RE:Gotarzes
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Partherkönig 40-51 n. Chr. | |||
Band VII,2 (1912) S. 1674–1683 | |||
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Gotarzes, Partherkönig von 40–51 n. Chr.
I. Quellen.
Hauptquelle ist Tacitus im XI. und XII. Buch der Annalen. Außerdem gibt eine direkte kurze Notiz über ihn nur Josephos (ant. Iud. XX 73. 74), während Philostratos in der Vita Apollonii einen Blick auf die Persönlichkeit und die Regierung von G.s Rivalen Vardanes gewährt, allerdings unter dem schiefen Gesichtswinkel des seinen Helden bis ins Phantastische verherrlichenden Biographen. Über die Inschrift von Behistûn, CIG III 4674 = Dittenberger Syll. or. I 431, die seinen Namen nennt, s. u. Abschn. V.
Die Münzen des Königs gestatten eine genauere chronologische Festlegung der Hauptdaten seiner Regierung und fügen noch manches Detail zur literarischen Überlieferung hinzu. Nach den früheren unzulänglichen Publikationen (u. a. Eckhel III 534. Mionnet V 666f., 61–65; Suppl. VIII 447f., 49–51) hat erst P. Gardner eine zuverlässige Edition geboten: The Parthian coinage, London 1877, 49f. pl. V 18–26, wozu sich jetzt der wertvolle Katalog des British Museum teils ergänzend, teils verbessernd gesellt, W. Wroth Catalogue of the coins of Parthia (1903) S. 161–177 pl. XXVI 12–14. XXVII. XXVIII 1–11 (im ganzen 177 Exemplare). Eine große Anzahl zum Teil früher unbekannter Varietäten hat v. Petrowicz in dem vornehm ausgestatteten Katalog seiner Sammlung zusammengestellt: Arsaciden-Münzen, Wien 1904 S. 117–126 Taf. XVII 13–16. XVIII (76 Stück).
Besonderen Wert haben die Tetradrachmen, die hellenisches Gepräge aufweisen, sie sind bis auf den Monat genau datiert (Wroth nr. 1–32. Petrowicz nr. 1–12); auch die Silberdrachmen (Wroth nr. 33–56. Petrowicz nr. 13–26) enthalten Legenden, aber mit stark barbarischen Buchstabenformen (vgl. Wroth S. LXXVIIf. und 165 Anm. Petrowicz S. 119f.) und sind undatiert, während die kleinen Bronzestücke (Wroth nr. 57–177. Petrowicz nr. 27–77) fast ohne jeden Buchstaben geprägt sind. Die seither neu gefundenen Exemplare der Silberdrachmen mit seinem Namen sind unten erwähnt. Drachmen ohne den Namen des G. sind nicht so selten (vgl. z. B. auch Arch. Anz. 1909, 148); sehr zahlreich sind die Typen seiner Kupfermünzen.
II. Literatur.
v. Gutschmid Kl. Schrift. III 43–124; Gesch. Irans (Tübingen 1888) 123–128. Schiller Gesch. d. röm. Kaiserzeit I 323–325. Mommsen R. G. V 379f. Olshausen S.-Ber. Akad. Berl. 1878, 172–179. Dessau Prosop. Imp. Rom. II 120f., 121. Gardner a. a. O. 12f. Wroth a. a. O. XLV–XLVIII.
III. Name; Abstammung; Titel.
Die Namensform Gotarzes findet sich bei Tacitus (einmal auch Gotharzes), Γωτάρζης auch in der Inschrift [1675] (vgl. dazu Dittenberger Syll. or. I 431 n. 4) und auf Tetradrachmen, Γωτέρζης auf Drachmen, Κοτάρδης bei Josephos. Die neupersische Form ist Gôderz oder Gûdarz (v. Gutschmid Kl. Schrift. III 44. Olshausen S.-Ber. Akad. Berl. 1878, 172).
