Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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M.f. Men(enia) Crassus Frugi, M. cos. 27 n. Chr.
Band XIII,1 (1926) S. 338345
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73) M. Licinius Crassus Frugi, Consul des J. 27 n. Chr.

a. Name. M. Licinius M. f. Men(enia) Crassus Frugi in seiner Grabschrift CIL VI 31721 = Dessau I 954. Μᾶρκος Λικίννιος Μάρκου υἱὸς Φροῦγι IG III 608 = Dessau II 8813 (Athen). M. Licinius Cras. Frugi (zum J. 777), M. Cras[us Frugi] (zum J. 780) CIL I² p. 71. Fasti Arv. [M. Licinius] Cra[ssus Frugi] CIL VI 2024 Acta Arv. M. Licinius Crassus CIL II 2633 = Dessau II 6101. [Λικίν]νιος Κράσσος Φ[ροῦγι] IGR I 1501. M. Licinius CIL II 4963, 1 = 6246 = Dessau II 5162. CIL IV 3340 tab. cer. Pomp. n. II. Tac. ann. IV 62. M. Crassus Frugi CIL VI 1266 = Dessau II 5939. CIL VI 251 (vgl. 30724) = Dessau II 6080. CIL V 4919 = Dessau II 6100. CIL V 4920. Klio II 1902, 274. M. Crassus Tac. hist. I 14. Cassiod. (Mommsen Chron. min. II p. 136). Crassus Frugi CIL VI 1445 (wenn auf ihn bezüglich). Sen. apoth. 11, 5. Suet. Cl. 17. Crassus XIL VI 31772 = Dessau I 955. Sen. apoth. 11, 2. Plut. Galba 23. In den hsl. Consulfasten Crassus oder Grassus. Bei einer Anzahl von Inschriften, in denen Freigelassene oder Sklaven eines Crassus Frugi (CIL VI 33535 = Dessau II 7969 [beim Grabmal der Crassi an der Porta Salaria]. II 4364 [Tarraco]. III 12285 = Dessau II 7390 [Athen]) oder eines M. (Licinius) Crassus (CIL

VI 10122. 17395 [bei der Porta Salaria]. 21242; vgl. auch 35699) genannt werden, bleibt unsicher, ob Crassus oder sein gleichnamiger Sohn gemeint ist. Bezüglich der attischen Ehreninschrift eines Μᾶρκος Λικίννιος KrΚράσσος Φροῦ[γ]ι (IG III 1, 609) vgl. u. Nr. 74.

b) Familie. Crassus gehörte, wie sein zweites Cognomen Frugi beweist, nicht von Geburt dem licinischen Geschlechte an, sondern dem Hause der Calpurnii Pisones, dem einzigen der Nobilität, in welchem der Name Frugi (seit dem Consul 133 v. Chr.) üblich war (s. o. Bd. III S. 1392 Nr. 96; allerdings ist die direkte Linie der Pisones Frugi mit Ciceros Schwiegersohne im J. 697 = 57 ausgestorben [vgl. Münzer o. Bd. III S. 1391], es kann sich demnach nur um den in den Zeiten des Überganges von der Republik zum Principat häufigen Fall der Wiederaufnahme eines historischen Beinamens durch einen anderen Zweig derselben Gens handeln). Zu demselben Schlusse führt der Name L. Calpurnius Piso Frugi Licinianus, den Crassus einem seiner Söhne gab (s. u.), ferner die Bezeichnung des Calpurnius Crassus als τῶν Κράσσων ἐκείνων ἔγγονος (Dio LXVIII 3, 2), und endlich beweist die Basis einer Doppelstatue, die in Athen einem L. Calpurnius L. f. Piso und einem M. Licinnius M. f. Frugi errichtet wurde (IG III 607. 608 = Dessau II 8813), daß zwischen diesen beiden vornehmen Familien enge Beziehungen bestanden (die Annahme, daß das Doppelstandbild den beiden Consuln des J. 27 gesetzt sei, die an sich möglich wäre, wird dadurch widerlegt, daß der Kollege des Crassus Sohn eines Gnaeus war). Welcher Art die Verwandtschaft war, ist nicht überliefert und läßt sich nur durch Kombination [339] erschließen. Die vorgeschlagenen Lösungsversuche weichen sehr voneinander ab (die Literatur bei Mommsen a. a. O.). Eine, wie es schien, abschließende Beantwortung bot Mommsen (Ges. Schriften VIII 246–255). Er stellte die These