Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Nero Germanicus, Ti. = Ti. Claudius Caesar Augustus Germanicus, Kaiser 41-54 n. Chr.
Band III,2 (1899) S. 27782839
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256) Ti. Claudius Nero Germanicus = Ti. Claudius Caesar Augustus Germanicus, römischer Kaiser vom 25. Januar 41 bis zum 13. October 54 n. Chr.

I. Quellen. a) Eigene Aufzeichnungen. C. verfasste eine Selbstbiographie (de vita sua) in acht Büchern (Suet. Cl. 41); sie dürfte dem Sueton bei der Abfassung der Vita divi Claudii [2779] vorgelegen haben und das Citat c. 2 (ipse quodam libello conqueritur) aus ihr entnommen sein. Vgl. Abschnitt VI.

b) Reden. Auf einer bei Lyon gefundenen, ursprünglich bei der Ara Romae et Augusti aufgestellten Erztafel, die allerdings nur fragmentarisch erhalten ist, ist mit vergoldeten Buchstaben die Rede verzeichnet, die C. im J. 48 n. Chr. im Senate hielt, um die Erteilung des ius honorum an den gallischen Adel zu erwirken (CIL XIII 1668 = Dessau 212; die sonstigen Ausgaben sind im CIL a. a. O. verzeichnet, zu erwähnen namentlich die im Anhang von Nipperdey-Andresens commentierter Ausgabe von Tacitus Annalen; vgl. übrigens Abschnitt VI). Tacitus hat diese Rede in sein Geschichtswerk (ann. XI 24) aufgenommen, dem Inhalt nach im allgemeinen übereinstimmend, in der Form seiner eigenen Darstellungsart angepasst (vgl. Peter Geschichtl. Litteratur über die röm. Kaiserzeit, Lpzg. 1897, II 300f.). Der Gedankengang einiger Reden des C. findet sich bei Tac. ann. XI 15. XII 11. 22. 61. Suet. Cl. 24. 25. 38. Dio LX 11, 7 wiedergegeben (vgl. auch Dio LX 3, 5. 5, 5); den Inhalt eines Briefes, den er an den König der Aorser, Eunones, schrieb, teilt Tac. ann. XII 20 mit.

c) Erlasse und Verordnungen. Edict vom 15. März 46 über das Bürgerrecht der Anauni, Tulliasses und Sinduni (CIL V 5050 = Dessau 206); Edict vom J. 49/50 über den cursus publicus (nur der Anfang erhalten, CIL III 7251 = Dessau 214); drei Erlasse, Angelegenheiten der Juden betreffend, aus den J. 41, 42 und 45 (Joseph. ant. XIX 280–285. 287–291. XX 11–14); Anfang eines Edictes aus dem J. 45 oder 46 (Le Bas Inscr. de Morée 250 nr. 74). In der juristischen Litteratur werden Verordnungen des C. erwähnt Dig. XL 8, 2 (= Cod. Iust. VII 6, 3, s. u. zum J. 47) und Dig. XXXVIII 14, 5 (s. u. Abschnitt IV c γ). Von Senatsbeschlüssen aus der Zeit des C. ist einer inschriftlich erhalten (CIL X 1401, s. u. zum J. 44).

d) Inschriften. Vgl. die Indices des CIL und die sorgfältige Zusammenstellung bei Ruggiero Diz. epigr. II 295ff. Die wichtigsten lateinischen Inschriften finden sich bei Dessau Inscr. lat. sel. I 198–223; ausserdem zu beachten: die Acta fratrum Arvalium CIL VI 2031–2036; Add. 32348–32351 und ein Militärdiplom vom 11. December 52 für die Mannschaft der Flotte von Misenum (CIL III p. 844 dipl. I = X 769).

e) Münzen, gesammelt bei Eckhel VI 233–259. Cohen Descr. hist. des monnaies I² 249–264 nr. 1–149 (im folgenden nur nach der Nummer citiert). 264–274; die alexandrinischen bei Mionnet I 54–61; Suppl. IX 30. 31. Greek coins in the Brit. Mus., Alexandria p. 9–13; vgl. v. Sallet Daten der alex. Kaisermünzen Berlin 1870, 18f.

f) Papyri: Griech. Urkunden aus d. königl. Mus. Berlin I nr. 37. 297. II nr. 584; namentlich interessant der leider nur sehr fragmentarisch erhaltene Bericht über einen Process, der wohl im J. 41 zwischen Alexandrinern und Juden vor dem Kaiser C. geführt wurde (a. a. O. II nr. 511. Reinach Revue des Étud. Juives XXXI 1895, 161ff. Wilcken Herm. XXX 1895, 485ff. Berl. phil. [2780] Wochenschr. 1896, 1617ff. 1897, 410, vgl. Schürer Theol. Litt. Ztg. 1896, 281ff.). Corpus papyrorum Raineri I 20 nr. 4. Grenfell-Hunt Oxyrhynchus papyri I nr. 35. 37–39. Grenfell-Hunt Greek papyri, series II nr. 41.

g) Alte Litteratur. Die Geschichte des Kaisers C. liegt uns in der Bearbeitung dreier Historiker vor: des Sueton, Tacitus und Dio. Suetons Vita divi Claudii (im folgenden nur Suet. citiert) beruht auf einer reichen, teilweise urkundlichen, aber wenig gesichteten Litteratur (commentierte Ausgabe von Smilda, s. u.). Von Tacitus Darstellung in seinen Annalen (im folgenden einfach Tac. citiert) ist die Geschichte der ersten sechs Regierungsjahre des C. nicht auf uns gekommen; die Ereignisse der Jahre (Mitte) 47–54 sind im elften, am Anfang verstümmelten, und im zwölften Buche mit gewohnter Kunst und mit Verwertung eines umfangreichen Quellenmaterials, namentlich der Senatsacten, erzählt (Ausgabe mit Commentar von Nipperdey-Andresen II⁵ 1892). Endlich von Dio Cassius grosser römischer Geschichte behandelte das 60. Buch (oder, nach Gutschmids und Boissevains Einteilung, das 60. und ein Teil des 61. Buches) die Regierung des C.; im Original erhalten ist nur die Geschichte der J. 41–46; die folgende Erzählung besitzen wir allein in den Excerpten des Xiphilinus und Zonaras, die einander ergänzen. Über das Verhältnis des Tacitus, Sueton und Dio zueinander zu handeln, ist hier nicht der Ort (vgl. darüber Lehmann Claudius 29ff. Clason Tacitus und Sueton, Breslau 1870, 47ff. Sickel De font. a Cassio Dione .. adhibitis, Gött. 1876. Fabia Les sources de Tac. dans les hist. et les ann., Paris 1893). Wo sie übereinstimmen, wird man, obwohl Dio jedenfalls auch Tacitus vor sich hatte, weniger Abhängigkeit des einen vom anderen als Benützung gleicher Quellen annehmen dürfen. Als letztere sind wohl irgendwelche von den Historikern anzusehen, die kurz nach C.s Tode die Geschichte seiner Herrschaft schrieben: Aufidius Bassus, Servilius Nonianus, Cluvius Rufus, Fabius Rusticus, der ältere Plinius oder andere, deren Namen wir nicht kennen. Auch aus den Memoiren des C. selbst und der Agrippina, aus den Kriegsberichten der Feldherren wie des Suetonius Paulinus und Domitius Corbulo, aus der Staatszeitung, aus Lob- und Schmähschriften wird manches in die Werke der drei Geschichtschreiber übergegangen sein.

Beachtenswert sind die Nachrichten, die sich in der Archaeologie und im Jüdischen Krieg des Josephus über die Zeit des C. finden, namentlich die Darstellung seiner Erhebung, die vielleicht auf die Historien des Cluvius Rufus zurückgeht (Mommsen Herm. IV 1869, 322). Die späteren Geschichtschreiber (Eutrop, Aurelius Victor [Caes. und Epit.], Orosius, Zosimus u. s. w.) bieten nichts Originales.

Von nichthistorischen Schriften ist vor allem die Divi Claudii ἀποκολοκύντωσις zu erwähnen, eine Menippeische Satire auf C.s Consecration, die dem Seneca zugeschrieben wird. Sie ist unmittelbar nach dem Tode des C. verfasst und daher namentlich als zeitgenössisches Document von Wert (commentierte Ausgabe von Bücheler Symbola philol. Bonn. 1867, 31ff). Als Gegenstück dazu mag Senecas Trostschrift an Polybios [2781] dienen, die offenbar bestimmt war, dem C. zu Augen zu kommen. In Frontins Buch de aquis urbis Romae finden sich genaue Angaben über hydrotechnischen Arbeiten dieser Zeit. Was sonst an Notizen über C. bei Schriftstellern und Dichtern verstreut ist, wird im folgenden an den betreffenden Stellen angeführt.

h) Neue Litteratur. H. Lehmann Claudius und Nero und ihre Zeit. I. Bd. Claudius und seine Zeit, Gotha 1858. de Vit Onomasticon II 1868, 322f. Duruy Hist. des Romains III (Paris 1871) 509ff. Lucien Double L’empereur Claude, Paris 1876 (mir nicht zugänglich, doch vgl. Jahresber. XV 1878, 502). Herm. Schiller Gesch. d. röm. Kaiserzeit I 314–344. Ranke Weltgeschichte III 94ff. Mommsen Röm. Geschichte V. Adalb. Ziegler Die polit. Seite der Regierung d. Kaisers Claudius, Pr. d. Gymn. zu Kremsmünster, Linz 1879–1882. 1884. 1885. Ernst Herzog Geschichte u. System d. röm. Staatsverfassung II 264ff. E. Ferrero bei Ruggiero Dizionario epigraf. II 290–303. C. Suetoni Tranquilli vita divi Claudii, commentario instruxit H. Smilda, Diss. Groningen 1896. J. Asbach Röm. Kaisertum und Verfassung bis auf Traian, Köln 1896. Niese Abriss d. röm. Geschichte² (Handb. d. kl. Altertumswiss. III 5) 1897. E. Klebs Prosopogr. I 388 nr. 752 (nur das Leben vor der Thronbesteigung).

II. Leben vor dem Regierungsantritt. a) Abstammung. C. gehörte von Vaters Seite dem uralt patricischen Hause der Claudier an (Tac. XI 24. XIII 3), während seine Mutter dem vornehmen Plebeiergeschlechte der Antonier entstammte. Er war der Sohn des Nero Claudius Drusus Nr. 139 (CIL XIII 1668 = Dessau 212. V 8002. 8003 und zahlreiche Inschriften, auf denen der Kaiser Drusi f(ilius) genannt wird. Suet. 1. Dio LV 27, 3. LX 2, 1 = Zon. XI 8 p. 24 Dind. Senec. cons. ad Pol. 15. 5. Eutrop. VII 13. Epit. de Caes. 4, 1, vgl. o. Nr. 139) und der Antonia minor (CIL VI 921. X 1417 = Dessau 222. 150. Joseph. ant. XVIII 164. Suet. 1. 3. Plut. Ant. 87. Dio LX 2, 5. 5, 1. LXVI 14, 1. Zonar. XI 8 p. 24 Dind.), der jüngeren Tochter des Triumvirn Antonius und der Octavia, der Schwester des Augustus (s. Bd. I S. 2640 Nr. 114). Daher war M. Antonius C.s Grossvater (Senec. cons. ad Pol. 16, 1. Suet. 11), Augustus sein Grossoheim (divus Aug[ustus av]onc[ulus] meus CIL XIII 1668. Senec. cons. ad Pol. 15, 4; apocol. 9. 11. Suet. 3) mütterlicherseits, Livia, die Gattin des Augustus, seine Grossmutter (Senec. apocol. 9. Suet. 3. 4. 11. Dio LX 2, 5. 5, 2. Zonar. XI 8 p. 24 Dind.), Kaiser Tiberius sein Oheim (CIL XIII 1668. V 5050 = Dessau 206. Senec. cons. ad Pol. 15, 5) von Vaters Seite. Von seinen Geschwistern waren diejenigen, die das Kindesalter überlebten, Germanicus (geboren 739 = 15 v. Chr.) und Livia Iulia, älter als C. (Suet. 1). Als kaiserlicher Prinz ist C. immer angesehen worden (vgl. CIL V 6416. VI 4338. 4340. 4345. Tac. I 54. III 18)

b) Name. Der ursprüngliche Name, der dem C. gegeben wurde, war Ti. Claudius Drusus (Suet. 2). Als der Senat nach dem Tode seines Vaters (745 = 9 v. Chr.) diesem und seiner Nachkommenschaft den Beinamen Germanicus decretierte (Suet. 1. Dio LV 2, 3 s. o. S. 2716), bekam [2782] wohl auch C. dieses Cognomen. Im J. 4 n. Chr. wurde jedoch sein älterer Bruder, der ursprünglich Ti. Claudius Nero geheissen haben dürfte, von Tiberius adoptiert und trat damit in das julische Geschlecht über; C. vertauschte nun sein Cognomen Drusus mit dem seines Bruders, Nero, dem angestammten Beinamen dieses Zweiges der Claudier (so dürfte vielleicht trotz sprachlicher Schwierigkeit Suet. 2 zu verstehen sein, vgl. Dio LV 2, 3; abweichend Mommsen Herm. XIII 1878, 262; St.-R. III 213, 3. Smilda zu Suet. 2, deren Annahme, dass der Siegerbeiname nur auf den ältesten Sohn überging, durch das Beispiel der Lentuli Gaetulici widerlegt wird). Sein Name lautete fortan: Ti. Claudius Drusi Germanici f(ilius) Nero Germanicus und ist in folgenden Formen überliefert: Ti. Claudius Drusi Germamici f. Nero Germanicus (CIL III 381. V 24. 6416 = Dessau 198. 107); Ti. Claudius Drus[i f.] Germanicus (CIL VI 4376); Ti. Claudius Nero Germanicus (CIL X 6561. I² p. 71 Fasti Arvalium. Dio LX 2 = Zonar. XI 8); Ti. Claudius Nero (Dio LV 27); Ti. Claudius Germanicus (CIL I² p. 240 Fasti Vallenses. III 321. VI 4334. 4348. 8662. 8740. 14909); Ti. Germanicus (CIL VI 4338. 4340. 4345. 4346. 4356. 4359. 4362. 4363); Germanicus (CIL VI 4362. Joseph. ant. XIX 217); Tiberius (Suet. 4 in Briefen des Augustus. CIL XII 1026 s. u. S. 2783); Claudius (Suet. 3, Ausspruch seiner Mutter Antonia).

c) Leben. C. wurde am 1. August des J. 744 = 10 v. Chr. zu Lugudunum geboren (Geburtstag: CIL I² p. 240 Fasti Vallenses, p. 248 Fasti Antiates. Suet. 2. Dio LX 5, 3. Zonar. XI 11 p. 35 Dind.; Geburtsjahr: Suet. 2. 10. 45. Sen. apocol. 3. Dio LIX 6, 6. LX 2, 1. 34, 3. Eutrop. VII 13. Epit. de Caes. 4, 11. Zonar. XI 8 p. 24. 11 p. 35 Dind. Philostr. v. Apoll. I p. 185 Kayser; Geburtsort: Suet. 2. Sen. apocol. 6; unrichtig scheint die Angabe Suetons zu sein: Claudius natus est .. eo ipso die quo primum ara ibi Augusto dedicata est, Cl. 2, vgl. Hirschfeld CIL XIII p. 227). Ein Jahr nach C.s Geburt starb sein Vater (s. o. S. 2715). Von Kindheit an wurde er von verschiedenen hartnäckigen Krankheiten heimgesucht, die Leib und Geist gleichermassen schwächten (Suet. 2. Dio LX 2, 1. 4 = Zonar. XI 8 p. 24 Dind. = Suid. s. Κλαύδιος. Sen. apocol. 6), zwar, als er zum Manne erwachsen war, verschwanden, aber tiefe und unvertilgbare Spuren an Seele und Leib zurückliessen (s. Abschnitt V). Begreiflicherweise war an dem Hof des weisesten Herrschers und der klügsten Frauen kein Platz für dieses immer kränkliche, geistig zurückgebliebene, armselige junge Geschöpf. Seine Existenz wurde von der kaiserlichen Familie offenbar als Last empfunden, und gerade er, der aufmerksamster Pflege bedurft hätte, ward gänzlich vernachlässigt und der Aufsicht eines ehemaligen Stallmeisters unterstellt, der ihn, wie er selbst später klagte, mit rauher Strenge behandelte (Suet. 2). So wuchs C., von allen zurückgesetzt, unfreundlich und lieblos behandelt, in steter Angst heran (Dio LX 2, 4 = Zonar. XI 8 p. 24 Dind. = Suid. s. Κλαύδιος), der Gesellschaft von Leuten geringer Qualität (Sulpicius und Athenodoros nennt Augustus bei Suet. 4), hauptsächlich Freigelassenen (Dio LX 2, 5 = Zonar. XI 8), überlassen, [2783] die natürlich nichts weniger als günstigen Einfluss auf die Bildung seines Charakters ausüben konnten. Immerhin wurde ihm jedoch der junge jüdische Prinz Herodes Agrippa als Gefährte zugesellt (Joseph. ant. XVIII 165), und den wissenschaftlichen, namentlich historischen Studien, denen er sein ganzes Leben hindurch treu blieb, hat sich C. bereits in der Jugend zugewendet (Suet. 3. 4. Dio LX 2, 2 = Zonar. XI 8 p. 24 Dind.; vgl. Abschnitt V und VI). Doch auch diese ernsten Bestrebungen vermochten nicht, ihm Ansehen in seiner Familie zu verschaffen (Suet. 3). Seine eigene Mutter Antonia nannte ihn herzlos ein ‚Missgebilde, von der Natur nur angefangen, nicht vollendet; seine Grossmutter Livia verkehrte mit ihm fast nur durch kurze strenge Handschreiben; auch seine Schwester missachtete ihn (Suet. 3). Wie es scheint, der einzige, der es wenigstens versuchte, ihn aus seiner Vereinsamung herauszuziehen, seine guten Eigenschaften zu fordern, war Augustus selbst (vgl. seine Briefe an Livia, Suet. 4; der erste derselben dürfte, wie Smilda z. St. wahrscheinlich macht, im J. 12 n. Chr. geschrieben sein). Aber er vermied es, seinen Grossneffen in die Öffentlichkeit einzuführen, weil er nicht mochte, dass ein Mitglied des Kaiserhause zum Gegenstand des Spottes werde, was doch bei C. zu fürchten war (Suet. 4). Daher liess er ihn zwar im J. 6 n. Chr. in Gemeinschaft mit seinem Bruder Germanicus Gladiatorenspiele zu Ehren ihres Vaters Drusus veranstalten (Dio LV 27, 3), aber er durfte sich nur mit einer Kapuze verhüllt zeigen (Suet. 2). Als er die Toga virilis erhielt (vielleicht kurze Zeit vor diesen Spielen), wurde die Ceremonie ohne jede Feierlichkeit um Mitternacht vollzogen (Suet. 2). Auf dem Bogen, der im J. 7/8 n. Chr. in Pavia dem kaiserlichen Hause errichtet wurde, fand auch die Statue des C. ihren Platz, allerdings den letzten (CIL V 6416, 10 = Dessau 107, vgl. Mommsen Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1850, 313ff.). Nach diesem Jahre (s. Mommsen a. a. O.) liess ihn Augustus in das Priestercolleg der Augurn aufnehmen (Suet. 4. CIL III 381. V 24 = Dessau 198. Münze: Cohen nr. 69); aber von den Vorstufen der öffentlichen Laufbahn hielt er ihn ängstlich ferne, während doch gleichzeitig C.s älterer Bruder Germanicus diese mit glänzendem Erfolg beschritt (vgl. Suet. 4 und Smilda z. St.). In seinem Testamente setzte ihn Augustus erst in dritter Linie zum Erben ein und bedachte ihn mit einem Legat von 800 000 Sesterzen (Suet. 4, vgl. Aug. 101). Nach der Thronbesteigung des Tiberius (14 n. Chr.) begann man dem jetzt 23jährigen Neffen des neuen Kaisers auch in der Öffentlichkeit grössere Aufmerksamkeit zu schenken. Er wurde noch im J. 14 vom Senate in das neugegründete Collegium der Sodales Augustales gewählt (Tac. I 54. Suet. 6. CIL III 381. V 24); später, vielleicht jedoch erst unter Caligula, erlangte er noch das Priestertum der Sodales Titii (CIL III 381. V 24). Der Ritterstand, dem er selbst noch angehörte (vgl. Suet. Cal. 15. Dio LIX 6, 6), wählte ihn zweimal, in den Jahren 14 und 31, zu seinem Patron und Sprecher den Consuln gegenüber und erwies ihm öffentlich seine Ehrerbietung (Suet. 6). Als sein Bruder Germanicus starb [2784] (19 n. Chr.), zollte ihm auch C. die letzten Ehren (Tac. III 2. 3. Sen. consol. ad Pol. 16, 3 im J. 20) und wurde, allerdings erst nachträglich, unter den Mitgliedern des Kaiserhauses genannt, denen der Senat für die Bestrafung von Germanicus Feinden dankte (Tac. III 18). Der mächtige Günstling des Tiberius, Seian, setzte es durch, dass im selben Jahre seine Tochter und des C. Sohn einander zu künftigem Ehebunde bestimmt wurden (Tac. III 29). Aber C.s Wunsch, auch im Staatsleben eine Rolle zu spielen, wurde von Tiberius nicht erfüllt. Er liess ihm zwar vom Senate die ornamenta consularia verleihen (Suet. 5), vereitelte jedoch den Senatsbeschluss, dass C. das Recht haben solle, sein Votum unter den Consularen abzugeben (Suet. 6), womit zugleich dessen Aufnahme in den Senat verbunden gewesen wäre, und seines Neffen dringendes Ansuchen um Staatsämter beantwortete er mit einem Handschreiben von verletzendem Hohn (Suet. 5). Da liess C. die Hoffnung, die politische Laufbahn einschlagen zu können, fallen und verbrachte die übrige Regierungszeit des Tiberius in Zurückgezogenheit auf seinen Landgütern bei Rom oder in Campanien (Pompei: Suet. 27), umgeben von verächtlichen Individuen (Iulius Paelignus Tac. XII 49; P. Petronius Sen. apocol. 14), dem Trunk (vgl. Suet. 40) und Würfelspiel ergeben (Suet. 5) und dennoch auch der Beschäftigung mit der Wissenschaft keineswegs entfremdet (vgl. Tac. VI 46. Joseph. ant. XIX 213). So blieb er auch unberührt von den tragischen Geschicken, die die kaiserliche Familie heimsuchten (Aur. Vict. 3, 17). Im Testamente vermachte ihm Tiberius ein Legat von zwei Millionen Sesterzen und empfahl ihn ausdrücklich dem Heere, dem Senat und dem Volke (Suet 6).

Die Herrschaft ging nun an Gaius Caesar (Caligula) über, den Sohn von C.s Bruder Germanicus (37 n. Chr.). C. begrüsste ihn im Namen des Ritterstandes als Kaiser (Dio LIX 6, 6) und gelangte jetzt, allerdings bereits 46 Jahre alt, zu dem langersehnten Ziel: Caligula erhob ihn zum Collegen im Consulat für die Zeit vom 1. Juli bis 12. September des Jahres 37 (Suet. 7. 9; Cal. 15. 17. Dio LIX 6, 5. 6. 7. 9. LX 2, 1. Zonar. XI 5 p. 15 Dind. CIL I² p. 71 Fasti Arvalium. III 381. V 24; vgl. Asbach Rh. Mus. XXXV 1880, 177). C. führte öfter den Vorsitz bei den Spielen, wobei ihn das Volk durch Heilrufe ehrte (Suet. 7), und wurde auch in den Provinzen durch Errichtung von Statuen ausgezeichnet (CIL III 381 Alexandria Troas. V 24 = Dessau 198 Pola). Doch mit dem Momente, da Caligulas Regierung zu einer tollen Willkürherrschaft ausartete, änderte sich auch das Verhältnis des Kaisers zu seinem Oheim namentlich seitdem ihn der Senat mit anderen im J. 39 zu Caligula, der damals am Rheine weilte, sandte, um diesem zur Unterdrückung der Verschwörung des Lepidus und Gaetulicus Glück zu wünschen (vielleicht auf der Reise dahin hat C. in schuldiger Devotion der vergötterten Schwester Caligulas, Drusilla, eine Statue in Gallien errichtet, CIL XII 1026 = Dessau 195, vgl. Hirschfeld Wiener Studien III 1881, 266f.); Caligula sah die Sendung des Oheims als eine Bevormundung seiner selbst und als Übertretung des Verbotes, [2785] seinen Verwandten Ehrungen zu erweisen (Dio LIX 22, 9), an und liess C. sofort und auch nachher seinen Unwillen fühlen (Suet. 9. Dio LIX 23, 2. 5). C. wurde fortan immer als letzter unter den Consularen um sein Votum gefragt (Suet. 9); er war wiederholt Gefahren ausgesetzt (Suet. 9. Joseph. ant. XIX 13. 66–69. 221. 230); die Ehre, Priester des Iuppiter Latiaris, unter welchem Namen Caligula sich selbst verehren liess (vgl. Suet. Cal. 22), zu werden, musste er mit acht Millionen Sesterzen bezahlen und geriet dadurch in solche finanzielle Bedrängnis, dass seine Güter öffentlich feilgeboten wurden (Suet. 9. Dio LIX 28, 5, vgl. Smilda zu Suet. 9). Endlich musste er für Caligula und dessen Hof die komische Figur abgeben; ihn durch rohe Spässe quälen und narren zu lassen, bildete die grösste Belustigung für den Kaiser (Suet. 8; Cal. 23; Nero 6. Sen. apocol. 15). Das Beispiel des Herrschers hatte zur Folge, dass man es auch sonst an der ihm schuldigen Ehrerbietung fehlen liess (Suet. 38. Dio LX 3, 7). C. liess diese unwürdige Behandlung ruhig über sich ergehen, nicht aus vorschauender Berechnung, wie er später vorgab (Suet. 38. Dio LIX 2, 4. 23, 5. Zonar. XI 8 p. 24 Dind. Suid. s. Κλαύδιος; hierauf beziehen sich die Legenden Constantiae Augusti und Spes Augusta, die sich häufig auf C.-Münzen finden, Cohen nr. 4ff. 85), sondern weil er eben, ohne sein Leben aufs Spiel zu setzen, gar nicht anders konnte. Er hat später, als er Kaiser war, auf seine Art durch Scheltworte gegen Caligula (vgl. CIL VI 1252. Joseph. ant. XIX 284. 285) Rache genommen für all diese Kränkungen, denen die Ermordung Caligulas am 24. Januar 41 n. Chr. ein Ende machte.

d) Familie. Noch in jugendlichem Alter wurde C. mit Aemilia Lepida, einer Urenkelin des Augustus (s. Bd. I S. 591 Nr. 169. Klebs Prosopogr. I 38 nr. 295) verlobt; doch wurde die Verlobung infolge der Verurteilung der Eltern der Braut, die im J. 8 n. Chr. erfolgte (vgl. Dessau Prosopogr. II 223 nr. 421), rückgängig gemacht. C. erwählte sich nun Livia Medullina Camilla aus dem Hause der Furii Camilli zur Braut (vgl. Medullinae Camilli f. Ti. Claudii Neronis Germanici sponsae CIL X 6561 = Dessau 199 Velitrae), verlor diese jedoch an dem für die Hochzeit bestimmten Tage durch den Tod (Suet. 26; irrig Schol. Vall. Iuv. VI 322). Hierauf heiratete er Plautia Urgulanilla, die Enkelin der Urgulania, der mächtigen Freundin Livias, die ihm (vor dem J. 20 n. Chr., s. Tac. III 29; vgl. auch Smilda zu Suet. 26) den Drusus (Nr. 138) und die Claudia (Nr. 392) gebar (Suet. 27), aber wegen Ehebruches von ihm verstossen wurde. Denselben Ausgang nahm die Ehe mit Aelia Paetina (s. Bd. I S. 539 Nr. 179), von der er sich, obwohl sie ihm (um 29 n. Chr., vgl. Smilda zu Suet. 26) die (Claudia) Antonia (s. Bd. I S. 2641 Nr. 115) geboren hatte, gerinfügiger Ärgernisse halber scheiden liess (Suet. 26. 27. Tac. XII 2. Joseph. ant. XX 150; bell. II 249). Er ging nun, vielleicht bereits unter der Regierung Caligulas, mit Valeria Messalina, der Tochter seines Verwandten Barbatus Messalla, die, wie er selbst, Grossnichte des Augustus war (Senec. apocol. 11, s. u. Nr. 423), die dritte Ehe ein (Suet. 26), aus der noch vor [2786] seiner Thronbesteigung, um das J. 40, eine Tochter (Claudia) Octavia (Nr. 428) hervorging (Suet. 27. Joseph. ant. XX 149; bell. II 249 u. s. w., vgl. Nr. 428). Von seinen Kindern lebten zur Zeit seines Regierungsantrittes nur Antonia und Octavia; Drusus und Claudia waren früh gestorben (s. Nr. 138 und 392). Von Freigelassenen des C. werden aus der Zeit vor seiner Thronbesteigung Boter (Suet. 27), Agilis und Heracla erwähnt (CIL VI 14909); Sclaven werden genannt: Joseph. ant. XIX 13. CIL III 321. VI 4334 (eques). 4338 (Germanus). 4340 (Germanus corpore custos). 4345 (decurio Germanorum). 4346. 4348. 4356. 4362. 4363. 8662. 8740.

e) Thronbesteigung. Kurz vor Caligulas Ermordung hatte sich C. in der nächsten Umgebung des Kaisers befunden, war aber dann von ihm getrennt worden. Er befand sich im Palatium, als ihn die Kunde vom Tode Caligulas erreichte. Von Angst um das eigene Leben ergriffen, verbarg er sich in einem entlegenen Orte des Palastes; hier fand ihn, angeblich durch Zufall, vielleicht jedoch gerade auf der Suche nach ihm, ein Soldat der kaiserlichen Leibwache, der Epirote Gratus, zog ihn aus seinem Verstecke hervor und wies ihn seinen Kameraden, die den Bruder des gefeierten Germanicus, den einzigen männlichen Angehörigen des Caesarenhauses, trotz seines furchtsamen Widerstrebens als Imperator begrüssten. Sie trugen ihn, ohne Widerstand zu finden, in das Praetorianerlager, wo ihm die Mannschaft den Eid der Treue schwor und dafür ein Geschenk von 15 000 Sesterzen für den Mann zugesichert erhielt. Inzwischen hatten jedoch die Consuln Cn. Sentius Saturninus und Q. Pomponius Secundus den Senat im Tempel des capitolinischen Iuppiter versammelt; die senatorische Aristokratie hielt den Moment für geeignet, um die Herrschaft des Senates wieder herzustellen; sie stützte sich auf die vier Cohortes urbanae, die Forum und Capitol besetzten und von den Consuln als Losungswort libertas erhielten. Aber eine Wiederherstellung des Adelsregimentes war doch nicht nach dem Sinne dieser Soldaten; ihr stürmisches Begehren nach einem Herrscher rief wieder Eifersucht unter den Senatoren hervor, von welchen L. Annius Vinicianus, M. Vinicius und Valerius Asiaticus als Prätendenten auftraten. Auf die Botschaften des Senates erteilte C., der, selbst völlig hülf- und haltlos, von dem klugen Judenkönig Herodes Agrippa geleitet wurde, feste und doch versöhnliche, von Agrippa inspirierte Antworten; die Senatoren selbst verzweifelten zum grossen Teile an dem Gelingen ihres so ganz unvorbereiteten Werkes, und so musste endlich den Senatstruppen die Einsicht kommen, dass von dieser Seite nichts zu erwarten sei. Am folgenden Tage (25. Januar 41) gingen sie zu C. über, und bald erschienen auch die Senatoren selbst im Lager vor diesem, der sie nach einigem Zögern auf den Rat Agrippas wohlwollend aufnahm. Noch am selben Tage erfolgte die officielle Anerkennung des Kaisers durch den Senat, der dem C. Namen und Hoheitsrechte des Herrschers übertrug. Joseph. ant. XIX 102f. 162–266 (s. o. I g); bell. Iud. II 204–214 (in den ant. öfter berichtigt). Suet. 10. 11; Cal. 60. Tac. XII 69. Dio X 1. 8, 2. 15, 1. Zon. XI 10 p. 30 [2787] aus Joseph.). XI 8 p. 23f. Dind. (aus Dio). Aur. Vict. 3, 16–20; Epit. 4, 2. Oros. VII 6, 3. Münzen: Cohen nr. 33 (℞ ex s. c. ob cives servatos). 40ff. (℞ imper[atore] recept[o]; Darstellung des Praetorianerlagers). 77ff. (℞ praetor[ianis] recept[is]).

