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Epistel-Postille (Wilhelm Löhe)
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Am sechsten Sonntage nach Trinitatis.

Röm. 6, 3–11.
3. Wißet ihr nicht, daß alle, die wir in JEsum Christ getauft sind, die sind in Seinen Tod getauft? 4. So sind wir je mit Ihm begraben durch die Taufe in den Tod, auf daß gleichwie Christus ist auferwecket von den Todten, durch die Herrlichkeit des Vaters, also sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln. 5. So wir aber sammt Ihm gepflanzet werden zu gleichem Tode, so werden wir auch der Auferstehung gleich sein: 6. Dieweil wir wißen, daß unser alter Mensch sammt Ihm gekreuziget ist, auf daß der sündliche Leib aufhöre, daß wir hinfort der Sünde nicht dienen. 7. Denn wer gestorben ist, der ist gerechtfertiget von der Sünde. 8. Sind wir aber mit Christo gestorben, so glauben wir, daß wir auch mit Ihm leben werden; 9. Und wißen, daß Christus, von den Todten erweckt, hinfort nicht stirbt; der Tod wird hinfort über Ihn nicht herrschen. 10. Denn das Er gestorben ist, das ist Er der Sünde gestorben zu einem Mal; das Er aber lebet, das lebet Er Gotte. 11. Also auch Ihr, haltet euch dafür, daß ihr der Sünde gestorben seid, und lebet Gotte in Christo Jesu, unserm HErrn.

 UNter den Vorwürfen, welche man der uralten Textwahl der Kirche macht, ist auch der, ja besonders der, daß die Episteln der Sonn- und Festtage so wenig von der Hauptlehre der protestantischen Kirche, der nämlich von der Gerechtigkeit allein aus Gnaden, allein durch Christum, allein aus Glauben handeln, dagegen aber so vielfach von der Heiligung und Lebensgerechtigkeit. Ich habe mich schon einmal von dieser Stelle gegen diesen Vorwurf ausgesprochen und möchte es Angesichts der heutigen Texte wiederholt thun. Da handelt zwar allerdings das Evangelium, das berühmte Evangelium, von welchem die Bewegung, die in der Kirche Speners Namen trägt, ausgegangen ist, nicht von der Gerechtigkeit| des Glaubens, sondern von einer beßeren Lebensgerechtigkeit, als sie die Pharisäer und Schriftgelehrten hatten, und es werden in ihm an dem Baume dieser Gerechtigkeit einige der schönsten und prächtigsten Früchte gezeigt. Aber gerade wie wenn dem Baume die Wurzel enthüllt und dargelegt werden sollte, wie die Früchte, von denen das Evangelium und so viele Stellen der heiligen Schrift reden, nur aus der Wurzel erklärt werden können, redet die Epistel rein von der innigsten Lebensgemeinschaft des gläubigen Christen mit Christo, und führt in das Geheimnis des Glaubens ein wie nur irgend eine Stelle, die ein Abgönner der uralten Textwahl gegen sie eintauschen könnte. So wird durch ein leuchtendes Beispiel, das aber keineswegs vereinzelt steht, dem doch wohl ungerechten Vorwurf gegen die Textwahl widersprochen.

