Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Iulia Livilla Jüngste Tochter des Germanicus und der Agrippina, geb. 18 n.Chr.
Band X,1 (1918) S. 938 (IA)–939 (IA)
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575) Iulia Livilla, Schwester der Drusilla, die jüngste Tochter des Germanicus und der Agrippina. Ihr Name ist bei Schriftstellern, abgesehen Sueton vita Gai 7, Iulia (Sueton. Claud. 29, Tac. ann. II 54. VI 15. XIV 63. Joseph. ant. Iud. XIX 251. Cass. Dio LIX 22, 6 [Boissevain]. LX 4, 1. 8, 5. 27, 4. LXI 10, 1. Sen. apoc. 10. Schol. Iuv. I 155. V 109). Ebenso wird sie häufig auf Inschriften (CIL VI 3998. 4352. 10563) und scheinbar regelmäßig auf Münzen (Eckhel VI 219. 233. Mionnet III 49, 123f.) genannt. Als Livilla erscheint sie nur selten (CIL VI 891. 8711. XIV 3661). Der Name I. Livilla findet sich überhaupt nicht. Boissevain (zu Cass. Dio LIX 22, 6) will mit Älteren in CIL VI 891 hinter Livilla Iulia ergänzen, während die Herausgeber wegen der ungewöhnlichen Stellung dafür den Namen des Gatten einsetzen.

Sie wurde ein Jahr nach ihrer Schwester Drusilla (Suet. vita Gai 7), also wohl Ende 17 n. Chr. geboren (Mommsen Herm. XIII 255[WS 1] = Hist. Schriften IV 280), wenn auch Tac. ann. II 54 ihre Geburt in das J. 18 zu legen scheint. Als Geburtsort wird die Insel Lesbos überliefert (Tac. a. a. O.). Darauf weisen auch die Münzen aus Mytilene mit der Umschrift Ιουλία νέα Γερμανικοῦ (Eckhel VI 233. Mionnet III 49. 123. 124). Wie schon ihr Name offenbar eine Ehrung für die Kaiserin Livia bedeutete (Willrich Livia 36), so stammte auch ihre Amme aus dem Haushalt des Augustus und der Livia (CIL VI 4352). Einer ihrer Lehrer ist bekannt aus CIL VI 3998. Ihre Erziehung wie die ihrer Schwester leitete die Großmutter Antonia (Suet. a. a. O. 24). Über ihre vermeintliche Blutschande mit ihrem Bruder Gaius vgl. das o. S. 935, 66 unter I. Drusilla Gesagte. Im J. 33 n. Chr. heiratete sie den M. Vinicius, nachdem auch bei ihr Tiberius lange unschlüssig war, wem er sie geben sollte (Tac. ann. VI 15; vgl. Joseph. ant. Iud. XIX 251. Cass. Dio LX 27, 4. Schol. Iuv. I 155). Als ihr Bruder Gaius zur Regierung kam, wurde sie derselben Ehren teilhaftig wie ihre Schwestern (s. o. S. 936, 32). Pergamon verehrte sie in dieser Zeit als neue Nikephoros (Inschr. v. Pergam. 497). [939] Die Verschwörung und der Prozeß des M. Aemilius Lepidus (s. o. Bd. I S. 563 nr. 76), des Gemahls ihrer Schwester Drusilla, wurde ihr zum Verhängnis. Sie hatte mit ihm wie ihre Schwester Agrippina Ehebruch getrieben (Suet. vita Gai 24. Cass. Dio LIX 22, 6) und wurde als Mitwisserin nach den pontischen Inseln verbannt (Suet. a. a. O. Cass. Dio LIX 22, 8) im J. 39 n. Chr. Der Kaiser berichtete über sie an den Senat (Cass. Dio a. a. O.). Claudius rief sie dann bald nach seinem Regierungsantritt zurück und gab ihr auch ihr Vermögen wieder (Cass. Dio LX 4, 1. Zon. 11, 8 S. 461). Nicht lange darnach fiel sie als ein Opfer der eifersüchtigen Messalina, da sie das volle Vertrauen des Kaisers besaß. Tigillinus (Schol. Iuv. I 155) und Seneca (Tac. ann. XIII 42. Schol. Iuv. V 109. Cass. Dio LX 8, 5. LXI 10, 1) wurden unter ihren Buhlgenossen genannt. Messalina erreichte, daß sie aus Rom entfernt (Tac. ann. XIV 63. Cass. Dio LX 8, 5) und bald darauf getötet wurde (Sen. apoc. 10, 4. Suet. Claud. 29. Octavia v. 946f. Cass. Dio LX 8, 5), ohne daß ein Vergehen ihr nachgewiesen werden konnte (quamvis crimine nullo Octavia v. 948). Ihre Todesart ist nicht mehr sicher zu ermitteln. Nach Sen. apoc. 10, 4 und Octavia v. 947f. ist sie durchs Schwert (vgl. das o. S. 909, 22 bei Iulia Nr. 552 Gesagte) umgekommen. Als Zeitpunkt ergibt sich das J. 42 n. Chr. Messalina wußte den Verdacht auf den Gemahl der I., M. Vinicius, zu lenken, doch starb dieser dann selbst bald als ein Opfer der Messalina (Cass. Dio LX 27, 4). Sie wurde in Rom im Mausoleum des Augustus beigesetzt (CIL VI 891).

Ihr Bildnis ist mit Sicherheit nur auf Münzen nachweisbar (Bernoulli Röm. Ikon. II 1 324ff.).

Literatur: Schiller Röm. Kaiserzeit I 338. Prosop. imp. Rom. II 444.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vgl. Theodor Mommsen, Die Familie des Germanicus, in: Hermes 13 (1878), S. 245–265.