Über seine Abstammung herrscht nicht völlige Klarheit. Josephos, dessen Bericht ungenau und unverläßlich ist, nennt ihn einen Bruder des Vardanes (I.), der ein Sohn Artabanus III. war (Joseph. ant. Iud. XX 69), und ebenso des Volagases (I.); zu diesem aber offenbar nur Stiefbruder, weil Pacorus und Tiridates im Gegensatz zu G. als seine Brüder von demselben Vater bezeichnet werden (ant. Iud. XX 73. 74; auch Dio ep. LXIII 5, 2. Tac. ann. XII 50. XIII 34. XV 2 [ausdrücklich auch als Söhne desselben Vaters erwähnt]. 14. 31). Auch nach Tac. ann. XI 9 ist G. der Bruder des Vardanes; XI 8 wird auch Artabanus als Bruder des G. genannt; doch beruht es auf Mißverständnis Gardners a. a. O. 12, wenn er diesen Artabanus für den König hält und einen Irrtum des Tacitus annimmt; es ist vielmehr ohne Zweifel ein jüngerer Artabanus, wohl der Sohn Artabanus III., gemeint; ihn hat G. als gefährlichen Thronrivalen samt Frau und Sohn aus dem Wege räumen lassen, Tac. ann. XI 8. XII 10 (vgl. auch Mommsen R. G. V 379, 1. Cauer o. Bd. II S. 1296). Als Söhne Artabanus III. kennen wir aber außerdem noch Arsakes, den ältesten (Tac. ann. VI 31. Dio LVIII 26, 1), Orodes (Tac. ann. VI 33. Joseph. ant. Iud. XVIII 52) und Dareios (Joseph. ant. Iud. XVIII 103; vgl. Dio LIX 17, 5. Suet. Cal. 19, 2). Volagases aber wird als Sohn des Vonones (II.) von einer unebenbürtigen Mutter angegeben, Tac. XII 14. 44. Einen anderen Bruder des Vardanes, Megabates mit Namen, führt Philostr. v. Apoll. I 31 an, der aber vielleicht nur, wie v. Gutschmid Kl. Schr. III 48, meint, eine von dem Autor erfundene Persönlichkeit ist. [1]
Viel Verwirrung in den Ansichten über die Abstammung des G. hat die unrichtige Lesung und Erklärung einer Silberdrachme hervorgerufen, durch die auch v. Gutschmids Scharfsinn zweimal irregeführt wurde (Kl. Schr. III 68–72; zu anderen, aber ebenso unzutreffenden Schlußfolgerungen ist er in der Geschichte Irans 123 durch Olshausens Ausführungen [a. a. O. 176f.] gelangt; auch Dittenberger hat sich in den Erklärungen zu der oben zitierten Inschrift im wesentlichen v. Gutschmid angeschlossen): sowohl durch die Lesung Ἀρεανῶν statt Ἀρσάκου (vgl. auch Numism. Chronicle 1900, 370) als durch das rätselhafte KEKAΛOYMENOC, das v. Gutschmid zuerst als κεκαλυμ(μ)ένος, dann nachdem Olshausen es zu dem Vorangehenden gezogen, als ὑὸς Γε(ο) καλούμενος gefaßt hatte, seinerseits als ὑὸς Γε(ο) Καλύμενος (ein Titel) Ἀρταβάνου erklärte. Für Γε(ο) ὑός glaubte Olshausen eine Stütze in der Inschrift von Behistûn zu finden, in welcher der Name Γωτάρζης Γεόποθρος steht: auch Γεόποθρος bedeute [1676] soviel wie ,Sohn des Gêw‘, wobei Olshausen (S. 172) auf die enge Verbindung hinwies, worin Gûdarz und Gêw in der altérânischen Heldensage erscheine. Aber die richtige Münzlegende gibt schon Gardner a. a. O. 49f. (pl. V 25. 26), allerdings erst in den Nachträgen S. 65 richtiggestellt. Zu den zwei Exemplaren dieser Drachme in Paris und Petersburg, die er und die Älteren kennen, ist dann ein drittes hinzugekommen, das sich im British Museum befindet, Wroth 165, 33 (pl. XXVII 2); endlich sind zwei andere Exemplare derselben Münze aus dem Besitze des Dr. Mordtmann in Konstantinopel in die Sammlung v. Petrowicz übergegangen und in dessen Katalog 119, 13. 14 (Taf. XVII 15) veröffentlicht. So ist jetzt die Lesung als feststehend zu betrachten: βασιλ⟨ι⟩έως βασιλ⟨ι⟩εύων Ἀρσάκου ὑὸς κεκαλουμένος Ἀρταβάνου Γωτέρζης. Gardner (S. 50) hatte die Vermutung angenommen, daß ὑὸς κεκαλουμένος gesetzt sei für υἱὸς κεκλημένος, was bedeute, daß G. seine Abstammung von Artabanus mit Stolz hervorhebe, während Wroth (S. XLV 2; vgl. Numism. Chronicle 1900, 95, 6) Ἀρταβάνου mit ὑός und κεκαλουμένος mit Γωτέρζης verbindet, also ,Arsaces, König der Könige, mit dem persönlichen Namen Goterzes, Sohn des Artabanus‘, ähnlich wie bei Mithridates III. (Wroth 66, 41; Numism. Chron. 1900, 93) neben dem Dynastienamen auch Φραάτον ἐπικαλουμένου steht.
