Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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C. Asinius Pollio, Historiker, cos. 40 v. Chr.
Band II,2 (1896) S. 15891602
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25) C. Asinius Cn. f. Pollio.

1. Name.

CIL I² p. 50: C. Asinius Cn. f. Pollio; ebd. p. 60 = VI 1976: C. Asinio Cn. f. Pollion(e); ebd. p. 64: C. Asinius Cn. f.; ebd. p. 65: Asinius; ebd. p. 77: C. Asinius; VI 877: C. Asinius Cn. f.; X 5159: C. Asinio; S.-Ber. Akad. Berl. 1889, 966, 5: Γαιος Ασιν[ιος Γναιου] [υιος ... Πολλιω]ν (Urkunde aus dem Archive des Asklepiostempels zu Mytilene). Dass die Schreibung Pollio die richtige ist, geht auch aus anderen Inschriften der Gens Asinia hervor, CIL VI 1353:[1] C. Asin... Pollionis; VI 5019: Asini (Po)llonis; VI 9902: C. Asini Pollionis; VI 12523: C. Asinius Comiscus Pollionis; X 1682: Cn. Asinio Pollionis; XIV 2599. XIV 4090, 4–9. Vgl. auch Ritschl Prisc. lat. mon. tab. XCIV A D; Op. III 249. IV 771; Wölfflin Bell. afric. praef. X bevorzugt die Schreibung Polio.

2. Leben.

C. Asinius Pollio wurde geboren im J. 678 = 76 (Tac. dial. 34. Hieron. ad Euseb. chron. a. Abr. 2020). Seine Vorfahren waren Marruciner, und sein Grossvater besass wohl noch nicht einmal das römische Bürgerrecht, wenigstens wird er in der officiellen Aufzeichnung der Triumphalfasten vollständig ignoriert (CIL I² p. 50). Sein Vater dagegen lebte, wie es scheint als römischer Ritter (Vell. II 128), in Rom und liess seinem Sohne eine ganz besonders sorgfältige Erziehung [1590] geben. Ob dieser selbst es bis zum Patriciat gebracht hat, ist nicht zu erweisen; Büdinger Cicero u. d. Patriciat, Wien 1881, 29 hält es indessen für einigermassen wahrscheinlich. Bereits in seinem 22. Lebensjahre erregte der junge Asinius Pollio als Ankläger des C. Cato die öffentliche Aufmerksamkeit (Tac. a. a. O. Quint. inst. or. XII 6, 1; s. u.). Dieser hatte als Volkstribun im J. 698 = 56 im Dienste der Triumvirn die Comitien aufgehoben, weil Pompeius und Crassus bei einer späteren Versammlung eher zum Consulat zu gelangen hofften (Liv. per. CV. Dio XXXIX 27). Deswegen erhob Asinius Pollio gegen ihn im J. 700 = 54, nachdem das Amtsjahr der Consuln abgelaufen war, die Anklage, welche er mit Energie und Klugheit vertrat. Aber durch den Einfluss des Pompeius wurde Cato freigesprochen (Cic. ad Att. IV 15, 4. 16, 5f. Ascon. p. 16 K.-S. Sen. contr. VII 4, 7). Beim Ausbruch des Bürgerkrieges stellte sich Asinius Pollio, da er neutral nicht bleiben konnte, auf die Seite Caesars, teils aus persönlicher Freundschaft für diesen, teils weil er ihm die besten Aussichten auf Erfolg zuschrieb (Cic. ad fam. X 31, 2f.). Caesar nahm den feingebildeten und kunstsinnigen Mann sehr freundlich auf (ebd. X 31, 3) und behielt ihn gewöhnlich in seiner unmittelbaren Umgebung, so z. B. am Rubicon (Plut. Caes. 32), bei Pharsalus und Munda (s. u.). Nach der Einnahme Italiens vertrieb Asinius Pollio wahrscheinlich als Legat des Curio (Klein Verwaltungsbeamt. I 1, 135) den M. Cato aus Sicilien (App. b. c. II 40. Plut. Cato 53. Caes. b. c. I 30. Dio XLI 41) und folgte dann dem Curio nach Africa, von wo er nach dessen furchtbarer Niederlage durch den König Iuba die Trümmer des Heeres zur See zu retten suchte (App. b. c. II 45f. Eyssenhardt Jahrb. f. Philol. LXXXV 755ff.). Bei Pharsalus commandierte er als einer der Unterfeldherrn Caesars (App. b. c. II 82. Plut. Pomp. 72. Suet. Caes. 30). Im J. 707 = 47 unterdrückte er, wahrscheinlich als Volkstribun, die sociale Revolution seines Collegen Dolabella (Plut. Ant. 9). In den nächsten Jahren kämpfte er unter Caesar in Africa (Plut. Caes. 52) und in Spanien (Cic. ad Att. XII 38, 2. Suet. Caes. 55). Nach seiner Rückkehr im J. 709 = 45 wurde er mit 13 anderen von Caesar zum Praetor ernannt (Dio XLIII 47. Vell. II 73, 2. Wehrmann Fast. praet. 80. Hölzl Fast. praet. 90); allein sehr bald ging er im Auftrage des Dictators als Propraetor nach Spanien zurück, um dort den wieder ausgebrochenen Krieg mit S. Pompeius zu beendigen. Doch konnte er keine Erfolge erzielen (App. b. c. IV 84. Dio XLV 10. Vell. II 73, 2), und so wurde schliesslich der Krieg nach Caesars Tod auf Lepidus Vermittelung durch einen Vergleich beendigt: Sextus verliess Spanien und Asinius Pollio behielt die Provinz mit 3 Legionen (Cic. ad fam. X 32, 4). In den Wirren, welche der Ermordung Caesars folgten, hätte sich Asinius Pollio am liebsten wiederum neutral verhalten, die ewigen Kriege und Unruhen waren ihm im Grunde der Seele zuwider. Aber diesmal war es ihm noch weniger möglich als beim Ausbruch des Bürgerkrieges zwischen Caesar und Pompeius, da er jetzt über eine ansehnliche Truppenmacht verfügte und Statthalter einer bedeutenden Provinz war. So lange es anging, nahm [1591] er eine abwartende Stellung ein, um nach beiden Seiten hin freie Hand zu behalten (Cic. ad fam. X 31–33). Schliesslich aber sah er sich bei seiner völligen Abgeschlossenheit von Rom und der republicanischen Partei und bei der caesarianischen Gesinnung seiner von Antonius und Lepidus fortgesetzt bearbeiteten Truppen (Cic. a. a. O.) doch genötigt, Partei zu ergreifen. Als daher Octavian, durch die Senatspartei beleidigt, sich dem Antonius näherte und zugleich den Lepidus und Asinius Pollio zu gewinnen suchte (App. b. c. III 81), neigte er sich wieder dem Antonius zu. Indessen entschied er sich sicher nach dem 28. Juli 711 = 43 (Gardthausen Augustus u. s. Zeit I 1, 118), wahrscheinlich aber erst, nachdem Octavian als Consul (August 711 = 43) den Senat dazu gebracht hatte, dass die Beschlüsse gegen Antonius und Lepidus zurückgenommen wurden. Jetzt, nachdem der Erfolg nicht mehr zweifelhaft sein konnte und Antonius wieder restituiert war, nahm er keinen Anstand mehr, ihm seine Legionen zuzuführen (App. b. c. III 97. Vell. II 63, 3. Liv. per. CXX; vgl. dazu Gardthausen II 1, 43 N. 8. Büdinger Cicero u. d. Patriciat, Wien 1881, 25) und den Munatius Plancus zu demselben Schritt zu bewegen (App. a. a. O.). Es folgte nun die Schliessung des Triumvirats, wobei die Ämter der nächsten fünf Jahre unter die Führer verteilt wurden (App. b. c. IV 2). Asinius Pollio war unter den designierten Consuln; zunächst aber bekam er von Antonius die Verwaltung von Gallia Transpadana (Donat. vit. Verg. Serv. Ecl. II 1: Pollio ... eo tempore transpadanam Italiae partem tenebat. Macrob. sat. I 11, 22), sowie das Commando über sieben Legionen (Vell. II 76, 2). Er hatte in seiner Provinz die Landanweisungen zu leiten (Serv. a. a. O.: agris praeerat dividendis) und rettete dabei seinem Freunde Vergil dessen Landgut (Donat. a. a. O. Serv. Ecl. VI 6. IX 11).