III. Regierungszeit. a) Name und Titel. Von den ihm vom Senate übertragenen Herrschertiteln lehnte C. den eines pater patriae zunächst ab (Dio LX 3, 2) und hat das Praenomen imperator nie geführt (Suet. 12; dass es sich auf griechischen Inschriften und Münzen dennoch findet, hat natürlich nichts zu sagen). Dagegen scheint er sofort für das nächste Jahr zum Consul designiert worden zu sein (vgl. CIL XII 5493. 5586ff. Ephem. epigr. VIII 804. CIA III 458. Cohen nr. 70f.). Demgemäss lautete sein vollständiger Name und Titel unmittelbar nach dem Regierungsantritt: Ti. Claudius Drusi f(ilius) Caesar Augustus Germanicus pontifex maximus tribunicia potestate imperator consul designatus II.

Der Name selbst findet sich auf Inschriften und Münzen entweder vollständig oder in abgekürzter Form, namentlich: Ti. Claudius Caesar Augustus Germanicus, Ti. Claudius Caesar Augustus, Ti. Claudius Augustus, Ti. Claudius Caesar (vgl. Ferrero a. a. O. 295f.).

Der dies imperii des C. wird der 24. Januar 41 gewesen sein; die Jahre der tribunicia potestas zählte er dagegen gewiss vom 25. Januar 41 an, an welchem Tage die Verleihung derselben vom Senate beschlossen wurde (vgl. Mommsen St.-R. II³ 797. Herzog St.-Verf. II 264. 624). Den Imperatortitel hat C. auf Grund von Acclamationen 27mal erneuert, eine Zahl, die von den römischen Kaisern nur noch Constantin II. überschritten hat (die Zahlen der tribunicia potestas und der Imperator-Acclamationen fehlen immer auf den Kupfermünzen, manchmal auch auf Gold und Silber des C.). Den Titel proconsul hat C. nicht geführt (die Inschriften CIL II 6242 und 6324 a gehören wohl einem anderen Kaiser an).

In der vollständigen Titulatur fehlt niemals das Amt des pontifex maximus; von den sonstigen Priestertümern des Kaisers ist nur einmal der Augurat auf einer Münze genannt (Cohen nr. 69). Den Consulat bekleidete C. als Kaiser viermal: in den J. 42 (cos. II), 43 (cos. III), 47 (cos. IIII) und 51 (cos. V, s. zu den betreffenden Jahren). Die Censur übernahm er im J. 47 (s. d.) für 18 Monate, hat sie aber auch nachher noch titular geführt (im J. 49 CIL II 1438. III 6060. V 5804. VI 1231 = 31537. XIII 1037; im J. 51 III 1977; im J. 52 CIL III dipl. p. 844. VI 31283. VIII Suppl. 14727; im J. 53 II 1953; auf den Münzen wird die Censur nie genannt). Den Ehrenbeinamen eines pater patriae nahm er zwischen dem 6. und 12. Januar 42 an (CIL VI 2032 Acta Arv., vgl. Smilda zu Suet. 12), während er die Benennung pater senatus ablehnte (s. zum J. 48) und es verschmähte, den Siegerbeinamen Britannicus zu führen (s. zum J. 43). Ebensowenig wird er die ornamenta triumphalia, die ihm der Senat im J. 41 (s. d.) decretierte, je in den Titel aufgenommen haben. Von sonstigen Beinamen, die ihm gelegentlich gegeben werden, sind [di]vinus princeps parensque [publicus] (CIL VI 2034 Acta Arv.), di[vinus noster im]perator (X [2788] 1558), optumus princeps (X 1401 Senatsbeschluss), princeps optimus parensque publicus (Plin. ep. VIII 6 Senatsbeschluss) und vind(ex) lib(ertatis) (CIL III 7061) zu erwähnen. Bemerkenswert wäre schliesslich noch, dass sich in den meisten späteren Inschriften des C. die altertümliche Form Caisar findet. Vgl. Ferrero a. a. O.

b) Geschichte.
41 n. Chr.: pont. max. trib. pot. (25. Januar 41 – 25. Januar 42) imp. [imp. II (und III)] cos. desig. II.

Zur Regierung gelangt, liess C. zwar den Chaerea und einige andere von Gaius Mördern töten, verkündigte aber im übrigen völlige Amnestie für alles, was am 24. und 25. Januar gesagt oder gethan worden war (Joseph. ant. XIX 268–273. Suet. 11. Dio LX 3, 4. 5 = Zonar. XI 8 p. 25 Dind. Oros. VII 6. 4. 5). Dann wandte er sich zu Werken der Pietät gegen das Haus der Caesaren, wodurch er gleichzeitig seine Zugehörigkeit zu demselben zu manifestieren suchte; mannigfache Ehrungen erwies er dem Andenken des Augustus (Suet. 11. Plin. n. h. XXXV 94. Eckhel VI 235), seiner Grossmutter Livia, die er sogar am 17. Januar des nächsten Jahres consecrieren liess (CIL VI 2032 Acta Arv. Suet. 11. Dio LX 5, 2. Sen. apocol. 9. Eckhel VI 158; vgl. CIL VI 562 = Dessau 202), seiner Eltern (Suet. 11. Dio LX 5, 1. Cohen I² 221. 223. 254f.), des Bruders Germanicus (Suet. 11. Cohen I² 226 nr. 8–10), der Schwägerin Agrippina (Cohen I² 231 nr. 3 = Sallet Münzen und Medaillen 1898, 74 ).

Obwohl er nicht zuliess, dass der Senat die damnatio memoriae über Caligula verhängte, liess er doch dessen Statuen wegschaffen (Dio LX 4. 5 = Zon. XI 8 p. 25 Dind.) und gestattete, dass sein Name auf den meisten Inschriften eradiert wurde, später auch, dass der Senat das Kupfergeld mit dem Bilde des Gaius einschmelzen liess (Dio LX 22, 3 zum J. 43). Die Verordnungen und Steuerauflagen, die seinem Vorgänger ihren Ursprung verdankten, hob er auf mit Ausnahme derer, die einer erneuerten Prüfung standhielten (Suet. 11. Dio LX 4, 1. 5, 1; vgl. Mommsen St.-R. II³ 1130). Die von Caligula ungerechterweise Verbannten, darunter auch Agrippina und Iulia, die Schwestern desselben, wurden nach Beschlüssen des Senates zurückgerufen und erhielten ihr Vermögen wieder (Suet. 12; Nero 6. Dio LX 4, 1 = Zonar. a. a. O.; vgl. Sen. cons. ad Pol. 13, 3. Schol. Iuven. V 109. IGI 728). Was unter Tiberius und Gaius der Confiscation verfallen war, gab er den davon Betroffenen, waren diese nicht mehr am Leben, ihren Kindern zurück (Dio LX 6, 3 = Zonar. XI 8 p. 26 Dind.). Die grosse Menge der Eingekerkerten unterzog er genauen Verhören, und nur im Falle wirklicher Schuld blieb es bei der Strafe (Dio LX 4, 2 = Zonar. XI 8 p. 25 Dind.; vgl. Joseph. ant. XIX 276). Dagegen wurden die Sclaven und Freigelassenen, die unter den früheren Regierungen als Angeber gegen ihre Herren aufgetreten waren, jetzt von der Strafe ereilt; C. steckte sie entweder unter die Gladiatoren oder übergab sie ihren Herren zur Züchtigung (Dio LX 13. 2). Die Gifte, die sich in Caligulas Besitz befunden hatten, wurden in das Meer versenkt (Dio LX 4, 5 = Zonar. a. [2789] a. O. Suet. Cal. 49 = Oros. VII 5, 10), seine Papiere vernichtet (Dio LX 4, 5 = Zonar. a. a. O.), seine Helfershelfer Protogenes und Helicon hingerichtet (Dio LX 4, 5 = Zonar. a. a. O. Philo leg. ad Gaium 30).

C. selbst war, in wohlthuendem Gegensatz zu der Selbstvergötterung seines Vorgängers, massvoll und bürgerlich in seinem Auftreten und lehnte alle übertriebenen Huldigungen ab (Suet. 12. 35. Dio LX 5, 3-6 = Zonar. a. a. O.). Er verbot, ihm Neujahrsgeschenke zu spenden, sowie ihn zum Erben einzusetzen, wenn der Erblasser selbst Verwandte habe (Dio LX 6, 3 = Zonar. XI 8 p. 26 Dind.); er verschmähte es, seine Familienfeste in öffentlicher Feier zu begehen (Suet. 12. Dio LX 5, 7. 12, 5. Zonar. XI 8 p. 26. 9. p. 30 Dind.) und lehnte den Augustusnamen für Frau und Sohn (s. u.) ab (Dio LX 12, 5). Eine höchst wohlthätige Massregel war die Aufhebung der Anklage wegen Majestätsverletzung (Dio LX 3, 6. 4, 2). Der Kaiser verhiess überdies, keinen Freien der Folterung unterziehen zu lassen (Dio LX 15, 6). Als Vorbedingung der Aufnahme in den Senat erklärte er das römische Bürgerrecht schon des Urgrossvaters (Suet. 24) und kam überhaupt der hohen Körperschaft mit Ehrerbietung und Achtung entgegen (Suet. 23. Dio LX 6, 1 [= Zonar. XI 8 p. 26 Dind.]. 12, 3). Alles wies darauf hin, dass ein gemässigtes, dem Senate zum allermindesten nicht feindliches Regiment angehoben habe, Münzen mit der Umschrift Libertas Augusta verherrlichten die glückliche Wendung (Cohen nr. 47). Aber so gross auch der Umschwung war, der sich nach der Willkürherrschaft des Gaius vollzogen hatte, die Vorgänge bei C.s Erhebung hatten doch eine bemerkliche Schranke zwischen Kaiser und Senat aufgerichtet, so dass es während der ganzen Regierung des C. zu keiner ehrlichen Auseinandersetzung zwischen beiden Mächten kam. Erst am 30. Tage nach seiner Thronbesteigung erschien C. im Senate (Dio LX 3, 2 = Zonar. XI 8 p. 25 Dind.), begleitet, wie fortan immer, von den beiden Praetorianerpraefecten und von Militärtribunen (Suet. 12. Dio LX 16, 3. 23, 2). Den Soldaten wurde untersagt, die Häuser der Senatoren zur Begrüssung zu betreten (Suet. 25). Bei den Audienzen liess C. die Aufwartenden nach Waffen untersuchen (Suet. 35. Dio LX 3, 3 = Zonar. a. a. O.), und auch bei Gastmählern wachte ein Piquet speculatores über seine Sicherheit (Suet. 35. Dio LX 3, 3 = Zonar. a. a. O.).

Eine ernste Gefahr für die Stadt Rom war der drohende Mangel an Getreide, den Caligulas unsinnige Massregeln herbeigeführt hatten. Es waren nur mehr für sieben oder acht Tage Vorräte in den Magazinen; doch gelang es, die Gefahr durch uns nicht näher bekannte Massnahmen zu beseitigen (Senec. de brev. vit. 18, 5. Aurel. Vict. 4, 3; vgl. die vom Senat geschlagenen Münzen mit der Darstellung der Ceres oder eines modius, Cohen nr. 1. 2. 70. 75. [102]). Auch die Münzverhältnisse wurden neu geregelt (Münzen mit der Aufschrift p(ondus) n(ummi) r(estitutum) Cohen nr. 71. 73). Andere Verfügungen hatten den Zweck, die Unruhe zu beschwichtigen, in die das Volk der Hauptstadt durch die Ereignisse des 24. und 25. Januar geraten war und die noch einige Zeit nachzitterte (Joseph. ant. XIX 272). [2790] Die von Gaius wieder eingeführten Genossenschaften löste C. auf, schloss die Weinschenken und verbot, gekochtes Fleisch und aqua calida feilzubieten (Dio LX 6, 6. 7. Suet. 40; die Wirksamkeit dieser Verfügungen wird allerdings gering gewesen sein, vgl. Suet. 38; Nero 16. Dio LXII 14. Liebenam Zur Gesch. d. röm. Vereinswesens 1890, 33f. Waltzing Étude hist. sur les corporat. profess. I 1895, 121). Es wurden ferner Missbräuche, die bei den Pferderennen eingerissen waren, beseitigt (Dio LX 6, 4. 5) und die Veranstaltung von Gladiatorenspielen durch die Praetoren oder ‚für das Wohl des Kaisers‘ untersagt (Dio LX 5, 6). Den in grosser Menge in Rom ansässigen Juden, die nicht selten zu Unruhen Veranlassung gaben, verbot er, sich in den Synagogen zu gemeinsamem Gottesdienst zu versammeln (Dio LX 6, 6). Bereits vom Beginne seiner Regierung an äusserte sich des Kaisers Leidenschaft für das Rechtsprechen; er erneuerte damals die seit Tiberius aufgegebene Institution der kaiserlichen Beisitzer (Dio LX 4, 3. 4).

Manche von diesen zum grösseren Teil recht verständigen Massregeln, wie z. B. gerade die letzterwähnte, werden C. selbst zum Urheber haben; die meisten wird man aber doch wohl auf die Initiative der kaiserlichen Freigelassenen zurückführen können, die die Indolenz und Schwäche ihres Herrn benützten, um, wie nie sonst unter dem Principat, Kaiser und Reich nach ihrem Belieben zu leiten (vgl. Hirschfeld V.-G. I 202f. Friedländer I⁶ 90f. Herzog St.-Verf. II 264f.). Namentlich der Chef der kaiserlichen Cabinetskanzlei (ab epistulis), Narcissus, ein ohne Zweifel bedeutender Mann, darf als die Seele dieser Regierung angesehen werden (vgl. über ihn Dessau Prosopogr. II 397 nr. 18). Nächst ihm waren unter den Freigelassenen mächtig M. Antonius Pallas, a rationibus (s. o. Bd. I S. 2634 Nr. 84. Prosopogr. I 7 nr. 49), C. Iulius Callistus, a libellis (ebd. II 184 nr. 154, Polybios, a studiis (ebd. III 62 nr. 427), Harpocras (ebd. II 125 nr. 10), der verschnittene Posides (ebd. III 90 nr. 654) und Antonius Felix, der Bruder des Pallas (s. o. Bd. I S. 2616 Nr. 54. Prosopogr. I 95 nr. 659). War die Wirksamkeit dieser Freigelassenen im allgemeinen für den Staat erspriesslich, so haben sie doch auch wieder durch Habgier, Rachsucht und Intriguen einen verhängnisvollen Einfluss ausgeübt (Suet. 28. 29. Dio LX 29, 3. 34, 5. Zonar. XI 9 p. 30 Dind. [aus Dio]. Aur. Vict. epit. 4, 7. 8.

Die Gemahlin des Kaisers, Valeria Messalina, suchte ihre Machtstellung, die sich auf ihre Herrschaft über den Gatten und auf ihre Verwandtschaft mit Augustus gründete und die noch stieg, als sie dem C. am 12. Februar 41 einen Sohn Ti. Claudius Caesar Germanicus (s. Nr. 92) gebar (vgl. [Sen.] Oct. 949 partuque potens), nicht in politischer Hinsicht auszunützen, da es ihr an staatlichem Ehrgeiz fehlte. Ihr genügte es, wenn sie ungehindert der krankhaften Sinnlichkeit frönen konnte, die sie in kaum glaubliche Ausschweifungen gestürzt hat (Plin. n. h. X 172. Dio LX 14, 3. 18,1. 2. 31, 1. Aurel. Vict. 4, 5–9; epit. 4. 5. Iuven. VI 115–132, vgl. Dessau Prosopogr. III 380 nr. 161). Doch konnte sich ihre Macht auch sehr verderblich fühlbar machen, wenn verschmähte [2791] Liebe oder Eifersucht sie den Untergang von oft hervorragenden Personen beschliessen liessen. So setzte sie es, von Eifersucht getrieben, durch, dass des Kaisers Nichte Iulia Livilla, die C. eben erst aus dem Exil zurückgerufen hatte, wieder verbannt und bald darauf getötet wurde (Senec. apocol. 10. 13. Suet. 29. Tac. XIV 63. Dio LX 8, 5. 27, 4). Wegen seiner Beziehungen zu Iulia musste auch Seneca damals ins Exil (s. o. Bd. I S. 2241ff.).

Von seinen beiden Töchtern vermählte C. in diesem Jahre die ältere, Antonia, mit Cn. Pompeius Magnus und verlobte die jüngere, Octavia, mit L. Iunius Silanus Torquatus, zwei sehr jungen Herren vornehmster Abstammung (Silanus war ein Urgrossenkel des Augustus), die er damals den Vigintivirat bekleiden liess und denen später das Vorrecht zu teil wurde, sich fünf Jahre vor der gesetzlichen Zeit um die staatlichen Ämter zu bewerben (Suet. 27. Tac. XII 3. Dio LX 5, 7–9 = Zonar. XI 8 p. 26 Dind. CIL VI 31722. XIV 2500, vgl. Dessau Prosopogr. II 249 nr. 559. III 69 nr. 477).

In den Provinzen fand C. keineswegs überall ruhige Verhältnisse vor. In Mauretanien, dessen König Ptolemaios Caligula hatte umbringen lassen, befand sich das Volk im Aufruhr. Der Consular M. Licinius Crassus Frugi, den vielleicht schon Gaius hingesandt hatte, erzielte, wie es scheint, gleich zu Anfang von C.s Regierung einige Erfolge, die ihm die Triumphalinsignien verschafften. Auch dem Kaiser selbst wurden infolge dieser glückverheissenden Eröffnung seines Principats die ornamenta triumphalia vom Senate decretiert (Plin. n. h. V 11. Suet. 17. Dio LX 8. 6 [wie Plin. lehrt, nur teilweise richtig]. CIL VI 31721 = Dessau 954, vgl. Cagnat L’armée Rom. d’Afrique 27. Pallu de Lessert Fast. des prov. Afr. 471ff.). Vielleicht noch in demselben Jahre wurde C. Suetonius Paulinus mit der Fortführung des Krieges in Mauretanien betraut (s. zum J. 42).

Die germanischen Völkerschaften der Chatten und Chauker benützten den Regierungswechsel zu Einfällen in römisches Gebiet, wurden jedoch von den Legaten der beiden germanischen Provinzen, Ser. Sulpicius Galba und P. Gabinius Secundus, zurückgeworfen. Letzterer gewann dabei den einzigen Adler vom Heere des Varus, der noch im Besitze der Germanen war, zurück (Suet. 24 [dazu Smilda.]. Dio LX 3, 7 [wo Μαυρουσίους statt Καύχους überliefert ist, vgl. Boissevain z. St.]. Tac. hist. I 49. Plut. Galba 3, vgl. Sen. cons. ad Pol. 13, 2. Wietersheim-Dahn Gesch. d. Völkerwanderung I² 93. 549). Vermutlich auf Grund dieser Siege nahm C. zweimal den Titel imperator an (imp. II im J. 41: CIL XII 5493. 5586ff.; imp. III' im J. 42 vor dem 25. Januar: VIII Suppl. 11002); es wurden Münzen geprägt mit dem Bilde der Victoria, wieder andere mit der Umschrift de Germanis und der Darstellung eines Triumphbogens (Cohen nr. 25ff. 101; über diesen Triumphbogen ist sonst nichts überliefert).

In Alexandrien hatte die immerwährende Rivalität zwischen Hellenisten und Juden zu neuen Unruhen geführt (Joseph. ant. XIX 278). Wohl infolge derselben wurden die beiden Führer der Alexandriner, Isidoros und Lampon, nach Rom citiert und dort, vermutlich unter dem Einfluss [2792] des Königs Agrippa, von C. zum Tode verurteilt (von dem gegen sie geführten Process, den Wilcken in das J. 53 setzen will, haben wir durch einen Papyrus Kenntnis, s. o. Abschnitt I f). Nicht genug an dem, Agrippa wusste C. auch zu bestimmen, dass er in einem Edicte die grossen Privilegien der alexandrinischen Juden bestätigte (Joseph. ant. XIX 279–285 = Zonar. VI 11 p. 30f. Dind.), in einem anderen den Juden im ganzen Reiche die Vorrechte der Alexandriner Judengemeinde gewährte (Joseph. ant. XIX 286–291 = Zonar. a. a. O.). Agrippa selbst empfing jetzt den Lohn für die Dienste, die er C. bei dessen Erhebung geleistet hatte; der Kaiser liess ihm vom Senate die ornamenta consularia verleihen, vergrösserte sein Königreich durch Judaea und Samaria, so dass Agrippa wieder das ganze Reich des Herodes beherrschte, und schloss auf dem Forum einen feierlichen Bundesvertrag nach altem Ritus mit ihm. Agrippas Bruder, Herodes, erhielt Chalkis als Königreich und überdies die ornamenta praetoria (Joseph. ant. XIX 274–277 [= Zonar. 10 p. 30 Dind.]; bell. II 215. 217. Dio LX 8, 2. 8; vgl. Schürer Gesch. d. jüd. Volkes I 463; bezüglich des Bündnisses, das auf Münzen Agrippas verherrlicht wird [Madden Coins of the Jews 1881, 136], vgl. Suet. 25 und Marquardt-Wissowa III² 427). Auch sonst wurden die Verhältnisse der abhängigen Fürstentümer geregelt. Antiochos IV. Epiphanes erhielt sein Königreich, das ihm Gaius zuerst verliehen, dann abgenommen hatte, Kommagene, die kilikische Küste und Teile des Binnenlandes, wieder (Joseph. ant. XIX 276. Dio LX 8. 1; s. o. Bd. I S. 2490 Nr. 40 und Wilhelm Arch.-epigr. Mitt. XVII 1894, 2). Der Iberer Mithridates, früher König von Armenien, von Gaius in Rom interniert, wurde heimgesandt, um sein Reich den Händen der Parther, die es in Besitz genommen hatten, mit Waffengewalt wieder zu entreissen (Dio LX 8, 1. Tac. XI 8, dazu Nipperdey-Andresen). Ein anderer Mithridates wurde mit dem bosporanischen Reich belehnt, dessen König Polemo II., der auch über Pontus herrschte, durch einen Teil Kilikiens entschädigt wurde (Dio LX 8, 2. Joseph. ant. XX 145).
42 n. Chr.: pont. max. trib. pot. II (25. Januar 42/43) imp. III cos. II desig. III p(ater) p(atriae).

C. bekleidete seinen zweiten Consulat zusammen mit C. Caecina Largus (CIL I 772. I² p. 247 Fasti Antiat. VIII Suppl. 11002. XIII 590. Bull. d. Inst. 1856, 140. Dio LX 10, 1. Cohen nr. 72f.), führte aber die Fasces nur zwei Monate lang (Suet. 14. Dio LX 10, 1, vgl. CIL VI 2015). Auch für das nächste Jahr liess er sich zum Consul designieren (CIL V 7150. XI 5. 1169). Noch vor dem 12. Januar nahm er den ihm vom Senate decretierten Ehrennamen pater patriae an (CIL VI 2032 Acta Arv.).

Neu creiert wurde in diesem Jahre die Stellung dreier Praetorier, welche die Eintreibung der Rückstände an die Staatscasse zu besorgen hatten (Dio LX 10, 4 vgl. Mommsen St. R. II³ 559. Willems Droit public Rom.⁵ 494, 10). Die durchs Los gewählten senatorischen Statthalter wurden angewiesen, vor dem 1. April Rom zu verlassen (Dio LX 11, 6), die Danksagung der [2793] vom Kaiser ernannten abgeschafft (Dio LX 11, 6. 7). Wahrscheinlich stammt aus diesem Jahr das S. C. Largianum (Gai. III 63. Iust. Inst. III 7, 4), das die Erbschaftsverhältnisse nach den sog. Latini Iuniani (vgl. Mommsen St.-R. III 626f.) regelte (Rudorff Röm. Rechtsgesch. I 119. Kuntze Cursus d. röm. Rechts² 630).

Die Getreidenot war noch keineswegs behoben, und die Massregeln gegen dieselbe mussten fortgesetzt werden (Dio LX 11, 1; vgl. Cohen nr. 72). C. entschloss sich, dieser steten Not Roms durch ein grossartiges Werk für immer abzuhelfen. Um nämlich auch im Winter die Zufuhr von Getreide zu ermöglichen, beschloss er die Anlage eines Hafens an der Tibermündung bei Ostia und begann, nicht abgeschreckt durch die Grösse der Kosten, mit der Arbeit wahrscheinlich in diesem Jahre (Suet. 20. Dio LX 11, 1–5 = Zonar. XI 8 p. 26 Dind., s. u. Abschnitt IV k). Noch ein anderes, nicht minder gewaltiges Werk, die Ableitung des Fucinersees, wurde damals in Angriff genommen (Suet. 20. Dio LX 11, 5, s. u. Abschnitt IV k).

Der Krieg in Mauretanien nahm seinen Fortgang. Der Praetorier C. Suetonius Paulinus gelangte bis an den Atlas, überschritt im Winter (wohl 41 auf 42, s. zum J. 41) als erster der römischen Feldherren auch dieses Gebirge und drang bis zum Flusse Ger, dem heutigen Guir, vor (Plin. n. h. V 11. 14. 15. Dio LX 9, 1). Sein Nachfolger Cn. Hosidius Geta schlug den Führer der Mauren, Salabus, verfolgte ihn in die Wüste und zwang ihn zu einem Vergleich, der Mauretanien den Römern auslieferte (Dio LX 9, 1–5, vgl. 24, 5). Das Land wurde in zwei Hälften geteilt, Tingitana und Caesariensis, und diese beiden neuen Provinzen kaiserlichen Procuratoren unterstellt (Dio LX 9, 5. Aurel. Vict. 4, 2; epit. 4, 4; vgl. Mommsen R. G. V 629f. Marquardt St.-V. I² 482f. Cagnat 27ff. Pallu de Lessert 474ff.). Zur selben Zeit fielen auch in Numidien benachbarte Wüstenstämme ein, wurden jedoch verjagt und die Ordnung wiederhergestellt (Dio LX 9, 6). Vermutlich in dem nämlichen Jahre setzten römische Truppen im Verein mit dem Heere des Ibererkönigs Pharasmanes den Bruder des letzteren, Mithridates (s. zum J. 41), wieder in sein Königreich Armenien ein, nachdem sie den parthischen Satrapen Demonax geschlagen hatten. Das Land bekam eine römische Besatzung (in Gorneae). Ermöglicht wurde diese schnelle Besitzergreifung durch den Bürgerkrieg, der im parthischen Reiche zwischen den beiden Gegenkönigen Vardanes und Gotarzes wütete (Tac. XI 8. 9. XII 45; Vgl. V. Gutschmid Kl. Schriften III 67; Gesch. Irans 123ff. Mommsen R. G. V 379. Nipperdey-Andresen zu Tac. aa. OO.).

