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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres

auch die seligen Geister der abgeschiedenen Frommen das wunderbare Vorrecht haben, in Gottes allmächtiger Hand zu ruhen, so daß sie keinerlei Qual anrührt; so finden wir doch Michael und seine Engel von Anfang der Welt, im alten Testamente und im neuen, schäftig und mächtig, Krieg zu führen; auch die seligen Engel haben jetzt noch, bis die Aeonen des ewigen Triumphes beginnen, Kampf und Streit. Der Menschensohn und hochgelobte Gott, unser HErr JEsus Christus war in der Welt wie wir, und hatte heißen Kampf, bis die Stunde ablief, welche er mit dem Siegesruf: es ist vollbracht, beschloß. Nun sitzt Er auf Seines Vaters Thron, Seine Ritterschaft und Mühsal ist zu Ende; aber ein Kriegsmann ist und bleibt Er doch noch. Kämpft Er auch in müheloser Allmacht an der Spitze der Seinen, so kämpft Er doch und läßt Sichs nicht verdrießen, die Feinde immer wieder nieder zu legen, welche das Leben und die Kraft, die Er ihnen gönnt, unermüdlich zum Widerstand gegen Ihn anwenden und bis ans Ende der Tage nicht ruhen werden; nicht ruhen, bis endlich Zeit und Stunde kommt, zu welcher ihnen die Macht genommen wird, wider den König anzugehen, welchen der HErr eingesetzt hat in Seinem heiligen Himmel. Die Zukunft des HErrn zur Erlegung des Antichrists und Seine letzte Zukunft zum allgemeinen Weltgerichte sind furchtbare Heereszüge zur Besiegung aller Feinde, so daß also auch für den HErrn unsern König die Zeit unangefochtner Ruhe noch nicht gekommen ist. Ja, da der Kampf der Welt und ihres Fürsten nicht bloß gegen den Sohn Gottes angeht, sondern auch gegen den Vater und den Geist, so finden wir sogar den dreieinigen ewigen Gott, so unbegreiflich es ist, und so unfaßlich, daß Er es duldet, angefochten und bekriegt von den Geschöpfen Seiner Hand, an deren Erlösung Er alles und alles gewendet hat. So ist denn seit dem Fall der Engel und Menschen alles im Kampf, Kampfeszeit ist bis ans Ende, und weil die letzte Zeit, die letzte Stunde ist, weil der Satan und seine Engel und seine Welt entweder bald siegen müßen oder nimmer siegen werden, so wird der Kampf immer heftiger und die tausendfachen listigen Anläufe des Teufels, von denen St. Paulus redet, mehren sich, werden immer unvermeidlicher, bald verdeckter, bald offenbarer. Des himmlischen Reiches Stehen und Siegen und noch weit mehr der einzelnen Seelen Sieg und Triumph sammt aller ewigen Seligkeit für sie steht auf dem Spiel, und alle Stunden beginnt aufs neue das böse Stündlein, alle Tage der böse Tag, da man fallen kann und auch wirklich Viele, ja Unzählige fallen. O großer Ernst des Lebens! Blast in die Trompeten, wecket die Schläfer auf, thut alles was ihr könnet, damit ein jeder begreife, das Leben sei ein Kampf. Wer Ohren hat, der höre, was der hohe Apostel Paulus in unserem Texte von diesem Kampfe redet.

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 Das erste, was uns in St. Pauli Wort entgegen tritt, ist die Schwierigkeit des Kampfes. „Wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sagt der Apostel, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nemlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel.“ Der Apostel will keineswegs läugnen, daß wir auch mit Fleisch und Blut zu kämpfen haben, mit feindseligen gottlosen Menschen, mit den Kindern der Welt, die dem Reiche Gottes und Christi widerstreben; hätten wir aber nur mit denen den Kampf zu bestehen, so ständen Menschen gegen Menschen, und es brauchte uns um so weniger bange zu sein, als wir ja wißen, daß wir nicht allein sind, sondern eine starke Hilfe auf Seiten derer steht, welche Gott und seinem Christus dienen. Nun aber lehrt uns der apostolische Mund, daß wir es nicht bloß mit Menschen, mit Fleisch und Blut zu thun haben, daß unser Kampf ein viel größerer und schwererer ist, weil er geradezu die gefallenen Engel zum Gegentheil hat. Es kann uns hiebei völlig gleichgiltig sein, ob der und jener an gefallene Engel glaubt oder nicht, ihre Wirkung inne wird, oder sich dieselbe anders erklärt. Wir, die wir im Lichte der göttlichen Offenbarung wandeln, und uns allein durch sie die Wege weisen laßen, können um so weniger uns verhehlen, daß wir ein böses Geisterreich uns gegenüber haben, als gerade derjenige Theil der heiligen Schrift, welcher von jedermann als der lichtere und klarere anerkannt wird, oftmals, öfter als das alte Testament, von diesen unsern Feinden redet und vor ihnen warnt. Unser heutiger Text ist davon allein schon Zeuge genug. Steht uns nun ein unsichtbares Reich gegenüber, von deßen Kriegshelden und Heeren wir bemerkt und beobachtet sind, so leuchtet ohnehin schon ein, daß unsere Feinde

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Wilhelm Löhe: Epistel-Postille für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. Samuel Gottlieb Liesching, Stuttgart 1858, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Epistel-Postille.pdf/518&oldid=- (Version vom 1.8.2018)