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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

der Wahrheit führen und streiten. Das unschuldige Gotteslamm, so groß im Dulden, hat in der Zeit Seiner großen Leiden und Seines Sterbens mit dem Schwerdte des Geistes auch solche Streiche geführt gegen die alte Schlange, – denkt z. B. an die sieben letzten Worte, – daß uns vielleicht nur das Auge fehlt zu sehen, daß Sein Thun nicht geringer war, als Sein Leiden, daß Sein Kampf nicht bloß im Dulden, sondern auch im mächtigen Angriff durch das Wort bestand. Dem Lamme Gottes nach artet der Streiter des Lammes. – Diese gesammte Waffenrüstung Gottes wird uns glänzender erscheinen, wenn wir ihr gegenüber vergleichend stellen, was uns der Feind statt ihrer bieten und womit er uns entwaffnen möchte. Der Wahrheit gegenüber steht die Lüge, die gewis dem Leibe nicht Halt und Haltung gibt, wie ein Gurt. Der Gerechtigkeit JEsu gegenüber sehen wir die Sünde, die uns umringt und durchdringt, die gewis kein Panzer, wohl aber eine Last genannt werden mag, uns für immer zu erdrücken. Statt der Bereitschaft zu treiben das Evangelium des Friedens möchte uns der Feind so gerne die laue Trägheit geben und die Verzagtheit, die doch vom Reiche Gottes ausschließt. Für den Glauben an Gottes Verheißungen gäbe er uns gerne Zweifel, und anstatt des Heiles Verzweiflung und ewige Verlorenheit. Statt aber die gewaltigen Schläge des göttlichen Wortes zu erleiden würde er uns am allerliebsten Satansgründe, Scheingründe der Hölle gegen das heilige Wort in die Seele bohren. So hätte er es gerne, – St. Paulus aber ermahnt uns im Gegentheil, die Waffenrüstung zu ergreifen und uns durch ernsten Gebrauch derselben zu üben in Krieg und Sieg, getrost voran zu gehen und nicht zu zweifeln, daß unser sein und werden muß der Sieg.

 Unser Kampf wird in einer solchen Finsternis geführt, daß viele die Feinde gar nicht sehen, das Getöse ihrer Waffen gar nicht merken, die fliegenden Pfeile nicht gewar werden und geradezu leugnen, daß ein Kampf sei. Dagegen spüren und empfinden die wachen Seelen den Kampf oft nur allzuschwer; oft wird ihnen die grauenvolle Tiefe aller unglückseligen Möglichkeiten wie von Blitzen und Streiflichtern des göttlichen Wortes schaudererregend aufgedeckt. Es wird ihnen zuweilen bang und weh, daß sie sehnsuchtsvoll rufen: „Wie gut wird sichs doch nach der Arbeit ruhn, wie wohl wirds thun.“ Für jetzt aber gilt es eben stehen im Kampf und nicht müde werden. Es haben viele schon überwunden durch des Lammes Blut und nicht bloß die Zahl derer, die da fallen, sondern auch die Zahl der Sieger wird alle Tage größer. Auch wir müßen siegen, stehend im Kampfe siegen, es kann sein, daß sich in Baldem die listigen Anläufe mehren, daß sie grimmiger werden; es kann die antichristische Zeit hereinbrechen, wer weiß, wie bald, und dann, wahrlich, dann gilts. Es mag aber kommen, was will und wie es will, wer die Waffenrüstung hält und gebraucht und sich einstweilen im Kampfe übt, der da ist, der siegt doch. Es ist ja nicht wahr, daß der Sieg des Teufels und seiner Engel sein und werden wird, sondern der Sieg ist und wird des HErrn und Seines Christus. Das wird nicht anders werden, und die Gefahr, welche droht, betrifft bloß dich. Nicht das Reich JEsu, aber du einzelner Streiter, du könntest überwunden werden, für dich ist Gefahr vorhanden. Darum wach auf, wenn du schläfst, ergreif die Waffen, denk an deine Aufgabe und verliere nicht durch Feigheit und eigene Schuld, was dir dein Gott in Gnaden ohne dein Verdienst und Würdigkeit beigelegt hat und behalten wird dir und allen denen, die in Geduld und guten Werken trachten nach dem ewigen Leben. Kämpfe den guten Kampf des Glaubens. Sei getreu bis in den Tod. Wer nicht will kämpfen, trägt die Krone des ewigen Lebens nicht davon. Amen.




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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/522&oldid=- (Version vom 1.8.2018)