auf, daß Crassus Frugi der leibliche, von M. Crassus, Consul 740, adoptierte Sohn des L. Piso pontifex, Consuls 739 = 15 (s. o. Bd. III S. 1396 Nr. 99), und der jüngere Bruder des L. Piso (o. Bd. III S. 1383 Nr. 75) gewesen und daß Piso pontifex der auf dem Denkmal in Athen zugleich mit seinem Sohne Crassus Dargestellte sei. In diesen drei Persönlichkeiten wollte Mommsen die Pisonen erkennen, denen Horaz die Ars poetica zueignete. Diese Deutung ist fast allgemein angenommen (so auch o. Bd. III S. 1398; Dittenberger IG III 1 p. 125 hält die Beziehung der Doppelstatue auf die verschwägerten Consuln 57 und 64 für wahrscheinlicher, doch würde bei dem Consul 64 das Cognomen Crassus kaum fehlen). Erst in jüngster Zeit hat sich Cichorius gegen einzelne Aufstellungen Mommsens ausgesprochen (Rom. Stud. 1922, 337ff.). Er vertritt die Auffassung, daß schon M. Crassus, der Consul 740 (Nr. 57), das Cognomen Frugi geführt und aus dem Hause der Pisonen in das der Licinier übergetreten sei; dieser Crassus sei es, der auf dem Grabstein der Licinia Crassi Frugi pontificis f(ilia) Magna L. Pisonis pontificis uxor (CIL VI 1445 = 31655 = Dessau I 956) als der Vater dieser Frau genannt werde; ihr Gatte sei L. Piso pontifex, Consul 739, gewesen, der demnach zweimal geheiratet habe: aus seiner zweiten Ehe mit Licinia Magna stamme M. Crassus Frugi Consul 27. n. Chr., die Söhne aus seiner ersten Ehe seien (der in der athenischen Inschrift zugleich mit M. Crassus Frugi geehrte) L. Calpurnius L. f. Piso und C. Calpurnius L. f. Piso Frugi, dessen Statue eine andere Doppelbasis aus Athen neben der eines Cn. Calpurnius Piso trug (IG III 1, 601. 602. Mommsen, Dittenberger, Nipperdey-Andresen zu Tac. ann. IV 62 u. a. hatten angenommen, daß dieser C. Calpurnius L. f. Piso Frugi kein anderer sei als unser Crassus Frugi vor seiner Adoption). Die beiden Söhne des Pontifex aus seiner ersten Ehe kämen für die Ars poetica des Horaz allein in Betracht, da ihr Stiefbruder, unser Crassus Frugi, erst etwa 6 v. Chr. zur Welt gekommen sein könne – zwei Jahre nach dem Tode des Horaz.

Gegen Cichorius’ Annahme, daß schon der Consul 740 das Cognomen Frugi geführt habe, läßt sich einwenden, daß weder die Consulfasten noch auch nur eine der Inschriften, die aus dem Consulate dieses Mannes erhalten sind, ihm dieses Cognomen geben (s. Nr. 57), während es umgekehrt bei dem Consul des J. 27 nur selten fehlt (vgl. Mommsen 252 und o. Abschn. a). Ferner ist es nicht gerade wahrscheinlich, daß L. Piso pontifex die Tochter eines jüngeren Mannes, der ein Jahr nach ihm Consul war, geheiratet habe (vgl. Mommsen 248). Endlich bleibt Cichorius die Erklärung dafür schuldig, in welchem Verwandtschaftsverhältnis Crassus, der Consul 740, wenn er von Geburt dem Hause der Pisonen angehörte, [340] zu seinem späteren Schwiegersohne ursprünglich gestanden habe. Dagegen wird man sich der Korrektur der Mommsenschen These, die Cichorius sonst vorschlägt, anschließen dürfen, wenn auch immerhin gewisse Bedenken geltend gemacht werden könnten: man müßte die Existenz eines sonst unbekannten C. Calpurnius L. f. Piso Frugi annehmen (die Beziehung eines Gedichtes des Apollonides, Anth. Pal. X 19, auf ihn [Cichorius 337ff.] ist ganz unsicher), und ferner bliebe unerklärt, warum dieser, nach Cichorius der Sohn des L. Piso pont., von den Athenern durch ein Doppelstandbild zusammen mit einem Cn. Calpurnius Piso gefeiert wurde (IG III 601. 