 Wende ich mich nun zu der Epistel selbst, diesem lauten Zeugnis von der innigsten Gemeinschaft der Gemeinde mit ihrem HErrn Christus, so muß ich gestehen, daß ich mich gegenüber dem Inhalte fühle und zwar sehr schwach und klein fühle. Ich kann eine Prüfungsfrage nicht abwehren, die sich mir aufdrängt, die nämlich: bin ich selbst so von dieser Gemeinschaft durchdrungen und erfüllt, daß ich es wagen kann, von ihr zu reden? Wenn ich prophetische Stellen zu behandeln, wenn ich vom Antichristus, vom endlichen Schicksale Israels, von dem Licht am Abend, von der Vollendung des Reiches Gottes reden soll, oder wie es ja manchmal geschieht, auch wirklich rede, so fällt mir immer die Meinung derjenigen ein, die da glauben, es dürfe den Gemeinden von diesen Thematen entweder nichts, oder nur dasjenige gesagt werden, was die kirchlichen Theologen des 16. oder auch 17. Jahrhunderts gesagt haben. Obgleich ich aber die Meinung wohl weiß, theile ich sie doch nicht, glaube im Gegentheil, daß es gar wohl Gemeinden geben kann, denen, mit Paulo zu reden, aller Rath Gottes enthüllt werden darf. Was meine Augen von der Zukunft lesen, was der Geist des HErrn insonderheit den Lehrern unserer Tage dargelegt hat und ihnen die Augen dafür geöffnet, das bringe ich leichten Muthes vor die Gemeinde, in der Furcht Deßen, der da kommet, und in der Gewisheit, daß gerade die praktischen Folgen der dargelegten und ergriffenen Hoffnung zukünftiger Zeiten den Gliedern Christi Segen und Heil verkünden. Dagegen scheint es mir allerdings viel schwerer, viel verantwortungsvoller, in die eigentlich paulinischen Texte von der Gemeinschaft des Christen mit seinem Haupte einzugehen, die inneren Wege des christlichen Lebens darzulegen. Die Gedanken eines Auslegers der heiligen Schrift sollen nichts anders sein, als menschliche Wiederholungen und Parallelen göttlicher Gedanken. Da finde ich es denn wahrlich recht schwer, St. Paulo parallel zu sein und für die Gemeinden recht verständlich und unmisverständlich von dem Geheimnis des Glaubens zu reden. Ich fühle aber solchen Texten gegenüber nicht bloß mich, sondern auch meine Gemeinde. Kann man sagen, das ist Milch, was z. B. in der heutigen Epistel zu finden ist? Und doch braucht ihr Milch, ihr alten Kinder. Ja so alt ihr seid, und so lange ihr in der Schule sitzet, so gleichen ja doch viele unter euch nicht einmal den Säuglingen, die an der Mutterbrust liegen, sondern den ganz neugebornen Kindern, die noch gar nichts genießen können, sondern im Gegentheil erst alles von sich geben müßen, was sie aus dem Mutterleibe der Welt mitgenommen haben. Es ist mir darum gar kein Wunder, euch bei der Erklärung solcher Texte schlafen zu sehen. Ach schlaft ihr bei dem euch begreiflichen Donnerwort des Gesetzes, und bei dem Vortrag der einfachen Katechismuswahrheiten, wie viel leichter bei diesem Geheimnis des inwendigen Lebens, welches die wachsten Sinne einer Seele erfordert, die darauf ausgeht, ihr eigenes inneres Wesen zu faßen. Indes, so sehr ich mich und euch fühle, und überdies die Hitze des Tages fürchte, die euch zur Trägheit der Seele einlädt, und zum trägen, stumpfen Niedersitzen vor den verschloßenen Pforten der göttlichen Geheimnisse, so versuche ich doch, euch darzulegen, was mein Text enthält. Der HErr verleihe mir Mund und Weisheit.

 Wenn wir den Hauptinhalt der heutigen Epistel zusammenfaßen wollen, so können wir das auf eine sehr einfache und gewis einem jeden Leser einleuchtende Weise thun, denn dieser Hauptinhalt besteht jedenfalls, wie bereits gesagt, in einer Belehrung über die Gemeinschaft der Christen mit Christo und zwar in einer Gemeinschaft Seines Todes und Seiner Auferstehung. – Die Gemeinschaft des Todes leuchtet aus Worten, wie die nächstfolgenden sind, unverkennbar in die Augen. „Wir sind mit ihm gepflanzet zu gleichem Tode,“ heißt es Vers 5,| Vers 8, „wir sind mit Christo gestorben,“ Vers 4, „wir sind mit Christo begraben.