Jedenfalls läßt sich nunmehr kein Anhaltspunkt dafür finden, daß G. nur der Adoptivsohn Artabanus III. sei (v. Gutschmid Kl. Schr. III 52; Gesch. Irans 123. Olshausen 177. Dittenberger n. 2). Die Inschrift von Behistûn beweist insofern nichts, als wir ja nicht wissen, ob das zweimalige Vorkommen des Namens G. beidemal denselben Mann bezeichnet (diese Frage ist auch von Olshausen 172 aufgeworfen worden). Daß mit dem Γωτάρζης σατράπης τῶν σατραπ[ῶν] unser G. gemeint sei, ist allerdings sehr wahrscheinlich, Γωτάρζης Γεόποθρος aber scheint ein anderer Mann desselben Namens zu sein.
Die Namen und Titel, die G. auf den übrigen Silermünzen führt, sind βασιλέως βασιλέων Ἀρσάκου εὐεργέτου δικαίου ἐπιφανοῦς φιλέλληνος (Gardner 49 pl. V 19ff. Wroth n. 1ff. 34ff. v. Petrowicz 117f. 120f.) und βασιλέως βασιλέων φιλέλλη. ἐπιφανο. δικαίου εὐεργέτ. Γωτάρζου (Gardner 49 pl. V 18. besser Wroth n. 10 pl. XXVI 13. v. Petrowicz nr. 5). Auf einer erst neuerdings bekannt gewordenen Drachme (v. Petrowicz nr. 15) nennt er sich βασιλ. βασιλ. Ἀρσά. εὐεργέ, δικαίο. νικ[η]φόρ. (ἐ)πιφανοῦς. Er wird also, wie dies bei den meisten Partherkönigen üblich ist (vgl. Gardner S. 22), meist ohne seinen Individualnamen nur mit dem Namen des Dynastiegründers Arsakes genannt. Daß er auf einigen Tetradrachmen aus dem J. 357 = 45/6 und 358 = 46/7 und auf undatierten Drachmen doch seinen persönlichen Namen führt, hat Wroth S. XLVII mit der allerdings unbewiesenen Vermutung zu erklären versucht, daß zu Beginn seiner zweiten Herrschaftsperiode [1677] seine Rechtmäßigkeit vielleicht in Frage gestellt worden sei.
IV. Seine Regierung und die Kämpfe um die Herrschaft.
a) Gotarzes und Vardanes.
Um die verwickelten Thronstreitigkeiten nach dem Tode Artabanus III. zu verstehen, ist es notwendig, zunächst den genauen, wenn auch unvollständigen Bericht des Tacitus zugrunde zu legen. Nach Tac. ann. XI 8 vertrieb Vardanes den G., der unter anderen seinen eigenen Bruder Artabanus mit Frau und Sohn hatte töten lassen, und bemächtigte sich hierauf der Herrschaft. Nun erfahren wir aber aus Philostr. v. Apoll. I 21. 28, daß Vardanes die Herrschaft verloren und dann wieder gewonnen hatte (eine Bestätigung durch die Münzen, wie v. Gutschmid Kl. Schr. III 51 auf Grund der schlechten Publikation bei Mionnet Suppl. VIII 445f., 46 geglaubt hat, gibt es allerdings nicht, wenn auch die Münzen nicht, wie Wroth S. XLVf. meint, das Gegenteil beweisen). Also müssen wir annehmen, daß auf Artabanus III. unmittelbar zuerst Vardanes folgte, dann durch G. verdrängt wurde, worauf er wieder gegen G. die Herrschaft gewann. Die erste Regierung des Vardanes und seine Vertreibung durch G. war vielleicht bei Tacitus in den verloren gegangenen Partien enthalten, weil beide Herrscher a. a. O. als bekannte Persönlichkeiten vorausgesetzt werden (Nipperdey-Andresen z. St.). Vardanes war somit wohl älter als G., den vermutlich jüngeren Bruder Artabanus hat G. beseitigen lassen, weil er ihm als einem Usurpator immerhin gefährlich werden konnte. Josephos übergeht die erste Regierung sowohl des Vardanes als auch des G. und beginnt gleich mit der zweiten Regierungsperiode des Vardanes, indem er dessen Vereinigung mit Izates zu einem Kampf gegen die Römer erzählt (ant. Iud. XX 69; daß hier anstatt Vardanes der jüngere Artabanus gemeint sei, wie Mommsen R. G. V 379, 1 vermutet, ist doch kaum glaublich).