602), also einem Angehörigen der Linie der Gnaei Pisones, deren Verwandtschaft mit L. Piso pont. auf Jahrhunderte zurückreicht. Indes für Mommsens und Cichorius’ Annahme, daß Crassus Frugi ein Sohn des L. Piso pont. war und nicht etwa dem Zweige der Gnaei Pisones – etwa als Sohn des L. Piso augur, Consuls 753 (o. Bd. III S. 1383 Nr. 74) – angehörte, spricht doch, daß nur in der Linie der Caesonini, deren Verwandtschaft mit den Frugi Cicero erwähnt (Mommsen 247, 2) – wenn auch unsicher und vereinzelt – die Erneuerung des Beinamens Frugi bezeugt ist (Ascon. in Pisonian. p. 2. Dio ind. 1. LIV; Cichorius’ Bedenken [S. 341] gegen die Angabe des Tac. ann. VI 10, daß Piso pont. der Sohn des Censoriers Piso Caesoninus gewesen sei, scheinen mir nicht begründet; die Münze Babelon Monn. de la Rep. Rom. I 306 n. 37, die dem Consul 731, Cn. Piso, den Namen Frugi beilegt, ist falsch gelesen, vgl. Bahrfeldt Wien. Num. Ztschr. LI 1918, 106; unzutreffend ist auch Ramsays Ergänzung [Καλπούρν]ιον> [Πείσωνα Φρο]ύγει in einer Inschrift aus Laodikeia, Journ. hell. stud. 1918, 174, die, wie der Cursus honorum beweist, sicher keinem Nobilis gehört). Ferner ist aus früherer Zeit wohl bei den Caesonini, nicht aber bei den Gnaei, das Praenomen Gaius belegt. Endlich wird man kaum glauben wollen, daß ein Großneffe des Cn. Piso, Consuls 747. eine Tochter des Q. Veranius, des erbitterten Feindes seines Großoheims, geheiratet habe (vgl. o. Bd. III S. 1381. 1400). Zur Verdeutlichung der Familien zusammenhänge diene die Stammtafel, die freilich rein hypothetischen Charakter trägt.

Crassus Frugi selbst war mit Scribonia verheiratet (Sen. apoth. 11, 2. 4. Tac. hist. I 14. Plut. Galba 23). Da diese doch wohl jünger als ihr Gatte gewesen sein wird, darf man in ihr kaum die Tochter der Pompeia und Schwester des Consuls 16 n. Chr. L. Scribonius Libo erblicken (so z. B. Mommsen 249. PIR III p. 185; s. Scribonius Nr. 30), sondern die Enkelin der Pompeia und Tochter des genannten Consuls. Sie war mit dem Hause der iulischen Caesaren verwandt (vgl. Tac. ann. II 27) und stammte von dem großen Pompeius ab (s. Scribonius Nr. 30). Darum gab Crassus einem seiner Söhne, und zwar wie es scheint, dem ältesten, den Namen Cn. Pompeius Magnus (in seiner Grabschrift [CIL VI 31722 = Dessau I 955]: Cn. Pompeius Crassi [341] f(ilius) Men(enia) Magnus). Magnus muß spätestens 26 geboren sein, da er bei seiner Heirat im J. 41 nicht jünger als 14 Jahre sein konnte (Mommsen 250f.) und im 20. Lebensjahre stand, als er die Quaestur (nicht nach dem J. 46) bekleidete (Smilda zu Suet. Cl. 27). Crassus hatte überhaupt die seltsame Schrulle, in den Namen, die er seinen Kindern gab, ohne Rücksicht auf die Gesetze der römischen Namengebung die ganze fürstliche Ahnentafel derselben zur Schau zu stellen. Ein Sohn, wohl der Zweitälteste und im J. 31 geboren, hieß, wie er selbst, M. Licinius Crassus Frugi (s. Nr. 71), ein dritter Crassus Scribonianus (sein Gentilname, der nicht überliefert ist, wird Licinius gewesen sein), der vierte, im J. 38 geborene L. Calpurnius Piso Frugi Licinianus (s. o. Bd. III S. 1399 Nr. 100), eine Tochter anscheinend Licinia Magna (s. Nr. 198; wenn in der eradierten Grabschrift der Licinia [CIL VI 31727, s. Nr. 189] Crassi [Frugi pontific]is [f(ilia)] ergänzt werden könnte, war auch diese eine Tochter unseres Crassus).