Ging so alles seinen guten Weg, so konnte doch die römische Aristokratie es nicht verschmerzen, dass ihr wieder einmal das Heft aus den Händen gerissen war; die vornehmen Herren, die nach Gaius Tode die Hand begehrlich nach dem Diadem ausgestreckt hatten, vermochten die Herrschaft des missachteten, von ehemaligen Sclaven geleiteten Fürsten nicht zu ertragen, hielten es wohl auch für leicht, ihn zu stürzen. Dass Messalina bei der Anklage gegen C. Appius Iunius Silanus, den Gemahl ihrer Mutter und Vater ihres [2794] einstigen Schwiegersohnes, auch des Narcissus Unterstützung fand, bürgt dafür, dass wir es hier nicht blos mit einem Racheact der Kaiserin wegen verschmähter Liebe zu thun haben (Suet. 29 [crimine incerto]. 37. Tac. XI 29. Dio LX 14, 2–4. Senec. apocol. 11. 13). Silanus Untergang machte dem Annius Vinicianus bange, der nach Caligulas Tode als Thronpraetendent aufgetreten war. Er verband sich mit L. Arruntius Furius Camillus Scribonianus, dem Statthalter Dalmatiens, und bewog diesen, der die 7. und 11. Legion sowie Auxiliartruppen unter sich hatte, die Fahne des Aufruhrs zu erheben. Wie wenig beliebt bei den höheren Ständen C.s Regiment war, zeigt die Thatsache, dass sich sofort zahlreiche Senatoren und Ritter auf den Weg zu Camillus machten. Doch beging dieser den üblichen Fehler der aristokratischen Generale, als Ziel seiner Erhebung die Republik zu proclamieren. Für solche Ideale hatten die Legionare das Verständnis verloren. Sie kündigten ihm den Gehorsam; er musste fliehen und fand auf der Insel Issa den Tod. Innerhalb fünf Tagen war der Aufstand bewältigt. Der Kaiser, der auf die Nachricht vom Aufstand bereits wieder allen Halt verloren hatte, war nun um so freigebiger mit Auszeichnungen für die Legionen, denen er vom Senate die Beinamen Claudia pia fidelis verleihen liess, und für einzelne besonders Verdiente von der Mannschaft. Dagegen erging über die Teilnehmer am Aufruhr ein strenges Gericht, das sich Messalina und die Freigelassenen zu Nutze machten, um ihre persönlichen Rachegelüste zu befriedigen. Vinicianus, Q. Pomponius Secundus, Caecina Paetus und dessen Gattin Arria, sowie sonst noch viele fanden damals den Tod, wieder andere mussten in das Exil; trotz des Versprechens, das C. ein Jahr vorher gegeben hatte, wurden sogar Senatoren und Ritter der Folterung unterworfen. In Dalmatien stellte L. Salvius Otho die Ordnung her, Suet. 13. 35; Otho 1. Tac. XII 52. XIII 43. XVI 34; hist. I 89. II 75. Dio LX 15. 16 = Zonar. XI 9 p. 27f. Dind. Plin. ep. III 16, 7–9. Mart. I 13. Aurel. Vict. epit. 4, 4. Oros. VII 6, 6. 7.
43 n. Chr.: pont. max. trib. pot. III (25. Januar 43/44) imp. III [IV, V (VI, VII) und VIII] cos. III desig. IV p. p.

C. trat seinen dritten Consulat an zusammen mit L. Vitellius, der zum zweitenmal Consul war (Dio LX 17. CIL I² p. 247 = X 6638 Fasti Antiates. II 2158. 4750. 4770f. 4932. VI 562 [= Dessau 202]. 915 [= Dessau 203]. IX 5426. XII 5476. 5542. 5546. Ephem. epigr. VIII 221f. Cohen nr. 74), blieb aber nur zwei Monate im Amte (falsch Dio LX 21, 2, vgl. Plin. n. h. X 35 und CIL VI 2015). Gleichzeitig wurde er wiederum zum Consul für das J. 47 designiert (Henzen 5214. Lejay Inscr. de la Côte d’or nr. 249, s. u. zum J. 47).

Der Termin für die Abreise der Proconsuln von Rom wurde bis Mitte April verlängert (Dio LX 17, 3). Mehrere Opfer und Feste wurden aufgehoben oder beschränkt (Dio LX 17, 1. 2). Die Strassenbeamten und Unternehmer erhielten die Summen wieder, die ihnen Domitius Corbulo unter Caligula durch Executionen abgenommen hatte; die dafür erforderlichen Mittel wurden zum [2795] Teil durch die Rückforderung der von Gaius verschenkten Gelder eingebracht (Dio LIX 15. LX 17, 2; vgl. Nipperdey-Andresen zu Tac. ann. III 31). Die Sorge für das Volk der Hauptstadt hat man auch in diesem Jahr nicht ausser acht gelassen; C. griff sogar zu dem bedenklichen Mittel, ein Maximum der Marktpreise festzusetzen (Dio LX 17, 8).

Immer schamloser wurde das Treiben Messalinas, die ungescheut ihren Lüsten frönte, ihren Günstlingen Ämter und Ehren verlieh und ihre Feinde wie den Praef. praet. Catonius Iustus vernichtete (Dio LX 18, 1–3. Senec. apocol. 13). Wieder fiel ihrer Eifersucht ein Mitglied des Kaiserhauses zum Opfer, Iulia, Tochter des Drusus, Enkelin des Tiberius (Suet. 29. Tac. XIII 32. 43. Dio LX 18, 4. Senec. apocol. 10. 13; Octavia v. 944). Gleichzeitig betrieb die Kaiserin im Verein mit den Freigelassenen einen gewinnreichen Handel mit Bürgerrechtsverleihungen, Militär- und Verwaltungsstellen (Dio LX 17, 8). Es ist danach immerhin begreiflich, dass in diesem Jahr von einem Ritter ein Attentat gegen C. versucht wurde. Der Schuldige büsste nach alter Sitte durch den Sturz vom Tarpeischen Felsen (Dio LX 18, 4; vermutlich ist der von L. Otho entdeckte Anschlag [Suet. Otho 1] der nämliche; bei Suet. 13 sind andere Attentate gemeint).

Lykien wurde, da Unruhen im Lande ausgebrochen waren, zur kaiserlichen Provinz gemacht und einem Praetorier unterstellt (Suet. 25. Dio LX 17, 3, der irrig angiebt, dass Lykien mit Pamphylien vereinigt worden sei, vgl. CIL III 6737 = Dessau 215 und Smilda zu Suet. a. a. O.). Im Partherreich war ein Vergleich zwischen Vardanes und Gotarzes zu stande gekommen, der ersterem die Herrschaft überliess. Vardanes eroberte das abtrünnige Seleucia und machte auch Miene, Armenien der römischen Machtsphäre wieder zu entziehen. Aber die drohende Haltung des syrischen Statthalters C. Vibius Marsus, der Widerstand, den er schon bei seinem Vasallen, dem König Izates von Adiabene, fand, und vor allem das neuerliche Auftreten des Gotarzes als Gegenkönig brachten ihn von diesem Vorhaben ab (Tac. 9. 10. Joseph. ant. XX 69–73 = Zonar. VI 13; vgl. v. Gutschmid Kl. Schriften III 73f.; Gesch. Irans 124ff. Nipperdey-Andresen zu Tac. a. a. O.). Vielleicht bestand ein gewisser Zusammenhang zwischen den Plänen des Vardanes und dem Besuch, den fünf unter römischem Protectorat stehende Könige, Antiochos von Kommagene, Sampsigeramos von Emesa, Kotys von Kleinarmenien, Polemon von Pontus und Herodes von Chalkis, dem König der Juden, Agrippa, in Tiberias abstatteten. Wenigstens erschien dem Vibius Marsus dieser Königscongress bedenklich genug, um ihn zu sprengen (Joseph. ant. XIX 338–342; Kotys Verhalten bot auch sonst Anlass zu kaiserlichen Verweisen, vgl. Tac. XI 9). Agrippa hatte bereits vorher durch den Versuch, die Befestigung Jerusalems zu verstärken, Anstoss in Rom erregt (Joseph. ant. XIX 326f.; bell. II 218; vgl. Tac. hist. V 12).

Das bedeutendste Ereignis dieses Jahres war die Besetzung Britanniens, die, schon lange als Notwendigkeit erkannt und oft geplant, endlich von C. ins Werk gesetzt wurde. Unruhen auf [2796] der Insel selbst, die vielleicht nach Gallien hinübergriffen, gaben den Vorwand, vertriebene brittische Fürsten, Bericus (Verica) und Addominius, ein Sohn des Trinovantenkönigs Cunobellinus (Cymbeline), den Rat. Narcissus Einfluss scheint auch hier massgebend gewesen zu sein (vgl. Dio LX 19, 2. Suet. Vesp. 4). Der bisherige Legat von Pannonien, A. Plautius (vgl. Ritterling Arch.-epigr. Mitt. XX 1897, 8) landete mit einem starken Heere (vier Legionen [II. Augusta, IX. Hispana, XIV. Gemina und XX. Valeria Victrix.], Detachements anderer Legionen und Hülfstruppen) an der Südküste der Insel und wandte sich gegen das Volk der Trinovanten, das von Caratacus (Caradoc) und Togodumnus, gleichfalls Söhnen des Cunobellinus, beherrscht wurde. In glücklichen Kämpfen, in welchen sich namentlich die Legaten T. Flavius Vespasianus, der u. a. die Insel Vectis (Wight) eroberte, und Cn. Hosidius Geta auszeichneten, gelangten die Römer bis zur Themse; Togodumnus fiel. Wohl infolge dieser Siege erneuerte C. zweimal den Imperatortitel (imp. III noch im J. 43: CIL VI 562. IX 5426. XII 5542. Henzen 5214. Lejay a. a. O. 249; imp. IV: Rh. Mus. XXXV 1880, 154; imp. V: CIL II 4750. 4770f. 4875. 4932. VI 915 [= Dessau 203). XII 4334. 5476. Ephem. epigr. VIII 218. 221. 222. Cohen nr. 54; dass die 5. Acclamation vor C.s Eintreffen in Britannien fällt, zeigt XII 4334). Damit die Ehre des entscheidenden Sieges dem Kaiser zufalle, bat Plautius nach vorhergetroffener Vereinbarung diesen um persönliche Intervention. C., der bereits grosse Zurüstungen zur Expedition getroffen hatte, liess L. Vitellíus als seinen Stellvertreter in Rom zurück und zog teils auf dem See-, teils auf dem Landwege nach Britannien, gefolgt von einem glänzenden Stabe (von seinen Begleitern kennen wir die beiden Schwiegersöhne Pompeius und Silanus, den Praef. praet. Rufrius Pollio, Cn. Sentius Saturninus, Valerius Asiaticus, M. Licinius Crassus Frugi, Ser. Sulpicius Galba, Ti. Plautius Silvanus, wohl auch P. Graecinius Laco und den Arzt Scribonius Largus). In Britannien angelangt, schlug er die vereinigten Britten an der Themse und eroberte die Königsburg der Trinovanten, Camulodunum. Auf Grund dieser Erfolge, die in Wirklichkeit auf Rechnung des Plautius und des Generalstabs zu setzen sind, empfing C. wahrscheinlich dreimal die Acclamation als Imperator (vgl. Dio LX 21, 4. 5; imp. VI und VII sind nicht belegt; noch in demselben Jahre erscheint imp. VIII CIL II 6324, das sich dann auch im folgenden Jahr findet: CIL II 4929. VI 1254. Ephem. epigr. IV 813. Journ. Hell. Stud. VIII 1887, 360). Nach nur 16tägigem Aufenthalt auf der Insel trat C. die Heimreise an, nachdem er die Nachricht vom Siege durch seine Schwiegersöhne nach Rom vorausgesandt hatte. Der Senat zeigte sich erkenntlich für die Neubelebung römischen Kriegsruhms. Er verlieh dem Kaiser und seinem Sohne den Beinamen Britannicus, den C. selbst jedoch nie geführt hat, und beschloss einen Triumph, ein jährliches Fest und die Errichtung von Triumphbögen in Gesoriacum in Gallien, von wo er nach Britannien übergesetzt war, und in der Hauptstadt (doch dürfte der Triumphbogen, dessen Inschrift noch teilweise erhalten ist [s. zum J. 51], von dem [2797] damals errichteten verschieden sein). Auch Messalina empfing vom Senate Auszeichnungen. Das eroberte Gebiet wurde als kaiserliche Provinz eingerichtet und A. Plautius als erster Statthalter an die Spitze derselben gestellt. Suet. 17 (vgl. Smilda z. St., zu dessen Ausführungen hinzuzufügen ist, dass Sueton, der hier offenbar aus dem Gedächtnisse schrieb, die Worte der Triumphalinschrift des J. 51 [sine] ulla iactur[a [CIL VI 920] mit Unrecht auf die Ereignisse des J.s 43 bezogen hat). 21; Galba 7; Vit. 2; Vesp. 4. Tac. XI 3; hist. III 44; Agr. 13. 14. Dio LX 19–23 = Zonar. XI 9. Pomp. Mela III 49. Joseph. bell. Iud. III 4. 5. Plin. n. h. III 119. Aurel. Vict. 4, 2. Eutrop. VII 13. 19. Oros. VII 6, 9. 10. Cassiod. chron. 654 (wo fälschlich die Eroberung der Orcadischen Inseln dem C. zugeschrieben wird). Senec. cons. ad Pol. 13, 2; apocol. 12; Octav. v. 26ff. 42ff. Anth. Lat. ed Riese² nr. 419–426; C. selbst gedenkt seines Erfolges in der Rede über das ius honorum der Gallier, CIL XIII 1668 (vereor ne nimio insolentior esse videar et quaesisse iactationem gloriae prolati imperii ultra oceanum). Vgl. ferner CIL VI 917. 3751 = 31282 (Gelübde pro salute reditu victoria des C., die erst im J. 46 erfüllt wurden). IX 2847 = Dessau 971. XII 4334. XIV 3608 = Dessau 986. Röm. Mitt. VI 1891, 166. Münzen mit ℞ de Britann(is) und der Darstellung des triumphierenden C. oder eines Triumphbogens, Cohen nr. 15ff. S. Mommsen R. G. V 158ff. Ruggiero Diz. epigr. I 1030. Hübner o. S. 868ff., wo die sonstige Litteratur angegeben ist.
44 n. Chr. pont. max. trib. pot. IV (25. Jan. 44/45) imp. VIII cos. III desig. IV p. p.

Im sechsten Monate nach seiner Abreise kehrte C. nach Rom zurück und feierte den prächtigen Triumph, an den sich Festspiele und Auszeichnungen der verdienten Militärs anschlossen (Suet. 17. Dio LX 23, 1–5. Plin. n. h. XXXIII 54. Joseph. bell. III 4. 5. Aur. Vict. epit. 4, 7. Eutr. VII 13. CIL III 6809. V 7003. 7165. XI 395. Orelli 363. Bull. hell. V 1881, 473, vgl. auch die zum J. 43 angeführten Stellen; für C. bezeichnend ist die Decorierung des Knaben Silanus und des Eunuchen Posides, Suet. 24. 28. Tac. XII 3. Dio LX 31. 7. Aur. Vict. epit. 4, 7. 8. CIL XIV 2500). Die Occupation Britanniens und der Triumph waren ein grosser Erfolg der kaiserlichen Regierung, deren Position durch diese glänzende Förderung des Chauvinismus wesentlich gestärkt wurde. Seit Augustus war den römischen Waffen kein ähnlicher Erfolg beschieden gewesen; nicht einmal der Ocean hatte den Legionen Halt geboten. Daher verherrlichten denn auch die Dichter die That des C. (Anth. Lat. a. a. O., vgl. Sen. apocol. 12), und auf Münzen feierte man den wiedergewonnenen Kaiserfrieden (Cohen nr. 55. 56; die Legende Paci Augustae findet sich übrigens häufig auf Münzen des C., auch in Jahren, in denen gewiss nicht Frieden herrschte).

Dem Heere lohnte der Kaiser seine tapfere Haltung, indem er den Soldaten die Rechte der Verheirateten zusprach (Dio LX 24, 3, s. u. Abschnitt IV i). Der Senat erkannte den von C. und seinen Legaten abgeschlossenen oder abzuschliessenden Verträgen volle Rechtsgültigkeit zu (Dio LX 23, 6, vgl. Mommsen St.-R. II³ 954, [2798] 2). Vielleicht aus Erkenntlichkeit hiefür hat C. die seit Tiberius unter kaiserlicher Verwaltung stehenden Provinzen Achaia und Makedonien dem Senate zurückgegeben (Suet. 25. 42. Dio LX 24, 1; vgl. Marquardt St.-V. I² 319. 331. Domaszewski Rh. Mus. XLV 1890, 1ff.). Die Verwaltung des aerarium Saturni, das bisher unter Praetoren gestanden war, übergab er zwei Quaestoren, die vom Kaiser ernannt wurden, das Amt drei Jahre verwalteten und dann sofort die Praetur oder sonstige Ehren erlangten (Suet. 24. Tac. XIII 29. Dio LX 24, 1. 2; vgl. Mommsen St.-R. II³ 559. Willems Droit publ. 469. 495; wir kennen von quaestores aerarii Saturni unter C. den Domitius Decidius [Dessau 966] und Coiedius Candidus [Dessau 967]; Smilda zu Suet. 29 vermutet, dass auch Silanus quaestor aerarii gewesen sei; ohne Grund, da die vermeintlichen Schwierigkeiten in Silanus Carrière durch seinen Patriciat erklärt werden). Als Ersatz erhielten die Praetoren einige Gerechtsame der Consuln (Dio LX 24, 3), wohl die Entscheidung über Fideicommisssachen geringerer Bedeutung (s. u. Abschn. IV d α), während wieder die Quaestoren ihrer Stellungen in Italien ausserhalb Roms (der ostiensischen und gallischen Quaestur) enthoben wurden (Suet. 24. Dio LX 24, 3; vgl. Mommsen St.-R. II³ 570ff. Willems⁵ 469. Pelham Class. Review X 1896, 6f.). An die Stelle des quaestor Ostiensis trat ein kaiserlicher Freigelassener mit dem Titel proc. portus Ostiensis, der die Aufsicht über den allerdings erst im Bau begriffenen Hafen zu führen hatte (Hirschfeld V.-G. I 139. Mommsen St.-R. II³ 1043). Durch einen Senatsbeschluss, der vermutlich in dieses Jahr gehört, wurde für Rom und Italien verboten, Häuser und Villen zur Erzielung eines grösseren Gewinnes abzubrechen (S. C. Hosidianum CIL X 1401 = Bruns Fontes I⁶ 190; vgl. Bachofen Lehren d. r. Civilrechts 185ff. Karlowa Röm. Rechtsgesch. I 644f.). In Rom wurde die Restaurierung der Wasserleitung aqua Virgo in Angriff genommen (CIL VI 1254).

Die Rhodier verloren ihre Freiheit (Dio LX 24, 4). M. Iulius Cottius erhielt eine Vergrösserung seines Herrschaftsgebietes in den sog. Alpes Cottiae und den Königstitel (Dio a. a. O.; vgl. Detlefsen Herm. XXI 1886, 535f.). In demselben Jahr starb der König Agrippa von Judaea. Obwohl C. dazu neigte, den jungen Sohn des Verstorbenen, der in Rom am kaiserlichen Hofe erzogen wurde, zum Nachfolger des Vaters einzusetzen, wurde doch nach dem Willen der Freigelassenen Agrippas Reich wieder zur Provinz gemacht und einem Procurator unterstellt (Joseph. ant. XIX 343–352. 360–363 [= Zonar. VI 11. 12 p. 34f. Dind.]; bell. II 219. 220. Tac. hist. V 9; vgl. Mommsen R. G. V 524f. Marquardt St.-V. I² 411f.; Tacitus [XII 23] berichtet erst zum J. 49: Ituraei et Iudaei defunctis regibus, Sohaemo atque Agrippa, provinciae Suriae additi, vgl. darüber Bormann De Syriae prov. Rom. partibus 1865, 3ff. Schürer Gesch. d. jüd. Volkes I 471 und unten zum J. 49).
45 n. Chr. pont. max. trib. pot. V (25. Jan. 45/46) imp. VIII [(IX), X und XI] cos. III desig. IV p. p.

C. veranstaltete ein wegen seines britannischen Sieges gelobtes Fest und verteilte bei dieser [2799] Gelegenheit Geld unter das Volk, wobei seine Schwiegersöhne intervenierten (Dio LX 25, 7. 8). Den Saturnalien wurde ein fünfter Tag hinzugefügt (Dio LX 25, 8). Das Recht der Aufstellung eigener Bildsäulen wurde auf diejenigen beschränkt, die ein Gebäude errichteten oder restaurierten; in jedem anderen Falle war besondere Erlaubnis des Senates erforderlich (Dio LX 25, 2. 3; vgl. Mommsen St.-R. I³ 451). Die Wiederherstellung der aqua Virgo gedieh zu Ende (CIL VI 1252 [= Dessau 205]. 31565, vgl. 31564). Auf Senatsbeschluss liess C. durch die curatores tabulariorum publicorum (s. u. Abschn. IV d α) einen Bau in Rom errichten (CIL VI 916 = 31201).

Wohl in demselben Jahr hatte Ser. Sulpicius Galba als Proconsul von Africa Unruhen in dieser Provinz zu unterdrücken; vermutlich war er es, der den Stamm der Musulamier zu Paaren trieb (Suet. Galba 7. 8. Plut. Galba 3. Tac. hist. I 49. Aur. Vict. 4, 2; epit. 4, 4; vgl Cagnat L’armée Rom. d’Afrique 29f. Pallu de Lessert Fastes des prov. Afr. 123ff.). C. erneuerte dreimal den Imperatortitel (noch imp. VIII erscheint mit trib. pot. V verbunden. CIL V 25 und wohl auch II 4645; im selben Jahr finden sich imp. X, CIL II 1569. VI 916 = 31201 und imp. XI: VI 1252. 3751 = 31182; vgl. Le Bas Inscr. de Morée 250 nr. 74). Die Veranlassung dazu gaben wohl die Erfolge Galbas in Africa, die Kämpfe in Thrakien, die bereits in diesem Jahre begonnen haben dürften (s. zum J. 46), und endlich die Fortsetzung der Occupation Britanniens, die gewiss nicht zum Stillstand gekommen ist. Damals wird der Legionslegat T. Flavius Vespasianus zwei Stämme unterworfen und über zwanzig Ortschaften eingenommen haben (Suet. Vesp. 4. Tac. Agr. 13; hist. III 44. Dio LX 30, 1 [irrig bezüglich des Titus]. Joseph. bell. III 4. 5. Eutr. VII 19, vgl. Hübner Herm. XVI 1881, 528, 5).
46 n. Chr. pont. max. trib. pot. VI (25. Jan. 46/47) imp. XI [und XII] cos. (III) desig. IV p. p.

Wahrscheinlich in diesem Jahre wurde durch das S. C. Vellaeanum den Frauen die Bürgschaftsleistung untersagt (Ulp. Dig. XVI 1, 2 = Bruns I⁶ 186, vgl. Bachofen Lehren d. röm. Civilrechts 1ff. Rudorff Röm. Rechtsgesch. I 122; ob die lex Iunia Vellaea über Testamente in das J. 27 oder 46 n. Chr. gehört, ist unsicher, vgl. Bruns I⁶ 119. Mommsen St.-R. III 346, 1. Karlowa Röm. Rechtsgesch. I 620). Ein Senatsbeschluss, der wohl gleichfalls aus diesem Jahre stammt, regelte die testamentarische Zuweisung des Patronatsrechts über Freigelassene (S. C. Ostorianum, Ulp. Dig. XXXVIII 4, l = Bruns I⁶ 186; vgl. Kuntze Cursus d. röm. Rechts² 564). Durch ein anderes Senatsconsult wurde die Befugnis, den Senatoren die Erlaubnis zu Reisen ausserhalb Italiens zu erteilen, vom Senat auf den Kaiser übertragen (Dio LX 25, 6. Suet. 23; s. Abschn. IV b α). C. selbst verbot die amtliche Unterstützung von Freigelassenen, die ihre Patrone anklagten (Dio LX 28. 1. Suet. 25, s. auch Abschn. IV c γ). Um dem Missbrauch der Parteien, die Gerichtssitzungen zu versäumen, zu steuern, verkündigte er, dass er bis zu einem gewissen Termin den Process auch in Abwesenheit [2800] der einen Partei durchführen werde (Dio LX 28, 6. Er ordnete Besitzverhältnisse im Gebiet der Anauner in Südtirol und bestätige diesen, den Tuliassern und Sindunern ihr, allerdings usurpiertes, römisches Bürgerrecht (CIL V 5050 = Dessau 206 = Bruns I⁶ 240; vgl. Kenner Edict d. Kaisers C. 1869. Mommsen Herm. IV 1870, 99ff. Karlowa Röm. Rechtsgesch. I 655). Gleichzeitig wurde die Strasse von Altinum durch Tirol bis zur Donau, die sein Vater Drusus begonnen hatte, wiederhergestellt, ausgebaut und mit dem Namen Via Claudia Augusta benannt (CIL V 8002. 8003; s. u. Abschn. IV k). Bei Rom selbst wurden in Verbindung mit dem Bau des neuen Hafens Canäle vom Tiber ins Meer geführt und dadurch die Stadt von der Überschwemmungsgefahr befreit (CIL XIV 85 = Dessau 207 Ostia).

Münzen aus diesem Jahr mit den Reverslegenden de Britann(is) und de Germanis (Cohen nr. 17f. 28f.) sprechen dafür, dass in Britannien und am Rheine gekämpft wurde; wahrscheinlich setzte Plautius seine Unternehmungen fort und hatte Domitius Corbulo die seinigen begonnen (s. zum J. 47). Der König des bosporanischen Reiches, Mithridates II., von C. selbst im J. 41 eingesetzt, wurde wegen wirklicher oder nur von seinem Bruder Kotys, den er nach Rom gesandt hatte, ihm zur Last gelegter Umtriebe seiner Herrschaft entsetzt und das Königreich eben diesem Kotys zugesprochen. Der Legat (von Moesien?) A. Didius Gallus verjagte Mithridates aus seinem Lande und setzte Kotys als König ein (Petr. Patr. frg. 3, FHG IV 185 [= Dio LX 28, 7 ed. Boissevain], wo irrig von Ibererkönigen die Rede ist, vgl. Mommsen R. G. V 379. Tac. XII 15. 18. 63; s. o. Sp. 782f. Prosopogr. I 477 nr. 1271. Nipperdey-Andresen zu Tac. aa. OO.). Wahrscheinlich aus Anlass dieses Erfolges erneuerte C., wohl gegen Ende des Jahres, den Imperatortitel zum zwölftenmal (trib. pot. VI imp. XI: CIL V 5050. 8003. XI 3791. Ephem. epigr. VIII 744. Not. degli scavi 1892, 289. Cohen nr. 7f. 17f. 28f. 36f. 45f. 57f. 69. 86f.; trib. pot. VI imp. XII, CIL X 1558. XIV 85; noch in zwei Inschriften des folgenden Jahres findet sich irrig imp. XI, s. zu diesem Jahr). Der König von Thrakien, Rhoemetalkes III., war, wohl schon im J. 45 (s. d.), auf Anstiften seiner Gemahlin umgebracht worden; geeigneter Anlass für die Römer, um das Land zur Provinz zu machen. Es wurde nach Bewältigung des Widerstandes einem Procurator unterstellt (Euseb. chron. I 152 Schoene. Cassiod. chron. 659. Syncell. p. 631 Bonn. Tac. XII 63; vgl. Mommsen Ephem. epigr. II p. 258f. Marquardt St.-V. I² 313. v. Premerstein Jahresh. d. öst. Inst. Beibl. I 1898. 183).

Die systematische Zurückdrängung des Senates bei aller äusserlichen Ehrung desselben sowie die der römischen Aristokratie unerträgliche Herrschaft der Freigelassenen liessen in den Senatskreisen die Unzufriedenheit nicht verschwinden. Es bildete sich abermals eine Verschwörung, die von zwei sehr vornehmen Herren, Asinius Gallus und Taurus Statilius Corvinus, geleitet wurde und an welcher sogar Freigelassene des Kaisers, vielleicht aus Neid gegen die übermächtige Stellung einiger wenigen von ihnen, teilnahmen. Die Verschwörung [2801] wurde jedoch unterdrückt; die Teilnehmer verfielen der Strafe (Suet. 13. Dio LX 27, 5). Damals werden die Consulare Asinius Celer und Cornelius Lupus, die amici Lusius Saturninus und Pompeius Pedo, sowie der Gardepraefect Rufrius Pollio den Tod gefunden haben (Tac. XIII 43. Sen. apocol. 13; vgl. Hirschfeld V.-G. 220). Auf diese glückliche Errettung des Reiches vor der Gefahr neuer Wirren beziehen sich die Münzen mit den Legenden S. P. Q. R. p(atri) p(atriae) o(b) c(ives) s(ervatos) und ex s. c. ob cives servatos (Cohen nr. 36f. 86f.), die in diesem Jahr geprägt wurden.
47 n. Chr. pont. max. trib. pot. VII (25. Jan. 47/48) imp. XII [(XIII), XIV und XV] cos. IV p. p. censor.

C. trat in diesem Jahr, dem 800. Roms, seinen vierten Consulat an, wieder zusammen mit L. Vitellius, der zum drittenmal Consul war (Dio LX 29, 1. Zonar. XI 9 p. 29 Dind. CIL III 6024. IV 2553. V 8002. VI 918 [= Dessau 210]. IX 5959. X 8067, 1. 2. XII 5666. XIV 4124. IGS I 67. Anzeiger f. schweiz. Altertumskunde 1898, 66, irrig CIL XII 5528; cos. desig. IV war C. seit dem J. 43, s. daselbst und ferner CIL II 1569. 4645. 4718. V 25. 3326. 5050. 8003. VI 916 = 31201. 917. 1252 [= Dessau 205]. 3751 = 31282. X 1558. XI 3791. XIV 85 [= Dessau 207]. Journ. Hell. St. VIII 1887, 360. Ephem. epigr. VIII 744. Not. degli scavi 1892, 289; nach Suet. 14 wäre C. im J. 47 an die Stelle eines Verstorbenen als suffectus getreten, was allein schon durch die Bedeutung des Jahres als Jubiläumsjahr widerlegt wird, vgl. u. zum J. 51, ferner Asbach Rh. Mus. XXXV 1880, 178ff. Smilda z. St.). Er blieb nur zwei Monate im Amte (Suet. 14; anders Asbach a. a. O., doch konnte sich C. auch nach der Niederlegung des Consulats wie im J. 44 [Dio LX 23, 4] die consularische Gewalt zur Ausrichtung der Spiele erteilen lassen). Nicht ohne bestimmte Absicht wird C. gerade dieses Gedenkjahr zur Übernahme der wohl schon lange projectierten Censur bestimmt haben. Er liess sich, vermutlich gleich zu Anfang des Jahres, zum Censor designieren (censor designatus im J. 47 nach dem 25. Januar, CIL IX 5959 = Dessau 209; designatus fehlt irrig in der vor diesem Tage gesetzten Inschrift V 8002 = Dessau 208).