Damit lassen sich einigermaßen die genauen Datierungen der Tetradrachmen vereinigen, obwohl der Umstand, daß die Zuweisung der einzelnen Münzen an bestimmte Herrscher meist nur auf Grund der Porträtähnlichkeit erfolgen kann, zur Vorsicht mahnen muß. Die frühesten datierten Münzen des G. tragen das Datum 352 der Seleukidenära, d. i. 40/1 n. Chr.; sie stammen also wohl aus der ersten Regierungsperiode des G., Gardner 12. 50. Wroth S. XLV 161 Anm. (angezweifelt von v. Petrowicz S. 118f.). Aus der ersten, offenbar nur ganz kurzen Regierungszeit des Vardanes scheint kein datiertes Stück vorhanden zu sein; von ihm allein kennen wir nur Münzen aus den J. 353 und 354, und zwar die älteste vom Panemos 353, d. i. Juni 42 (Gardner 48f. v. Petrowicz 113, 1. Wroth S. XLV 153, 1. 2; vgl. Anm. Wenn freilich die hier erwähnte Lesung von Prokesch-Osten: Gorpiaios 351 anstatt 354 richtig sein sollte, dann hätten wir Münzen des Vardanes aus dem August 40, also aus seiner kurzen ersten Regierungszeit). In die J. 355 und 356 (= 43–45) fallen die Kämpfe zwischen den beiden Dynasten mit wechselndem Erfolg; denn aus diesen Jahren gibt es Münzen sowohl des Vardanes (Gardner 48f. [1678] Wroth XLV 155ff. v. Petrowicz 114, 6-8) als des G. (Gardner 50. Wroth XLV 161, 1. 2), und erst von 357 angefangen bis 362 (= 45–51) ist die Reihe der Münzen des G. allein nicht mehr unterbrochen (Gardner 49f. Wroth XLV 161–164. v. Petrowicz 117f.). Das ist die Zeit seiner unbestrittenen Alleinherrschaft.
G. gab auch nach seiner Vertreibung den Versuch nicht auf, die Herrschaft zurückzuerlangen, zumal da Vardanes mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Denn die Stadt Seleucia, die schon unter Artabanus III. abgefallen war (vgl. auch Tac. ann. VI 42), wollte sich auch dem Vardanes nicht ergeben, so daß sich dieser in seiner blinden Wut in eine für den Augenblick gänzlich zwecklose Belagerung der gut geschützten und stark befestigten Stadt verrannte. Verstärkt durch die Streitkräfte skythischer Nomadenstämme, der Daher, sowie der Hyrkanier, auf deren Treue sich auch sein Vater sowie frühere Partherkönige stets hatten stützen können, eröffnete G. den Bruderkrieg, so daß Vardanes die Belagerung von Seleucia aufgeben mußte und dem G. bis nach Baktrien entgegenzog; sehr zum Schaden des Partherreiches, dessen Nebenländer diesen Konflikt zum Abfall benützten (Tac. ann. XI 8).