Im perusinischen Kriege (713 = 41) suchte Asinius Pollio anfänglich neutral zu bleiben, da die Stellungnahme des Triumvir Antonius nicht bekannt war (App. b. c. V 33). Er gab daher den Legionen des Octavian, welche Salvidienus nach Spanien führen sollte, nach einigem Zögern die Alpenpässe frei (ebd. 20f.). Am Ende unterstützte er, besonders auf das Drängen der Fulvia, den L. Antonius von seiner Provinz aus (ebd. 31), war aber nicht im stande, Perusia zu entsetzen (ebd. 32ff.). Als die Stadt gefallen war, zog er sich mit seinen sieben Legionen nach Ravenna zurück und knüpfte von hier aus Verbindungen mit Cn. Domitius Ahenobarbus an (ebd. 50). Er behauptete lange Zeit das Venetische für Antonius und war eifrig thätig für dessen Sache (Vell. a. a. O.). Dann aber ward er doch zur Räumung seiner Provinz genötigt, und Octavian übertrug dieselbe dem Alfenus Varus (Serv. Ecl. VI 6. IX 10. 27). Asinius Pollio zog nun an der Meeresküste entlang dem Antonius entgegen, der von Griechenland erwartet wurde, und war in Gemeinschaft mit Domitius Ahenobarbus bemüht, demselben für den Kriegsfall Landungsplätze und Lebensmittel in Italien zu sichern (App. b. c. V 50. Vell. II 76, 2). Der erwartete Krieg kam aber nicht zum Ausbruch; vielmehr ward zu Brundisium ein Frieden geschlossen, bei dessen Zustandekommen Asinius Pollio [1592] als Bevollmächtigter des Antonius mitwirkte (App. b. c. V 64). Nachdem die versöhnten Triumvirn nach Rom zurückgekehrt waren, übernahm Asinius Pollio noch im Laufe des Jahres (714 = 40) das ihm schon früher zugesicherte Consulat zusammen mit Cn. Domitius Calvinus (CIL VI 1976[2] = I² p. 60: Cn. Domitio M. f. Calvino II C. Asinio Cn. f. Pollione cos. CIL I² p. 64f.; vgl. auch CIL X 5159.[3] Klein Fast. cons. 3). An den Consul Asinius Pollio richtete Vergil seine vierte Ecloge.