Wieder beutete Messalina ihre Herrschaft über den Gatten aus, um Mitglieder der höchsten Aristokratie zu vernichten. Aus uns unbekannten Gründen, vielleicht weil sie Pompeius Rivalität gegen ihren eigenen Sohn fürchtete, bewog sie den Kaiser, seinen Schwiegersohn Cn. Pompeius Magnus töten zu lassen. Mit diesem zugleich fanden seine Eltern M. Licinius Crassus Frugi und Scribonia den Untergang (Zonar. XI 9 p. 30 Dind. [aus Dio]. Dio LX 31, 7. Suet. 27. 29. Tac. hist. I 48. Sen. apocol. 11; über die Zeit vgl. Smilda zu Suet. 27). Des Kaisers Tochter, Antonia, wurde jetzt mit Faustus Cornelius Sulla Felix, einem Halbbruder Messalinas, vermählt, dem sie bald einen Sohn gebar (Zonar. a. a. O. Suet. 27. Tac. XIII 23). Dem Tode des Pompeius folgte der des hochangesehenen Consularen Valerius Asiaticus, nach dessen einst dem Lucullus gehörigen Gärten (am Monte Pincio) Messalina lüstern war, seiner Freundin Poppaea Sabina, die ihre [2802] Eifersucht erregte, und anderer, die in denselben Process verwickelt wurden (Tac. XI 1–4. XIII 43. Dio LX 29, 4–6. Zonar. a. a. O.; vgl. CIL XIII 1668. Dio LX 31, 5). Messalina selbst überliess sich, alle Bedenken beiseite lassend, ungescheut der Liebe zu C. Silius, den sie mit Geld, Ehren, ja mit des Kaisers eigenem Gut überschüttete (Tac. XI 12. 35. Dio LX 31, 3 = Zonar. XI 10 p. 30f. Dind.). Vielleicht weil er sich gegen eine derart schmähliche Behandlung seines Herrn aufzulehnen wagte, fiel Polybius, der Freigelassene a studiis, ihrer Wut zum Opfer; dadurch entfremdete sie sich jedoch die andern Freigelassenen, mit denen sie bis dahin einträchtig vorgegangen war, und bereitete so ihren eigenen Untergang vor (Dio LX 31, 1. 2 Zonar. XI 10 p. 30f. Dind. Sen. apocol. 13; Ranke Weltgesch. III 103f. 303f. überschätzt wohl die Bedeutung dieser Vorgänge). Bei solchen Zuständen am kaiserlichen Hof nimmt es nicht Wunder, dass wiederum Attentate gegen C. versucht wurden (Tac. XI 22 [hieher gehört wohl einer der Suet. 13 aufgezählten Anschläge auf das Leben des C.]; vgl. Dio LX 29, 4. Zonar. XI 9 p. 29f. Dind.).

Aber der Kaiser liess sich das nicht anfechten. Er befand sich gerade in diesem Jahr in Festesstimmung; denn die 800. Wiederkehr von Roms Gründungstag (21. April) feierte er durch ludi saeculares, hierin abweichend von dem System des Augustus, der diese Festspiele vor 63 Jahren veranstaltet hatte (Tac. XI 11. Suet. 21; Nero 7; Vit. 2; Dom. 4. Plin. n. h. VII 159. VIII 160. Aur. Vict. 4, 14. Censorin. 17, 11. Zosim. II 4, 3; von den acta ludorum saecularium des C. sind wenige Fragmente erhalten, CIL VI 32324f.; über die Feier und die chronologischen Fragen, die sich an dieselbe knüpfen, vgl. Mommsen Röm. Chronol. 187; Ephem. epigr. VIII p. 238. Marquardt-Wissowa St.-V. III² 385ff. Hirschfeld Wiener Stud. III 1881, 102). Auch ein Troiaspiel wurde damals von vornehmen Knaben, darunter des Kaisers Sohn, veranstaltet (s. o. Nr. 92).

Vermutlich unmittelbar nach der Feier der Saecularspiele trat C. die Censur an mit L. Vitellius (Tac. XI 13. XII 4: hist. III 66. Suet. 16; Vit. 2. Plin. n. h. VII 159. X 5. XXXIII 33. Aur. Vict. 4, 4; censor mit trib. pot. VII, CIL III 6024. V 8002. VI 918 [= Dessau 210]. XII 5666). Die Dauer der Censur betrug 18 Monate; wie Tac. XI 25 (vgl. auch XII 4) zeigt, ist sie etwa im October 48 zu Ende gegangen (vgl. Mommsen St.-R. II³ 350. Herzog St.-Verf. II 268, 2; mit Unrecht nehmen Ziegler Regierung d. Kaisers C. 1880, 33ff. und Nipperdey-Andresen zu Tac. XI 13 eine fünfjährige Dauer der Censur an; auch Herzog irrt, wenn er a. a. O. den Anfang der Censur vor die Saecularspiele setzt, da Tacitus denselben sonst bestimmter hervorgehoben hätte; er wird bei der Designierung zu Anfang des Jahres davon gesprochen haben). Das censorische Amt, das seit 68 Jahren nicht mehr in der herkömmlichen Weise geführt worden war (vgl. de Boor Fasti censorii 30f.), bot C. erwünschten Anlass zur Betätigung seines Geschäftigkeitstriebes. In strengen Edicten schalt er die Ausgelassenheit des Volkes in den Theatern (Tac. XI 13) und trat gegen Luxus, [2803] Ehe- und Kinderlosigkeit auf (Suet. 16). Die Säulen und Pfeiler, die von Privatleuten an öffentlichen Orten errichtet worden waren, wurden beseitigt (CIL VI 919 = Dessau 211, von Borghesi mit Wahrscheinlichkeit auf C.s Censur bezogen). Drei neue von C. erfundene Buchstaben wurden in das lateinische Alphabet aufgenommen (Tac. XI 13. 14; s. u. Abschn. VI). Als Censor nahm C. den Bau von zwei Wasserleitungen, den bereits Gaius begonnen hatte, wieder in Angriff (Tac. XI 13; s. u. Absch. IV k); unmittelbar vor seiner Censur hatte er zwei neue Heerstrassen, die Via Claudia Augusta und die Via Claudia nova, dem Verkehr übergeben (CIL V 8002. IX 5959; s. u. IV k). Er war so eifrig in seinem neuen Amte, dass er an einem Tage zwanzig Edicte anschlagen liess (Suet. 16).

Auch sonst war das Jahr reich an neuen Gesetzen und Verfügungen. Durch ein Volksgesetz wurden Gläubiger, die Haussöhnen auf den Tod der Eltern hin Geld liehen, mit Strafe bedroht (Tac. XI 13 [lege lata], vgl. Karlowa Röm. Rechtsgesch. 623, der jedoch mit Unrecht annimmt, dass wir es hier mit einem Edict des C. zu thun haben). Kranke Sclaven, die von ihren Herren aus dem Hause gewiesen wurden, erhielten nach einer Verordnung des Kaisers die Freiheit; ihre Tötung sollte als Verbrechen des Mordes behandelt werden (Suet. 25. Dio LX 29, 7 = Zonar. XI 9 p. 30 Dind. = Suid. s. Κλαύδιος. Modest.3 Dig. XL 8, 2. Cod. Iust. VII 6, 3). Durch Senatsbeschlüsse wurden 10 000 Sesterzen als Maximum des Honorars für Anwälte bestimmt, während die Annahme einer höheren Summe nach der lex repetundarum bestraft werden sollte (Tac. XI 5–7), die Pontifices angewiesen, für die Reorganisation des Collegiums der Haruspices Sorge zu tragen (Tac. XI 15; vgl. Bormann Jahresh. d. öst. Inst. II 1899, 134) und die designierten Quaestoren zur Veranstaltung von Gladiatorenspielen angehalten (Tac. XI 22. XIII 5. Suet. 24 [ungenau]; irrig denkt Smilda [zu Suet. a. a. O.] an einen Erlass des Kaisers, vgl. P. Dolabella censuit bei Tac. XI 22; ob thatsächlich, wie Sueton berichtet, die Ausrichtung der Gladiatorenspiele an die Stelle der stratura viarum [s. u. Abschn. IV d α] trat, erscheint bei dem Stillschweigen des Tacitus zweifelhaft).

A. Plautius, der die Eroberung und Organisation der neuen Provinz Britannien geleitet hatte, wurde abberufen und erhielt die ungewöhnliche Auszeichnung einer ovatio (Suet. 24. Tac. XIII 32. Dio LX 30, 2. Eutrop. VII 13). An seine Stelle trat P. Ostorius Scapula, der gleich nach seiner Ankunft einen Angriff der Britten zurückzuschlagen hatte (Tac. XII 31; vgl. dazu Nipperdey-Andresen). Grosse Genugthuung wurde der römischen Politik zu teil durch das Erscheinen cheruskischer Gesandter in Rom, die den daselbst lebenden Neffen des Arminius, Italicus, zum König erbaten und erhielten. Dass die Erhebung dieses Mannes nur zu neuen Zwistigkeiten unter den Cheruskern führte, konnte der kaiserlichen Regierung gleichfalls nur angenehm sein (Tac. XI 16. 17; die Notiz über die gleichzeitige Anwesenheit germanischer, parthischer und armenischer Gesandter in Rom, Suet. 25, ist fälschlich in die Biographie des C. geraten, sie gehört zum J. 57; [2804] vgl. Tac. XIII 54). Dagegen begannen die Chauker unter Führung eines ehemaligen römischen Auxiliaren, des Cannenefaten Gannascus, ihre Raubzüge von neuem und plünderten auf leichten Piratenschiffen die gallische Küste. Doch gelang es dem neuen Statthalter von Germania inferior, Cn. Domitius Corbulo, mit der Rheinflotte die feindlichen Fahrzeuge zu vernichten (vielleicht schon im J. 46, s. d.). Das genügte jedoch keineswegs dem hochstrebenden Manne, den weitausgreifende Pläne erfüllt zu haben scheinen. Er nötigte die Friesen wieder zur Anerkennung der römischen Hoheit, ordnete ihre Besitz- und Rechtsverhältnisse und legte eine Garnison in ihr Land. Dann zog er über den Rhein, liess den Gannascus umbringen und rückte, als dadurch neue Bewegung unter den Chaukern entstand, in das Feindesland ein. Aber eine Erneuerung der Eroberungspolitik des Drusus und Germanicus, deren Ende nicht abzusehen war und die gerade jetzt, da ein ansehnlicher Teil des Heeres durch die Eroberung Britanniens beschäftigt wurde, grössere Schwierigkeit bot als je, entsprach nicht den Intentionen der claudischen Regierung. Daher befahl C. den Rückzug über den Rhein und liess sogar alle Besatzungen im freien Germanien, die vom Heerescommando in Germania inferior abhingen, nach dem linken Rheinufer zurückführen. Um doch wenigstens das Heer an Zucht und Arbeit zu gewöhnen, sorgte Corbulo für straffe Disciplin und hielt die Soldaten zur Anlegung eines Canales zwischen Maas und Rhein an, der wohl hauptsächlich strategischen Zwecken dienen sollte. Er empfing für seine Thaten die Triumphalinsignien (Tac. XI 18–20. Dio LX 30, 4–6; vgl. Mommsen R. G. V 114f. Wietersheim-Dahn Gesch. d. Völkerwanderung I² 93f. 550; in das J. 47 fallen wohl nur die Ereignisse von der Unterwerfung der Friesen bis zum Rückzugsbefehl des C.). Der Princeps empfing in diesem Jahr dreimal die Acclamation als Imperator (zu Anfang des Jahres noch imp. XII CIL XII 5528. IGS I 67. Anzeiger f. schweiz. Altertumskunde 1898, 68 [irrig imp. XI CIL V 8002 = Dessau 208, auch sonst ungenau, s. o. S. 2801. IX 5959 = Dessau 209], noch im selben Jahr imp. XIV. CIL XII 5666 und imp. XV, III 6024. VI 918 = Dessau 2282. 210), wohl auf Grund der Erfolge des Ostorius Scapula und Domitius Corbulo.
48 n. Chr. pont. max. trib. pot. VIII (25. Jan. 48/49) imp. XVI cos. IV p. p. censor.

Die Amtspflichten der Censur, an denen C. grosse Freude fand, beschäftigten ihn auch in diesem Jahre. Es wurde die lectio senatus vollzogen (Tac. XI 23. XII 4. Dio LX 29, 1. 2; vgl. CIL V 3117 [= Dessau 968]. VI 1442. X 6520. Mommsen St.-R. II³ 940ff.), und mit besonderem Eifer trat der Kaiser für den bereits im Besitze des unvollständigen Bürgerrechtes befindlichen Adel der Gallia comata ein, der um das Recht, römische Magistraturen zu bekleiden, ersucht hatte (die Rede, die C. bei dieser Gelegenheit im Senate hielt, ist zum Teil erhalten, s. o. Abschn. I b). Durch Senatsbeschluss wurde zuerst den Aeduern das ius adipiscendorum in urbe honorum zuteil (Tac. XI 23–25; vgl. Marquardt St.-V. I² 279. Mommsen St.-R. I³ 490. Herzog St.-Verf. II 266, 4. 935. Desjardins Géogr. [2805] de la Gaule Rom. III 278ff.). Vielleicht liess C. damals das Recht der Adlection in den Senat, das bisher nur dem Censor zustand, auf den Princeps als solchen übertragen (vgl. Groag Arch.-epigr. Mitt. XX 49; was Dio LX 11, 8 von der Aufnahme von Rittem unter die Tribunen sagt, ist wohl nur des zusammenfassenden Berichtes wegen in die Geschichte des J. 42 geraten und dürfte sich gleichfalls auf die Censur des C. beziehen). Die Ausstossung aus dem Senat wurde in sehr schonender Weise vorgenommen, indem denen, die die Streichung aus der Senatorenliste zu gewärtigen hatten, bedeutet wurde, selbst den Censor um die Erlaubnis zum Ausscheiden zu bitten (Tac. XI 25. XII 4. Dio LX 29, 1. 11, 8; vgl. Mommsen St.-R. III 881). Wegen dieses milden Verfahrens beantragte der Consul L. Vipstanus Poplicola für C. den Titel pater senatus, den dieser jedoch ablehnte (Tac. I 25). Die Zahl der sehr zusammengeschmolzenen Patricier wurde, hauptsächlich sacraler Rücksichten wegen, durch Aufnahme neuer Geschlechter in den Patriciat ergänzt (Tac. XI 25. Suet. Otho 1. CIL III 6074. XIV 3607; vgl. Mommsen St.-R. II³ 1101; von diesen Neupatriciern sind uns L. Salvius Otho, M. Helvius Geminus und P. Plautius Pulcher bekannt). Strenge Musterung hielt C. über die Ritterschaft (Suet. 16. Plin. n. h. XXXIII 33). Hauptsächliche Mühe gab der Vollzug des Census, bei dem 5 984 072 römische Bürger eingeschätzt wurden (CIL XIII 1668 Rede über das ius honorum. Tac. XI 25. Plin. n. h. VII 159; abweichend von Tacitus geben Euseb. chron. p. 152 Schoene 6 844 009, Syncell. p. 629 Bonn. 6 941 000 als Zahl der Bürger an; vielleicht hat Tacitus, wie Lehmann 292 vermutet, spätere Nachträge nicht berücksichtigt). Viele aus der Bürgerschaft wurden durch die censorische Rüge gebrandmarkt, nicht selten nur auf Grund ungenauer Informationen (Suet. 16; über die ebenda berichtete Entziehung des Bürgerrechtes vgl. Smilda z. St.). Mit dem feierlichen Acte der Lustration schloss endlich die Censur des C. (Tac. XI 25. XII 4. Mommsen St.-R. II³ 340, 5. 418, 6 folgert aus letzterer Stelle eine Iteration der Censur für L. Vitellius, der auf einer Münze seines Sohnes [Cohen I² 360 nr. 53] censor II genannt wird).

Aber während C. dem Staate gegenüber mit geschäftigem Eifer seinem censorischen Berufe obgelegen war, hatte er es versäumt, die Censur im eigenen Hause auszuüben. Der Geliebte der Kaiserin, C. Silius, drängte sie zu gesetzlichem Ehebunde. Ein Mann von hohem Adel und grosser Beliebtheit, überdies gerade Consul designatus, gedachte er, sich durch die Ehe mit der Kaiserin und Urgrossnichte des Augustus den Weg zur Herrschaft zu bahnen, nachdem der Kaiser, dem man solches zu bieten gewagt, unmöglich geworden wäre. So wurde trotz Messalinas anfänglichen Widerstrebens, während C. in Ostia weilte, die Vermählung seiner Gattin mit Silius nach allen vorgeschriebenen Regeln vollzogen (October 48). Aber die offenbar hochverräterischen Pläne des Silius bewogen Narcissus einzugreifen und mit grosser Thatkraft dem frechen Spiel ein Ende zu machen. Damals erhielt er von dem, wie gewöhnlich bei solchen Anlässen, fassungslosen Herrscher trotz seiner halbfreien Stellung das Garnisonscommando [2806] für einen Tag. Es erging nun ein hartes Strafgericht über die Schuldigen. Messalina, Silius, der Praetorier Iuncus Vergilianus, der Praefectus vigilum Decrius Calpurnianus, der Procurator ludi Sulpicius Rufus, der Arzt Vettius Valens, die Ritter Titius Proculus, Pompeius Urbicus, Saufeius Trogus, Traulus Montanus, M. Helvius, Cotta, der gefeierte Tänzer Mnester fanden den Tod; andere erlitten die Strafe der Verbannung. Der Senat erkannte dem Narcissus die ornamenta quaestoria zu und beschloss die Vernichtung von Messalinas Andenken (Tac. XI 26–38. XII 65. Suet. 26. 28. 29. 36. 39. Dio LX 31, 3–5 = Zonar. XI 10 p. 31 Dind. Aur. Vict. 4, 11. 12. Sen. apocol. 11. 13; Octavia v. 257ff. Iuv. X 330–345 [dazu die Scholien]. XV 329–331. Schol. Iuv. II 29; dass Joseph. ant. XX 149 [= Zonar. VI 15] nur sagt προανῃρήκει γὰρ τὴν γυναῖκα Μεσσαλῖναν διὰ ζηλοτυπίας beweist natürlich noch nicht, dass er von der Vermählung mit Silius nichts wusste; der Name der Messalina ist eradiert CIL VI 918. 4744; vgl. W. Ribbeck Ztschr. f. Gesch. u. Politik 1888, 608ff.; Rh. Mus. XLIII 1888, 636).

Durch diesen Ausgang seiner dritten Ehe nicht belehrt, beschäftigte sich C. bald wieder mit neuen Heiratsplänen. Da hielt die kluge und herrschsüchtige Agrippina, Germanicus Tochter, ihre Zeit für gekommen. Als Nichte des Kaisers in häufigem Verkehr mit ihm, wusste sie durch feinberechnete Coquetterie die Sinnlichkeit des alternden Herren derart zu erregen, dass bald keine andere als künftige Kaiserin in Betracht kam. Sie fand überdies Unterstützung bei Pallas, der dem Kaiser riet, Agrippinas Sohn aus erster Ehe, L. Domitius Aenobarbus, der als Urgrossenkel des Augustus seinem eigenen Sohne ein gefährlicher Rivale werden könnte, durch diese Heirat zur Stütze des Britannicus zu machen. Vergebens widerstrebten Narcissus und Callistus. Agrippinas Sieg war sicher, und schon suchte sie auch durch den Plan einer Verlobung ihres Sohnes mit Octavia, dem der bisherige Verlobte der Kaiserstochter, Silanus, zum Opfer fiel, ihre und ihres Sohnes künftige Stellung vorzubereiten (Tac. XII 1–4. 8. XIII 2. Suet. 26. 27. 29. Dio LX 31, 6. 7. LXI 11, 3. Zonar. XI 10 p. 31 Dind. Sen. apocol. 8. 10. 11. 13; Octavia v. 147ff.; eine andere Auffassung dieser Vorgänge findet sich bei Ranke Weltgesch. III 104. 252f.).

In dieses Jahr fällt der Ausbau der via Claudia Valeria, die Rom mit dem adriatischen Meere verband (CIL IX 5973, s. u. Abschn. IV k). Ungefähr gleichzeitig erschloss der Statthalter von Germania superior, Curtius Rufus, ein Silberbergwerk im Gebiet der Mattiaker an der unteren Lahn, wofür er die Triumphalauszeichnung erhielt (Tac. XI 20; vgl. Dahm Rhein. Jahrb. CI 1897, 117ff.). Der aus seinem Reiche Vertriebene Bosporaner Mithridates (s. zum J. 46) hatte sich, vermutlich im J. 47, der Herrschaft über das sarmatische Volk der Dandariden bemächtigt und wandte sich jetzt, im Bunde mit dem König der Siraker (gleichfalls eines sarmatischen Stammes), Zorsines, gegen das bosporanische Reich, in welchem nur wenige Cohorten unter dem Praefecten Iulius Aquila zum Schutze des Königs Kotys zurückgeblieben waren. Aber Kotys und Aquila [2807] verbanden sich mit Eunones, der die Aorser (s. o. Bd. I S. 2659) beherrschte, und erstürmten im Verein mit diesem die Hauptstädte der Gegner, Soza und Uspe. Zorsines wurde genötigt, das Bild des C. zu adorieren und Geiseln zu stellen; Mithridates ergab sich dem Eunones, der ihn, wohl im folgenden Jahr, an C. auslieferte. Er wurde in Rom interniert (Tac. XII 15–21. Plin. n. h. VI 17; die Litteratur s. o. zum J. 46). Die Expedition des Aquila wird die 16. Imperatorenacclamation des C. veranlasst haben (imp. XVI, CIL II 1302. V 6969. IX 5973. X 1416). Herodes, König von Chalkis, starb in diesem Jahr; sein Gebiet erhielt (vermutlich erst im J. 49/50; vgl. Joseph. ant. XX 138) Agrippa II., Sohn des einst C. so befreundeten Königs Agrippa von Judaea (Joseph. ant. XX 104 [= Zonar. VI 14]; bell. II 221–223; s. Schürer Gesch. d. jüd. Volkes I 491 und o. zum J. 44).
49 n. Chr. pont. max. trib. pot. IX (25. Jan. 49/50) imp. XVI, [XVII und XVIII] cos. IV desig. (V) p. p. censor.

Das einzige Bedenken, welches der Vermählung des C. mit Agrippina noch entgegenstand, dass nämlich die Ehe zwischen Oheim und Nichte als Blutschande galt, wurde durch das Ränkespiel des L. Vitellius beseitigt. Senat und ‚Volk‘ verlangten in wohlarrangierter Komoedie, dass C. Agrippina zur Gattin nehme, und durch ein Senatsconsult wurden die Ehen mit Bruderstöchtern für erlaubt erklärt (vgl. Gai. Inst. I 62. Ulp. V 5. 6). So wurde die Hochzeit gefeiert, der bald auch die Verlobung des jungen Domitius mit Octavia folgte (Tac. XII 5–7. 9. Suet. 26. 29. 39. Dio LX 31, 6. 32, 3. Joseph. ant. XX 149 [= Zonar. VI 15]. Plut. Ant. 87. Aur. Vict. 4, 12; epit. 4, 10. Zonar. XI 10 p. 31f. Dind. [aus Dio]. Octavia v. 141f. Schol. Iuv. II 29). Mit dem Momente, da Agrippina C.s Gemahlin wurde, ging die Macht auf sie über. Ganz im Gegensatz zu Messalina hatte diese hochbegabte Frau, die durch ihre Abstammung von Augustus ein Anrecht auf die Herrschaft zu haben glaubte, nichts Geringeres im Sinne, als die gleichberechtigte Mitherrscherin ihres Gatten zu werden und dereinst ihres Sohnes, dem sie den Weg zum Throne auf alle Weise zu ebnen suchte. Sie gab ihm den damals berühmtesten Schriftsteller Roms, Seneca, der aus dem Exil zurückgerufen wurde, zum Erzieher und setzte es durch, dass er den äusseren Ehren nach dem Britannicus, an dessen dereinstiger Thronfolge bis dahin niemand gezweifelt hatte (s. o. Nr. 92 und dazu Sen. cons. ad Pol. 12, 5), gleichgestellt wurde. Zur Förderung ihrer Ziele suchte sie ebenso sich Zuneigung zu gewinnen wie andererseits Schrecken einzuflössen (z. B. durch die Verbannung und Ermordung ihrer Rivalin Lollia Paulina) und scheute kein Mittel, um ungeheure Reichtümer zu sammeln (Tac. XII 7–9. 22. Dio LX 32. Zonar. XI 10. 11 p. 32. 34 Dind.).

Den Senatoren aus Gallia Narbonensis wurde der Besuch ihrer Güter auch ohne ausdrückliche Erlaubnis des Kaisers gestattet (Tac. XII 23). Nach dem alten Recht der Könige rückte C. das Pomerium vor, wozu ihm der Senat, weil er die Grenzen des Reiches erweitert hatte, die Befugnis erteilte (Tac. XII 23. 24; s. u. Abschn. IV b α; die Meinung Detlefsens Herm. XXI 1886, 544f., [2808] dass die Vergrösserung Italiens die Vorbedingung für die Vorschiebung des Pomeriums war, ist kaum richtig, vgl. Hülsen CIL VI 4 p. 3106). Wegen der Blutschande, die L. Silanus sich hatte angeblich zu Schulden kommen lassen, wurde im Hain der Diana (wohl von Aricia) ein Sühneopfer nach den Vorschriften des Königs Servius Tullius durch die Pontifices veranstaltet (Tac. XII 8; vgl. Ephem. epigr. VII 1242). Die Ceremonie des augurium salutis wurde nach 75jähriger Pause wieder eingeführt (Tac. XII 23; s. o. Bd. II S. 2327f.).

Ituraea teilte C. nach dem Tode des Königs Sohaemus der Provinz Syrien zu (Tac. XII 23), ebenso vielleicht Abilene, das bis zum J. 44 Agrippa I. gehört hatte (vgl. Marquardt St.-V. I² 403, der Abila wohl richtig mit Leukas identificiert; der Irrtum des Tacitus, dass in demselben Jahr auch Judaea zu Syrien geschlagen worden sei, liesse sich eventuell auf diese Weise aufklären; doch kam Abilene im J. 53 wieder an Agrippa II., s. zu diesem Jahr). Parthische Gesandte erschienen in Rom und erbaten von C. den in Rom lebenden arsacidischen Prinzen Meherdates, den sie dem unbeliebten Gotarzes als Gegenkönig entgegenstellen wollten. C. gewährte ihre Bitte und liess den jungen Mann, nachdem er ihm noch im Senate einige salbungsvolle Belehrungen erteilt hatte, von dem Statthalter Syriens, C. Cassius Longinus, bis Zeugma am Euphrat geleiten. Aber das Unternehmen des Meherdates glückte nicht, obwohl ihn der Satrap Karenes und, wenigstens anfangs, auch die Könige Abgar V. von Osroëne und Izates von Adiabene unterstützten; er wurde im folgenden Jahre von Gotarzes geschlagen und gefangen (Tac. XI 10. XII 10–14; vgl. v. Gutschmid Kl. Schriften III 85ff.; Gesch. Irans 127f. Mommsen R. G. V 380. Nipperdey-Andresen zu Tac. aa. OO.). Als der britannische Statthalter Ostorius Scapula es unternahm, das eroberte Gebiet durch Castelle zu sichern, geriet er in Kampf mit den Icenern und deren Nachbarstämmen, die jedoch den römischen Waffen erlagen (Tac. XII 31; wohl in dieses Jahr gehörig). Diese Erfolge werden C. veranlasst haben, den Titel imp. XVII, vielleicht auch XVIII anzunehmen (noch imp. XVI CIL III 6060. 7251 [= Dessau 214]. V 5804. VI 1231. Not. degli scavi 1885, 475 [= Dessau 213]. Cohen nr. 9f. 19. 60f. 88f.; imp. XVII Cohen nr. 20. 90; imp. XVIII Cohen nr. 11. 21. 62. 63. 91 [irrig imp. XV CIL XIII 1037]; ob thatsächlich beide Acclamationen auf Grund der brittischen Kämpfe erfolgten, ist fraglich). Es wurden auch wieder Münzen mit dem ℞ de Britann(is) ausgegeben (Cohen nr. 19ff.).

Vielleicht im October (Mommsen St.-R. I³ 588) wurde C. zum Consul für das J. 51 designiert (vgl. die Inschrift CIL V 5804, die gewiss nicht in die Zeit zwischen 1. und 25. Januar 50 gehört [so Ferrero Dizion. epigr. II 299], wie schon die Ziffer der Imperatorenacclamation beweist; cos. desig. V im J. 50, CIL III 6737).
50 n. Chr.: pont. max. trib. pot. X (25. Jan. 50/51) imp. XVIII, [XIX, (XX) und XXI] cos. IV desig. V p. p. (censor).

