. Es haben viele schon überwunden durch des Lammes Blut und nicht bloß die Zahl derer, die da fallen, sondern auch die Zahl der Sieger wird alle Tage größer. Auch wir müßen siegen, stehend im Kampfe siegen, es kann sein, daß sich in Baldem die listigen Anläufe mehren, daß sie grimmiger werden; es kann die antichristische Zeit hereinbrechen, wer weiß, wie bald, und dann, wahrlich, dann gilts. Es mag aber kommen, was will und wie es will, wer die Waffenrüstung hält und gebraucht und sich einstweilen im Kampfe übt, der da ist, der siegt doch. Es ist ja nicht wahr, daß der Sieg des Teufels und seiner Engel sein und werden wird, sondern der Sieg ist und wird des HErrn und Seines Christus. Das wird nicht anders werden, und die Gefahr, welche droht, betrifft bloß dich. Nicht das Reich JEsu, aber du einzelner Streiter, du könntest überwunden werden, für dich ist Gefahr vorhanden. Darum wach auf, wenn du schläfst, ergreif die Waffen, denk an deine Aufgabe und verliere nicht durch Feigheit und eigene Schuld, was dir dein Gott in Gnaden ohne dein Verdienst und Würdigkeit beigelegt hat und behalten wird dir und allen denen, die in Geduld und guten Werken trachten nach dem ewigen Leben. Kämpfe den guten Kampf des Glaubens. Sei getreu bis in den Tod. Wer nicht will kämpfen, trägt die Krone des ewigen Lebens nicht davon. Amen.




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