c) Lebenslauf. Crassus dürfte um 6 v. Chr. geboren sein, da er als Angehöriger der höchsten Nobilität suo anno zum Consulat gelangt sein wird (vgl. Cichorius 339). Als junger Mann weilte er, wie wir vermuten dürfen, einige Zeit zu Studienzwecken in Athen, das für die jungen Nobiles die Hochschule der Bildung und feinen Gesittung war. Damals mag das Volk von Athen, das zu seinen Vorfahren sowohl aus dem licinischen wie dem calpurnischen Hause schon lange in guten Beziehungen stand, ihm, sowie seinen Verwandten, mit denen er wohl zugleich den Studien oblag, die Denkmäler auf der Akropolis errichtet haben, deren Inschriften noch erhalten sind (IG III 1, 607. 608, vgl. 601. 602; die Basis III 609 trug vielleicht eher die Statue seines Sohnes; s. Nr. 74). Über seine Ämterlaufbahn unterrichtet uns, wenigstens teilweise, seine unvollständig erhaltene, wahrscheinlich absichtlich zertrümmerte Grabschrift, die in dem Erbbegräbnis seiner Familie an der Via Salaria gefunden wurde (CIL VI 31721 = Dessau I 954). Die Quaestur war auf dem Steine nicht erwähnt und ebensowenig das vermutlich bald nachher (sicher mehrere Jahre vor 24, vgl. P. Licinius Stolo Nr. 165) bekleidete Amt eines Mitgliedes des Collegiums der curatores locorum publicorum iudicandorum ex s(enatus) c(onsulto), von dem wir durch einen Terminalcippus Kenntnis haben (CIL VI 1266 = Dessau II 5939). In dem Collegium, dessen Vorsitzender T. Quinctius Crispinus Valerianus, Consul 2 n. Chr., war, wird Crassus als der letzte der fünf Curatoren genannt, nach C. Pontius Paelignus, der damals sicher noch Quaestorier war (CIL V 4348); demnach muß er gleichfalls noch der quaestorischen Rangklasse angehört haben. Wie seine Grabschrift besagt, war er Praetor urbanus. Das Jahr seiner Amtsführung kennen wir aus den Fasti Arvalium (CIL I² p. 71), denen zufolge er im J. 24 an die Stelle des M. Plautius Silvanus trat, der durch Selbstmord geendet hatte (Tac. ann. IV 22). Der Sepulkralinschrift (sowie der Grabschrift seiner Tochter Licinia Magna, CIL VI 1445, vielleicht [342] auch VI 31727, s. o.) ist ferner zu entnehmen, daß er Pontifex war; seinem hohen Adel entsprechend wird er wohl schon zu Beginn seiner Ämterlaufbahn, vielleicht noch vor der Quaestur, in das hohe Priesterkolleg Aufnahme gefunden haben. Im J. 27 wurde Crassus Consul zusammen mit L. Calpurnius Cn. f. Piso (die Belegstellen s. o.; als cos. wird er auch in der Grabschrift bezeichnet). Beide Consuln blieben vermutlich das erste Halbjahr im Amt (sie sind für den 4. Januar [CIL VI 2024 Acta Arv.], 3. Februar [V 4919], 28. April [II 2633] und 28. Mai [VI 251 = 30724 = Dessau II 6080] bezeugt; unsicher ist, ob ein Fragment der Arvalakten .. .Crasso cos., wie Paribeni vermutet, in dieses Jahr gehört, Not. d. scavi 1921, 50); wohl am 1. Juli folgten ihnen P. (Cornelius?) Le[ntulus?] und C. Sall[ustius Passienus Crispus] (Fasti Arv. CIL I² p. 71; in Pompeii wird am 27. November nach den Ordinarii datiert, CIL IV 3340 II = Bruns-Gradenwitz Font. i. Rom.