Agrippina rückte der Erfüllung ihrer Wünsche wieder um ein Bedeutendes näher. Ihr Verbündeter, Pallas, jetzt der Mächtigste unter den Freigelassenen, [2809] wusste den Kaiser für die Adoption des jungen Domitiers empfänglich zu stimmen. Hauptsächlich das Vorbild des Augustus und Tiberius und die verkehrte Meinung, der jetzt 12-jährige Domitius werde dem 9jährigen Britannicus helfend und fördernd zur Seite stehen, bewogen C. in die Adoption, die erste und einzige im Hause der Claudier, zu willigen. Sie wurde am 25. Februar (vgl. CIL VI 2041 Acta Arv.) lege curiata apud pontifices vollzogen, und dem neuen Prinzen, der dadurch gleichzeitig zur Thronfolge vorgeschlagen war (vgl. Mommsen St.-R. II³ 1137), der Name Nero Claudius Drusus Germanicus Caesar gegeben; seine Verlobte, Octavia, liess man, um eine Geschwisterehe zu vermeiden, durch Adoption in eine andere Familie übertreten (Tac. XII 25. 26. XIII 2. Suet. 27. 39; Nero 7. Dio LX 33, 2. Zon. XI 10 p. 32 Dind. Joseph. ant. XX 150 [= Zonar. VI 15]; bell. II 249. Plut. Ant. 87. Aur. Vict. 4, 15. Octavia v. 139f.; über den Namen Neros vgl. Klebs Pros. I 369 nr. 690). Im Zusammenhange mit der neuen Stellung ihres Sohnes wurde Agrippina der Name Augusta zuerkannt (Tac. XII 26. Zonar. a. a. O.; vgl. Mommsen St.-R. II³ 788, 4). Sie setzte es durch, dass ihre Geburtsstadt, das heutige Köln, zur Militärcolonie erhoben und nach ihr benannt wurde (Tac. XII 27, vgl. Marquardt St.-V. I² 278. Nissen Rhein. Jahrb. XCVIII 1895, 161ff.).

Die Chatten fielen in Germania superior ein, wurden jedoch von dem Legaten P. Pomponius Secundus derart in die Enge getrieben, dass sie Gesandte und Geiseln nach Rom sandten (Tac. XII 27. 28, vgl. Wietersheim-Dahn Gesch. d. Völkerwand. I² 94. Dahm Rhein. Jahrb. CI 1897, 128ff. Sarwey Westd. Ztschr. XVIII 1899, 19f.). Im Suebenreiche in Böhmen und Mähren brachen innere Kämpfe aus, in die auch die Nachbarvölker der Hermunduren, Lugier, Sarmaten und Iazygen eingriffen und die mit der Vertreibung des Vannius, den einst Drusus als König eingesetzt hatte, endigten. Die römische Regierung begnügte sich, ein Beobachtungscorps unter dem Statthalter Pannoniens, Sex. Palpellius Hister an der Donau aufzustellen, mit gutem Grund, da die Nachfolger des Vannius, seine Neffen Vangio und Sido, die Oberhoheit Roms sofort anerkannten. Vannius empfing mit seinem Gefolge Wohnsitze in Pannonien (Tac. XII 29. 30, vgl. Mommsen R. G. V 196f. Wietersheim-Dahn I² 115. Strakosch-Grassmann Gesch. d. Deutschen in Österr. I 24f.).

In Britannien wurden die Ceanger durch eine Diversion, die Ostorius Scapula in ihr Land unternahm, eingeschüchtert, Unruhen bei den Briganten beigelegt und die starke Veteranencolonie Camulodunum in dem eroberten Lande gegründet. Dann gelang es dem Scapula, über die wallisischen Bergvölker der Silurer und Ordoviker, die der unermüdliche Caratacus zum Kampf gegen die Römer führte, einen glänzenden Sieg zu erfechten, der Frau, Tochter und Brüder des Caratacus den Siegern in die Hände lieferte (Tac. XII 32–35; Agr. 14. Münzen mit ℞ de Britann(is) aus diesem Jahr Cohen nr. 22. 23; die Verteilung der Expeditionen des Scapula auf die J. 47–50 ist allerdings unsicher, da Tacitus über dieselben zu letzterem Jahr zusammenfassend berichtet; doch spricht [2810] eben dies und die bestimmte Nachricht, dass die Gefangennahme des Caratacus in das J. 51 fällt [Tac. XII 36], für das J. 50 als das des Sieges über den Brittenkönig).

Die glücklichen Feldzüge am Rhein und in Britannien veranlassten C., dreimal den Imperatortitel zu erneuern (noch imp. XVIII CIL III 6737 = Dessau 215. Cohen nr. 23. 66. 94; imp. XIX Cohen p. 273 nr. 2; imp. XXI CIL II 4644).

Vielleicht in das nämliche Jahr fällt die Ausweisung der in Rom ansässigen Juden und Judenchristen, unter welchen Zwistigkeiten ausgebrochen waren (Suet. 25. Oros. VII 6, 15. 16. Acta Apost. 18, 2; die Meinung, dass hier dieselbe Massregel vorliege, über die Dio LX 6, 6 zum J. 41 [s. d.] berichtet [vgl. Vogelstein-Rieger Gesch. d. Juden in Rom I 1896, 19 und die dort angeführte Litteratur], dürfte kaum richtig sein; über das bekannte impulsore Chresto, das wohl auf einem Missverständnis Suetons beruht, vgl. A. Weiss Die röm. Kaiser in ihrem Verhältnis zu Jud. u. Christ., Pr. 1882, 13. Mommsen R. G. V 523, 1. Friedländer S. G. III⁶ 618. Schürer Gesch. d. jüd. Volkes II 509, 70. Blass Herm. XXX 1895, 468. Smilda zu Suet. a. a. O.).
51 n. Chr.: pont. max. trib. pot. XI (25. Jan. 51/52) imp. XXII, [(XXIII), XXIV und (XXV)] cos. V p. p. censor.

C. bekleidete in diesem Jahr den fünften Consulat mit Ser. Cornelius Orfitus, später mit L. Cal(idius) Vetus (CIL I² p. 247 = X 6638 Fast. Antiates. II 4095. III 476. 1977. VI 353. 920. 1984. X 42. Bull. d. Inst. 1871, 151. Cohen nr. 24. 67f. 95f.; nach Sueton 14 hätte er die Fasces sechs Monate geführt, was nicht richtig sein kann, da er am 27. September noch im Amte war, vgl. Bull. d. Inst. a. a. O.; vermutlich dürfte Asbachs Meinung [Rh. Mus. XXXV 1880, 179] zutreffen, dass C. den Consulat an Stelle eines Verstorbenen noch über den 1. Juli hinaus führte, wonach also bei Sueton [gessit .. (consulatum) tertium .. in locum demortui suffectus] tertium in quartum zu corrigieren wäre; abweichend Smilda zu Suet. a. a. O.). Nero erhielt die Toga virilis, und schon zeigten die Ehren, die ihm von allen Seiten erwiesen wurden, dass man nur in ihm den Thronerben erblickte. Der Senat designierte ihn zum Consul für sein zwanzigstes Lebensjahr, verlieh ihm die proconsularische Gewalt ausserhalb Roms und den Titel princeps iuventutis. Die Ritterschaft weihte ihm einen Ehrenschild. Sämtliche Priestercollegien nahmen ihn in ihre Mitte auf; man setzte sein Bild auf Reichsmünzen; in seinem Namen wurde den Soldaten ein donativum, dem Volk ein congiarium gespendet; er veranstaltete endlich eine Revue der Praetorianer und sagte seinem Adoptivvater im Senate Dank (Tac. XII 41. Suet. Nero 7. Zonar. XI 10 p. 33 Dind. CIL VI 921a [= Dessau 222]. 1984. Cohen I² Nero nr. 96. 311 etc. Sallet Münzen und Medaillen 1898, 76; vgl. Mommsen St.-R. II³ 831. Schiller Nero 72ff.). Agrippina selbst gerierte sich mehr und mehr als Mitherrscherin. Nie hat eine römische Kaiserin eine Stellung gleich ihr eingenommen. Es wurden Reichsmünzen mit ihrem Bild geprägt (Cohen I² 274 nr. 34. Sallet a. a. O. 75f.); sie erteilte, wie der Kaiser, allgemeine Audienzen, über welche in der Staatszeitung berichtet wurde; [2811] sie wohnte Festlichkeiten, Staatsactionen, Truppenrevuen neben ihrem Gatten auf einem Throne sitzend bei und erhielt das seltene Recht, im Wagen auf das Capitol zu fahren (Tac. XII 37. 42. Dio LX 33, 1. 2. 7. Zonar. XI 11 p. 34 Dind., vgl. Mommsen St.-R. II³ 807. 813. 831. 1168. Kaibel Ephem. epigr. II p. 8). In den Provinzen, namentlich griechischer Zunge, erwies man ihr göttliche Verehrung und setzte ihr Porträt auf die Münzen (vgl. Lehmann 179ff. Ferrero Diz. epigr. II 301f.). Gleichzeitig gelang es ihr, ihre Geschöpfe in die wichtigsten Stellungen zu bringen, sie brachte den Befehl über die Praetorianer an Afranius Burrus, und den Kaisersohn Britannicus umgab sie mit ihr ergebenen Leuten (Tac. XII 41. 42. Zonar. a. a. O.).

Da der Hafen von Ostia noch nicht vollendet war, drohte im Winter noch immer die Gefahr einer Hungersnot, und gerade in diesem Jahr entstand ein solcher Getreidemangel, dass sich das Volk zu Schmähungen, ja sogar zu thätlichen Insulten gegen den Kaiser hinreissen liess. Die Folge davon waren einige Erlasse, die die Kornzufuhr befördern sollten. Der Princeps erklärte, den Schaden, der den Getreidespediteuren durch Stürme zugefügt würde, auf sich nehmen zu wollen; den Schiffbauern wurden, wenn ihre Schiffe eine bestimmte Zeit hindurch Korn nach Rom geführt hatten, grosse Vorteile gewährt: den Bürgern Befreiung von der Lex Papia Poppaea, den Leuten latinischen Rechtes das römische Bürgerrecht, den Frauen freigelassenen Standes das ius quattuor liberorum (Tac. XII 43, der diese Verfügungen nicht erwähnt. Suet. 18. 19. Oros. VII 6, 17. Gaius I 32 c. Ulpian. 3, 6 [nicht hieher gehört Zonar. XI 11 p. 34 Dind.], vgl. Smilda zu Suet. aa. OO.). Wohl auf Grund der genannten Vorkehrungen wurden wieder Münzen mit der Umschrift S. P. Q. R. p. p. ob c(ives) s(ervatos) geprägt, die übrigens während der ganzen Regierung des C. häufig in Curs kamen (Cohen nr. 95–98).

Der Sohn des greisen Ibererkönigs Pharasmanes, Radamistos, fiel in Armenien ein, das sein Oheim und Schwiegervater Mithridates beherrschte. Durch die verräterische Haltung des römischen Praefecten Caelius Pollio, der die Besatzung von Gorneae (s. zum J. 42) befehligte, gefördert, bekam er Mithridates in seine Gewalt, tötete ihn und bemächtigte sich Armeniens (Tac. XII 44–48, vgl. v. Gutschmid Kl. Schriften III 93f.; Gesch. Irans 129. Schiller Kaiserzeit I 325f. Mommsen R. G. V 381f. Nipperdey-Andresen zu Tac. aa. OO.; die Chronologie dieser armenischen Verwicklungen, über die Tacitus zum J. 51 berichtet, ist nicht mit völliger Sicherheit zu bestimmen). Der Brittenkönig Caratacus geriet, nachdem er neun Jahre lang den Römern Widerstand geleistet hatte, durch die Treulosigkeit der Brigantenkönigin Cartimandua in die Gewalt des Ostorius Scapula und wurde nach Rom gebracht, doch begnadigte ihn der Kaiser (Tac. XII 36–38; hist. III 45; Agr. 14. Dio exc. Vat. V 191 Dind. = Zonar. XI 10 p. 33 Dind., s. o. S. 870f. 1569f.). Wahrscheinlich auf Grund dieses grossen Erfolges beschloss der Senat wiederum die Errichtung eines Triumphbogens für den Kaiser und die kaiserliche Familie in Rom (Teile der Inschrift [CIL VI 920. 921 = Dessau 216. 222] [2812] und der Reliefs sind noch erhalten, s. unter Abschnitt IV k; zu den 11 unterworfenen brittischen Königen, welche die Inschrift erwähnt, gehören Caratacus und dessen Brüder [s. zum J. 50]; die Worte [sine] ulla iactur[a] trafen jedoch nur bezüglich des Caratacus selbst zu). Das Beispiel der Hauptstadt fand in den Provinzstädten Nachahmung (so in Kyzikos, vgl. die Inschrift des dortigen Triumphbogens CIL III 7061). Es wurden wiederum Münzen mit der Legende de Britann(is) ausgegeben (Cohen nr. 24). Vielleicht war es auch dieser Erfolg, der den Senat veranlasste, in einer Art Opposition gegen Agrippina Münzen mit dem Bilde des Britannicus zu schlagen (Cohen I² 269f. nr. 1. 2, s. o. Nr. 92; Mommsens Ansicht bezüglich dieser Münze [St.-R. II² 831] dürfte doch zu billigen sein).

C. empfing in diesem Jahr drei- oder viermal die Acclamation als Imperator (imp. XXII CIL III 476. 7206; imp. XXIV CIL III 1977; imp. XXIII und XXV sind nicht belegt; im folgenden Jahr erscheint bereits imp. XXVI; irrig ist trib. pot. XI imp. XVIII bei Cohen nr. 97. 98); ob nur die Erfolge in Britannien oder auch andere, nicht überlieferte Unternehmungen hiezu den Anlass boten, muss dahingestellt bleiben.
52 n. Chr.: pont. max. trib. pot. XII (25. Jan. 52/53) imp. XXVI [und XXVII] cos. V p. p. censor.

Im Zusammenhange mit einem Process gegen Furius Scribonianus, den Sohn des Empörers, wurden durch Senatsbeschluss die Astrologen aus Italien verwiesen (Tac. XII 52. Zonar. XI 10 p. 33 Dind.). Die Frage der Ausscheidung unbemittelter Senatoren aus dem Senat beschäftigte den Kaiser noch immer (Tac. XII 52; die Stelle ist so aufzufassen, dass der Senat auf eine Rede des C. hin die verarmten Mitglieder, die nicht freiwillig ihre Streichung beantragten, ausstiess; von einer erneuerten lectio senatus, wie Lehmann 358 und Ziegler 1880, 36 annehmen, ist keine Rede). Für freie Frauen, die mit Sclaven im Concubinat lebten, wurde auf Antrag des Kaisers bei Unkenntnis des Patrons Sclaverei, im anderen Falle Libertinenstellung bestimmt; die Kinder, die einem derartigen Verhältnis entsprossen, sollten entweder Sclaven werden oder in den Stand eintreten, den ihnen der Wille des Patrons zuwiese; wenn ein freigeborener Mann mit einer fremden Sclavin ohne Kenntnis von deren unfreier Stellung im Contubernium lebe, sollten seine männlichen Kinder dem Stande des Vaters, die weiblichen dem der Mutter folgen (S. C. Claudianum Tac. XII 58. Gai. inst. 84ff. 91. Ulpian. XI 11. Paul. sent. II 21 a. IV 10, 2. Cod. Theod. IV 11. Cod. Iust. VII 24. Coll. libr. iuris anteiust. ed. Krüger III 256, vgl. Rudorff Röm. Rechtsgesch. I 111. Willems Droit publ.⁵ 403). Da C. die Initiative zu diesem Gesetz dem Pallas zuschrieb, zeichnete der Senat, glücklich, sich dem mächtigen Freigelassenen gefällig erweisen zu können, diesen durch die ornamenta praetoria und ein Geldgeschenk aus, welch letzteres Pallas übrigens ablehnte (Tac. XII 53. Suet. 28. Plin. n. h. XXIV 201. Plin. ep. VII 29. VIII 6. Aur. Vict. epit. 4, 8) Am 1. August dieses Jahre wurden die beiden neuen Wasserleitungen dem Gebrauch übergeben (CIL VI 1256 = Dessau 218. Frontin. [2813] de aqu. I 13; s. u. Abschnitt IV k). Die Vollendung eines Bergdurchstiches am Fucinersee feierte man durch eine grosse Naumachie im Seebecken, der C. und Agrippina präsidierten (Tac. XII 56. Suet. 21. Plin. n. h. XXXIII 63. Mart. epigr. 28, 11). Doch traten bei dem Werke, dessen Oberleitung Narcissus hatte, Fehler zu Tage, die allerdings bald beseitigt wurden. Dies benützte Agrippina, um ihren gefährlichsten Gegner der unredlichen Bauführung anzuklagen, ohne freilich beim Kaiser einen Erfolg damit zu erzielen (Tac. XII 57. Dio LX 33, 6, vgl. Suet. 32).

Radamistos nahm den Königstitel von Armenien an und empfing sogar die Anerkennung des Procurators von Kappadokien, Iulius Paelignus. Der Statthalter Syriens, C. Ummidius Durmius Quadratus, versuchte zwar eine Einmischung, ging aber wieder davon ab, als der neue Partherkönig Volagases die Ansprüche seines Hauses auf Armenien geltend machte und seinen Bruder Tiridates mit diesem belehnte (Tac. XII 49. 50; die Litteratur s. zum J. 51). Zwischen Juden und Samaritern brachen Zwistigkeiten aus, deren die beiden Procuratoren Ventidius Cumanus und Antonius Felix, der Bruder des Pallas, nicht Herr wurden. Erst dem Eingreifen des Ummidius Quadratus gelang es, die Ruhe wiederherzustellen. Felix erhielt nun die Verwaltung von ganz Judaea, Samaria, Galilaea und Peraea (Tac. XII 54; abweichend Joseph. ant. XX 118–137 [Zonar. VI 15]; bell. II 232–247; Suet. 28. Aur. Vict. epit. 4, 7 ; vgl. Schürer Gesch. d. jüd. Volkes I 476f.). Die Kieten, die unter Troxoboris dem kilikischen Küstenlande durch Raubzüge lästig fielen, trieb der König Antiochos von Kommagene zu Paaren (Tac. XII 55, vgl. Wilhelm Arch.-epigr. Mitt. XVII 1894, 1ff.). Ostorius Scapula setzte den Krieg gegen die Silurer fort, die trotz Caratacus Gefangennahme keineswegs in ihrem Kampfeseifer nachliessen; obwohl im offenen Kampfe siegreich, erlitt er in einem hartnäckigen Guerillakrieg schwere Verluste. Als er starb, folgte ihm als Statthalter A. Didius Gallus, der die Silurer aus dem römischen Gebiet vertrieb (Tac. XII 38–40; Agr. 14). Auf Grund dieser Kämpfe nahm C. in diesem Jahr zwei- oder dreimal den Imperator an (bezüglich imp XXV s. zum J. 51; imp XXVI CIL VIII Suppl. 14727. Bull hell. XI 1887, 306; imp. XXVII mit trib. pot. XII CIL VI 1256 [= Dessau 218]. III dipl. I p. 844 [vom 10. December]. Die 27. Imperatorenacclamation war die letzte des C. (CIL II 1953. III 409. 4591); er empfing sie vor dem 1. August dieses Jahres (vgl. CIL VI 1256 und Frontin. de aq. I 13).
53 n. Chr.: pont. max. trib. pot. XIII (25. Jan. 53/54) imp. XXVII cos. V p. p. censor.

Als C. in diesem Jahr erkrankte, gelobte Nero auf Veranlassung seiner Mutter Spiele im Falle der Genesung des Adoptivvaters. Gleichzeitig bewog Agrippina den Kaiser, in Botschaften an den Senat und an das wegen Getreidenot wieder einmal in Unruhe geratene Volk zu erklären, dass, falls er sterbe, Nero zur Verwaltung des Staates bereits fähig sei. Doch genas C. wieder, und Nero richtete die gelobten Spiele prächtig aus (Zonar. XI 11 p. 34 Dind. [aus Dio]. Suet. Nero 7; bei Tacitus lesen wir nichts über diese Vorgänge; [2814] trotzdem liegt kein Grund vor, mit Schiller Nero 73 an der Richtigkeit der dionischen Nachricht zu zweifeln). Die Vermählung des sechzehnjährigen Knaben mit Octavia wurde jetzt vollzogen (Tac. XII 58. Suet. 27; Nero 7. Dio LX 33, 2. Joseph. bell. II 249). Damit er auch durch seine Bildung glänze und Popularität in den Provinzen gewinne, liess ihn Agrippina im Senate Reden zu Gunsten verschiedener Städte halten, die ihm natürlich sein Lehrmeister Seneca verfasste (Tac. XII 58. Suet. Nero 7, wo diese Reden Neros in das J. 51 verlegt werden. Anth. Pal. IX 178). Während Agrippina unermüdlich thätig war, um ihrem Sohne Achtung und Beliebtheit zu verschaffen, wurde Britannicus systematisch in den Hintergrund gedrängt und als unfähig und krank öffentlich discreditiert (s. o. Nr. 92). Aber es fehlte nicht an einer Partei, die dem echten Kaisersohne die Thronfolge sichern und dem Weiberregiment Agrippinas ein Ende bereiten wollte; an ihrer Spitze stand Narcissus, seit der Anklage, die Agrippina im vorhergehenden Jahr gegen ihn erhoben hatte, der erklärte Gegner der Kaiserin (Tac. XII 57). Auch im Senate regte sich Opposition gegen die Umtriebe der mächtigen Frau. Nicht genug, dass man das Bildnis des Britannicus auf Münzen setzte (s. zum J. 51), wurde, allerdings vergeblich, ein Angriff gegen die starke Stellung ihres Vorkämpfers L. Vitellius versucht und ein Werkzeug der Kaiserin, Tarquitius Priscus, verurteilt (Tac. XII 42. 59).

Dieses Jahr war reich an Privilegien für einzelne Städte. Die Bewohner von Ilion und von Kos wurden von jeder Leistung an den Staat befreit, den Städten Byzanz und Apamea die Steuern für fünf Jahre erlassen, Bononia eine Geldspende gewährt (Tac. XII 58. 61–63. Suet. 25). Rhodos erhielt seine Freiheit wieder (Tac. XII 58. Suet. 25. Antiphilos Anth. Pal. IX 178, vgl. IGIns. I 2). Auf Veranlassung des C. wurde durch Senatsbeschluss den kaiserlichen Procuratoren volle Gerichtsbarkeit in Sachen des Fiscus gewährt (Tac. XII 60. Suet. 12, vgl. Mommsen St.-R. II³ 1022. Willems Droit publ.⁵ 500f. Herzog St.-Verf. II 773).

Agrippa II. erhielt an Stelle seines bisherigen Herrschaftsgebietes Chalkis die ehemaligen Tetrarchien Trachonitis, Batanaea, Gaulanitis und Abilene als Königreich (Joseph. ant. XX 138 [= Zonar. VI 15]; bell. II 247, vgl. Schürer Gesch. d. jüd. Volkes I 492). Der Partherkönig Volagases vertrieb die Iberer aus Armenien, wurde jedoch durch die Strenge des Winters und den Ausbruch einer Seuche zur Rückkehr in sein Reich genötigt. Als Radamistos wieder festen Fuss im Lande zu fassen suchte, verjagte ihn (im folgenden Jahr) das armenische Volk selbst, die parthischen Truppen kehrten zurück, und der Arsacide Tiridates bestieg den Thron Armeniens (Tac. XII 50. 51. XIII 6; die Litteratur s. zum J. 51).
54 n. Chr.: (pont. max.) trib. pot. XIV (vom 25. Januar an) (imp. XXVII cos. V p. p. censor).

In dem erbitterten Kampfe, den Agrippina und Narcissus um die Herrschaft über Kaiser und Reich führten, schien es beinahe zu einem Siege des Freigelassenen kommen zu wollen. Es gelang ihm zwar nicht, den Sturz der Domitia Lepida, der Tante Neros, deren Einfluss auf diesen [2815] Agrippina fürchtete, hintanzuhalten (Tac. XII 64. 65. Suet. Nero 7), aber er verstand es, Keime des Misstrauens gegen Agrippina in das Herz des Fürsten zu legen, und, was noch bedeutsamer war, eine Annäherung zwischen diesem und seinem so lange vernachlässigten Sohne zustande zu bringen. Man hörte aus dem Munde des Kaisers, es sei ihm bestimmt, die Schandthaten seiner Frauen erst zu ertragen, dann zu bestrafen. Unter Zuziehung der Magistrate verfasste er ein Testament, in welchem Britannicus dem Nero mindestens gleichgestellt wurde (vgl. Mommsen St.-R. II³ 1135, 5. Asbach Röm. Kaisertum 25); eine Rede des Kaisers im Senate, in welcher er seine beiden Söhne zur Eintracht ermahnte, bewies gleichfalls, dass Narcissus nicht vergebens thätig gewesen war. Mehr noch als all dies fiel in die Wagschale, dass sich C. mit dem Gedanken trug, dem jetzt dreizehnjährigen Britannicus sobald als möglich die Toga virilis zu verleihen. Dies musste Agrippina auf alle Weise zu verhindern trachten; mit der Anlegung des Männergewandes betrat Britannicus die öffentliche Laufbahn, und was der echte Sohn des Kaisers, selbst, wie es scheint, nicht unfähig und geleitet von einem Manne wie Narcissus, erreicht hätte, konnte niemand voraussehen. Da kam der Zufall der Kaiserin zu Hülfe. Narcissus erkrankte am Podagra und war genötigt, die Bäder von Sinuessa aufzusuchen. Die Zeit seiner Abwesenheit musste Agrippina, für die es galt, alles zu gewinnen oder alles zu verlieren, zur raschen That benützen. Sie griff zu dem Mittel, das allein ihre Pläne zu Ende bringen und eine scrupellose Frau wie sie nicht abschrecken konnte. Der Genuss eines vergifteten Pilzes machte dem Leben des C. in wenigen Stunden ein Ende. Er verschied frühmorgens am 13. October, doch wurde sein Tod bis Mittag verheimlicht. Dann zeigte sich Nero, begleitet von Burrus, den Praetorianern und empfing ohne Hindernis die Huldigung als Imperator.

Über die Vorgänge vor dem Tode des C. vgl. Tac. XII 64–66. Suet. 43. 44. 46; Tit. 2. Dio LX 34, 1. 2. 4. Zonar. XI 11 p. 35 Dind. [aus Dio]. Joseph. ant. XX 151 = Zonar. VI 15. Aur. Vict. 4, 13. Über den Tod wird berichtet: Tac. XII 66–69. XIV 63. Suet. 44. 45; Nero 33. Dio LX 34, 2. 3. 35, 3. LXI 6, 4. 14, 1. Zonar. XI 11 p. 35 Dind. [nach Dio]. Plin. n. h. II 92. XI 189. XXII 92. Joseph. ant. XX 148. 151; bell. II 248. Aur. Vict. 4, 13. 15; epit. 4, 10–12. Zosim. I 6, 3. Oros. VII 6, 18. Sen. apocol. 1–4; Octavia v. 25. 31f. 44. 102. 164f. Mart. I 20. Iuv. V 147f. VI 620–623. Philostr. vit. Apoll. V 32, vgl. CIL VI 2041. An der Thatsache der Vergiftung dürfte nach dem Zusammenhang der Ereignisse kaum zu zweifeln sein; die Vorgänge unmittelbar nach dem Tode des C. zeigen überdies, dass Agrippina wohlvorbereitet war; endlich ist es ein die Kaiserin belastendes Moment, dass Narcissus Ende dem seines Herren sofort folgte. Mit Ausnahme des Josephus, der von einem Gerücht spricht (λόγος ἦν παρά τινων, ὡς ὑπὸ τῆς γυναικὸς Ἀγριππίνης φαρμάκοις ἀνῄρητο ant. XX 148), stellen alle Schriftsteller die Vergiftung als gewiss hin, vielleicht am bestimmtesten der Zeitgenosse Plinius. In den Einzelheiten giebt es der Natur der Sache nach Abweichungen zwischen [2816] den verschiedenen Berichten. Vgl. Schiller Nero 85ff.; Kaiserzeit I 343f. Ranke Weltgesch. III 307ff. (der annimmt, dass C. eines natürlichen Todes gestorben sei).

c) Fortleben nach dem Tode. Während man sich beeilte, das Testament des C. zu vernichten (Tac. XII 69. Dio LXI 1, 2 = Zonar. XI 12 p. 37 Dind.), beschloss der Senat für ihn, wie einst für Augustus, ein funus censorium, bei welchem Nero die von Seneca verfasste Leichenrede hielt. Gleichfalls nach dem Vorbild des Augustus wurde vom Senate die Consecration des C. beschlossen, Agrippina zu seiner flaminica bestimmt und der Cult des Divus Claudius mit dem des Divus Augustus vereinigt, dessen Priester den Namen sodales Augustales Claudiales erhielten (Tac. XII 69. XIII 2. 3. Suet. 45; Nero 2. Dio LX 35. 2. Sen. apocol. 12. Plin. pan. 11. Traian. ad Plin. 71. Eutr. VII 13. Stat. silv. III 3, 77. 78. Iuv. V 620–623; auch Münzen mit der Umschrift divus Claudius Augustus wurden damals auf Senatsbeschluss geprägt. Cohen nr. 31f.; die Inschriften, in denen C. als Divus bezeichnet wird, finden sich zusammengestellt bei Nordmeyer Jahrb. f. Philol. Suppl. XIX 1893. 291ff. und bei Ferrero im Diz. epigr. II 296; über die Sodales Augustales Claudiales vgl. Marquardt-Wissowa III² 471. Beurlier Le culte impérial 1891, 85f., bezüglich der zeitlichen Fixierung kaum richtig). Diese Verfügungen gingen offenbar von Agrippina aus, die eine Erhöhung ihres Ansehens erhoffte, wenn ihr einstiger Gemahl zum Gott erhoben wurde; denn die Anerkennung der Regierungshandlungen des Verstorbenen konnte gewiss auch ohne Apotheose erfolgen. Doch erzielte sie in Wirklichkeit gerade das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung. Den Zeitgenossen trat der Abstand zwischen dem C., den sie selbst gekannt hatten, und dem Gotte C. allzu stark vor Augen. Der Spott, der den Kaiser zeitlebens verfolgt hatte, fand auch in diesem Contraste ein dankbares Object (Dio LX 35. 2. 3); Nero selbst witzelte über den durch einen Pilz zum Gott gewordenen Adoptivvater (Suet. Nero 33. Dio LX 35, 3. Plin. pan. 11), und kurze Zeit nach dessen Vergötterung erschien die ‚Verkürbisung des Divus Claudius‘, die boshafteste Satire, die je auf einen Herrscher geschrieben worden ist (sie gilt als Werk des Seneca). Nero liess übrigens den Cult des C. später, wahrscheinlich nach dem Untergang Agrippinas, eingehen und den Tempel, den diese am Caelius ihrem einstigen Gemahl zu bauen begonnen hatte, niederreissen (Suet. 45; Vesp. 9); förmlich aufgehoben, wie Suet. 45 berichtet, hat er jedoch die Consecration des C. keineswegs (vgl. darüber Hirschfeld Gött. Gel. Anz. 1873, 747f. [dass C. in der Lex de imperio Vespasiani nicht divus genannt wird, beweist noch nicht die officielle Aufhebung der Apotheose; wird doch Tiberius in derselben Urkunde mit einem Namen bezeichnet, den er nie geführt hat: Ti. Iulius Caesar Aug.]; S.-Ber. Akad. Berl. 1888, 841, 39. Beurlier 33. Smilda zu Suet. 45. Nordmeyer 291ff.). Vespasian, der unter C. emporgekommen war, hat die Verehrung desselben neu belebt (Suet. 45) und seinen Tempel am Caelius wieder aufgebaut (Suet. Vesp. 9. Frontin. de aq. I 20. II 76. CIL VI 10251 a, vgl. Gilbert Gesch. [2817] u. Topogr. d. St. Rom III 124). Später haben noch Titus, Domitian und Traian das Andenken wohl weniger des C. selbst als seiner Regierung durch Neuprägung seiner Münzen aufgefrischt (Cohen nr. 102–111).