“ Wir könnten aus dem 6. Verse noch nachholen, „unser alter Mensch ist mit Christo gekreuzigt,“ wenn nicht gerade dieser Vers etwas spezieller als die andern gefaßt wäre, sich zu ihnen nicht schon wie eine Erklärung verhielte. Sind wir nun aber mit Christo gekreuzigt, zu gleichem Tode gepflanzt, gestorben und begraben, so ist das gewis eine Gemeinschaft Seines Todes und wir haben ein Recht, von einer Epistel, deren Hälfte diese Gedanken verfolgt, zu sagen, sie handelt von der Gemeinschaft des Todes. Dasselbe Recht haben wir aber auch, zu sagen, sie handelt von der Gemeinschaft der Auferstehung. Lesen wir doch: „Sind wir mit Christo gepflanzet zu gleichem Tode, so werden wir auch der Auferstehung gleich sein,“ Vers 5. „Wir sind mit Ihm begraben in den Tod, auf daß, wie Christus auferstanden ist von den Todten durch die Herrlichkeit des Vaters, also auch wir sollen in einem neuen Leben wandeln,“ Vers 4. „Sind wir mit Christo gestorben, so glauben wir, daß wir auch mit Ihm leben werden.“ In allen diesen Stellen, deren Sinn sich über die ganze Epistel ausdehnt, ist von einer Gemeinschaft mit der Auferstehung Christi nicht weniger die Rede, als in den zuerst genannten von einer Gemeinschaft mit dem Tode des HErrn. – Sehen wir nun zuerst auf die Gemeinschaft mit dem Tode Christi, so finden wir über diesen die schon oben angedeutete genauer bestimmende Stelle: „Unser alter Mensch ist mit Ihm gekreuzigt, auf daß der Leib der Sünde aufhöre, daß wir nicht weiter mehr der Sünde dienen“. Also unser alter Mensch ist mit Christo gekreuzigt, das heißt, wir, sowie wir vom Mutterleibe gekommen und geblieben sind, bis eine andere Macht in uns kam und Neues in uns schuf, wir nach unserer alten Natur sind mit Christo gekreuzigt, gestorben, begraben. Nun ist es aber am Tage, daß unsere Kreuzigung zu der Zeit muß vorgegangen sein, da Christus gekreuzigt wurde, an dem Ort, wo es Ihm geschah, also zu einer Zeit, wo wir noch nicht lebten, an einem Orte, wo wir nie gewesen, in einer Weise, die nicht natürlich zu faßen ist, so daß also kein Zweifel sein kann, daß es hier mit eitel Wundern, in lauter Stellvertretung ohne all unser Zuthun, ohne all unser Verdienst hergegangen ist. Wir sind gekreuzigt worden, da wir es nicht wußten, nicht wißen konnten, weil wir nicht einmal lebten. Der HErr hat unserm Tod gefüget, daß er an Einem geschehe anstatt aller und allen zugerechnet werde, denen er zugerechnet werden kann. Denn vermeint ist er zwar allen, aber ein Eigentum wird er nicht allen, sondern nur denjenigen, die das Anerbieten der Zurechnung annehmen, mit dem wunderbaren Gedanken sich befaßen und in die ebenso historische als übernatürliche Wahrheit sich gläubig mögen versenken und versenken laßen. Ich möchte wißen, meine lieben Brüder, wie man die Reden und Ausdrücke Pauli anders als von einem stellvertretenden Tode JEsu Christi faßen könnte, wie man dem Gedanken der Stellvertretung entfliehen und den vollen Ernst und die große Wahrheit unserer Kreuzigung, unseres Todes und Begräbnisses mit JEsu Christo anders faßen könnte, als in dem großen Sinne des himmel- und erdeberühmten Wörtchens für uns. Ich bin des Todes werth, aber der Tod, der mein wartet, ist einer, deß ich nie ersterben könnte, wenn ich ihn selbst erleiden müßte, von welchem es auch für mich keinen Uebergang zu einer Auferstehung geben könnte, wenn ich selber in sein Grab und seine Finsternis steigen müßte. Weil es nun dem heiligen Gotte eben so gerechter Ernst ist mit meiner Bestrafung, als mit meiner Errettung, mit meinem Tode als mit meinem Leben und umgekehrt, so geht an meiner Statt ein anderer in den Tod hinein, der ihn besiegen kann und stiftet für mich und alle meinesgleichen eine Errettung zum ewigen Leben, an dem wir ohne Sein heiliges Bemühen für immer und ewig hätten verzweifeln müßen. So sind wir dann der Wirkung nach mit Christo gestraft und gekreuzigt, getödtet und ins Grab gelegt, es ist uns in ihm unser Recht geschehen, und da wir geboren wurden, lag bereits an unserer Wiege das blutige für uns hoffnungsreiche Verdienst unseres HErrn und Erlösers gleichsam nur wartend, um uns angeeignet zu werden. Wir, erklärte Kinder des Todes, haben also von Mutterleibe an schon eine Hoffnung des Lebens, die sich auch desto mächtiger in allen den Worten ausspricht, welche von einem Leben mit Christo JEsu reden.