Im folgenden Jahre (715 = 39) bekriegte Asinius Pollio im Auftrage des Antonius, welcher mit seiner Gemahlin Octavia nach Athen gereist war und von dort im nächsten Jahre gegen die Parther aufzubrechen gedachte, die dalmatische Völkerschaft der Parthiner in der Gegend von Dyrrhachium, teils um den Truppen Übung und Beute in Europa zu verschaffen, teils weil dieses tapfere Bergvolk sich vor der Schlacht von Philippi ganz entschieden auf die Seite des Brutus gestellt hatte (App. b. c. V 75. Dio XLVIII 41). Die Verfolgung des Feindes führte das siegreiche Heer des Asinius Pollio bis nach Salonae, dessen Eroberung der Glanzpunkt des Krieges gewesen zu sein scheint, denn A. nannte einen Sohn, der ihm bald darauf geboren wurde, Saloninus (Borghesi Oeuvres III 346). Am 25. October 715 = 39 triumphierte Asinius Pollio über die Parthiner (CIL I² p. 50 Act. triumph. Cap. Schön Das capitol. Verzeichnis d. röm. Triumphe, Wien 1893, 60. 84: C. Asinius Cn. f. Pollio pro cos. an. DCCIIII ex Parthineis VIII K. Novem. CIL I² p. 77 tab. triumph. Barberin.: C. Asinius ex Parthinis a. d. VIII K. Nov. triumphavit palmam dedit. Hor. c. II 1, 16. Serv. Ecl. IV 1). Über den Feldzug vgl. Appian und Dio a. a. O. Flor. II 25. Serv. Ecl. III 88. IV 1. VIII 12. Hieron. z. J. 758 = 5 n. Chr. Schol. Bern. Verg. ecl. IV prooem. VIII 6. 13. Jahrb. f. Philol. Suppl. IV 775. 815. 816. Schol. Hor. II 1, 15. Zippel Röm. Herrschaft in Illyrien 223ff. Wahrscheinlich gehören hierher auch zwei griechische Münzen von Dyrrhachium, Catal. of the greek coins 1883, Thessaly to Aetolia, 76, 165: ΠΟΛΛΙΩΝΟΣ. 78, 184: ΓΑΙΟΥ ΔΥΡ. Die achte Ecloge sandte Vergil dem Asinius Pollio, während er auf dem Zuge gegen die Parthiner war (Verg. ecl. VIII 6f.).

In der Folgezeit zog sich Asinius Pollio ganz von den politischen Kämpfen zurück. Mit Antonius verfeindet (Charis. GL I 80, 2: Asinius contra maledicta Antonii), hatte er doch zu viel Selbstachtung, um sich dem weit jüngeren Octavian anzuschliessen (Vell. II 86, 3) und unterzuordnen, nahm vielmehr bis an sein Ende eine zurückhaltende Stellung ihm gegenüber ein. Er starb in hohem Alter (Val. Max. VIII 13 ext. 4), im 80. Lebensjahre im J. 758 = 5 n. Chr., auf seiner tusculanischen Villa. Vgl. Hieron. ad Euseb. chron. a. Abr. 2020 (758 = 5 n. Chr.) und dazu Nipperdey Opusc. 288. Bestätigt wird diese Angabe über das Todesjahr des Asinius Pollio durch Sen. contr. IV praef. 5, wonach derselbe im J. 757 = 4 n. Chr. noch lebte, und Tac. dial. 17: paene ad extremum Augusti principatum duravit.

3. Litterarische Bedeutung.

Wie der [1593] frühere Teil von Pollios Leben vorzugsweise der kriegerischen und politischen Thätigkeit, so war der spätere fast ausschliesslich der Litteratur, Kunst und Wissenschaft gewidmet. Und da er auch in jenem ersten Teile seines Lebens, seiner eigenen Versicherung nach (Cic. ad fam. X 31, 2. 5) für den Frieden organisiert war, so hatte er damit nur sich selbst gefunden, und er hat nie wieder einen Versuch gemacht, auf das verlassene Feld zurückzukehren, zumal da ihm sein Selbstgefühl verbot, etwas aus Octavians Hand anzunehmen. Die Gebiete, auf denen er sich nun bewegte, waren neben der Poesie besonders die Beredsamkeit und die Geschichtschreibung (Hor. c. II 1).

a) Asinius Pollio als Redner.

Als Redner war Asinius Pollio unter den Epigonen der ciceronischen Zeit neben M. Valerius Messalla Corvinus der bedeutendste (Vell. II 36, 2. Columell. r. r. I praef. 30. Plin. n. h. VII 115. Tac. dial. 12. 17. Sen. dial. IX 17, 7. Quint. inst. or. XII 11, 28). Die Alten sahen ihn überhaupt in erster Linie als Redner an (Plin. a. a. O. Suet. p. 82 Reiff. Florus II 25). Auf die Sitte seiner Zeit ging er auch darin ein, dass er die Declamierübungen der Rhetoren, wenn auch nicht öffentlich, mitmachte (Sen. contr. IV praef. 2: Pollio Asinius nunquam admissa multitudine declamavit), und zwar in der üblichen blumenreichen und sentenziösen Weise, welche mit seinem sonstigen schriftstellerischen Charakter durchaus nicht harmonierte (Sen. a. a. O. 3: floridior erat aliquanto in declamando quam in agendo). Aus seinen Übungsreden hat uns der Rhetor Seneca zahlreiche Bruchstücke erhalten, z. B. contr. I 6. IV 2. 5 extr. 6. VII 1. 6.