Armenien war, nachdem Caligula den Mithridates abgesetzt und nach Rom befohlen hatte (s. auch Dio LX 8, 1. Sen. de tranquill. 11, 12), wieder dem Partherreich zugefallen. Nun aber schickte Claudius den Mithridates wieder hin, und dieser konnte mit römischer Hilfe und unterstützt von seinem Bruder, dem Ibererkönig Pharasmanes, die Herrschaft über das Land wieder antreten; der parthische Satrap Demonax wurde vertrieben, auch der kleinarmenische König Kotys leistete dem Mithridates mehr gezwungen als freiwillig die Huldigung. Angesichts dieser dem Reich drohenden Gefahren (auch eine Verschwörung der Parther gegen das Leben des Vardanes bestand, wurde aber diesem von G. selbst verraten) versöhnten sich die feindlichen Brüder, die schon in voller Schlachtordnung einander gegenüberstanden. Vardanes blieb König, G. behielt sich nur Hyrkanien vor. Nun konnte Vardanes endlich Seleucia zur Übergabe zwingen (Tac. ann. XI 9). Aber Armenien zurückzugewinnen vermochte er nicht, weil ihn der römische Statthalter von Syrien, (C.) Vibius Marsus, durch Kriegsdrohungen daran hinderte (Tac. ann. XI 10). Auf diese Ereignisse ist wohl auch der Bericht des Josephos zu beziehen (so auch v. Gutschmid Kl. Schr. III 73; vielleicht gehört hierher auch die romanhafte Erzählung Philostr. v. Apoll. I 38, daß Vardanes den Krieg geplant habe – doch wird hiefür ein viel kleinlicherer Anlaß angegeben – aber durch Apollonius von Tyana davon abgehalten worden sei; der römische Statthalter von Syrien wird dabei erwähnt, aber nicht genannt), wonach sich Vardanes mit dem König Izates von Adiabene zu einem Krieg gegen die Römer verbinden wollte; als sich Izates aus Furcht vor der Macht der Römer weigerte mitzuziehen, wollte ihn Vardanes mit Gewalt dazu zwingen, wurde aber von seinen eigenen Untertanen getötet und hierauf erst G. erhoben (ant. Iud. XX 69–73). Hier ist also mit keinem Wort [1679] auch der erneute Versuch des G. erwähnt, die Herrscherwürde, auf die er selbst verzichtet hatte, wieder zurückzugewinnen. Ermutigt fühlte er sich dazu durch den Ruf des stets unzufriedenen und stets streitlustigen parthischen Adels. Diesmal mußte das Glück der Waffen zwischen den Prätendenten entscheiden. In der Schlacht am Fluß Erindes (= Charindas?) siegte Vardanes, unterwarf in raschem Siegeslauf alle Völker bis zum Sindes (wahrscheinlich der jetzige Tedschen, vgl. v. Gutschmid Gesch. Irans 126, 2), dem Grenzfluß zwischen Dahern und Areioi; bei jenen hat G. offenbar wieder Zuflucht gefunden. Vardanes wurde durch die Unzufriedenheit seines Heeres zur Umkehr gezwungen, nachdem er Denkmäler hatte errichten lassen, die den bis dahin weitesten Umfang des Arsakidenreiches verewigen sollten. Diese Erfolge stiegen ihm so zu Kopfe, daß er seinen Übermut an seinen Untertanen ausließ und dadurch die schon früher versuchte Empörung wieder gegen sich heraufbeschwor; auf einer Jagd wurde er ermordet, Tac. XI 10. Jos. XX 73.
b) Gotarzes und Meherdates.