⁷ p. 355). Tiberius hat ihm offensichtlich alle Förderung zuteil werden lassen: war er der Sohn des L. Piso pontifex, eines der wenigen Männer, denen Tiberius unbedingt vertraute, so erklärt sich die Bevorzugung leicht. Dagegen hat er sich des Gaius Zorn dadurch zugezogen, daß er seinem erstgeborenen Sohne den Namen des großen Pompeius gegeben hatte; es wird uns berichtet, daß Gaius die Führung des Beinamens Magnus mit den Worten verbot: μὴ εἶναί οἱ ἀσφαλὲς Μάγνον τινὰ προσαγορεύεσθαι und daß nur seine Jugend den Knaben vor dem Verderben rettete (Dio LX 5, 8. 9. Suet. Cal. 35. Sen. apoth. 11, 2). Als aber Claudius zur Regierung kam, ein Mann, der für den historischen Adel sehr viel übrig hatte, wurde Crassus mit Ehrungen, die seiner Person und seiner Familie galten, geradezu überhäuft. Claudius hatte offenbar die Absicht, das Haus der Crassi Frugi aufs engste mit der herrschenden Familie zu verbinden und dadurch den Erbansprüchen nach Pompeius und Crassus die Spitze abzubrechen. Er vermählte im ersten Jahre seiner Regierung (41) seine ältere Tochter Antonia mit dem jungen Pompeius (s. o. Bd. III S. 2791), dem er seinen Namen wiedergegeben hatte und einige Zeit nachher das Vorrecht der kaiserlichen Prinzen zugestand, sich fünf Jahre vor der Zeit um die Staatsämter zu bewerben (s. o. Bd. III a. a. O.). Dem Crassus selbst gewährte er Gelegenheit, sich einen ehrenvollen militärischen Namen zu gewinnen. In seiner Grabschrift wird Crassus als leg(atus) Ti. Claudi Caesaris Aug(usti) Germanici in M.......a bezeichnet (hier bricht der erhaltene Text ab). Die nächstliegende Ergänzung M[oesi]a füllt den Raum nicht aus, demnach kommt nur M[acedoni]a oder M[auretani]a in Frage; da jedoch von kriegerischen Verwicklungen in Makedonien in der ersten Zeit des Claudius nichts bekannt ist, vermutete Henzen, daß Crassus an den Kämpfen, die zu Beginn dieser Regierung in Mauretanien stattfanden, als Legat des Kaisers teilgenommen habe (ebenso Pallu de Lessert Fast. Afr. I 47lf. Cagnat L’armée Rom. d’Afr. 27. Vivell Untersuch. z. Gesch. d. Claudius 1911, 7f. u. a.). Aber unter den Legaten des Claudius, die damals gegen die Mauren fochten [343] (Dio LX 9), wird Crassus nicht genannt (Gaius, in dessen letzter Zeit schon in Mauretanien gekämpft wurde [Dio LX 8, 6, ungenau Plin. n. h. V 11], wird Crassus nicht an die Spitze eines Heeres gestellt haben). Makedonien stand damals unter kaiserlicher Verwaltung (erst im J. 44 wurde es dem Senate zurückgegeben, s. o. Bd. III S. 2798); das Land war zwar seit Tiberius von dem moesischen Legaten verwaltet worden, doch ist leicht möglich, daß eine Heimsuchung des Provinzialbodens durch die benachbarten Thraker Claudius veranlaßt habe, einem eigenen Legaten außerordentlicherweise den Befehl in Makedonien zu übertragen (wohl im J. 44 wurde das thrakische Odrysenreich zur Provinz gemacht, vgl. Stein Röm. Reichsbeamte d. Prov. Thracien 1920, 2f.). Eine Bestätigung dieser Vermutung könnte man vielleicht darin finden, daß auf einem unweit von Pizos gefundenen Marmorfragment anscheinend unser Crassus genannt war (Λικιν]νίῳ Κράσσω Φ[ροῦγι] Kalinka Ant. Denkm. in Bulg. 