IV. Verwaltung (Übersicht). a) Allgemeines. Die Eigenart der Regierung des C. beruht hauptsächlich darauf, dass unter ihm die Leitung des Reiches im wesentlichen in den Händen der kaiserlichen Hofbediensteten lag. Daraus erklärt sich sowohl der im allgemeinen conservative Charakter der Staatsleitung – denn einschneidende Reformen in Verfassung und Verwaltung können nur von einer mit höchster Autorität ausgestatteten Regierung ausgehen – wie andererseits die Richtung auf Stärkung der Fürstengewalt, auf Niederhaltung der senatorischen Aristokratie bei äusserlicher Ehrung derselben und auf Ausgleichung des Gegensatzes zwischen Italien und den Provinzen, die dieses Regiment verfolgte. Man muss gestehen, dass die Herrschaft der Freigelassenen des C. eine der besten gewesen ist, die dem römischen Reiche beschieden waren. Wie nach aussen hin in glücklichen Kämpfen die Macht befestigt, die Grenzen erweitert wurden und das Heer wieder die alte Kriegszucht sich zu eigen machte, so sorgten im Innern kluge Verwaltung, schnelle Justiz und lebhafter Bautrieb für das Wohl der Unterthanen, und mit umsichtigem Eifer wurde durch Verleihung des Bürgerrechtes, durch Zulassung zur Staatscarrière, durch Gründung von Colonien und Anlegung von Strassen die grosse Idee verfolgt, die vielen Völker des Reiches in cultureller Einheit zu verbinden.

Die bis dahin wenig bedeutenden kaiserlichen Hausstellungen des Secretariats, Rechnungs- und Bittschriftenamtes wurden jetzt Ausgangs- und Mittelpunkt der Reichsverwaltung. Und wie die obersten Chefs waren auch die höheren und subalternen Beamten des administrativen Dienstes, namentlich in der Hauptstadt, zum guten Teile kaiserliche Freigelassene. In den Provinzen wurde die Finanz- und teilweise auch die Civilverwaltung vorwiegend ritterlichen Beamten anvertraut, deren Bedeutung durch die Verleihung der Civilgerichtsbarkeit wesentlich gehoben wurde. So haben die Leiter der claudischen Regierung die senatorische Aristokratie teils ganz von den Reichsgeschäften verdrängt, teils einer steten Controlle durch kaiserliche Beamte unterworfen und einen starken Schritt vorwärts gethan in der Ausbildung der Monarchie.

Aber die Freigelassenen waren doch nicht die alleinigen Machthaber. C.s eigene Initiative ist (namentlich an seinen historisch-antiquarischen Liebhabereien) bei nicht wenigen, manchmal lobenswerten, dann wieder verkehrten Massregeln zu erkennen. Ferner haben die Kaiserin Agrippina und einzelne hervorragende Senatoren wie L. Vitellius grossen Einfluss auf die Leitung des Staatswesens ausgeübt. Daraus erklären sich auch die Widersprüche, die sich zuweilen zwischen verschiedenen Regierungshandlungen der Zeit des C. finden.

Von den drei Factoren der Gesetzgebung, dem Volksgesetze, dem Senatsbeschlusse und der kaiserlichen Verordnung, ist der erstgenannte, unter C. wohl nur selten in Wirksamkeit getreten. Wir [2818] kennen von Comitialgesetzen aus dieser Regierung die lex Claudia über die Aufhebung der Agnatentutel für Frauen (s. Abschnitt IV f), eine lex gegen die Wucherer (s. zum J. 47 und Abschnitt V f) und vielleicht die lex Iunia Vellaea (s. zum J. 46; vgl. Karlowa Röm. Rechtsgesch. I 623. Herzog St.-Verf. II 269). Bedeutend umfangreicher war die gesetzgeberische Thätigkeit des Senates, die, allerdings immer unter dem Einfluss der kaiserlichen Regierung, sich auf fast alle Gebiete des öffentlichen Lebens erstreckte (die erhaltenen Senatsbeschlüsse aus der Zeit des C. sind gesammelt bei Bruns Fontes⁶ 186ff.; ausserdem werden noch zahlreiche andere erwähnt; s. die folgenden Abschnitte). Endlich ist auch die kaiserliche Verordnung, zu der in den J. 47 und 48 das censorische Edict kam, in hervorragendem Masse zur Rechtschaffung herangezogen worden (die erhaltenen Erlasse des C. s. o. Abschnitt I c; vgl. die folgenden Abschnitte). Vgl. Hirschfeld V.-G. 286ff. Herzog II 264ff. Asbach Röm. Kaisertum 21ff.

b) Die obersten Gewalten. α) Kaiser und Hof. Trotz aller äusserlichen Respectierung des Senats war es doch recht eigentlich die kaiserliche Regierung, welche die Verwaltung des Reiches unter C. leitete. Die Rechte, welche die augustische Verfassung dem Princeps gab, wurden nicht blos völlig ausgenützt, sondern auch erweitert und überschritten (cuncta legum et magistratuum munia in se trahens princeps Tac. XI 5), und andererseits stand der Senat wieder derart unter kaiserlichem Einfluss, dass alle Wünsche des Herrschers von der hohen Körperschaft pflichtschuldigst erfüllt wurden (vgl. Tac. XII 7. 60). So vermochte die Regierung des C. mit Benützung der gesetzlichen Befugnisse des Senates eine Politik zu verfolgen, die doch von den Traditionen der Senatspolitik völlig abwich; man braucht nur daran zu erinnern, dass der Senat es war, der die Erteilung der Jurisdiction an die kaiserlichen Procuratoren, des Ius honorum an die Gallier und viele ähnliche Neuerungen beschloss, die gewiss nicht den Regierungsmaximen der senatorischen Aristokratie entsprachen.

Die Censur, die C. in den J. 47 und 48 (s. d.) führte, gab ihm die Möglichkeit einer Ergänzung und Reinigung des Senats in grösserem Massstabe. Durch Senatsbeschlüsse wurden Befugnisse des Herrschers festgesetzt oder erweitert; wie Augustus und Tiberius erhielt er die Anerkennung der Rechtsgültigkeit seiner sämtlichen Verfügungen (vgl. Mommsen St.-R. II³ 909f.), das Recht, Bündnisse zu schliessen, den Senat zu berufen, Anträge zu stellen und zu cassieren, Senatsbeschlüsse herbeizuführen (CIL VI 930 = Dessau 244 lex de imp. Vesp.), vielleicht auch, den Senat durch Adlection zu ergänzen (s. zum J. 48). Er bekam ferner auf Grund der Vorschiebung der Reichsgrenze die Befugnis, das Pomerium vorzurücken (lex de imp. Vesp.; CIL VI 1231. 31537 = Not. d. scav. 1885, 475. Tac. XII 23. 24. Gell. XIII 14, 7, vgl. Mommsen St.-R. II³ 435, 1. 1072f. III 826, 1. Detlefsen Herm. XXI 502f. 518f. Hülsen CIL VI fasc. 4, 2p. 3106; s. o. zum J. 49). Das bisher dem Senate zustehende Recht, Senatoren die Erlaubnis zum Aufenthalt ausserhalb Italiens (abgesehen von Sicilien [2819] und dem narbonensischen Gallien) zu erteilen, wurde im J. 46 auf den Kaiser übertragen (Dio LX 25, 6. Suet. 23, vgl. Tac. XII 23).

C. leistete selbst den Eid auf die acta des Augustus (Dio LX 10, 1. 25, 1), liess aber, wenigstens anfangs, nicht zu, dass seine eigenen acta beschworen würden (Dio LX 10, 1). Die Anklage wegen Majestätsverletzung hob er auf (Dio LX 3, 6. 4, 2, doch vgl. Tac. XII 42). In Bezug auf persönliche Ehrung war er massvoll (s. zum J. 41), hat aber nichtsdestoweniger aus Angst vor Nachstellungen Neuerungen eingeführt, die dem Herrscher auch äusserlich eine exclusivere Stellung gaben (s. zum J. 41). Denjenigen, die das Vorrecht des Zutrittes zum Kaiser hatten, gestattete er, einen goldenen Ring mit seinem Bildnisse zu tragen (Plin. n. h. XXXIII 41; dass er selbst Smaragd- und Sardonyxringe trug, erzählt Plin. XXXVII 85). In Bezug auf den Kaisercult (vgl. Hirschfeld S. Ber. Akad. Berl. 1888, 833ff. Beurlier Le culte impérial 1891) hat sich C. an das Beispiel des Augustus und Tiberius gehalten (vgl. Plin. ad Traian. ep. 70. 71; in der Puteolaner Inschrift aus dem J. 46, CIL X 1558, ist die Ergänzung [ministra]e sacerdoti(i) di[vini nostri im]peratoris Ti. Claud[i] zweifelhaft, vgl. Hirschfeld 843, 48). In Britannien wurde sofort nach der Occupation des Landes seine Verehrung eingeführt und ihm ein Tempel in Camulodunum errichtet (Tac. XIV 31. Senec. apocol. 8). Sowie er das Andenken seiner Vorfahren feierte (s. zum J. 41), liess er auch Ehrungen der Mitglieder seiner Familie zu, seiner Frau Messalina (Dio LX 22, 2. Suet. 17), seiner Schwiegersöhne Silanus und Pompeius (Dio LX 5, 7–9. 31, 7; s. zu den J. 41 und 44), namentlich aber seines Adoptivsohnes Nero (J. 51) und seiner zweiten Gemahlin Agrippina, die die Vorrechte einer Mitregentin nicht nur in Anspruch nahm, sondern auch zum guten Teil ausübte (J. 50, 51).

Die übermächtige Stellung, welche die in den höchsten Hofämtern befindlichen Freigelassenen einnahmen (s. zum J. 41), kam auch äusserlich in einer für römische Anschauung unerhörten Ehrung dieser ehemaligen Sclaven zum Ausdruck. Narcissus erhielt vom Senate die quaestorischen, Pallas die praetorischen Insignien (J. 48, 52); dem ersteren übertrug C. sogar das militärische Commando für einen Tag und damit das Recht, das Schwert zu führen (J. 48, vgl. Mommsen St.-R. I³ 435). Felix wurde in den Ritterstand erhoben und Alen, Cohorten, schliesslich der Provinz Judaea vorgesetzt (vgl. Mommsen St.-R. II³ 837, 1. Hirschfeld V. G. 256, 1; S.-Ber. Akad. Berl. 1889, 423), der Eunuch Posides mit einer militärischen Auszeichnung bedacht (J. 44). Freigelassene des Kaisers bekleideten Flottencommandos (vgl. CIL III p. 844 dipl. I. Hirschfeld V.-G. 123f.) und zahlreiche Verwaltungsstellen im kaiserlichen Dienst (vgl. Tac. XII 60. Hirschfeld 287); die höheren von ihnen erhielten gleich den ritterlichen Beamten den Titel procurator (Hirschfeld 287). Neu creiert wurden für die Freigelassenen die Stellungen eines Procurators der Wasserleitungen (Frontin. de aq. 105; vgl. Hirschfeld 163ff.), des Procurators portus Ostiensis (s. zum J. 44), wohl auch des Procurators a muneribus, der die Ausrichtung der [2820] vom Kaiser veranstalteten Gladiatorenspiele zur Aufgabe hatte (Hirschfeld 178), des procurator bybliothecarum (Hirschfeld 189), des procurator a patrimonio, der das kaiserliche Hausgut verwaltete (Hirschfeld 41), und endlich das wichtige Amt des Freigelassenen a cognitionibus, der die richterlichen Entscheidungen des Herrschers vorzubereiten hatte (vgl. Hirschfeld 208f. Herzog St.-Verf. II 783, abweichend Mommsen St.-R. II³ 965, 2).

β) Senat. Über das Verhältnis von Kaiser und Senat vgl. die vorhergehenden Abschnitte.

Senatoren, die durch Verarmung den Sitz im Senate verloren, liess C. meist selbst ihre Streichung aus der Senatorenliste beantragen (Tac. XI 25. XII 52. Dio LX 11, 8. 29, 1; s. zu den J. 48 und 52). Leuten, die es trotz vorhandener Qualification verschmähten, die senatorische Carrière einzuschlagen, nahm er auch die Ritterwürde (Suet. 24, vgl. Dio LX 29, 2 = Zonar. XI 9 p. 29 Dind.). Das Recrutierungsgebiet des Senates wurde durch die Erteilung des ius honorum an die Aeduer erweitert (J. 48). C. hatte zwar zu Anfang seiner Regierung erklärt, er werde keinem den latus clavus verleihen, der nicht mindestens Urgrossenkel eines römischen Bürgers sei, hielt sich aber später nicht immer an diese Bedingung (Suet. 24, vgl. Nero 15). Die Senatoren aus Gallia Norbonensis erhielten das den sicilischen schon lange zustehende Recht, auch ohne ausdrückliche Erlaubnis des Kaisers (vgl. IV b α) ihre Güter besuchen zu dürfen (Tac. XII 23, s. zum J. 49). Im Circus Maximus wurden für die Senatoren bestimmte Plätze abgesondert (Suet. 21. Dio LX 7, 4). Die senatorischen Ehrenrechte wurden vom Senate auf Veranlassung des Kaisers nicht blos Vasallenkönigen (Agrippa I. und Herodes, s. zum J. 41) und Rittern verliehen (so erhielten die Procuratoren P. Graecinius Laco [Dio LX 23, 3. CIL V 3340 = Dessau 1336] und Iunius Cilo [Tac. XII 21] die ornamenta consularia [vgl. Suet. 24], der Praefectus Praetorio Rufrius Crispinus [Tac. XI 4] und der Cohortenpraefect Iulius Aquila [Tac. XII 21] die ornamenta praetoria), sondern auch kaiserliche Freigelassene bekamen derartige Auszeichnungen (s. IV b α).

Verschwenderisch ging diese Regierung um mit persönlichen Ehrungen einzelner Senatoren, die allerdings immer der Senat selbst, aber auch hierin ganz abhängig von dem Willen des Herrschers, decretierte. Man wollte dadurch die Decorierten selbst an das Interesse des kaiserlichen Hauses fesseln und eine Art von Entschädigung bieten für den Verlust der reellen politischen Macht. Die ornamenta triumphalia wurden auch Nichtconsularen verliehen und oft wegen geringfügiger Erfolge (Suet. 24. Tac. XI 20, vgl. XIII 53. Dio LX 23, 2; soweit uns bekannt ist, erhielten die Triumphalinsignien unter C. die Consularen M. Licinius Crassus Frugi [Suet 17], Ser. Sulpicius Galba [Suet. Galba 8], A. Didius Gallus [CIL III Suppl. 7247 = Dessau 970], Cn. Domitius Corbulo [Tac. XI 20. Dio LX 30. 5], Curtius Rufus [Tac. XI 20], P. Pomponius Secundus [Tac. XII 28], P. Ostorius Scapula [Tac. XII 38] und ein Unbekannter [CIL IX 2847 = Dessau 971], die Praetorier Cn. Hosidius Geta [Dio LX 20. 4] und T. Flavius Vespasianus [Suet. Vesp. 4], endlich [2821] auch der 18jährige Schwiegersohn des Kaisers, Iunius Silanus, Suet. 24. Tac. XII 3. Dio LX 31, 7). A. Plautius, der Eroberer Britanniens, war der letzte Private, der – noch dazu, ohne eigenes Imperium besessen zu haben – den kleinen Triumph feierte (s. zum J. 47; vgl. Mommsen St.-R. I³ 131, 2. 136, 1); P. Gabinius Secundus, der Besieger der Chauker (J. 41), erhielt die Erlaubnis, den Beinamen Chaucius zu führen (Suet. 24); dem L. Salvius Otho wurde eine Statue im Palatium errichtet (Suet. Otho 1). Auch die Ergänzung des Patriciats (J. 48) diente dazu, einzelne Senatoren auszuzeichnen. Der mächtigste Senator dieser Zeit, L. Vitellius, wurde zum Collegen des Kaisers in der Censur und zweimal im Consulat erhoben und übernahm während der Abwesenheit des C. in Britannien die Regierung (vgl. Dessau Prosopogr. III 451 nr. 500. Boissier L’opposition sous les Césars 1885, 204ff). Jährige Consulate wurden wiederholt erteilt (C. Caecina Largus, Dio LX 10, 1. Valerius Asiaticus, Dio LX 27, 1, s. d.). Endlich war auch die Gewährung eines funus publicum nicht selten (Dio LX 27. 4). Dem entgegen steht wieder, dass 35 Senatoren unter C. eines gewaltsamen Todes starben (Senec. apocol 14. Suet. 29. Calpurn. bucol. 1, 69; vgl. Bücheler zu Senec. a. a. O.), allerdings viele von ihnen wohl nicht ohne eigene Schuld.

c) Die Stände. α) Ritterschaft. C. ehrte auch den Ritterstand. Er verlieh Rittern die senatorischen Ehrenrechte (s. Abschnitt IV b β) und nahm während seiner Censur Ritter in den Senat auf (J. 48). Gleichfalls als Censor hielt er strenge Musterung über die Ritterschaft (J. 48) und sorgte auch sonst für die Säuberung derselben von nicht dazugehörigen Elementen, wie er denn Freigelassene, die sich für römische Ritter ausgaben, zu Staatssclaven machte (Suet. 25). Er verlangte häufig von Rittern, dass sie im Senate anwesend seien (Dio LX 11, 8). Trotz alledem scheint gerade bei diesem Stande die Politik des C. wenig beliebt gewesen zu sein. Die meisten Attentate auf das Leben des C. gingen von Rittern aus (Suet. 13; Otho 1. Tac. XI 22. Dio LX 18, 4; s. zum J. 43), und 221, nach anderer Version über 300 Ritter wurden unter ihm zum Tode verurteilt (Senec. apocol. 14. Suet. 29. Tac. XIII 43; vgl. Bücheler Symb. Bonn. 88. Smilda zu Suet. a. a. O.). Der Grund lag wahrscheinlich darin, dass die Ritter sich von den kaiserlichen Freigelassenen aus der Stellung, die sie früher eingenommen hatten, verdrängt fühlten.

β) Bürger. Entgegen dem bisherigen System der spärlichen Erteilung des römischen Bürgerrechtes war die claudische Regierung mit demselben Einzelpersonen und Gemeinden gegenüber sehr freigebig (Suet. 19. Dio LX 17. 5–8. Senec. apocol. 3. 9). Namentlich die Gallier und Spanier, dann die Griechen und schon auch die Britannier wurden reichlich damit bedacht (Senec. de benef. VI 19, 2–4; apocol. 3. 9). Das Edict, mit welchem C. den Alpenvölkern der Anauner, Tulliasser und Sinduner ihr Bürgerrecht bestätigt, ist noch erhalten (s. zum J. 46). Den Schiffsfabrikanten latinischen Rechtes wurde unter gewissen Bedingungen das Bürgerrecht zu teil (J. 51). Doch fehlte es auch nicht an Verkehrtheiten, wie C. [2822] z. B. den Tänzern der Pyrrhiche das Bürgerrecht verlieh (Dio LX 7, 2), und andererseits Messalina und die Freigelassenen die Civität zu einem Handelsartikel machten (Dio LX 17, 5. 6. 8. Senec. apocol. 9). C. verbot, neue Bürger wegen Nichtführung des Namens Claudius oder wegen Nichteinsetzung des Kaisers zum Erben anzuklagen (Dio 17, 7).

Aber auch Entziehung des Bürgerrechtes kam nicht selten vor (Dio LX 17, 5); zweimal hat C. vornehmen Griechen, weil sie der lateinischen Sprache nicht mächtig waren, das Bürgerrecht genommen (Suet. 16. Dio LX 17, 4). Nichtbürgern verbot er die Führung römischer Gentilnamen (Suet. 25, vgl. CIL V 5050); Anmassung der Civität wurde mit dem Tode bestraft (Suet. 25, vgl. 15).

Als Vorstufe des Bürgerrechtes hat C. wiederholt Völkerschaften und Städten die Latinität verliehen (vgl. Herzog St.-Verf. II 328. Mommsen Herm. XIX 1884, 60f.). Über den Census des J. 48 s. d.; über die Colonien s. unter Abschnitt IV e γ.

γ) Freigelassene und Sclaven. So mächtig einzelne Freigelassene des Kaisers selbst waren, so wenig haben sie dem Stande der Freigelassenen als solchem besondere Begünstigungen zu verschaffen gesucht; vielmehr waren gerade unter C. die Libertinen strenger Behandlung unterworfen (Dio LX 13, 2. 29, 2. Suet. 25, vgl. Lemonnier Étude hist. sur la condit. privée des affranchis 1887, 112f.). Vielleicht lag es in der Absicht der kaiserlichen Freigelassenen, den Libertinenstand in möglichster Niedrigkeit zu erhalten, um dadurch den Gegensatz zu ihrer eigenen Stellung umso schärfer hervortreten zu lassen und nach und nach eine vollständige Scheidung der Hofbediensteten von den Privatfreigelassenen herbeizuführen (vgl. Tac. XII 53. XIII 23).

Freigelassene, die von ihren Patronen der Unbotmässigkeit überführt wurden, und solche, die die bürgerliche Stellung der Patrone angriffen, gab C. diesen wieder zu Sclaven und verweigerte ihren Anwälten die Rechtsprechung gegen deren eigene Freigelassenen (Suet. 25. Dio LX 28, 1. Marcian. Dig. XXXVII 14, 5; s. auch zum J. 46). Die Vererbung des Patronatsrechtes wurde durch das S. C. Ostorianum geregelt (J. 46). In Betreff des Nachlasses der Latini Iuniani, Freigelassener mit noch beschränkteren Rechten, erfloss das S. C. Largianum (J. 42).

Eine gewisse Humanität zeigte sich in einem Erlasse des Kaisers gegen die Aussetzung oder Tötung kranker Sclaven (J. 47). Liebesverhältnisse zwischen einer freigeborenen Frau und einem Sclaven wurden bestraft (S. C. Claudianum, J. 52).

d) Beamtenorganisation. α) Senatorische Beamte. Die Dauer der Consulate scheint unter C. ziemlich regellos bestimmt worden zu sein (Asbach Röm. Kaisertum 21). Den Consuln wurde die Bestellung der Vormünder übertragen (Suet. 23; vgl. Mommsen St.-R. II³ 104). Die Zahl der Praetoren schwankte zwischen 14 und 18 (Dio LX 10, 4). Zwei von ihnen erhielten – wohl im J. 44 an Stelle der Verwaltung des aerarium Saturni (s. u., vgl. Dio LX 24, 3. Smilda zu Suet. 23) – die Jurisdiction über geringere Fideicommisssachen, während die wichtigeren den Consuln, [2823] die in den Provinzen zum Austrag kommenden den Statthaltern zur Entscheidung unterliegen sollten (Suet. 23. Pomp. Dig. I 2, 2, 32; vgl. Mommsen St.-R. II³ 103f. Willems Droit public 464. 466). Der Veranstaltung von Gladiatorenspielen wurden die Praetoren enthoben (Dio LX 5, 6). Den Aedilen nahm man die Aufsicht über die Garküchen (Suet. 38), die vielleicht an den Praefectus urbi überging (vgl. Smilda zu Suet. a. a. O.). Die letzten italischen Quaesturen, die gallische und die ostiensische, wurden aufgehoben (J. 44); ferner entband man die Quaestoren der Sorge für die Pflasterung der Strassen (wahrscheinlich Roms, vgl. Mommsen St.-R. II³ 534. Hirschfeld V.-G. 151f., s. zum J. 47). Doch wurde den designierten Quaestoren die Ausrichtung von Gladiatorenspielen auferlegt (J. 47). Die Verwaltung der Staatscasse durch die beiden praetores aerarii (vgl. Dio LX 4, 4) scheint nicht C.s Beifall gefunden zu haben (Dio LX 10, 3). Daher übertrug er die Leitung des aerarium Saturni im J. 44 (s. d.) an zwei Quaestoren. Zu Anfang seiner Regierung setzte er ein Collegium von drei Praetoriern zur Eintreibung der Rückstände an die Staatscasse ein (J. 42), welches bei dem Übergang der letzteren unter quaestorische Leitung wohl bereits seine Aufgabe vollendet hatte. Die ausserordentliche Commission der drei curatores tabulariorum publicorum, die Tiberius zur Wiederherstellung und Neubeischaffung der öffentlichen Urkunden eingesetzt hatte, war noch im J. 45 thätig (CIL VI 916 = 31201; vgl. Dessau 967. Mommsen St.-R. II³ 558f.).

Die Abreise der Proconsuln von Rom wurde auf den ersten, später auf den 13. April festgesetzt (J. 42. 43). Um den Provincialen die Möglichkeit der Anklage gegen die Statthalter zu gewähren, liess C. nicht zu, dass zwei Gouverneursstellungen unmittelbar nacheinander bekleidet würden (Dio LX 25, 4–6). Auf seine Veranlassung besetzte der Senat die Proconsulate wiederholt durch Wahl, statt, wie üblich, durch das Los, und liess manche Proconsuln auch zwei Jahre im Amte (Dio LX 25, 6. Suet. Galba 7; vgl. Mommsen St.-R. II³ 250). Achaia und Macedonien kamen wieder unter Proconsuln praetorischen Ranges (J. 44). Die Danksagung der kaiserlichen Statthalter im Senate wurde abgeschafft (J. 42).

β) Ritterliche Beamte. Das höchste ritterliche Amt, die Praefectur der Praetorianer, war unter C. zuerst collegialisch besetzt (Rufrius Pollio und Catonius Iustus, Rufrius Crispinus und Lusius Geta, vgl. Hirschfeld V.-G. 220). Im J. 51 (s. d.) wurde dann das Commando der Garde dem Afranius Burrus allein übertragen.

Die Provinzen Mauretania Caesariensis und Tingitana (J. 42), Judaea (J. 44), Thracia (J. 46) und, vielleicht nur vorübergehend, Pontus und Bithynien (vgl. Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 1889, 420) wurden ritterlichen Statthaltem unterstellt. Ein neues Ritteramt war auch die Procuratur ad ripas Tiberis (CIG III 3991, vgl. CIL X 797 praef(ectus) curatorum alvei Tiberis, s. Mommsen St.-R. II³ 1050. Liebenam Beitr. tz. Verw.-Gesch. I 71). Die kaiserlichen Procuratoren erhielten Civiljurisdiction (J. 53); die militiae equestres unterzog man einer neuen Regelung (s. unter Abschnitt IV i). Vielleicht wurde zuerst [2824] unter C. den Finanzprocuratoren eine Soldatenabteilung beigegeben (Hirschfeld a. a. O. 437).

e) Das Reich. α) Rom. Das Pomerium der Stadt Rom wurde im J. 49 (s. d.) vorgerückt (über den Lauf desselben, in den auch der Aventin einbezogen wurde [Gell. XIII 14], vgl. Hülsen Herm. XXII 1887, 615ff.; CIL VI fasc. 4, 2 p. 3106). Die Bauten des C. in Rom sind unter Abschnitt IV k behandelt.

Besonders liess sich C. die Sorge für die Verproviantierung der Hauptstadt angelegen sein (vgl. Suet. 18. 19. Tac. XII 43. Aur. Vict. 4, 3; s. o. zu den J. 41, 42, 51, 53). Diesem Zweck dienten der Hafenbau in Ostia (s. Abschnitt IV k), häufige congiaria an das Volk (Dio LX 25, 7. 8. Tac. 41. Suet. 21; Nero 7. Chronogr. ann. 354) und Vorrechte für Kauffahrer und Schiffsbauer (J. 51). Die Genossenschaften wurden aufgelöst, Marktgesetze erlassen (J. 41), Maximalpreise festgesetzt (J. 43), Brände energisch bekämpft (Suet. 18. Zonar. XI 11 p. 34 Dind., vgl. Plin. n. h. XXXIV 69. XXXV 19).