Die Parther schwankten eine Zeitlang zwischen einem andern arsakidischen Fürsten, Meherdates (= Mithridates V.: v. Gutschmid Gesch. Irans 127), einem Enkel des Phraates und Sohn des Vonones (vgl. Tac. XII 10), der als Geisel in Rom lebte, und G.; dann entschieden sie sich für diesen. Aber auch sein Wesen war nicht gewinnender als das seines Bruders und brachte viele aus dem Adel wie aus dem niedrigen Volke bald so gegen sich auf, daß sie im geheimen eine Gesandtschaft nach Rom schickten, um sich von Kaiser Claudius den Meherdates als König zu erbitten, Tac. XI 10 (zum J. 47 n. Chr.). Tacitus setzt die Erzählung XII 10 (zum J. 49) fort, indem er von dem Auftreten dieser Gesandtschaft vor dem Senat berichtet. Der Kaiser antwortete den Gesandten in Gegenwart des Meherdates zustimmend und gab dem neuen Könige von Roms Gnaden gute Regierungsmaximen mit auf den Weg. Den Parthern empfahl er auch seinerseits den von ihnen gewünschten König, den der Statthalter von Syrien, C. Cassius (Longinus) – es ist der bekannte Jurist – bis zur Reichsgrenze am Euphrat zu geleiten hatte, Tac. XII 11. Dies geschah. Bis zu dem oft genannten Übergangsort Zeugma am Euphrat, wo sich die Anhänger des Meherdates versammelten, zog der römische Statthalter mit. Dann kehrte er zurück, nachdem er dem jugendlichen König den Rat erteilt hatte, sein Vordringen möglichst zu beschleunigen. Aber Meherdates ließ sich von dem arabischen König Abgar (V. mit dem Beinamen Ukhâma, der Schwarze; bei Tac. ist die Form Acbar überliefert) von Osrhoëne, der Freundschaft für ihn heuchelte, verleiten, in dessen Residenz Edessa die kostbarste Zeit mit Lustbarkeiten zu vergeuden, und auch die wiederholten Mahnungen des parthischen Satrapen von Mesopotamien, Carenes (vielleicht ist derselbe auch Philostr. v. Apoll. I 21 gemeint), vermochten ihn, obwohl der Winter schon herannahte, nicht abzuhalten, auf den treulosen Rat Abgars den ganz unbegreiflichen Umweg über die schneebedeckten Gebirgslandschaften Armeniens zu machen, ehe sich [1680] seine von den Strapazen völlig erschöpften Truppen mit denen des Carenes vereinigten. Einen ebenso falschen Freund fand Meherdates in dem schon erwähnten König Izates von Adiabene, der insgeheim mit G. verbündet war. Nachdem sie den Tigris überschritten hatten, eroberten sie Ninive und Gaugamela (Tac. XII 13 deutet den Namen dieses Ortes nur an, indem er sagt, ein Kastell, das in den Kämpfen Alexanders d. Gr. gegen die Perser eine Rolle spielte; möglich wäre auch, daß das besser bekannte Arbela gemeint ist, wenngleich dieses vom Schlachtfeld sehr weit entfernt ist; vgl. Streck o. Bd. VII S. 862). Da G. noch nicht genügend gerüstet war, bezog er vorerst eine Defensivstellung hinter dem Fluß Corma, die er mehrmals wechselte, und widerstand allen Herausforderungen zum Kampf. Er suchte dabei Zeit zu gewinnen, indem er alle Künste der Bestechung und des Verrates spielen ließ. Bald vollzogen auch Abgar und Izates offen ihren Abfall, und Meherdates, der sich so wichtiger Stützen beraubt sah und den Verrat auch der andern fürchtete, entschloß sich endlich, eine rasche Entscheidung herbeizuführen. Nun brauchte auch G. den Kampf nicht mehr zu scheuen, der vielmehr mit Erbitterung geführt wurde. Als nach lange unentschiedenem, blutigem Ringen Carenes bei seinem allzu kühnen Vordringen umzingelt war, gab Meherdates jede Hoffnung auf und wurde von dem Verräter Parraces, einem Klienten seines Vaters, seinem Gegner ausgeliefert. Dieser ließ ihm als einem Römling die Ohren abschneiden und machte ihn auf diese Weise unschädlich, Tac. ann. XII 12–14. Vielleicht wird die Erinnerung an diesen Sieg festgehalten in der Legende einer Drachme (v. Petrowicz nr. 15), wo G. auch den Beinamen νικ[η]φόρ(ος) führt, sowie in dem Münzbild, das die Überreichung eines Diadems an den König darstellt.
c) Sein Tod.
Nicht lange danach starb G., und zwar, wie Tacitus (XII 14) ausdrücklich bemerkt, eines natürlichen Todes. Die Nachricht des Josephos (XX 74), daß er einer Verschwörung zum Opfer gefallen sei, beruht auf einer bei den unübersehbaren Wirren im Partherreich leicht begreiflichen Verwechslung und ist mit Vorsicht aufzunehmen. Er scheint nicht alt geworden zu sein, weil sein wahrscheinlich älterer Bruder Vardanes sechs Jahre vor ihm primam intra iuventam starb (Tac. XI 10).