Der Stil seiner Reden, wie seiner Historiae war durchaus archaisch nach dem Muster des Thukydides und stach gegen die ciceronische Eleganz nach dem Urteil Quintilians so sehr ab, dass man hätte meinen können, er hätte ein Jahrhundert früher gelebt (Quint. inst. or. X 1, 113: a nitore et iucunditate Ciceronis ita longe abest, ut videri possit saeculo prior). Accius und Pacuvius schienen in der Tragödie wie in der Rede seine Lehrmeister gewesen zu sein (Tac. dial. 21), und mit Vorliebe citierte er altlateinische Dichter (Quint. inst. or. I 8, 11). Der Inhalt stand ihm jederzeit höher als die Form (Porph. Hor. a. p. 311: male hercule eveniat verbis, nisi rem sequuntur), und kühne Wortbildungen waren bei ihm nichts Seltenes (Quint. inst. or. VIII 3, 32). Bezüglich der Composition schreibt Quintilian (inst. or. X 1, 113) ihm zu multa inventio, summa diligentia (vgl. ebd. X 2, 25. XII 10, 11), adeo ut quibusdam etiam nimia videatur, et consilii et animi satis, und in Übereinstimmung damit rühmt Vipstanus Messalla bei Tac. dial. 25 den rhythmischen Wohlklang seiner Rede (vgl. auch Quint. inst. or. IX 4, 76). Vergleicht man aber die Urteile der Alten über den Stil des Asinius Pollio mit den erhaltenen drei Briefen und der Stelle über Cicero, so wird man zugeben müssen, dass derselbe, abgesehen von der archaistischen Diction nicht frei von Unebenheiten und Härten war, Eigenschaften, die in dem Charakter des Schriftstellers ihre Erklärung finden (Tac. dial. 21: durus et siccus. Sen. ep. 100, 7: Pollionis [1594] Asinii salebrosa et exsiliens et ubi minime exspectes relictura sc. compositio. Denique omnia apud Ciceronem desinunt, apud Pollionem cadunt exceptis paucissimis, quae ad certum modum et ad unum exemplar adstricta sunt. Sen. contr. IV praef. 3: strictum et asperum et nimis iratum iudicium. Quint. inst. or. X 1, 113 u. ö.). Von den Atticisten wird er ausdrücklich bei Quint. inst. or. X 2, 17 unterschieden, wiewohl er ihnen nach ebd. XII 1, 22 nahe gestanden haben muss. Bei den Nachfolgern des Asinius Pollio verblasste dieser Ton der Composition zur Nüchternheit und Farblosigkeit (Quint. inst. or. X 2, 17: tristes ac ieiuni Pollionem aemulantur). Vgl. Blass Die griech. Beredsamkeit v. Alex. bis auf Aug. 141ff. Gardthausen Aug. u. s. Zeit I 1, 111.

Von den Reden des Asinius Pollio kennen wir folgende:

1) In C. Catonem, die einzige Anklagerede, gehalten am 5. Juli 700 = 54, ohne Erfolg (s. o.). Vgl. Ascon. p. 16, wo es jedoch mit den apogr. Pogg. heissen muss a. d. III Nonas Quint. Cic. ad Att. IV 15, 4 vom 27. Juli 700 = 54. Sen. contr. VII 4, 7. –
2) Pro Lamia, wahrscheinlich L. Aelius Lamia, der im J. 710 = 44 sich um die Praetur bewarb (Cic. ad fam. XI 16, 17; vgl. Bd. I S. 522 Nr. 75), vor den Triumvirn bald nach Ciceros Tod gehalten (Sen. suas. VI 14f.). –
3) Pro Nonio Asprenate aus dem J. 745 = 9 (Dio LV 4, 3) gegen des Cassius Severus Anklage auf Giftmord (Suet. Aug. 56. Plin. n. h. XXXV 164. Quint. inst. or. X 1, 22. XI 1, 57). –
4) Pro Moscho Apollodoreo rhetore, wahrscheinlich aus dem J. 734 = 20 (Hor. ep. I 5 mit der Einl. v. Kiessling), ebenfalls wegen Giftmord, aber ohne Erfolg (Schol. Hor. ep. I 5, 9. Sen. contr. II 5, 13: post Moschum Apollodoreum, qui reus veneficii fuit et a Pollione Asinio defensus damnatus Massiliae docuit). –
5) Pro Urbiniae heredibus, vor den Centumvirn gegen Labienus gehalten; vgl. Tac. dial. 38. Quint. inst. or. IV 1, 11. VII 2, 5. 26. IX 3, 13. VIII 3, 32 und dazu Harder Jahrb. f. Philol. CXXXVII 370, 3. Ein Bruchstück dieser Rede ist bei Charisius erhalten GL I 77, 16: clipeus praetextae imaginis positus. –
6) Pro Liburnia, daraus einige Anführungen bei Quint. inst. or. IX 2. 9. 34. 35. –
7) Pro Scauro, Quint. inst. or. VI 1, 21. IX 2, 24. Gramm. Lat. V 592, 4 und dazu Harder a. a. O., vgl. oben Bd. I S. 590 Nr. 142. –
8) In Plancum, nach dessen Tode herausgegeben, Plin. n. h. praef. 31. Von sonstigen Reden finden sich nur vereinzelte Spuren: Suet. Aug. 43. Quint. inst. or. IX 2, 9. 4, 132. X 1. 24. Charis. GL I 80, 2 contra maledicta Antonii, volitantque urbe tota catilli.

b) Asinius Pollio als Historiker.