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 Sind wir mit Christo gestorben und durch die Theilnahme an Seinem Tode frei von Gottes Zorn und Strafe, so wird uns der HErr nicht halben Weges auf unserem Gang der seligsten Vereinigung stehen laßen, sondern uns fördern; auch das Leben| Christi wird auf unser Leben eine Einwirkung haben. Ist unser alter Mensch mit Christo getödtet und begraben, so muß, wie Christus Selbst durch die Herrlichkeit Seines Vaters im unsterblichen Leibe der Verklärung auferweckt ist, auch in uns ein neuer Mensch auferweckt werden aus dem Grabe JEsu. Das ist es ja nun auch, was unser Text sagt.
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 Aber hier, meine lieben Brüder, kann die doppelte Anwendung, welche unser Text von unserer Gemeinschaft am Tode und der Auferstehung JEsu Christi macht, nicht länger verschwiegen werden, da unser Text seiner ganzen Absicht nach auf die eine Anwendung, namentlich bei der Gemeinschaft der Auferstehung mehr dringt, als auf die andere. Wir sind mit Christo gestorben, wir leben mit dem Auferstandenen. Das hat eine doppelte Wahrheit, die eine für das göttliche Gericht, die andere aber für unser eigenes inneres Leben. Wir sind mit Christo gestorben, das heißt, wir sind mit Ihm gestraft, und unser Tod ist nun keine Strafe mehr, sondern der Eingang zu einem ewigen Leben auch unseres Leibes. Wir leben mit Christo, das heißt, wir werden auferstehen wie Er, sein, wo Er ist, mit Ihm leben ewiglich. Durch den Tod und die Auferstehung Christi sind also alle wohlverdienten Strafen unserer Sünden in Zeit und Ewigkeit weggenommen, und es ist Friede und Freude für uns bei Gott im Himmel. Aber es gibt auch eine innere sittliche Wirkung der großen Veränderung, welche in Anbetracht unser durch den Tod und die Auferstehung JEsu Christi eingetreten ist und gerade diese sittliche Wirkung ist es, welche in unserem Texte mächtig hervorgehoben wird. Dieser Text bildet ja im Zusammenhang des Briefes Pauli an die Römer im Grunde nur einen Beweis für die beiden ersten Verse des Kapitels. „Was sollen wir denn nun sagen? Sollen wir in der Sünde beharren, auf daß die Gnade desto mächtiger werde? Das sei ferne. Die wir der Sünde gestorben sind, wie sollen wir noch ferner in ihr leben?“ Das sind die Eingangsverse des Kapitels, an welche sich unmittelbar unser Text anschließt, der keine andere Absicht hat noch haben kann, als zu beweisen, daß wir nicht ferner sündigen können, sondern heilig leben müßen, weil wir mit Christo gestorben und auferstanden sind. Wir sind also nicht bloß mit Christo gestorben, weil Er an unserer Statt unsere Strafen und unsern Tod getragen und uns ein ewiges Leben erworben hat; sondern die Wahrheit: „Ist Einer gestorben, so sind sie alle gestorben; JEsus lebt, und wir mit Ihm“ soll uns selbst innerlich dermaßen durchdringen, daß wir keine Lust und Neigung mehr haben zur Sünde, die Ihn ans Kreuz und in das Grab gebracht, wohl aber zu einem Leben, das Seinem auferstandenen Leben ähnlich ist. Diese Wirkung des Todes und der Auferstehung JEsu ist allerdings mächtig unterschieden von der erstgenannten. Man kann sie eine Wirkung auf Erden nennen, jene aber eine Wirkung im Himmel. Man hat Ursache, die beiden Wirkungen zu unterscheiden und auseinander zu halten, so wie Himmel und Erde verschieden sind; das erfordert die Ruhe und das unangefochtene Heil unserer unsterblichen Seelen. So wie man die eine Wirkung in die andere mengt, wird uns Ziel und Weg verdunkelt und wir kommen in Gefahr. So nöthig aber die Unterscheidung ist, so nöthig ist es auch, daß beide Wirkungen vorhanden seien, und daß die Gemeinschaft des Todes und Lebens Christi sich auf Erden erweise wie im Himmel. Davon haben wir auch nach unserem Texte zu reden. Wir sind mit dem HErrn gepflanzt zu gleichem Tode, aber auch zu gleicher Auferstehung und wißen wohl, daß unser alter Mensch mit Ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde aufhöre und nicht mehr der Sünde diene. Was ist mit diesen Worten des Apostels gesagt, wenn nicht, daß aus der Gemeinschaft des Todes JEsu für uns ein innerliches Absterben für die Sünde folge und die elende Knechtschaft ein Ende nehme, die unsern Leib im Dienste der Eitelkeit und des Bösen dahin zieht und reißt und zerrt? Wir sind mit Christo gestorben, und wer gestorben ist, der ist gerechtfertigt von der Sünde. Das kann nichts anderes heißen, als, wer mit Christo gestorben ist, und in der Gemeinschaft Seines Todes steht, für deßen Sünde ist Genugthuung geschehen, er ist frei gesprochen von aller seiner Anklage, Schuld und Strafe; aber nicht blos das, sondern in seinem Herzen ist nun auch der Zwang der Sünde zu Ende und in dem Freispruch Gottes wurzelt tief der Drang und Trieb nicht mehr ein Sclave des Bösen zu sein, um welches willen der HErr hat sterben müßen und wir mit Ihm. Die Rechtfertigung Gottes, welcher die Todten frei spricht, die in Christo JEsu Todten, ist| etwas völlig anderes, als unsere innere Freiheit von der Sünde und ihrem Zwang: aber wie das Weib eine völlig andere Person ist, als der Mann und doch mit ihm verbunden; wie der Leib nicht Geist ist, und doch mit ihm eines Lebens, so ist auch unsere innere Freiheit etwas anderes, als der Freispruch Gottes und doch mit ihm verbunden, ja ohne ihn so wenig vorhanden, wie das Kind ohne Vater und Mutter, so daß man zu den bereits angeführten Gleichnissen das Dritte setzen kann: wie das Kind eine andere Person ist, als Vater und Mutter und doch mit beiden verbunden, ja von ihnen stammend, nur durch sie im Leben, so ist die Ertödtung unseres Wesens für die Sünde, unsere Freiheit von den Sclavenketten der bösen Lust rein eine Frucht jener unaussprechlichen Wohlthat unserer Rechtfertigung bei Gott im Himmel. Wer kann hier wieder neben der Scheidung die innige Verbindung verkennen, welche zwischen der Wirkung unserer Gemeinschaft mit Christo im Himmel und der auf Erden sich findet!

 Verfolgen wir aber das große Bild weiter, welches der Apostel von Tod und Leben braucht, und gehen vom Tode zur Lebenshoffnung vorwärts. „Sind wir mit Christo gestorben, so glauben wir, daß wir auch mit Ihm leben werden, die wir wohl wißen, daß Christus von den Todten auferweckt, nicht mehr stirbt, der Tod hat über Ihn keine Herrschaft mehr. Denn was Er gestorben ist, das ist Er der Sünde gestorben zu einem Male, was Er aber lebet, das lebet Er Gotte. Also auch ihr achtet euch selbst zwar als todt für die Sünde, als lebendig aber für Gott in Christo JEsu.“ Offenbar sind auch diese Worte wieder ganz im Sinne der Auferstehung und des Lebens JEsu Christi gesprochen. Er lebt, die Herrschaft des Todes über Ihn ist zu Ende, was Er nun lebt, lebt Er Gotte. Ebenso: wir leben in Christo, nachdem wir gestorben sind mit Ihm durch Sein Kreuz; nun herrscht in diesem elenden Jammerthal auf Erden über uns die Sünde so wenig, als über Christum der Tod, und ob wir gleich noch im Leibesleben sind auf Erden, so sind wir doch darin mit Ihm einig, daß wir keiner fremden Herrschaft mehr unterworfen sind, sondern daß wir Gotte allein leben und unser Leben ein Gottesdienst geworden ist. Ganz offenbar ist dieser Gedankengang des Apostels wiederum ein Beweis von der großen Wirkung unserer Gemeinschaft mit dem Tod JEsu auf unser inneres Leben. Nicht allein sind wir der Sünde getödtet, wir leben ein göttliches Leben in der Kraft und der Gemeinschaft des Antheils, den wir an Christi Tod und Leben haben. Und wenn in den zuletzt ins Auge gefaßten Stellen dies Leben auch mehr als eine Hoffnung erscheint, so schreitet doch in einem anderen Verse, den wir bis hieher aufbehalten haben, die Hoffnung bis zur völligen Gewisheit fort: „So sind wir nun begraben in den Tod, auf daß wie Christus aus den Todten auferstand durch die Herrlichkeit des Vaters, also auch wir in Erneuerung des Lebens wandeln.