V. Die Inschrift von Behistûn.
Nun erhebt sich noch die Frage, wie mit den eben geschilderten Lebensschicksalen des G. die Inschrift zu vereinigen ist Γωτάρζης σατράπης τῶν σατραπ[ῶν], wofern sie überhaupt auf ihn zu beziehen ist. Natürlich sind bei unserer geringen Kenntnis der Vorgänge im Partherreich verschiedene Möglichkeiten zuzulassen, v. Gutschmid und die ihm gefolgt sind (z. B. auch Dittenberger a. a. O.) nehmen an, daß G. noch zu Lebzeiten Artabanus III. Präfekt der sog. oberen Satrapien gewesen sei; dafür haben wir gar keinen Anhalt. Wenn wir uns nur an die Überlieferung halten, dann wäre am ehesten an die Zeit zu denken, in welcher G. und Vardanes ein friedliches Übereinkommen trafen und G. wenigstens in einem Teile des Reiches auch [1681] von Vardanes anerkannt wurde. Der ungewöhnliche Titel, der ihm in der Inschrift verliehen wird (vgl. auch die Bronzemünze bei v. Petrowicz nr. 76), wäre ein angemessener Ausdruck für seine Ausnahmestellung (ähnlich auch Olshausen a. O. 179, der es als Siegesdenkmal des Vardanes nach der Schlacht am Charindas ansieht; vgl. Mommsen R. G. V 345, 1). Ob und welche Beziehung die unter der Inschrift roh in den Felsen gemeißelten Reliefs (abgebildet bei Gardner auf der als Titelbild bezeichneten Tafel nach Flandin und Coste Perse Ancienne pl. XIX) zu diesen Ereignissen haben, muß dahingestellt bleiben (vgl. v. Gutschmid Kl. Schr. III 44).
VI. Chronologie.
Die zeitliche Bestimmung der Regierung des G. ergibt sich, wie schon erwähnt, aus den datierten Münzen in folgender Weise. Artabanus III. starb im J. 40/41 oder kurz vorher (die unrichtige Annahme, daß Münzen von ihm aus dem J. 42 vorhanden seien, v. Gutschmid Kl. Schr. III 50 und ihm folgend Andresen noch in der 6. Auflage seiner Tacitusausgabe zu ann. XI 8, hat v. Gutschmid selbst dann zurückgezogen, vgl. Gesch. Irans 123); denn die älteste uns bekannte Münze des G. stammt aus diesem Jahre, und in die Zeit zwischen Artabanus’ Tod und G.s Thronbesteigung fällt auch noch die kurze erste Regierung des Vardanes. Spätestens im Juni 42 wurde G. durch Vardanes verdrängt. Seit 43/4 finden die Kämpfe des G. um Wiedererlangung der Herrschaft statt. Noch vor dem Ende des J. 45 ist Vardanes gefallen. Die letzte datierte Münze des G. ist aus dem Monat Daisios 362 = Mai 51 (Gardner S. 50. Wroth S. XLIV 164, 31 = pl. XXVII 1. v. Petrowicz 118, 12), die früheste des Volagases I. aus dem Gorpiaios 362 = August 51 (Gardner 51. Wroth XLIX; vgl. 178, 1). In die dazwischen liegenden drei Monate fällt der Tod des G. und die ephemere Regierung des Vonones II. (Anders v. Gutschmid Gesch. Irans 128; vgl. aber Dessau Prosop. Imp. Rom. III 475f., 629; 489, 671).
Daß in den Jahren zwischen 43 und 45 die Thronkämpfe zwischen G. und Vardanes stattfanden, erhält auch Bestätigung durch Bronzemünzen des Vardanes aus den J. 354 (= 42/3) und 355 (= 43/4) mit der Reverslegende βουλή, worunter wahrscheinlich, wie schon Gardner 48f. und dann Wroth (XLVI u. dazu Anm. 2. 157f., 37–39; pl. XXVI 6–8) vermutet haben, der autonome Senat von Seleucia nach der Ergebung dieser Stadt zu verstehen ist. Und daß die Unterwerfung dieser Stadt im J. 43 erfolgte, wissen wir auch aus Tac. XI 9, wonach der Abfall der Stadt sieben Jahre vorher geschehen sei, und zwar, wie sich aus Tac. ann. VI 42 ergibt, im J. 36.