335 n. 434 = IGR I 1501; nicht unmöglich wäre freilich, daß es sich nur um eine Jahresangabe handelt); ferner kann darauf hingewiesen werden, daß bereits vier Vorfahren des Crassus in dieser Landschaft gekämpft hatten (s. Nr. 60 und 73; o. Bd. III S. 1388f. 1397): ein Umstand, der gerade für Claudius bestimmend sein konnte. Mag nun Crassus in Mauretanien oder in Makedonien befehligt haben, jedenfalls hat er damals zum erstenmal die Triumphalornamente erhalten (vgl. Suet. Cl. 17). Als Claudius im J. 43 seine Espedition nach Britannien unternahm (s. o. Bd. III S. 2796f.), gehörte Crassus zu seinem Generalstab – offenbar als comes Augusti, vielleicht auch als legatus Augusti pro praetore – und empfing für seine Verdienste zum zweitenmal die ornamenta triumphalia (Suet. Cl. 17): in der Kaiserzeit außer L. Apronius u. W. der einzige Senator, dem diese Ehre zuteil wurde. So durfte er bei dem großen Triumphe, den Claudius im folgenden Jahre feierte, als einziger von den ,Triumphalen‘ den Kaiser equo phalerato et in veste palmata begleiten, während die anderen pedibus et in praetexta folgten (Suet. Cl. 17). Sein Sohn Pompeius war vom Kaiser, zugleich mit seinem Schwager L. Silanus, von Britannien nach Rom vorausgesendet worden, um die Siegesbotschaft zu überbringen (Dio LX 21, 5). Pompeius wurde Quaestor seines kaiserlichen Schwiegervaters (CIL VI 31722), Pontifex und frater Arvalis (vgl. PIR III 69 n. 477); bei einem Congiarium im J. 45 vertraten die beiden Schwiegersöhne den Kaiser (Dio LX 25, 8), und so schienen sich Crassus und seine Familie der höchsten kaiserlichen Gunst zu erfreuen, als plötzlich ihr Sturz erfolgte. Den Anstoß dazu gab Messalina, die in dem nobilissimus iuvenis Pompeius einen gefährlichen Nebenbuhler ihres Sohnes fürchtete (Zon. XI 9, 466 B. [vgl. Dio ed. Boissevain vol. III p. 2]: ἀπέκτεινε ... τὸν δὲ Μάγνον διὰ τὸ γένος καὶ τὸ κῆδος. ἑάλωσαν μέντοι ὡς ἐπ’ ἄλλοις τισίν, Dio LX 31, 7 [Boissevain p. 7]. Suet. Cl. 27. 29). Crassus selbst dürfte kaum eine Persönlichkeit gewesen sein, die ernstliche Besorgnisse einflößen konnte. Der Verfasser der Apokolokyntosis divi Claudii bemerkt (11, 2): (Claudius) occidit [344] in una domo Crassum, Magnum, Scriboniam, tristionias assarionem, nobiles tamen, Crassum vero tam fatuum, ut etiam regnare posset (die verderbte Stelle tristionias assarionem hat bisher noch keine völlig befriedigende Lesung gefunden; Bücheler schlug vor tris homines assarios, Mommsen Ges. Schr. VIII 250 tris di boni assarios; Weinreich Sen. Apocol. 1923,143 übersetzt: ,zwar alles Taugenichtse‘). Und an einer anderen Stelle derselben (freilich boshaft übertreibenden) Schrift heißt es: quandoquidem divus Claudius occidit .... socerum filiae suae Crassum Frugi, hominem tam similem sibi quam ovo ovum (11, 5): eine Charakteristik, die Crassus gewiß nicht zum Lobe gereichen soll. Wie sein kaiserlicher Doppelgänger, wird er manchen absonderlichen Neigungen gehuldigt haben; die bizarre Willkür in der Benennung seiner Kinder hat nicht zum wenigsten seinen und seines Hauses Sturz herbeigeführt.