Nach der Schlacht bei Actium (s. u.) ging Asinius Pollio daran, eine Geschichte der Bürgerkriege zu schreiben, welche mit dem ersten Triumvirat 694 = 60 einsetzte (Hor. c. II 1, 1: motum ex Metello consule civicum), die Schlachten bei Pharsalus (Suet. Caes. 30) und Thapsus, Catos Tod (Hor. a. a. O. 24ff.), den spanischen Krieg (Suet. Caes. 55), Ciceros Ende (Sen. suas. VI 24) enthielt und sicherlich bis zur Schlacht bei Philippi hinabreichte (Tac. ann. IV 34: Asinii Pollionis scripta egregiam eorundem, sc. Cassii et Bruti, memoriam [1595] tradunt). Aus der Zeit der Kämpfe zwischen Octavian und Antonius fehlen Anführungen; indessen wäre es gewagt, daraus den Schluss zu ziehen, Asinius Pollio habe diese Zeit nicht mehr behandelt, vielmehr sucht Kornemann Die hist. Schriftstellerei des C. Asinius Pollio, Jahrb. f. Philol. Suppl. XXII, durch eine Vergleichung der auf Pollio zurückgehenden Darstellungen des Plutarch und Appian wahrscheinlich zu machen, dass derselbe seine Geschichte bis zur Schlacht bei Actium geführt hat. Der Titel der Schrift war wohl einfach historiae, d. h. Zeitgeschichte (Sen. suas. VI 15: Pollio in historiis suis. VI 25: in historiis suis und ne historias eius legere concupiscatis. Val. Max. VIII 13 ext. 4 Asinius etiam Pollio, non minima pars Romani stili, in tertio historiarum libro). Die beiden Artikel des Suidas über Ἀσίνιος Πωλίων Ῥωμαῖος (I 1, 786 Bernh.) und über Πωλίων ὁ Ἀσίνιος χρηματίσας Τραλλιανός (II 2, 387 Bernh.) sind voll Irrtümer. Darnach hätte der Consular Asinius Pollio die erste griechische Geschichte in lateinischer Sprache geschrieben (πρῶτος Ἑλληνικὴν ἱστορίαν Ῥωμαϊκῶς συνεγράψατο), was offenbar unrichtig ist und auf einer Verwechselung, vielleicht mit Pompeius Trogus (A. v. Gutschmid Rh. Mus. XXXVI 316), beruht; ferner heisst es ebd. von demselben: ἱστορίας Ῥωμαϊκὰς συνέταξεν ἐν βιβλίοις ιζ', woran zu zweifeln kein Grund vorliegt (Flach Rh. Mus. XXXVI 317 gegen H. Peter Jahrb. f. Philol. CXIX 421f.). Wenn aber Suidas an der zweiten Stelle von Pollio aus Tralles berichtet, er habe ein Werk verfasst περὶ τοῦ ἐμφυλίου τῆς Ῥώμης πολέμου ὃν ἐπολέμησαν Καῖσάρ τε καὶ Πομπήιος, so muss man entweder annehmen, dass diese Schrift mit der römischen Geschichte des Asinius Pollio identisch ist und Suidas sie fälschlich dem Pollio von Tralles beigelegt hat (Teuffel-Schwabe R. L.-G. I⁵ 476; s. auch oben Nr. 23), oder dass das Geschichtswerk des Asinius Pollio in einer griechischen Bearbeitung etwa unter dem Titel Ἀσινίου Πωλίωνος (βιβλίον) περὶ τοῦ ἐμφυλίου τῆς Ῥώμης πολέμου ὃν ἐπολέμησαν Καῖσάρ τε καὶ Πομπήιος epitomiert gewesen ist und Suidas bezw. seine Quelle wegen der Namensgleichheit diese dem Rhetor Πωλίων irrtümlich zugewiesen hat (Thouret Leipz. Stud. I 345f. Flach a. a. O.; noch anders urteilt H. Peter a. a. O.). Das Geschichtswerk des Asinius Pollio umfasste nach Suidas (s. o.) 17 Bücher, ob aber für jedes Jahr ein Buch bestimmt war (Flach a. a. O.), kann nicht als sicher gelten. Valerius Maximus VIII 13 ext. 4 citiert das dritte Buch (s. o.). Für die Bestimmung der Abfassungszeit kommen in Betracht Suet. gramm. 10. Prisc. GL II 386, 9 und Hor. c. II 1, 9f. Die Stelle bei Sueton weist uns in die Zeit nach dem Tode Sallusts, d. h. nach 720 = 34, die bei Priscian, auf Agrippa bezogen, ebenfalls nach 720 = 34 (vgl. Wölfflin S.-Ber. Akad. Münch. 1889, 323f.); Horaz dagegen führt uns bis in die Zeit unmittelbar nach der Schlacht bei Actium. Denn als derselbe um diese Zeit die erste Ode des zweiten Buches schrieb, hatte Asinius Pollio soeben das Gebiet der Tragödie verlassen und sich zur Geschichtschreibung gewendet; es war nur natürlich, dass er den Plan zu einer so umfangreichen Geschichte der Bürgerkriege erst nach der Katastrophe fasste und fassen konnte. [1596] Bevor er aber an die Niederschrift ging, liess er sich von seinem vertrauten Freunde L. Ateius Philologus praecepta de ratione scribendi geben, in welchen dieser ihm riet, ut noto civilique et proprio sermone utatur vitetque maxime obscuritatem Sallustii et audaciam in translationibus (Suet. gramm. 10). Die Bruchstücke sind zusammengestellt bei Peter Hist. frg. 262ff., das einzige grössere ist das Urteil über Cicero, Sen. suas. VI 24. Dass die Historien des Pollio lateinisch abgefasst waren, bedarf keines Beweises; die Stelle Plut. Caes. 46 ταῦτά φησι Πολλίων Ἀσίνιος τὰ ῥήματα ρωμαϊστὶ μὲν ἀναφθέγξασθαι τὸν Καίσαρα παρὰ τὸν τότε καιρόν, ἑλληνιστὶ δ' ὑπ' αὐτοῦ γεγράφθαι darf dagegen nicht angeführt werden, denn sie giebt überhaupt nur dann einen Sinn, wenn ῥωμαϊστί und ἑλληνιστί mit einander vertauscht werden.