β) Italien. Die Grenzen Italiens hat C., wie es scheint, durch Einbeziehung des Restes von Istrien vorgerückt (vgl. Ritterling Arch.-epigr. Mitt. XX 1897, 8, 17). Das Reisen zu Wagen oder zu Pferde wurde für Italien verboten (Suet. 25. Suid. s. Κλαύδιος; vgl. Smilda zu Suet. a. a. O.). Puteoli und Ostia erhielten je eine Cohorte in Garnison (Suet. 25); Bononia, das durch Feuer mitgenommen worden war, wurde mit einer Spende unterstützt (Tac. XII 58); Teanum Sidicinum bekam Colonial-, Misenum Stadtrecht (Mommsen Herm. XVIII 1883, 195. CIL X p. 317. Ruggiero Diz. epigr. II 448f.). Über die Strassenbauten s. u. IV k.

γ) Provinzen. Die neu annectierten Provinzen gelangten sämtlich unter kaiserliche Verwaltung: Britannien (J. 43) und Lycien (J. 43) wurden senatorischen, die beiden Mauretanien (J. 42), Judaea (J. 44) und Thracien (J. 46) ritterlichen Statthaltern unterstellt. Noricum ist wohl nicht erst (wie Zippel Röm. Herrschaft in Illyrien 1877, 280 annimmt) von C. als Provinz eingerichtet worden (vgl. Marquardt St.-V. I² 290).

Die wichtigste der neuen Provinzen war Britannien. Allerdings gelangte unter C. selbst nur ein kleiner Teil der Insel in unmittelbaren römischen Besitz (s. zu den J. 43, 45, 47, 49–52); aber zahlreiche brittische Häuptlinge traten zum Kaiser in Lehensverhältnis (so Cogidumnus, s. o. Nr. 117; vgl. Dio LXII 2, 1). Hand in Hand mit der Eroberung ging die Organisation: Camulodunum wurde Veteranencolonie (s. o. S. 1448f.), Glevum befestigtes Lager; ein Provincialcultus wurde eingerichtet, dessen Mittelpunkt analog den Verhältnissen in den gallischen und germanischen Provinzen ein Tempel des C. in Camulodunum bildete (s. Abschnitt IV b α); man begann auch sofort mit der Ausbeutung der brittischen Bergwerke (CIL VII 1201f.). Vgl. Mommsen R. G. V 159ff. Hübner Röm. Herrschaft in Westeuropa 1890, 10ff.; o. S. 868ff.

Judaea stand seit 44 unter einem Procurator, dem, wie es scheint, eine Zeit lang ein eigener Procurator für Samaria an die Seite gestellt war (vgl. Tac. XII 54). Die Einziehung Judaeas war jedoch eine unheilvolle Massregel; seither kam [2825] das Land nicht zur Ruhe, der religiöse und nationale Hass der Juden gegen Kaisertum und Römerherrschaft, das ungleiche Vorgehen oder die Unfähigkeit der Procuratoren riefen immerwährende Unruhen hervor und legten den Zündstoff zu der furchtbaren Explosion späterer Zeit (vgl. Mommsen R. G. V 523ff. Schürer Gesch. d. jüd. Volkes I 471ff. Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 1889, 440ff.). Auch das kleine Königreich Ituraea wurde der Provinz Syrien einverleibt (J. 49). Den Rhodiern wurde die Freiheit erst genommen (J. 44), dann wiedergegeben (J. 53). Achaia und Macedonien kamen wieder unter senatorische Verwaltung (J. 44).

Das Heerescommando von Germania inferior erlitt zwar durch die Zurückziehung der Besatzungen vom rechten Rheinufer eine Einbusse im Wirkungskreise (J. 47), doch wurde die Sicherung der Stromlinie eifrig betrieben, eine Strasse von Mainz nach Köln angelegt (vgl. Zangemeister Westd. Ztschr. III 1884, 307ff.), letzterer Ort und vielleicht auch Trier zu Veteranencolonien erhoben (Marquardt St.-V. I² 279. Hübner a. a. O. 140ff.; s. zum J. 50). Von Germania superior aus betrieb man Bergbau an der unteren Lahn (J. 48). Die in der Inschrift CIL XI 395 = Dessau 2648 erwähnten Kämpfe in Spanien (gegen die Asturer) fallen wohl erst in Neros Regierungszeit.

Das Ziel dieser Regierung, Italien und die Provinzen einander näher zu bringen, wurde wie durch den Bau zahlreicher Strassen (s. Abschnitt IV k), so hauptsächlich durch die Gründung von Colonien angestrebt. Namentlich die unter C. selbst oder kurz vor seiner Regierung neugewonnenen Provinzen, wie Mauretanien und Noricum, wurden dadurch dem Römertum verbunden. Die uns bekannten Colonien des C., teils mit latinischem Recht, teils mit vollem Bürgerrecht bedacht, sind folgende: Iconium in Galatien (Marquardt St.-V. I² 364), Claudiopolis in Isaurien (Ammian. XIV 8, 2), Archelais in Kappadokien (Plin. n. h. VI 8; s. Bd. II S. 445), Ptolemais in Syrien (Plin. n. h. V 75. Marquardt I² 428), Claudiopolis in Armenia minor (Plin. V 85. Ptolem. V 7, 7), Colonia Claudia Aprensis in Thrakien (Plin. IV 47, s. Bd. II S. 272), Colonia Claudia Aequum in Dalmatien (s. Bd. I S. 605), Colonia Claudia Savaria (Steinamanger) in Pannonien (Plin. III 146. CI III p. 525), Celeia (Cilli), Virunum (Maria Saal), Teurnia (St. Peter im Holz), Aguontum (s. Bd. I S. 909) und Iuvavum (Salzburg) in Noricum (Plin. III 146. CIL III zu den betreffenden Städten. Jung Römer u. Romanen in den Donauländern² 1887, 92f.), Colonia Claudia Agrippinensis (Köln) und Augusta Treverorum (Trier) in Germania inferior (s. o.), Camulodunum (Colchester) in Britannien (s. zum J. 50), Tingis, Lixos und Volubilis in Mauretania Tingitana, Caesarea, Oppidum Novum, Tipasa und Rusucurium in Mauretania Caesariensis (Plin. V 2. 20. Marquardt I² 487f. CIL VIII zu den einzelnen Orten). Vgl. Zumpt Comm. epigr. 1850, 384ff. Mommsen Ephem. epigr III p. 232; Herm. XIX 1884, 60ff. Kubitschek Wien. Stud. XVI 1894, 329ff.

Die Verwaltung der Provinzen scheint tüchtig gewesen zu sein. Es ist nur eine Anklage wegen [2826] Erpressungen aus der Regierung des C. bekannt (Tac. XII 22). Durch Verfügungen über den Statthalterwechsel wurde das Recht der Anklage gegen den abgegangenen Statthalter den Provincialen gewahrt (Dio LX 25, s. Abschn. IV d α und zum J. 45).

δ) Abhängige Fürstentümer. Den unterthänigen Königen gegenüber nahm C. im allgemeinen eine wohlwollende Haltung ein (nobilitatibus externis mitis Tac. XII 20; vgl. Herzog St.-V. II 322f.) und schloss mit einigen von ihnen einen feierlichen Bündnisvertrag (Suet. 24, s. zum J. 41). Antiochos IV. Epiphanes bekam Kommagene und Teile Kilikiens (J. 41, s. auch zum J. 52). Der König des pontisch-bosporanischen Reiches, Polemo II., musste Bosporus an Mithridates abtreten, wofür ihm Gebiete in Kilikien zugesprochen wurden (J. 41). Aber Mithridates zeigte sich, wie es scheint, der kaiserlichen Gnade unwürdig; er wurde vertrieben und durch seinen Bruder Kotys ersetzt (J. 46). Die Königreiche Thrakien (J. 46) und Ituraea (J. 49) zog man nach dem Tode ihrer Beherrscher ein. Judaea empfing wieder einen König in Agrippa I. (J. 41), wurde aber nach dessen Ende zur Provinz gemacht (J. 44). Ein anderes Mitglied des Herodaeerhauses, Herodes, erhielt Chalkis am Libanon als Königreich (J. 41); als er starb (J. 48), kam dasselbe an den jüngeren Agrippa, der es im J. 58 wieder mit einem anderen Gebiete in Palaestina vertauschte. Das kleine Alpenland, das Cottius beherrschte, wurde zum Königreich erhoben und vergrössert (J. 44). Der Regierungswechsel im Suebenreich änderte nichts an dem Abhängigkeitsverhältnis desselben (J. 50). Bezüglich Armeniens vgl. den folgenden Abschnitt.

ε) Auswärtige Beziehungen. Im allgemeinen in Bezug auf äussere Politik conservativ, hat die claudische Regierung nur einmal den Entschluss zu einem weitreichenden kriegerischen Unternehmen gefasst: die Occupation Britanniens ist notwendig erfunden worden, um Roms Herrschaft in Gallien zu festigen und dem staatsfeindlichen Druidentum die Existenzbedingungen zu nehmen (Mommsen R. G. V 158). Die Besetzung Mauretaniens war schon von Gaius vorbereitet worden. Einfälle der Wüstenstämme in die Provinzen Numidien und Africa wurden abgeschlagen (J. 42, 45). Die Beziehungen zum mächtigsten Nachbar, den Parthern, hatten, wie immer in der Kaiserzeit, den Streit um Armenien zum Gegenstande. Es gelang den Römern anfangs, mit Benützung der Thronwirren im Partherreich einen römischen Lehensfürsten in Armenien einzusetzen, der ungefähr neun Jahre daselbst herrschte; zu Ende der Regierung des C. hatten sich jedoch wieder die Parther des Landes bemächtigt. Auch der Versuch einer Einmischung in die parthischen Successionsstreitigkeiten war missglückt (s. zu den J. 41–43, 49, 51–53, wo die Litteratur angegeben ist; von älterer Litteratur zu erwähnen: Egli in Büdingers Untersuch. z. r. Kaisergesch. I 1868, 265ff. Laufenberg Quaest. chron. de rebus Parth. a Tac. enarr., Diss. Bonn. 1875). Die beiden germanischen Provinzen mussten wiederholt Einfälle der Chatten (J. 41, 50) und Chauker (J. 41, 47) erdulden, die jedoch glücklich abgewehrt wurden. Die Friesen wurden wieder zur Unterwerfung genötigt (J. 47). [2827] Zu einer Eroberungspolitik in Germanien, wie sie Corbulo inaugurieren wollte, konnte man sich dagegen nicht nur nicht entschliessen, sondern man verzichtete sogar auf das bisher besetzt gehaltene Gebiet rechts vom unteren Rheinlauf (J. 47). Dieselbe zurückhaltende Politik gegenüber den Germanen zeigte sich darin, dass C. es unterliess, bei den Kämpfen um die Herrschaft im Suebenreich zu intervenieren (J. 50).

So hat die auswärtige Politik des C., abgesehen von der Eroberung Britanniens, zwar keine glänzenden Erfolge aufzuweisen, aber auch ebensowenig grosse Verluste (nihil regente eo triste rei publicae ab externis accidisse Tac. XIII 3). In ungeschwächter Kraft stand das Reich da, und soweit reichte das Ansehen des römischen Kaisers, dass sogar von Taprobane (Ceylon) Gesandte an den Hof des C. kamen (Plin. n. h. VI 84. 85).

f) Rechtswesen. Mit wahrer Leidenschaft lag C. der Rechtsprechung ob. Unermüdlich, Jahr aus Jahr ein, selbst in den heissesten Monaten und an den Festtagen seiner Familie, sass er zu Gericht; er suchte alles mögliche vor sein Tribunal zu ziehen, mischte sich in den Gang der ordentlichen Jurisdiction, so dass nur weniges den anderen Gerichtsinstanzen überlassen blieb, und hielt sich in seinen Urteilen und in der Processführung keineswegs immer an das Gesetz. Namentlich wird ihm zum Vorwurf gemacht, dass er häufig nach dem Anhören nur einer Partei das Urteil fällte (Suet. 14. 15. 33. Tac. XII 43. XIII 4. Dio LX 4, 3. 4. 5, 7. Senec. apocol. 7. 10. 12. 14. 15. Calp. ecl. I 69ff.; der Bericht über eine von C. geleitete Gerichtsverhandlung liegt in dem bereits wiederholt citierten Papyrus vor, über den zum J. 41 und Abschnitt If.).

Nichtsdestoweniger nimmt seine Regierung in der Geschichte der Rechtsbildung eine hervorragende Stellung ein (vgl. Aur. Vict. 4, 2). Die Gerichtsferien wurden in den Winter verlegt (Suet. 23; Galba 14), die Institution der kaiserlichen Beisitzer erneuert (Dio LX 4, 3), den Sachwaltern verboten, ein höheres Honorar als 10 000 Sesterzen anzunehmen (J. 47). Die Fideicommissjurisdiction wurde in Rom den Consuln und Praetoren, in den Provinzen den Statthaltern, die fiscalische Gerichtsbarkeit den kaiserlichen Procuratoren überwiesen (s. o. IV d α und zum J. 53). Zahlreiche Neuerungen wurden, hauptsächlich durch Senatsbeschlüsse, aber auch durch kaiserliches Edict und Volksgesetz, im Gebiete des Privatrechtes eingeführt. Im Eherecht wurden die Vorteile der Lex Papia Poppaea auch auf Männer von über 60 Jahren erstreckt, wenn dieselben Frauen von weniger als 50 Jahren heirateten (S. C. Claudianum Ulp. XVI 3. Suet. 23, vgl. Smilda z. St.). Die Ehe mit des Bruders Tochter wurde für erlaubt erklärt (S. C. Claudianum, J. 49). Gegen Concubinatsverhältnisse freigeborener Frauen mit Sclaven ergieng gleichfalls ein S. C. Claudianum (J. 52). Auf das Erbrecht bezogen sich die lex Iunia Vellaea, wenn anders diese in die Regierung des C. gehört (s. zum J. 46), und ein Edict des Kaisers, nach welchem der Schreiber eines Testamentes oder Codicills, der sich ein Legat adscribiert, gemäss der lex Cornelia de falsis bestraft wird (Callistr. Dig. XLVIII 10, 15). Es wurde ferner untersagt, den Princeps zum [2828] Erben einzusetzen, wenn der Testierende noch Verwandte habe (J. 41). Was das Vormundschaftsrecht anlangt, so kam die Bestellung der Vormünder zu den Amtspflichten der Consuln hinzu (s. o. IV d α). Bei der Adrogation eines Minderjährigen wurde die Beiziehung eines Curators zur Pflicht gemacht (Modest. Dig. I 7, 8). Eine lex Claudia hob die Agnatentutel über Frauen auf, wodurch die Selbständigkeit der letzteren bedeutend erweitert wurde (Ulp. XI 8. Gai. I 157. 171). Dagegen verbot ein Edict des Kaisers die Intercession der Frauen für ihre Gatten (Ulp. Dig. XVI 1, 2), und später wurde durch das S. C. Vellaeanum den Intercessionen von Frauen überhaupt jede Rechtskraft genommen (J. 46). Nach einer kaiserlichen Verordnung sollte das Sondergut (peculium) des minorennen Sohnes bei Beschlagnahme des väterlichen Vermögens von diesem getrennt werden (Ulp. Dig. IV 4, 3, 4). Ein Volksgesetz bedrohte Gelddarlehen an Haussöhne mit Strafen (J. 47). Auf das Sclavenrecht bezogen sich das S. C. Largianum (J. 42), das S. C. Ostorianum über die assignatio liberti (J. 46) und ein Edict über die Aussetzung kranker Sclaven (J. 47). Senatsbeschlüsse beschränkten das Bildnisrecht (J. 45) und verboten die Häuserspeculation (S. C. Hosidianum, J. 44). Den Schiffbauern erteilte eine Verordnung des C. bestimmte Privilegien (J. 51). Das Strandrecht wurde durch Senatsconsulte geregelt (Ulp. Dig. XLVII 9, 3, 8).

Ausweisung aus den Provinzen zog auch die aus Rom und Italien nach sich (Suet. 23; vgl. L. M. Hartmann De exilio apud Rom., Diss. Berl. 1887, 37). Eine neue Strafe war das Verbot, über den dritten Meilenstein von Rom hinauszugehen (Suet. 23). Die Rückberufung von Verbannten erfolgte stets nach Senatsbeschluss (Suet. 12). Die Anklage wegen Majestätsverletzung hob C. auf (s. o. IV b α). Eines grösseren Betruges Überführte wurden zum Kampf mit wilden Tieren verurteilt (Suet. 14), Elternmörder, wenigstens in den ersten fünf Jahren seiner Regierung, nach altem Brauch in einen Sack eingenäht und ersäuft (Senec. de clem. I 23; über die strenge Justiz des C. vgl. auch Chronogr. ann. 354).

g) Finanzwesen. Auch die Finanzverwaltung, die wohl hauptsächlich nach den Intentionen des Pallas geführt wurde, muss trefflich gewesen sein, wie die reichen Mittel beweisen, über die trotz der vielen Bauten und Kriege des C. sein Nachfolger verfügte (Herzog St.-Verf. II 266). Die Leitung der Staatscasse wurde den Quaestoren übertragen (s. o. IV d α). Die von Gaius neu eingeführten Steuern schaffte C. ab (J. 41). Über den Census s. zum J. 48, über die fiscalische Jurisdiction der Procuratoren und über die Befreiung verschiedener Städte von der Steuerzahlung zum J. 58. Die kaiserliche Centralcasse, der Fiscus, wird wohl nicht erst unter C. geschaffen worden sein (vgl. Mommsen St.-R. II³ 1001, 1 gegen Hirschfeld V.-G. 286f.).

h) Sacralwesen und Spiele. Gemäss seiner auf das Antiquarische gerichteten Neigung hat C. altüberlieferte religiöse Gebräuche zu erneuern gesucht. So reorganisierte er die Haruspicin (J. 47), veranstaltete Sühnopfer nach den Vorschriften des Königs Servius Tullius (J. 49), erneuerte das augurium salutis (J. 49), vollzog das foedus mit [2829] abhängigen Königen nach allen Formalitäten (J. 41 und o. IV e δ), rückte das pomerium vor (J. 49) und hielt strenge auf die Beobachtung der althergebrachten Ceremonien bei Erdbeben oder bei dem Erscheinen unheilverkündender Vögel am Capitol (Suet. 22, vgl. Plin. n. h. X 35). Er suchte auch die eleusinischen Mysterien nach Rom zu übertragen (Suet. 25). Manche Opfer und Feste wurden freilich aufgehoben oder gekürzt (Dio LX 17, 12), wieder andere jedoch neu eingeführt, wie ein jährliches Fest wegen des britannischen Sieges (Dio LX 22, 1. 25, 7. 8), oder verlängert, wie die Saturnalien (J. 45). Wesentlich religiösen Zwecken diente auch die Neucreierung von Patriziern (J. 48). Zu erwähnen ist ferner die Consecration seiner Grossmutter Livia (J. 41), womit die Errichtung eines Altars der Pietas Augusta in Zusammenhang stand (CIL VI 562 = Dessau 202).

Sehr zahlreich waren die verschiedenartigen Spiele unter C., teilweise neue oder doch erneuerte (vgl. Suet. 11. 21. 34. Nero 7. Tac. XI 22. XII 41. 57. XIII 5. Dio LX 5. 6. 7. 13. 17. 23. 30. Plin. n. h. VIII 22. 37. 54. 65. Zonar. XI 11); hauptsächlich die Saecularspiele sind hier zu nennen (J. 47). Doch wird uns auch von Beschränkungen einiger Spiele berichtet (Dio LX 5, 6. 6, 4. 5).

Die in Rom wohnenden Juden wurden zuerst in der Ausübung gemeinschaftlichen Gottesdienstes behindert (J. 41), später sogar aus Rom verwiesen, weil infolge der Absonderung der christlichen Gemeinde Streitigkeiten unter ihnen entstanden waren (J. 50). Sehr streng trat C. gegen die römerfeindliche Religion der Druiden auf, die er ganz zu unterdrücken suchte (Suet. 25. Plin. n. h. XXIX 54. Aurel. Vict. 4, 2; vgl. Desjardins Géogr. de la Gaule Rom. III 292ff.). Die Astrologen wurden aus Italien vertrieben (J. 52).

i) Heerwesen. Die Zahl der Praetorianercohorten scheint unter C. von 9 auf 12 erhöht worden zu sein (vgl. Mommsen Herm. XIV 1879, 35. XVI 1881, 644). Um die Garde treu zu erhalten, spendete C. den Praetorianern jährlich am dies imperii ein Donativ (Dio LX 12, 4) und untersagte ihnen, Besuche bei den Senatoren abzustatten (J. 41). Das Gardecommando übertrug er zuerst zwei Rittern, im J. 51 dem Burrus allein (s. o. IV d β); den Befehl über die ganze Garnison hat für einen Tag der Freigelassene Narcissus übernommen (s. o. IV b α). Zwei neue cohortes urbanae wurden errichtet und in die für die Verproviantierung Roms wichtigsten Hafenplätze Ostia und Puteoli gelegt (Mommsen Herm. XVI 1881, 644ff. Marquardt-Domaszewski St.-V. II² 482).

Die Besetzung Britanniens machte auch eine Vermehrung des Heeres nötig; man bildete zwei neue Legionen, die die Namen XV Primigenia und XXII Primigenia erhielten (Marquardt-Domaszewki 448 abweichend. Pfitzner Kaiserlegionen 30f.). Die 7. und 11. Legion bekamen die Ehrenbeinamen Claudia pia fidelis (J. 42); den Beinamen Claudia führen auch mehrere Alen (ala Claudia nova, ala Claudia miliaria (?), ala I Claudia Gallorum, s. o. Cichorius Bd. I 1237f. 1245) und Cohorten (cohors Claudia miliarensis, cohors I Claudia equitata, s. Ferrero bei Ruggiero Diz. epigr. II 281), die vermutlich von C. [2830] errichtet wurden. Er verlieh den Legionaren die privilegia maritorum (J. 44; vgl. P. Meyer Röm. Concubinat 1895, 59), und vermutlich geht auch die Legitimierung der den Bürgersoldaten von römischen Bürgerinnen geborenen Kinder auf C. zurück (Wilmanns Comment. Mommsen. 201f.; CIL VIII p. 284). Die Manneszucht wurde strenge gehandhabt (vgl. Tac. XII 12. 18. Suet. Galba 7; Otho 1); auch zu Canalbauten, Bergarbeiten und ähnlichen Werken zog man die Soldaten heran (Tac. XII 20). Vor allem haben die zahlreichen Feldzüge, die C.s Regierung erfüllen, das Heer immer kriegstüchtig und schlagfertig erhalten; in Britannien wie in Südrussland (J. 46. 48), in der africanischen Wüste (J. 42) wie in Armenien und am Rhein haben römische Truppen unter diesem Kaiser gefochten.

Der ritterliche Officiersdienst wurde so geordnet, dass nach der Praefectur einer Cohorte die einer Ala, nach dieser der Tribunat einer Legion verliehen wurde (Suet. 25); eine Anordnung, die nur ganz vorübergehenden Bestand gehabt haben kann (vgl. Hirschfeld V.-G. 247f.); vielleicht wurde damals den Rittem die Bekleidung dieser drei Officiersstellungen zur Pflicht gemacht (Suet. 25, vgl. Mommsen St.-R. III 548, 4). Endlich führte C. auch eine Art Titulardienst ein (Suet. 25, vgl. Mommsen St.-R. III 552). Alles Lob verdient die Auswahl der Männer, denen C. die grossen Heerescommandos anvertraute.

Die Reform des Flottenwesens, die Mommsen Herm. XVI 1881, 463 dem C. zuschreibt, geht wohl bereits auf Tiberius zurück (vgl. Ferrero Diz. epigr. II 276).

k) Bauten. Wenige römische Regierungen können sich mit der des C. messen, was Wichtigkeit und Grossartigkeit der Bauten anbelangt. Die kaiserlichen Freigelassenen konnten kein Interesse daran haben, prächtige Paläste oder Tempel zu errichten; wohl aber entsprachen Nutzbauten, die dem Wohle des Volkes dienten, ihrer klugen und nüchternen Politik. So schuf diese Regierung für die Hauptstadt den grossen Hafen, dessen Mangel sich bis dahin so sehr fühlbar gemacht hatte, bei dem jetzigen Porto unweit von Ostia an der Tibermündung. Begonnen wurde mit diesem gewaltigen Werke, zu dem nicht einmal Caesar den Entschluss gefunden hatte, im J. 42; im J. 46 (s. u.) wurde noch daran gearbeitet, und auch im J. 51 (s. d.) war der Hafen noch nicht vollendet. Vermutlich hat erst Nero die Einweihung vorgenommen. Mit dem Hafenbau war auch die Anlage von Canälen verbunden, welche die Überschwemmungsgefahr, von der Rom stets bedroht war, wenn nicht beseitigten, so doch bedeutend verminderten (Suet. 20. Dio LX 11, 1–5 = Zonar. XI 8 p. 26 Dind. Plin. n. h. IX 14. XVI 201f. XXXVI 70. 125. CIL XIV 85 = Dessau 207 [46 n. Chr.]; vgl. Dessau CIL XIV p. 6). Nicht minder grossartig war die Vollendung zweier neuer Wasserleitungen, Anio novus und Aqua Claudia, deren Bau bereits Caligula begonnen hatte. Im J. 47 (s. d.) nahm C. als Censor die Arbeit wieder in Angriff; am 1. August des J. 52 wurden die 67 und 93 km. langen Aquaeducte, deren Herstellung 55½ Millionen Sesterzen gekostet hatte, dem Gebrauch übergeben. Noch jetzt durchziehen die mächtigen Bogen in langer Reihe die Campagna, [2831] imponierende Zeugen einer arbeitsreichen Zeit (Frontin. de aq. 4. 13–16. 18. 20. 68f. 72f. 86f. 89ff. 104f. Plin. n. h. XXXVI 122. 123. Suet. 20; Cal. 21. Tac. XI 13. Aur. Vict. Epit. 4, 5; Inschrift eines Strassenbogens CIL VI 1256 [= Dessau 218], vgl. 1257. 1258. Jordan Topogr. d. St. Rom I 1, 473f. Lanciani Comm. di Frontino 133ff. Gilbert Gesch. u. Topogr. d. St. Rom. III 274f. Ruggiero Diz. epigr. I 566f. 568f. Hülsen o. Bd. I S. 2212f.). Einem dritten grossen Bauunternehmen des C. war der endgültige Erfolg nicht beschieden: der Ableitung des Fucinersees in den Liris, die gleichzeitig das Land der Marser von der Überschwemmungsgefahr befreien, dem Ackerbau neues Gebiet schaffen und den Fluss schiffbar machen sollte. Die Arbeit, deren Oberleitung in den Händen des Narcissus lag, erforderte ein Werk von ausserordentlicher technischer Schwierigkeit nicht blos für jene Zeit; den Bau eines Canalgewölbes von 5640 m. Länge durch den Monte Salviano, an welchem 30 000 Arbeiter 11 Jahre lang (von 42 bis 53) mit grosser Anstrengung und nicht ohne Misserfolge thätig waren. Doch wäre die erfolgreiche Vollendung auch der ganzen Anlage schliesslich doch wohl nicht ausgeblieben, wenn nicht Nero es verschmäht hätte, die Arbeit fortzusetzen. Seither hat Jahrhunderte lang niemand das Werk gewagt, bis der Fürst Alexander Torlonia in den J. 1855–1875 die Trockenlegung des Sees durchführte (Plin. n. h. XXXVI 124. Suet. 20. 21. 32. Tac. XII 56. 57. Dio LX 11, 5. 33, 6. Mart. epigr. 28, 11; vgl. Lanci Bull. d. Inst. 1856, 183ff. 1858, 89ff. Geffroy Rev. arch. XXXVI 1878, 1ff. Nissen Ital. Landeskunde I 298. Merkel Deutsche Bauzeitung XXXI 1897, 594ff. 606ff.).

Noch zahlreiche andere Werke des C. sind zu erwähnen; in Rom selbst die Vorrückung des Pomeriums (s. o. IV e α), die Restaurierung der Wasserleitung Aqua Virgo im J. 45 (CIL VI 1252 [= Dessau 205]). 1254. 31565 vgl. 31564), Arbeiten an den Aquaeducten der Marcia Tepula Iulia (CIL VI 1248), die Anlage zahlreicher und reich verzierter Brunnen (Suet. 20. Plin. n. h. XXXVI 123), eine teilweise Neutermination des Tiberufers (Not. d. scavi 1887, 323 = CIL VI 31545, vgl. Abschn. IV d β), ein Bau, der irgendwie mit dem Staatsarchiv in Verbindung stand (s. zum J. 45), die Ausschmückung des Circus maximus (Suet. 21. Chronogr. a. 354), die Errichtung einer Ara für die Pietas Augusta (CIL VI 562 = Dessau 202), die Vollendung des Triumphbogens des Tiberius beim Pompeiustheater (Suet. 11; vgl. Gilbert III 189). Dem C. selbst wurden vom Senate vermutlich drei Triumphbögen in Rom errichtet, der eine auf Grund von Erfolgen, die über die Germanen errungen wurden (J. 41), die beiden anderen wegen der britannischen Siege J. 43 und 51). Nur von dem dritten, der an der Via Lata (bei Piazza Sciarra) stand, haben wir nähere Kenntnis, da Inschrift (CIL VI 920. 921 = Dessau 216. 222; vgl. VI 31203f.) und Reliefs (Mon. d. Inst. X Taf. 21; vgl. Philippi Ann. d. Inst. 1875, 42ff. Helbig Führer durch die öffentl. Samml. in Rom II 132f.) teilweise erhalten sind (vgl. Lanciani Bull. com. VI 1878, 15. Jordan II 487. Richter Topogr. von Rom 874. Gilbert III 190. Ruggiero Diz. epigr. I 648; ob [2832] der Bogen des C. inter s. Sabinam et s. Priscam überhaupt existierte und welcher Art er war, entzieht sich unserer Kenntnis, s. Jordan II 418ff.; auch in Gaesoriacum [J. 43] und Kyzikos [J. 51] wurden dem C. Triumphbogen errichtet). In der Nähe des Pompeiustheaters, das er übrigens neu einweihte (Dio LX 6, 8. 9), stellte C. eine Colossalstatue des Iuppiter auf (Plin. n. h. XXXIV 40). Unter ihm kamen zuerst Porphyrstatuen aus Ägypten nach Rom (Plin. n. h. XXXVI 57). Andererseits verlor die Hauptstadt durch Brände manch unersetzbares Kunstwerk, wie eine Aphrodite des Praxiteles und die Gemälde des Fabius Pictor im Tempel der Salus (Plin. n. h. XXXIV 69. XXXV 19); wieder andere litten unter der Verkehrtheit des C., der z. B. auf zwei berühmten Bildern des Apelles das Gesicht Alexanders durch das Porträt des Augustus ersetzen liess (Plin. XXXV 94).