“ Da ist doch wahrlich nicht gemeint, daß wir in jener Welt ein neues Leben führen sollen; im Gegentheil will ja der Apostel durch Ausführung des ganzen Gedankens von der Gemeinschaft des Todes und Lebens JEsu keinen anderen Zweck erreichen, als die geliebte römische Gemeinde zu einem heiligen Leben auf Erden anzuleiten, so daß der Blick in jenes Leben zu weit vorwärts griffe und zu dem Beweise nicht diente, den der Apostel mit dem ganzen Bild und Gleichnis geben will. Daher sehen wir in unserer Stelle zwar in das Grab unseres alten Menschen, zugleich aber auch in das frische, selige und heilige Leben unseres neuen Menschen. Es wird uns auch diese Stelle jedenfalls dazu dienen, uns die rechten sittlichen Folgen unserer Gemeinschaft mit dem Tode und der Auferstehung JEsu zu zeigen. So wie allein der Glaube die Folgen dieser Gemeinschaft im Himmel faßt, so ist er auch allein der Werkmeister, der die Folgen für unser irdisches Erdenleben und unsere Heiligung zieht; Eine und dieselbe Kraft nimmt die himmlische Gnade in Empfang; Eine und dieselbe Kraft bringt die seligen Früchte unserer Heiligung; – allein der Glaube faßt die Frucht unserer Gemeinschaft, die uns im Himmel blüht, und bringt sie zum großen Frieden der Seele heim; allein der Glaube ist die Macht Gottes auf Erden, welche die Früchte unsers neuen Lebens zur Reife bringt.

 Ist es nun unläugbar, daß die Gemeinschaft, in der wir mit Christi Tod und Leben stehen, doppelte selige Folgen im Gerichte Gottes und hier auf Erden hat, so muß uns am Ende alles daran gelegen| sein, daß wir in diese Gemeinschaft kommen, oder im Falle wir schon darin sein sollten, davon eine recht gewisse und sichere Nachricht bekommen. Hiezu aber dient uns der erste Vers unserer Epistel. „Wißet ihr nicht, daß, so viel wir in Christum JEsum getauft sind, sind wir in Seinen Tod getauft?“ Da sehen wir also, daß in JEsum Christum getauft werden nichts anders heißt, als durch die Taufe mit Ihm in Gemeinschaft kommen, und daß also in Seinen Tod getauft werden auch nichts anders heißen kann, als durch die Taufe in die Gemeinschaft Seines Todes kommen, oder mit Ihm gepflanzet werden zu gleichem Tode, und eben deswegen zu gleicher Auferstehung, und zwar wie uns der übrige Inhalt unseres Textes zeigt, ebensowohl des leiblichen, als unseres geistlichen Lebens. Daraus erkennen wir also, daß uns Gott der HErr die Gemeinschaft des Todes und der Auferstehung JEsu in der Taufe schenkt, daß alle Getauften von Gottes wegen in dieser Gemeinschaft stehen, daß wir um derselben gewis zu werden, nur auf unsere Taufe schauen dürfen, daß sich unser Glaube, um die Gemeinschaft zu erlangen, nur an den Taufbrunnen hängen darf, und um sie zu genießen und zum Leben zu erziehen, sich nur die seligen Wirkungen unserer Taufe anzueignen braucht. Ist uns die Gemeinschaft mit Christo für diese und jene Welt wichtig, liegt uns am Ende alles an ihr; so muß uns auch die Taufe, in welcher die Gemeinschaft gestiftet wird, durch welche wir als Reben in den Weinstock Christus zu einer Gemeinschaft des Todes und Lebens eingepflanzt werden, von Tag zu Tage wichtiger und theurer werden. An der Taufe hält sich unser Glaube; sie ist die große That Gottes, durch welche wir mit unserem HErrn und Haupt verknüpft sind; ohne sie fehlte uns namentlich für die Zeiten der schweren Anfechtungen, die über alle Christen kommen, der sichere Grund, auf welchem unser Friede Anker schlagen kann. Hätten wir die Taufe nicht, so hätten wir zwar allerdings das Wort, aber das Wort lockt zur Taufe, predigt von der Taufe, rühmt ihre Schätze, macht aber eben damit gewis die große Gottesthat nicht überflüßig, die Taufe selbst, durch welche wir Gewisheit und Ueberzeugung bekommen, daß auch wir alles Gotteswort uns zueignen und in all die Gemeinschaft Gottes und Seines Sohnes eintreten dürfen und sollen, von der es predigt.