Mit diesen Zeitansätzen ist auch die übrige Erzählung des Tacitus über G. in Einklang zu bringen, die sich in zwei Gruppen gliedert, XI 8–10. XII 10–14. Die erste Gruppe ist unter die Ereignisse des J. 47, die zweite unter die des J. 49 eingereiht. Nun faßt Tacitus in seiner bekannten Art oft die Ereignisse verschiedener Jahre zu einem einzigen kurzen Bericht zusammen, den er dann einem bestimmten Jahre zuweist, in welchem sich nur [1682] einige der erzählten Begebenheiten abspielten; vgl. u. a. Nipperdey-Andresen I10 S. 40 und z. St. Daß nicht, wie v. Gutschmid Kl. Schr. III 67. 80 geglaubt hat, die Einsetzung des Mithridates in Armenien in das J. 47 gehört, wird schon dadurch klar, daß diese Einsetzung noch zu Lebzeiten des Vardanes erfolgte. Es ist vielmehr die Absendung der parthischen Legation nach Rom, um den Meherdates von Claudius zu erbitten, in das J. 47 zu setzen (so berichtigt auch v. Gutschmid selbst in der Geschichte Irans 127 seine frühere Chronologie), im J. 49 fanden dann die Expedition des Meherdates und sein unglücklicher Kampf gegen G. statt, der sich bis in den Winter (Tac. XII 13) von 49 auf 50 hinzog. Aber auch noch den Tod des G. und den zweimaligen Thronwechsel im J. 51 erwähnt Tacitus schon hier (XII 14), während die folgenden Ereignisse richtig zum J. 51 erzählt sind (XII 44). Der zugunsten des Mithridates von Armenien noch einige Zeit nach dessen Einsetzung intervenierende römische Statthalter von Syrien, C. Vibius Marsus, wurde wahrscheinlich schon im J. 45 von C. Cassius Longinus abgelöst, der später den Meherdates bis an die Grenze des Partherreiches geleitete, vgl. Jörs o. Bd. III S. 1736. Schürer Gesch. d. jüd. Volkes I3. 4. (1901) 334f. Wenn die Zeitangaben des Philostr. v. Apoll. I 28 verläßlich wären, dann würde die Ankunft des Apollonius am Hofe des Vardanes zwei Jahre und zwei Monate, nachdem dieser die Herrschaft erlangt hatte (vgl. auch I 21), also im Sommer 44 erfolgt sein. Seine Abreise noch unter Vardanes hätte ein Jahr und acht Monate später (I 22. 40; die Zeitberechnung, die v. Gutschmid Kl. Schr. III 77–85 auf Grund dieser Angaben versucht hat, ist zu verwerfen, weil sie, wie schon erwähnt, auf unrichtigen Voraussetzungen fußt) stattgefunden, das wäre zu Beginn des J. 46, was mit den eben berechneten Ansätzen freilich nicht genau stimmt, da G. schon vor 46 Alleinherrscher war.
VII. Persönlichkeit.
Der Charakter des G. tritt in der Überlieferung nicht allzu scharf hervor. Er ist in allem der Typus des orientalischen Despoten ebensogut wie sein Gegner Vardanes und so viele andere Arsakiden, grausam und zugleich feig, genußsüchtig und lüstern nach äußerer Verherrlichung, hinterlistig und wortbrüchig, unverläßlich und launenhaft; seine saevitia hebt Tacitus wiederholt hervor, er tadelt seinen luxus und seine ignavia (XI 10. XII 10) und führt uns sein ganzes Sündenregister aus dem Munde seiner Feinde vor. Inwieweit der persischen Heldensage von Gódeiz die geschichtliche Persönlichkeit des G. zugrunde liegt (v. Gutschmid Kl. Schr. III 95–124; vgl. Olshausen 172), läßt sich nicht genau bestimmen.
Charakteristisch sind seine Gesichtszüge auf den Münzen ausgeprägt (vgl. v. Gutschmid Kl. Schr. III 82f.). Er hat das eigentümliche Stirnzeichen, das bei mehreren Königen wiederkehrt (vgl. v. Petrowicz S. 58), einen langen Spitzbart und langes, welliges Haar, s. die Münztafeln bei Gardner, Wroth und v. Petrowicz, dazu Wroth S. XLVIII.
Auf einigen seiner Münzen (Gardner S. 49 [1683] pl. V 21. Wroth S. LXXV 172, 102–106 pl. XXVII 18. v. Petrowicz 124, 52. 53 Taf. XVIII 19) ist im Revers ein weiblicher Kopf abgebildet, vielleicht seine Gattin darstellend, deren Name aber weder hier noch sonst überliefert ist, vgl. Kahrstedt Klio X 287.