Benutzt wurde Asinius Pollio von Plinius im siebenten Buche seiner Naturgeschichte (Plin. n. h. I Quell.-Verz. z. B. 7), ausserdem sicher von Livius und Sueton, vielleicht auch noch von Dio Cassius; bei Appian und Plutarch liegt er zu Grunde. Vgl. darüber Wijnne De fide et auctoritate Appiani in bell. civ., Gron. 1855. Eyssenhardt Jahrb. f. Philol. LXXXV 755ff. Peter Die Quellen Plutarchs in den Biographien der Römer, Halle 1865, 124ff. und Jahrb. f. Philol. CXIX 420. Bailleu Quomodo Appianus in bell. civ. lib. Il–V usus sit Asinii Pollionis historiis, Gött. 1874. Thouret Leipz. Studien I 324ff. Wichmann De Plutarchi in vitis Bruti et Antonii fontibus, Bonn 1874, lOff. 31f. 45f. 50ff. Mommsen Sybels Hist. Ztschr. XXXVIII 7. Büdinger Cicero u. d. Patriciat 8–28. Melber Jahrb. f. Philol. Suppl. XIV 681f. Ranke Weltgesch. III 2, 226ff. Wölfflin und Miodonski C. Asin. Pol. de bell. Afr. comm. app. 146ff. Schwartz oben S. 226ff. Kornemann a. a. O. Nach Bailleu ist App. bell. civ. II–V weiter nichts als ein Auszug aus Asinius Pollio. Thouret stellte den Satz auf, dass Plutarch das Geschichtswerk des Asinius Pollio selbst überhaupt nicht gekannt hat, und dass Appian dasselbe zwar gekannt, aber, wenigstens in den ersten Büchern, ebenso wie Plutarch in einem griechischen Auszuge benutzt hat. Peter Jahrb. f. Philol. CXIX 420 bezeichnet diese Hypothese als ,einen sehr kühnen Sprung, der misslingen musste‘, während Flach Rh. Mus. XXXVI 317 sich an Thouret anschliesst. Neuerdings hat Landgraf, gestützt auf die sprachlichen Forschungen von Fröhlich (Das bellum Africanum sprachlich und historisch behandelt, Brugg 1872; Realistisches und Stilistisches zu Caesar und seinen Fortsetzern, Festschr. des phil. Kränzchens in Zürich 1887, 42ff.), Köhler (De auct. bell. Afr. et bell. Hisp. latin., Act. sem. Erlang. I 367ff.) und Schmalz (über den Sprachgebrauch des Asinius Pollio, Festschr. d. 36. Phil.-Vers. Karlsruhe 1882, 76–101; 2. Aufl. München 1890) in seinen Untersuchungen zu Caesar und seinen Fortsetzern, Erlang. 1888, den Satz aufgestellt, ,dass wir in C. Asinius Pollio den Verfasser des Tagebuchs über das Bellum Africanum und den Redacteur des caesarianisch-hirtianischen Nachlasses zu erblicken haben‘. Den Beweis dafür glaubt er in der Sprache des Bellum Africanum und der nach seiner Meinung pollionischen [1597] Bestandteile des Bellum civile gefunden zu haben, welche mit der Sprache der drei erhaltenen Briefe, sowie der Fragmente des Asinius Pollio übereinstimme und den Urteilen der Alten über die archaisch-poetische Diction und die holperige Composition desselben entspreche. Die Frage nach dem Verfasser des Bellum africum ist heute noch nicht abgeschlossen; jedenfalls ist es Landgrafs Verdienst, dass er durch seine gelehrte Untersuchung den Versuch gemacht hat, von einem ganz neuen Standpunkt aus Licht in das Dunkel der Überlieferung zu tragen. Als gesichert können seine Ergebnisse bei dem Fehlen jeder antiken Tradition und den nicht wegzuleugnenden groben Mängeln der Composition nicht angesehen werden. Es führt zwar alles in die Kreise der litterarischen Opposition gegen Cicero und in die militärische Umgebung Caesars, die an dem Feldzuge persönlich teilnahm; aber die Autorschaft gerade des Asinius Pollio ist bei der Dürftigkeit des zum Vergleich stehenden Schriftmaterials nicht zu erweisen, um so mehr als Asinius Pollio in seiner Geschichte der Bürgerkriege sich dann selbst wiederholt haben müsste. Vgl. dazu Wölfflin Arch. f. lat. Lex. VI 85ff.; S.-Ber. Akad. Münch. 1889, 319ff.; C. Asini Polionis de bello Africo commentarius rec. Wölfflin et Miodonski 1889. Schiller Arch. f. lat. Lex. V 593ff. Schneider Berl. phil. Wochenschrift 1889, 51ff. Menge N. phil. Rundsch. 1889, 147ff. Köhler Bl. f. d. b. G.-W. XXV 516. Dittenberger DLZ XI 381ff. Litt. Centr.-Bl. 1890, 250. Fleischer Wochenschr. f. cl. Phil. VIII 290. 320. Polaschek Ztschr. f. d. ö. G. XLII 207ff. Heller Burs. Jahresber. 1891, 2, 47ff. Kornemann a. a. O. wendet sich mit grosser Entschiedenheit gegen die Landgrafsche Hypothese, welche er als unbewiesen vom Standpunkte des Sprachforschers, als gänzlich unhaltbar vom Standpunkte des Historikers aus verwirft.

c) Asinius Pollio als Dichter.