Für Italien und die Provinzen that die claudische Regierung viel durch Anlage oder Vollendung grosser Strassen (vgl. Plin. n. h. XXXVI 125), von denen hauptsächlich zu erwähnen sind: die Alpenstrasse Claudia Augusta von Altinum über die Reschen-Scheideck zur Donau, die Italien und Raetien verband (vollendet im J. 46/47, CIL V 8002. 8003, vgl. Mommsen CIL V p. 938; R. G. V 18f. Ruggiero Diz. epigr. II 289. Nissen Ital. Landeskunde 163f.), die Via Claudia Valeria von Cerfennia bis zur Mündung des Aternus, durch die Rom mit dem adriatischen Meere verbunden wurde (vollendet 48/49, CIL IX 5973, dazu Mommsen, de Nino Not. d. scavi 1889, 345) und die Via Claudia Nova von Foruli bis zum Zusammenfluss des Aternus und Tirinus (vollendet 47, CIL IX 5959, dazu Mommsen), beide Gebirgsstrassen, die den Bau zahlreicher Brücken nötig machten (CIL IX 5973. Plin. XXXVI 125). Die vielen sonstigen Strassenbauten in den Provinzen findet man bei Ferrero in Ruggieros Diz. epigr. II 294 zusammengestellt (hinzuzufügen die Strasse am Rhein, s. o. IV e γ). Den Damm, der den Lucrinersee vom Meere trennte, liess C. restaurieren (Plin. XXXVI 125; vgl. Beloch Campanien² 1890, 173), in Ravenna ein Thor erbauen (CIL XI 5), in Sicilien den Tempel der Venus Erycina wiederherstellen (Suet. 25), in Athen Restaurierungen vornehmen (CIA III 385–388. Herm. XXX 1895, 630), in Sardes eine Wasserleitung anlegen (CIL III 409; vgl. Weber Arch. Jahrb. XIV 1899, 4ff.), in Castulo Bauten aufführen (CIL II 3269 mit Mommsens Anm.) u. s. w. Auch seine Statthalter waren in dieser Hinsicht thätig, wie Corbulo, der Rhein und Maas durch einen Canal verband (J. 47) und Curtius Rufus, der Bergwerke auf rechtsrheinischem Gebiete anlegte (J. 48).

V. Äusseres und Charakter. a) Äusseres. C. war gut gebaut (Senec. apocol. 5); sein Körper war kräftig, er hatte gefällige Gesichtszüge und noch im Alter volles Haupthaar (Suet. 30. Senec. apocol. 5). So mangelte ihm in ruhiger Stellung weder Anmut noch Würde (Suet. 30); ging er aber, so versagten ihm die schwachen Kniee, so dass sein Gang hässlich und ungleichmässig wurde (Suet. 21. 30. Senec. apocol. 1. 5). Uberdies war ihm von den Krankheiten seiner Jugend eine gewisse Schwäche geblieben, die ein stetes Zittern [2833] von Kopf und Händen zur Folge hatte (Suet. 30. Dio LX 2, 1. Senec. apocol. 5. 6. 7. Iuv. VI 622. 623). Seine Augen waren von fleischfarbigem Weiss, an den Winkeln zuweilen von Blutadern unterlaufen (Plin. n. h. XI 144). Seine Stimme klang rauh; undeutlich und stockend kamen ihm die Worte vom Munde (Suet. 4. 30. Dio LX 2, 2. Senec. apocol. 5. 6. 7. 11). Auch sein Gehör scheint geschwächt gewesen zu sein (Senec. apocol. 12. Iuv. III 238; vgl. Dio LX 33, 5). Endlich entstellte ihn ein unschickliches Lächeln, und namentlich im Zorne wurde er hässlich, wenn sein Mund schäumte und die Nasenlöcher sich nässten (Suet. 30. Iuv. VI 623). All dies sind Symptome, die einem leichten Stadium von Cretinismus eigen zu sein pflegen; offenbar waren die Krankheiten, denen C. in seiner Jugend unterworfen war, Erkrankungen des Gehirnes. Wohl hat seine kräftige Natur dieselben später überwunden, aber Nachwirkungen auf Körper und Geist haben sie eben doch hinterlassen (sin autem ἠλαττῶσθαι sentimus eum et βεβλάφθαι καὶ εἰς τὴν τοῦ σώματος καὶ εἰς τὴν τῆς ψυχῆς ἀρτιότητα, Augustus bei Suet. 4). Als Kaiser erfreute sich C. im allgemeinen guter Gesundheit, abgesehen von einem Magenleiden (Suet. 31) und Fieberanfällen (Senec. apocol. 6).

Von den ziemlich zahlreich erhaltenen Bildnissen des C., über welche Bernoulli Röm. Ikonogr. II 327ff. zu vergleichen ist, zeigen uns die vorzüglichsten, die Colossalbüsten im Museum von Neapel (Bernoulli 334 nr. 13, irrig als Galba abgebildet bei Duruy Hist. des Rom. IV 560) und im Braccio nuovo des Vaticans (Bernoulli nr. 3. Helbig Führer durch die Samml. in Rom I² 8 nr. 7; Abbild. Museo Chiaramonti II Taf. 32), sowie die heroische Statue in der vaticanischen Rotonde (Bernoulli nr. 5 [Abb. Taf. XVII]. Helbig I² 200 nr. 312) ein ziemlich weich geschnittenes, nach unten schmal zulaufendes Profil von ältlichem Ausdruck. Claudischer Familieneigentümlichkeit entsprechen die tief in den Nacken gewachsenen Haare und die grossen abstehenden Ohren. Die breite Stirne, deren oberer Teil von den abwärts gekämmten Haaren bedeckt ist, zeigt eine für C. charakteristische Vertical- und Horizontalfurche; die Augen liegen tief; die Brauen sind gegen die Nasenwurzel zu aufwärts gezogen, die Nase ist stark, in der Mitte leicht gebogen, der Mund schön geformt, die Unterlippe tritt stark zurück, das Kinn hat einen Fettansatz und geht schräg in den starken Hals über. Wir sehen das Antlitz eines älteren Mannes, der mit selbstzufriedener Indolenz in die Welt hinausblickt, harmlos, selbst nicht ohne Humor, solange man seine Ruhe nicht stört und seinen starken sinnlichen Neigungen freien Spielraum lässt; aber der geringste Anlass genügt, um zu bewirken, dass diese Gesichtszüge in Angst oder Zorn sich verzerren.

Von den anderen Bildnissen des C. (vgl. ausser Bernoulli noch Helbig I² nr. 54. 673. Treu Bildwerke von Olympia 244f. [Abb. Ausgrab. zu Olympia III Taf. XIX 2. XX 3]. Bankó Arch.-epigr. Mitt. XVIII 55) zeigen nicht wenige in Einzelheiten einen abweichenden Charakter. Namentlich der Gesichtsausdruck wechselt, und neben stark idealisierten Köpfen giebt es solche, die geradezu den Stempel des Stumpfsinnes an sich [2834] tragen (vgl. Bernoulli nr. 4, Togastatue im Braccio nuovo, abgebildet Mus. Chiaramonti II Taf. 31). Die letzteren hat man, zweifelhaft ob mit Recht, in die Zeit nach des C.s Tod setzen und als absichtliche Verhöhnung des C. mit der ἀποκολοκύντωσις und den Witzeleien Neros (s. o. III c) in Verbindung bringen wollen (s. Helbig I² 33 nr. 54, abweichend Bernoulli II 353f.).

Über Darstellungen des C. auf geschnittenen Steinen, von denen namentlich der im Wiener Museum befindliche Sardonyx (Abb. Bernoulli Taf. XXXI. Reinach Pierres gravées 1895 Titeltafel) hervorzuheben ist, vgl. Bernoulli II 341ff. 354ff. 370f. Reinach a. a. O. 4. 17. 71. 143. Babelon Camées de la Bibl. nat. 1897, 142ff. 324. 395. 409. 415.

b) Charakter und geistige Anlagen. Ursprünglich edel veranlagt (ἡ τῆς ψυχῆς αὐτοῦ εὐγένεια, Augustus bei Suet. 4), at C. zuerst durch die Gehirnkrankheiten seiner Jugendjahre, dann durch die harte und lieblose Behandlung von Seiten seiner Familie schweren Schaden an Geist und Seele erlitten. So entstand der Charakter, der im Altertum meist als lächerlich oder verächtlich, in neueren Zeiten häufig als rätselhaft angesehen worden ist.

Es mangelte dem C. keineswegs an natürlichem Verstande und an der Erkenntnis des Rechten (τὴν μὲν ψυχὴν οὐ φαῦλος Dio LX 2, l. 3, 1); gewiss hat ihn auch immer der beste Wille bezüglich der Leitung des Staates beseelt (vgl. Tac. XII 11), und seine schriftstellerische und rednerische Begabung, sein Interesse für wissenschaftliche Bestrebungen und für Justizpflege verdienen alle Achtung. Aber dem entgegen standen wieder Eigenschaften, die vieles Gute, was er geplant, ins Schlechte oder ins Lächerliche wendeten. Seine Indolenz (segnitia Suet. 5; hebes Tac. XI 28, vgl. Tac. XII 67. Dio LIX 23, 5) war so gross, dass er selbst in seinen Urteilen und Stimmungen von seiner Umgebung abhing (cui non iudicium, non odium erat nisi indita et iussa Tac. XII 3), und ihm allein die Vorgänge in seinem Hause entgingen, von denen sonst jedermann in Rom Kenntnis hatte (Tac. XI 13. Dio LX 18, 2. 28, 3. 4. 31, 4. Senec. apocol. 8, vgl. o. Nr. 92). Es fehlte ihm die Klarheit und Folgerichtigkeit des Denkens; nicht im stande eine Gedankenreihe gründlich und nach jeder Richtung bis zu Ende auszudenken, hat er durch Gedankensprünge und Unebenheiten oft den Spott seiner Zeitgenossen herausgefordert (Tac. 46 [imminuta mens]. Joseph. ant. XIX 258 [παραφροσύνη]. Aur. Vict. Caes. 4; Epit. 4; vgl. die zahlreichen Anekdoten, die über alberne und geschmacklose Handlungen des C. in Umlauf waren, Suet. 15. 16. 21. 29. 32. 39. 40. Tac. XII 8. 53. Dio LX 13, 3. 16, 8. 22, 4. 5. 28, 3. 29, 6. 33, 5 und sonst). Kaum glaublich war seine Vergesslichkeit (Suet. 29. 39. Dio LX 14, 2); hat er doch unmittelbar nach dem Tode Messalinas ihrer völlig vergessen (Tac. XI 38. Suet. 39. Senec. apocol. 11).

C. war im Grunde genommen eine plebeische Natur. So oft er auch seine Vorfahren im Munde führte (Suet. 24. 39. Tac. XI 24), von dem herben Hochmut der alten Claudier war nichts auf ihren Nachkommen übergegangen, der sich in seinen Neigungen und Affecten völlig gehen liess und [2835] selbst bei öffentlichen Anlässen nicht das Bewusstsein seiner Hoheit zur Schau trug (Suet. 21. Dio LX 33, 3). Gleich dem geringsten Manne aus dem Volke folgte er mit gespanntester Anteilnahme den Spielen, von denen ihm namentlich die blutigen Gladiatorenkämpfe besonderes Vergnügen bereiteten (Suet. 21. 34. Dio LX 13, 3–5). War er bei guter Laune, so suchte er durch Witze, oft recht geschmackloser Art, Beifall zu erregen (Suet. 21. 32. 40. Tac. hist. I 48. Plut. Galba 12). Doch hatte die Einfachheit und Zwanglosigkeit seines Auftretens, die sich mit einer gewissen Selbstgefälligkeit (vgl. Tac. XII 52 und unten zur Rede über das ius honorum) recht wohl vertrug, auch ihre guten Seiten und musste namentlich nach dem Vergötterungstaumel des Gaius angenehm empfunden werden (s. zum J. 41). Von Habsucht war C. völlig frei (Dio LX 6, 3).

Willenskraft und Selbständigkeit mangelten ihm gänzlich. Er ist zeitlebens der Knecht seiner Frauen und Freigelassenen gewesen, die seine Schwächen geschickt auszunützen verstanden (Suet. 25. 28. 29; Vit. 2. Tac. XI 28. XII 1. 7. 59. 60. XIII 6. Dio LX 2. 14. 28, 2. 29, 3. 31, 7. 32, 1. Aur. Vict. 4, 5. Iulian. Caes. 310 Zosim. I 6, 3). Eine stark sinnliche Natur, war er bis in sein Alter den Genüssen der Liebe ergeben (Suet. 33. Tac. XI 29. 30. Dio LX 2, 5. 6. 18, 3. 31, 4. Aur. Vict. Epit. 4, 3), hatte am Essen eine naive Freude (Suet. 32. 44. Tac. XI 37. Aur. Vict. Epit. 4, 3) und frönte dem Trunk bis zur Völlerei (Suet. 5. 32. 33. Tac. XI 37. XII 64. 67. Dio LX 2, 5. 6. 34, 2. 3. Aur. Vict. Epit. 4, 3. Zonar. XI 11). Verlor er bei der geringsten Gefahr jeden Halt (Suet. 35. 36. Tac. XI 31. XII 57. Dio LX 2, 6. 14. Aur. Vict. 4, 9), so konnte ihn andererseits der mindeste Anlass in heftigen Zorn versetzen, der sich zumeist in Scheltworten äusserte (vgl. Dio LX 11, 8. Sen. apocol. 6, s. u. zur Rede über das ius honorum), aber, von anderen rasch benützt, auch sehr gefährlich werden konnte (Suet. 38. Tac. XI 26; hist. I 10. Dio LX 33, 8. Sen. apocol. 6). Er hatte gewisse Liebhabereien, denen er mit der Beharrlichkeit eines Kindes nachhing. So war er dem Würfelspiel leidenschaftlich ergeben (Suet. 5. 33. 39; Vit. 4. Sen. apocol. 12. 14) und pflegte mit nie ermattendem Eifer die Rechtsprechung (s. o. IVf). Von Jugend auf hatte er wissenschaftlichen Studien obgelegen (bonarum artium cupiens) Tac. VI 46) und sich namentlich der Geschichtschreibung zugewendet (s. Abschn. VI; ob ihm thatsächlich Livius hiezu die Anregung gab [Suet. 41], scheint doch zweifelhaft; diese Angabe, die durch die Benützung des Livius in der Rede über das ius honorum natürlich noch keineswegs bestätigt wird [so Münzer Rh. Mus. LIII 1898, 609, 1], dürfte vielleicht auf eine Äusserung des C. selbst in seiner Schrift de vita sua zurückgehen; man hüte sich übrigens, die historiographische Thätigkeit des C., die im wesentlichen nur compilatorischer Art gewesen sein wird, zu überschätzen).

Dass ein Mann wie dieser, ohne Autorität, ohne Halt und geistige Klarheit, furchtsam, geschwätzig, sinnlich, seinen Zeitgenossen weder Achtung noch Verehrung einzuflössen vermochte, [2836] ist selbstverständlich. Er besass zwar wegen seiner ungenierten Art und des plebeischen Zuges in seinem Wesen Popularität bei der Menge (Suet. 12. Dio LX 13, 5); aber die gebildete Welt Roms sah nur die lächerlichen Seiten seines Charakters oder wollte nur diese sehen. Wie er von Caligula, von seinen Frauen, Freigelassenen und Freunden zum Besten gehalten wurde (Tac. XI 3. Dio LX 29, 6. 33, 5 u. s. w.), so hat man ihn auch sonst in Rom zeitlebens und nach seinem Tode zur Zielscheibe billigen Spottes benützt (Suet. 15. 24. 38. Tac. XI 20; vgl. o. III c). Den Kaiser C. als weisen Regenten darstellen zu wollen, ist vergebliches Bemühen; allein schon die Thatsache, dass kurz nach seinem Tode eine Schrift wie die ἀποκολοκύντωσις erscheinen konnte, spricht deutlich genug dafür, dass das Charakterbild, welches die antiken Schriftsteller von ihm entwerfen, trotz einiger Übertreibungen im allgemeinen als zuverlässig zu betrachten ist. Selbst die Lecture seiner Rede über das ius honorum der Gallier genügt, uns die deutlichste Vorstellung von dem Manne zu geben. Nichts ist bezeichnender als die Art, wie er, zufällig auf Servius Tullius zu sprechen kommend, die Weisheiten seiner etruskischen Geschichte vor den Senatoren auskramt; wie er mit naiver Selbstbespiegelung seine Eroberung Britanniens herbeizieht; wie er, um die Thatsache zu beweisen, dass Gallien treffliche Senatoren liefern könne, niemand anderen zu nennen weiss als gerade einen Ritter und einen von ihm selbst zum Tode verurteilten Senator; wie ihn bei der Erinnerung an den letzteren plötzlich der Zorn übermannt und er in ganz unkaiserliche Schimpfworte ausbricht u. s. w.

VI. Schriftstellerische Thätigkeit.

Von Jugend auf beschäftigte sich C. eifrig mit den disciplinae liberales (Suet. 3; vgl. 40. Tac. ann. XIII 3. VI 46. Dio LX 2, 1 = Zonar. XI 8 B. Joseph. ant. XIX 164. 213) und begann noch als Jüngling auf Anraten des Livius und unter Beihülfe des Sulpicius Flavus mit der Geschichtschreibung, Suet. 41; oft recitierte er seine Versuche, Suet. 3 und 41. Auch als Kaiser setzte C. seine schriftstellerische Thätigkeit fort und liess seine Producte wiederholentlich durch einen lector vorlesen, Suet. 41. In der Zeit vor seiner Thronbesteigung schrieb C. an einem Werk in lateinischer Sprache, das die Geschichte nach dem Tode der Dictators Caesar behandeln sollte; da er sich aber durch den häufigen Tadel seitens seiner Mutter Antonia und seiner Grossmutter Livia in der Möglichkeit, freimütig die Wahrheit zu sagen, beschränkt sah, liess er das Werk, das bis zu zwei Büchern gediehen war, bei Seite und, sich einer späteren (gemässigteren) Zeit zuwendend, verfasste er, gleichfalls in lateinischer Sprache, ein Geschichtswerk, das a pace civili begann, Suet. 41. Obwohl nicht ausdrücklich überliefert, ist doch als wahrscheinlich anzunehmen, dass dasselbe die Zeit von der Ernennung des Octavian zum Augustus bis zu dessen Tode, d. i. 41 Jahre, umfasste, und dass mithin jedes Buch ein Jahr behandelte, wie Bücheler (Commentar zu Senec. apocol., Symbola philol. Bonnens. 48) vermutet hat (abweichend Nipperdey-Andresen Tac. ann. Einleitung 26, nach denen C. mit dem J. 29 [2837] v. Chr. begonnen hätte, und Fabia Les sources de Tacite 368, der annimmt, dass C.s Historien bis zum J. 41 n. Chr. reichten). Diesem Werke sind mit Bestimmtheit zwei Notizen zuzuweisen (Peter Hist. Rom. frg. 295, 1 und 3), eine Nachricht über die Saecularspiele des Augustus (Suet. 21) und eine solche über die Parther (Plin. n. h. XII 78); beidemale werden historiae des C. als Quelle genannt, und es scheint dies auch wenigstens der Untertitel des Werkes gewesen zu sein. Die übrigen Fragmente (Peter a. a. O. 295f.), welche ohne nähere Angabe des Werkes geographische Bemerkungen über den Lacus Maeotis (Plin. n. h. V 63), Armenia maior (ebd. VI 27), das Land zwischen kimmerischem Bosporus und caspischem Meere (ebd. VI 31) und über den Tigris (ebd. VI 128) geben, sowie eine Bemerkung zu Thessalien über den Hippocentaurus (ebd. VII 35) scheinen demselben Werke des C. entnommen zu sein, das also Plinius infolge des Reichtums an antiquarisch-geographischen Notizen als Quelle für seine Naturalis historia besonders geeignet fand; ebenderselbe citiert C. im Autorenverzeichnis zu Buch V, VI, XII und XIII. Noch als Privatmann empfahl C. in einer eigenen Schrift drei neue Buchstaben (Suet. 41, vgl. o. Bd. I S. 1625. Teuffel-Schwabe Röm. Litt.-Gesch.⁵ § 286, 3. Ruggiero Dizion. epigr. II 293), die er als Censor im J. 47 wirklich einführte, wie man aus der Anwendung dieser Buchstaben auf Inschriften nach dieser Zeit ersieht. Der Excurs über die Entwicklung der Schrift, den Tacitus (ann. XI 14) bei der Nachricht über die von C. eingeführten Buchstaben giebt, verrät ganz die Art der Gelehrsamkeit des C. (es werden darin auch die Etrusker erwähnt), und Tacitus dürfte dafür wohl dessen oben genannte Schrift benützt haben. Über die gleichfalls von C. empfohlene Schreibweise AI für AE, welche die Schriftsteller als keine absolute Neuerung übergehen, vgl. Bücheler De Ti. Claudio Caesare grammatico (Elberfeld 1856) 20–22. Nach seiner Thronbesteigung schrieb C. acht Bücher de vita sua in lateinischer Sprache, Suet. 41; daraus dürfte wohl die von Suet. 2 aus einer Schrift des C. (quodam libello) citierte Stelle (Peter a. a. O. 295 frg. 2) entnommen sein, worin der Kaiser über die harte Bevormundung in seiner Jugend klagt. Auch mit etruskischer und karthagischer Geschichte beschäftigte sich der gelehrte Kaiser, er schrieb zwanzig Bücher Τυρρηνικά, sowie acht Bücher Καρχηδονιακά, beides in griechischer Sprache (über seine griechischen Studien, womit die Vorliebe für homerische Verse in der Rede zusammenhängt, Suet. 42. Sen. apocol. 5, vgl. Dio LX 16, 7 = Zonar. XI 9), und liess das eine Werk in dem alten, das andere in dem von ihm neugegründeten Museum zu Alexandria (vgl. Smilda in seiner commentierten Ausgabe der Vita divi Claudii zu Suet. 42) jährlich an bestimmten Tagen vorlesen (Suet. 42). Eine für die Geschichte wichtige Bemerkung über die Einwanderung der Etrusker unter Mastarna in Rom lesen wir auch in der Rede über das ius honorum der Gallier (s. u.), vgl. Müller-Deecke Etrusker I² 111f. Gegen Asinius Gallus, welcher in einer Schrift einen Vergleich zwischen seinem Vater, dem bekannten Antiquar Asinius Pollio, und Cicero angestellt [2838] hatte, der zu Ungunsten des letzteren ausgefallen war, verfasste C. eine gelehrte Verteidigung Ciceros, Suet. 41. Endlich ist ein gelehrter Essai des C. über das Würfelspiel zu erwähnen, vgl. ebd. 33. Aus Sen. apocol. 5, 4 Claudius gaudet esse illic (in caelo) philologos homines mit Schanz Röm. Litt.-Gesch. [Iw. Müllers Handb. VIII 2] 239 zu schliessen, dass sich der Kaiser auch mit philologischen Problemen beschäftigt habe, ist unstatthaft, wie aus den folgenden Worten sperat futurum aliquem historiis suis locum hervorgeht, vgl. Bücheler Comment. zu der Stelle. Die Tac. ann. XIII 43 erwähnten commentarii des C. haben mit dessen Schriftstellerei nichts zu thun. Dagegen gehören derselben die Reden an, da diese in der Regel schriftliche Aufzeichnung voraussetzen, speciell bei C., der sie meist durch einen Quaestor vortragen liess (Dio LX 2, 2). Erhalten ist uns auf einer 1528 zu Lyon gefundenen, in zwei Columnen beschriebenen Broncetafel der grösste Teil der Rede, welche C. im J. 48 zu Gunsten der Gallier, die um Zulassung des Adels zu den römischen Staatsämtern ersucht hatten, im Senate gehalten hat (CIL XIII 1668 = Dessau 212. Bruns Fontes⁶ 50 und im Anhang mehrerer Ausgaben von Tacitus Annalen z. B. von Nipperdey; die ältere Litteratur nachzusehen CIL a. a. O., vgl. Teuffel-Schwabe Röm. Litt.-Gesch. II⁵ § 286, 4. Meyer Orat. Roman. frg. 575). Dieselbe Rede giebt Tacitus (ann. XI 22) in directer Form, aber inhaltlich und stilistisch verändert wieder, vgl. darüber Schmidtmayer Ztsch. f. österr. Gymn. XLI 869–887. Peter Geschichtliche Litteratur über die röm. Kaiserzeit II 300f. Ob C. als Vorbild für seine Rede die des Canuleius bei Liv. IV 3, 2ff. benützt hat, untersucht A. Zingerle Ztschr. f. österr. Gymn. XXXVII 255f. Sonst werden von Reden des C. erwähnt: die Aufforderung zur Sichtung und Festigung der Disciplin der Haruspices, Tac. ann. XI 15 (vgl. Müller-Deecke Etrusker II² 16), die Rede an die parthische Gesandtschaft, Tac. ann. XII 11, quaedam oratiunculae, Suet. 38. Von Erlässen des C., deren einige, nach gewissen Indicien zu schliessen, diesen in eigener Person zum Autor haben, sind zu nennen das am 15. März 46 erlassene Edict über das römische Bürgerrecht der Anauni, Tulliasses und Sinduni, erhalten auf einer 1869 im Nonsthale (Südtirol) gefundenen Bronzetafel (CIL V 5050 = Dessau 206. Bruns Fontes⁶ 74), ferner die von Joseph. ant. XIX 280–291. XX 10–14 im Wortlaute angeführten drei Erlasse für die Juden.

Dass die Reden und Schriften des C. einer gewissen Eleganz im Ausdrucke nicht ermangelten, geht hervor aus Tac. ann. XIII 3 nec in Claudio, quotiens meditata dissereret, elegantiam requireres (vgl. Suet. 40. Sen. cons. ad Polyb. 14, 1) und Suet. 41, wo von der Selbstbiographie gesagt wird, sie sei magis inepte quam ineleganter geschrieben. Das, was gutes daran war, wurde jedoch durch die in geschmackloser Weise aufgespeicherte Gelehrsamkeit, die Zerfahrenheit der Gedanken und die Nachlässigkeit im Stile schwer beeinträchtigt, wovon uns die erhaltenen Urkunden markante Beispiele geben. So zählt C. in der Rede für die Gallier (Col. I Z. 8–40) alle Neuerungen von der Zeit des Romulus [2839] bis auf die Gegenwart auf (von Z. 28 an allerdings mittels der Form der Praeteritio), um dem Senate die Scheu vor einer einzuführenden Neuerung zu benehmen. Für die Zerfahrenheit der Gedanken ist besonders der Umstand bezeichnend, dass sich der Autor zweimal selbst ermahnen muss, bei der Sache zu bleiben (Col. I Z. 40 und Col. II Z. 20ff.). Das zweitemal geschieht dies in der barocken Form einer Selbstansprache: Tempus est iam, Ti. Caesar Germanice, detegere te patribus conscriptis, quo tendat oratio tua etc. Mommsen (Ephem. epigr. VII p. 394) wollte dies für den Zwischenruf eines Senators nehmen, doch ist kaum anzunehmen, dass ein solcher mit aufgezeichnet worden wäre, vielmehr stimmt eine solche Selbstansprache zur Originalität des Redners und dürfte sich auch im Munde eines Vorlesers weniger absurd ausgenommen haben. Von der Nachlässigkeit des Stils giebt uns ein schlagendes Beispiel der Beginn des Erlasses für die Anauni mit dem Gewirre von Relativsätzen, der Verschiebung des Hauptsubjectes in einen Nebensatz und dem unerträglichen Anakoluth (Mommsen Herm. IV 106f.). Rhetorische Figuren finden sich spärlich; so die Form der Praeteritio und Interrogatio mit anaphorischem quid (Rede über das ius honorum Z. 28ff.) und die des Chiasmus mit anaphorischem ut (Z. 10f., vgl. Schmidtmayer a. a. O. 874). Anzuerkennen ist hingegen der öfter geoffenbarte ehrliche Freimut. In dem genannten Edict (Z. 11f.) rügt C. seine Vorgänger Tiberius und Gaius. Ein Tadel gegen letzteren auch Joseph. ant. XIX 284f., vgl. auch Sen. apocol. 11, 2. Peter Geschichtl. Litt. über die Kaiserzeit I 318. Weitere Beispiele seiner Offenherzigkeit giebt Suet. 38 und 41; dagegen ebd. 11; vgl. Peter a. a. O. I 373f. Dass C. auch poetisch thätig war, ist nicht überliefert; die griechische Komoedie, die er in Neapel einstudiert und nach dem Urteile der Preisrichter praemiiert hat, hatte wahrscheinlich Germanicus zum Verfasser, Suet. 11, dazu Smildas Anm.; vgl. Sen. apocol. 12 vosque poetae lugete novi. Neuere Litteratur: Schanz Röm. Litt.-Gesch. II 238–240. Teuffel-Schwabe Röm. Litt.-Gesch. II⁵ § 286, 2–5. Peter Geschichtl. Litt. über die röm. Kaiserzeit (1897) I 88f. und aa. OO. Schiller Röm. Kaiserzeit I 1, 316f. Schäfer-Nissen Abriss der Quellenkunde II² 106. Peter Hist. Roman. fragm. p. 294ff. Meyer Orat. Rom. fragm. 574ff.