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 Von der Taufe beginnt unser Text, mit dem Ruhm und Preis der Taufe schließt die Predigt. Wie viele sehnen sich nach der Gemeinschaft mit Christo und wißen nicht, daß sie dieselbe bereits besitzen, seitdem sie getauft sind. Wie viele rühmen und preisen die Gemeinschaft des Todes und der Auferstehung Christi als ihnen entzogene, weit entrückte Güter eines fernen unbekannten Landes, während sie längst ermächtigt sind, ja von den kindlichen Tagen her, an ihrer Taufe diese doppelte Gemeinschaft zu genießen. Ach wie viele suchen nach der hohen Gnade, ohne der Gnadenmittel zu achten, die wie der Bach am Lebenswege verheißend und einladend ihre Waßer allenthalben ausgießen und Leben und Seligkeit so leicht machen. Wie oft klagt ein Freund dem andern, daß er zur Gewisheit seiner Gemeinschaft mit Christo nicht gelangen könne, während doch die Siegel der Gemeinschaft an Seinen Armen klingend hängen, und das Gedächtnis und Zeugnis der längst empfangenen Taufe die Seele in den stillen Frieden und in die lebensvolle Regsamkeit der Gemeinschaft mit Christo einführen könnte, dazu den Glauben stärken und wecken, Dank und Liebe zu Dem hervorrufen, der ohne Geräusch, aber doch sehr kenntlich die Seinen durch Seine Gnadenmittel dem seligsten Ziele entgegen führt. Gewis ist es großer Schade je und je für die Kirche gewesen, daß man neben der Belehrung und Predigt von den Gütern des Heils die Mittel des Heils nicht genug hervorhob, und eben damit den sicheren einfachen Weg nicht zeigte zu dem Glücke, welches man aller Welt gönnte und predigte. Möchte ich unter Euch diese Schuld nicht tragen, möchte ich allezeit nicht minder von der Gemeinschaft Christi reden, als von den seligen Gnadenmitteln, die zu ihr fördern. Auch heute sei am Schluß ein Posaunenstoß gethan, der Eure Gedanken zu Eurer Taufe versammelt. Steigt im Geist hinab zum Taufbrunnen: da in diesem sprudelnden Waßer soll Euer alter Adam sterben. Da sinkt er unter, wie der Leichnam beim Begräbnis in die Erde. Daraus hervor aber hebt sich auch ein neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Reinigkeit vor Gott ewig lebt. Tod und Leben folgen hier einander, hier wird| man wie das Samenkorn, wie Christus, mit Christo in die Erde gelegt, um zu ersterben; hier wächst man aber auch mit Ihm hervor, mit Ihm von Gottes Hand gepflanzt zu gleicher Auferstehung des Lebens. Hier ist der Quell, der Bach, an dem die immergrünen Bäume wachsen, deren Blätter nicht fallen, deren immer neue Früchte unaufhaltsam reifen. Hier ist alles geistlichen, wahren Lebens, ja alles ewigen Lebens Anfang und Ursprung. Selig ist wer glaubet und getauft wird. Ewig wohl allen gläubigen Täuflingen JEsu. Wohl auch Euch allen, die ihr getauft seid und mir, wenn wir in gläubiger Bekehrung unserer Taufe Gnade faßen und in den Garten unseres Lebens die Waßer leiten, aus denen wir wiedergeboren sind. Der HErr unseres Bundes und unserer Gemeinschaft sei uns gnädig und helfe uns, Er wecke in uns die Kraft unserer Taufe, den Glauben unserer Taufe und alle die selige Gemeinschaft des Todes und Lebens Christi, die sie stiftet. Amen.




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