Als Dichter hatte Asinius Pollio in seiner Jugend Beziehungen zu Catull (Cat. XII 6ff.) und Helvius Cinna, welcher ein Propempticon Pollionis für dessen Reise nach Griechenland im J. 698 = 56 verfasste (Kiessling Comment. Momms. 352f.), und später zu Horaz. Auch in eigener Poesie hat er sich versucht (Verg. ecl. III 86: Polio et ipse facit nova carmina), und zwar schrieb er Tragödien (Verg. ecl. VIII 10: Sola Sophocleo tua carmina digna cothurno und Servius z. d. St. Hor. s. I 10, 42: Pollio regum Facta canit pede ter percusso und c. II 1, 9ff.: Paulum severae Musa tragoediae Desit theatris: mox ubi publicas Res ordinaris, grande munus Cecropio repetes cothurno mit deutlicher Anspielung auf Verg. ecl. VIII 10). Die dichterisch-dramatische Thätigkeit des Asinius Pollio umfasst also die Jugendzeit desselben und war abgeschlossen, als Horaz die erste Ode des zweiten Buches schrieb, d. h. kurz nach der Schlacht bei Actium (Franke Fast. Hor. 172f., vgl. auch Weichert De L. Varii et Cassii Parmensis vita et carminibus 154). Ob Pollios Tragödien aufgeführt worden sind, lässt sich mit Sicherheit nicht entscheiden; Kiessling zu Hor. c. II 1, 10, Welcker Griech. Trag. 1422f., Teuffel-Schwabe Röm. L.-G. I⁵ 474, 2 Przygode De ecl. Verg. temp. 9ff. behaupten, [1598] Weichert a. a. O. leugnet die Aufführung. Dass er sie aber herausgegeben hat, erhellt aus Tac. dial. 21: Asinius quoque, quamquam propioribus temporibus natus sit, videtur mihi inter Menenios et Appios studuisse. Pacuvium certe et Accium non solum tragoediis, sed etiam orationibus suis expressit; adeo durus et siccus est. Die Stoffe derselben sind nicht bekannt; der Stil galt den Rhetoren der taciteischen Zeit als altertümlich, hart und trocken (Tac. a. a. O.). Nach der Beschäftigung mit der Historiographie scheint Asinius Pollio nicht mehr zur Tragödie zurückgekehrt zu sein (Welcker Trag. 1426). Die Angabe bei Servius Ecl. VIII 10, dass er utriusque linguae tragoediarum scriptor gewesen sei, beruht wohl auf einer missverständlichen Auffassung der Worte Vergils. Nach Plin. ep. V 3, 4f. schrieb Asinius Pollio non seria modo verum etiam lusus d. h. wahrscheinlich erotische Epigramme (vgl. ebd. VII 4, 4 und Catull. XII 9f.). Von der gesamten dichterischen Thätigkeit des Asinius Pollio hat sich indessen nur ein einziges Bruchstück bei Charis. GL I 100, 24 erhalten: Veneris antistita Cuprus, nach Harder Jahrb. f. Philol. CXXXVII 372 der Rest eines mutmasslich galliambischen Verses, nach Wölfflin S.-Ber. Akad. Münch. 1889, 325 ein Fragment aus dem Anfang der Historien; vgl. Baehrens Frg. poet. Rom. 337.

d) Asinius Pollio als Kritiker.

Mehr noch als durch seine active Beteiligung an der litterarischen Production gewann Asinius Pollio als Kritiker und Beschützer aufstrebender Talente Einfluss, so dass ihn Horaz mit Recht zu den berufenen Richtern seiner Poesie zählte (sat. I 10, 85). Seine Urteile zeichnen sich durch treffende Beobachtung und Schärfe aus. Erhalten sind uns im ganzen vier Proben seiner kritischen Thätigkeit: über Sallust, Caesar, Cicero und Livius. Ersterem warf er sein Streben nach altertümlichen Ausdrücken (Suet. gramm. 10: Asinius Pollio in libro, quo Sallustii scripta reprehendit ut nimia priscorum verborum affectatione oblita) und seine Kühnheit in neuen Wortbildungen vor (Gell. X 26, 1: Asinio Pollioni in quadam epistula, quam ad Plancum scripsit ... dignum nota visum est, quod sc. Sallustius in primo historiarum maris transitum ... ,transgressum‘ appellavit; ob dieser Brief an Plancus mit der oben erwähnten Schrift gegen Sallust identisch ist, steht nicht ganz fest, vgl. Teuffel-Schwabe a. a. O.; Thorbecke 131 und noch bestimmter Aulard 74 nehmen zwei besondere Schriften an). An Caesars Commentarien vermisste Asinius Pollio, vermutlich in seinen Historiae, Sorgfalt und sachliche Treue (Suet. Caes. 56: Pollio Asinius parum diligenter parumque integra veritate compositos putat, eum Caesar pleraque et quae per alios erant gesta temere crediderit et quae per se vel consulto vel etiam memoria lapsus perperam ediderit; existimatque rescripturum et correcturum fuisse). Das Urteil über Ciceros Beredsamkeit scheint nicht frei von Neid gewesen zu sein (Quint. XII 1, 22. Sen. suas. VI 14. 27; vgl. auch Plin. epist. VII 4. Suet. Claud. 41 und dazu Aulard 77ff.), doch erkannte Asinius Pollio die litterarische Bedeutung und geistige Grösse Ciceros an und verdammte sowohl in der Rede [1599] für Lamia wie in den Historiae (Sen. suas. VI 15. 24) ausschliesslich die Charakterschwäche des Redners. An der Sprache des Livius tadelte er, vermutlich ebenfalls in den Historiae, nach H. Peter Jahrb. f. Philol. CXIX 422 in einer besonderen Schrift, die Patavinitas (Quint. I 5, 56: Pollio in Licio reprehendit Patavinitatem; ebd. VIII 1, 3: in Tito Livio, mirae facundiae viro, putat inesse Pollio Asinius quamdam Patavinitatem); indessen ist es für uns unmöglich nachzuweisen, worauf dieses Urteil sich stützte (Livius erkl. v. Weissenborn Einl. 72f. Riemann Études sur la langue et la grammaire de Tite-Live, Paris 1885, 13ff.) und ob es vielleicht durch eine missfällige Äusserung des Livius über die archaisierende Richtung gewisser Redner hervorgerufen war (Sen. contr. IX 26).

Über die scharfe Kritik des Asinius Pollio im allgemeinen s. Sen. contr. 4 praef. 3: illud strictum eius et asperum et nimis iratum ingenio suo (so Kiessling: incendio suo die Hss., in censendo O. Jahn) iudicium adeo cessabat (in den Declamationen des Asinius Pollio), ut in multis illi venia opus esset, quae ab ipso vix impetrabatur und Plin. n. h. XXXVI 33: Pollio Asinius ... fuit acris vehementiae. Die Urteile über die zeitgenössischen Rhetoren sind zusammengestellt in den Ausgaben des Seneca rhetor von Kiessling und Müller.

e) Sonstige Verdienste des Asinius Pollio um Wissenschaft und Kunst.