Das Todesurteil gegen Crassus, Scribonia und Pompeius (Sen. apoth. 11, 2. 4. 13, 5. Suet. Cl. 27. 29. Plut. Galba 23. Tac. hist. I 48. Dio LX 31, 7. Zon. XI 9) muß in der Zeit zwischen 45 (s. o.) und (April) 47 ergangen sein (in dem erhaltenen zweiten Teil der Annalen des Tacitus wird die Verurteilung des Crassus nicht erwähnt; irrig Plut. Galba 23: οὓσ νέρων ἀνῃρήκει); da Zonaras die Hinrichtung das Pompeius zugleich mit dem Prozeß des Valerius Asiaticus (Tac. ann. XI 1–3) erwähnt, dürfte sie in den Anfang des J. 47 gehören (Boissevain p. 2. Smilda zu Suet. Cl. 27. Vivell 113). Die Bemerkung Suetons (Claud. 29) Pompeius in concubitu dilecti adulescentuli confossus est spricht dafür, daß das Urteil nicht nach öffentlicher Verhandlung vor dem Senat, sondern vom Kaisergericht verhängt und sofort vollstreckt worden ist. Das wahre Motiv wurde jedenfalls verschwiegen (vgl. Zon. XI 9). Gleichzeitig wurden wohl die Söhne des Crassus, L. Calpurnius Piso Frugi Licinianus und Crassus Scribonianus, ins Exil gesendet, obwohl diese noch im Knabenalter standen (s. Nr. 77). Dagegen scheint der zweitgeborene Sohn M. Crassus Frugi in den Sturz der Familie nicht mitverwickelt worden zu sein: wahrscheinlich weilte er damals nicht in Rom (in diese Zeit mag sein Aufenthalt in Athen gehören, s. Nr. 74).

Crassus’ Asche wurde in der Familiengrabstätte bei der Porta Salaria (zwischen dieser und der Porta Collina) beigesetzt. Das Grabmal selbst ist nicht gefunden worden, aber im Terrain der ehemaligen Villa Bonaparte wurde im J. 1884 in einer Tiefe von 6 m unter dem Erdboden ein Raum aufgedeckt, in dem die zertrümmerten oder beschädigten Marmorcippi des Crassus und seiner Söhne Magnus und Piso lagen (vgl. Not. d. scavi 1884, 393f. Henzen Bull. d. inst. 1885. 9ff. Stevenson ebd. 22ff. Huelsen zu CIL VI 31721). Aus demselben Raume stammen die bei den Erdarbeiten beiseitegeschafften Grabsteine des C. Calpurnius Crassus Frugi Licinianus (s. o. Bd. III S. 1370 Nr. 32), der Licinia Cornelia Volusia Torquata (Nr. 191) und des C. Calpurnius Piso Crassus Frugi Licinianus (s. o. Bd. III S. 1390 Nr. 91); auch die Grabschriften der Licinia Magna (Nr. 198), die schon früher bekannt war, der Licinia Crassi [filia?[ (Nr. 189) und der [345] Calpurnia L. f. Lepida (s. o. Bd. III S. 1407 Nr. 133) werden derselben Provenienz sein. Zweifellos besaßen die Crassi Frugi in der Nähe der Fundstelle ein prächtiges Grabmal. Nach dem Untergang des Geschlechtes wird dieses von anderen okkupiert und die (teilweise schon vorher eradierten) Grabsteine der Familienmitglieder werden in das unterirdische Gemach geworfen worden sein (der Zeitpunkt der Devastierung ergibt sich daraus, daß sich unter den Cippi auch jener des unter Hadrian getöteten Crassus Frugi Licinianus befand, s. o. Bd. III S. 1370 Nr. 32). In der Umgebung des Grabmonumentes, das zweifellos auf dem Grund und Boden der Crassi lag (vgl. Nr. 74), befanden sich, wie zahlreiche Inschriftfunde lehren, die Grabstätten ihrer Sklaven und Freigelassenen und der Nachkommen derselben, die Licinius, Calpurnius oder auch Pompeius als Gentilnamen führen (z. B. CIL 17395. 33535 [= Dessau II 7969]. 1424H. [vgl. Stevenson Bull. d. Inst. 1885, 29f.]. 9659 [s. o. Nr. 86]. 10258 [s. u. Nr. 105]. 14189. 14223. 21331. 34757f. 35697. 35699. 33453 Cn. Pompeius Magn(i) l(ibertus) Sodali[s] und Pompeia Magn(i) l. Lyde, vgl. Stein Jahresber. CXLIV 1909, 202; wie Stevenson zutreffend vermutet, werden die Eltern des jugendlich verstorbenen Poeten Q. Sulpicius Maximus, dessen Grabschrift in derselben Gegend gefunden wurde [IG XIV 2012], Q. Sulpicius Eugrammus und Licinia Ianuaria, Freigelassene dieses Hauses gewesen sein).