Auch mit der Philosophie scheint Asinius Pollio sich beschäftigt zu haben (Sen. ep. 100, 9. FHG IV 310 a. b und dazu Aulard 72). Desgleichen mit grammatischen Studien (Quint. inst. or. IX 3, 13. Charis. GL I 134, 3. 84, 11. Prisc. GL II 513, 7: nanciscor etiam nactum facit absque n, ut Probro et Capro et Pollioni et Plinio placet. GL V 574, 6. Quint. inst. or. I 6, 42 und dazu Harder Jahrb. f. Philol. CXXXVII 369ff.). Ob er aber selbständige grammatische Schriften verfasste (Haupt Op. II 67ff.) oder nur gelegentlich etwa in seinen Reden grammatische Kritik übte (Bergk Op. II 751, 94. Steup De Prob. gramm. 70) ist mit Sicherheit nicht zu entscheiden. Thorbecke 79f. 123f. bezieht wohl mit Unrecht die meisten Citate auf einen Grammatiker desselben Namens; Peter Jahrb. f. Philol. CXIX 422 nimmt nach Charis. GL I 97, 11 (Asinius in Valerium) eine besondere Schrift gegen den Dichter Catull an; vgl. dagegen Thorbecke 124. Meyer Or. rom. frg. 499. Das Citat bei Charis. GL I 134, 3: Asinius Pollio ad Caesarem I scheint auf einen Brief zu deuten, der Vergilcommentator bei Serv. Aen. II 7. XI 183. VI 554 ist zweifellos mit unserem Asinius Pollio nicht identisch (Peter a. a. O. 423). Zu den zeitgenössischen Grammatikern stand Asinius Pollio in nahen Beziehungen. So richtete L. Ateius Philologus praecepta de ratione scribendi (Suet. gramm. 10), Aristius Fuscus eine grammatische Schrift unbekannten Inhalts an ihn (GL VII 35 mit der Verbesserung von M. Haupt in Ovid. hal., Grat, et Nemes, cyneg. 40; Wölfflin S.-Ber. Akad. Münch. 1889, 336 nennt ihn Aufustius). Von Dichtern beschützte er, aus Anlass seiner Stellung in Oberitalien, den jungen Vergil, der ihm dafür in den Eclogen ein Denkmal setzte (s. ecl. III. IV. VIII [1600] und die Commentare dazu); später, als Asinius Pollio eine oppositionelle Stellung inne hatte, scheint der schüchterne Dichter das Verhältnis nicht in gleicher Wärme forterhalten zu haben, wogegen der selbständige Horaz ihm unbedenklich in c. II 1 den Zoll seiner Hochachtung darbrachte. Auch der etwas jüngere Cornelius Gallus war mit Asinius Pollio eng befreundet (Cic. ad fam. X 32, 5). Über die Beziehungen zu Catull und Helvius Cinna s. o. S. 1597.

Hatte sich Asinius Pollio nach seinem dalmatischen Triumph gänzlich von dem politischen Leben zurückgezogen, so schuf er sich einen gewissen Ersatz für die verkümmerte öffentliche Wirksamkeit durch Einführung der Recitationen, welche in der Kaiserzeit so grosse Bedeutung für die Litteratur gewannen und den Werken des Autors den Zugang zum Publicum anbahnten (Sen. contr. IV praef. 2: Pollio Asinius numquam admissa multitudine declamavit, nec illi ambitio in studiis defuit; primus enim omnium Romanorum advocatis hominibus scripta sua recitavit, vgl. Thorbecke 104ff. Teuffel-Schwabe Röm. Litt.-Gesch. I⁵ 464). Aber auch für die allgemeine Verbreitung der Bildung sorgte Asinius Pollio, indem er in Ausführung eines bereits von Caesar gefassten Gedankens (Suet. Caes. 44) im Atrium der Libertas auf dem Aventin die erste öffentliche Bibliothek aus den Erträgnissen der dalmatischen Kriegsbeute gründete, mit den litterarischen Schätzen der Griechen und Römer ausstattete und mit den Bildnissen berühmter Schriftsteller schmückte (Plin. n. h. XXXV 10: Asini Polionis hoc Romae inventum, qui primus bibliothecam dicando ingenia hominum rem publicam fecit. Isidor. orig. VI 5: primum autem Romae bibliothecas publicavit Pollio, Graecas simul atque Latinas, additis autorum imaginibus in atrio, quod de manubiis magnificentissimum exstruxerat. Ovid. trist. III 1, 71f. Suet. Aug. 29; vgl. Thorbecke 35–42. Birt Antik. Buchwesen 363. Jordan Röm. Topographie I 2, 460f.; von lebenden Schriftstellern wurde nur Varro die Ehre der Aufstellung zu teil: Plin. n. h. VII 115), und indem er sich eine reichhaltige Kunstsammlung anlegte, welche für jedermann geöffnet war und welche ausser anderen Schätzen auch die berühmte Gruppe des farnesischen Stieres enthielt (Plin. n. h. XXXVI 23 und 24: in Pollionis Asini monumentis. 33f.: spectari monumenta sua voluit, in his sunt ... Zethus et Amphion ac Dirce et taurus vinculumque ex eodem lapide, a Rhodo advecta opera Apolloni et Taurisci).

4. Charakter.

Asinius Pollio war Republicaner aus Überzeugung. Wir dürfen seiner Versicherung unbedingt Glauben schenken, dass er unter Caesar, trotz der zwischen ihnen bestehenden Freundschaft, sich nicht ganz wohl fühlte und dass er nach dessen Tode sehr gern der republicaniscben Partei sich angeschlossen hätte, falls diese mehr Energie und infolgedessen mehr Erfolg gezeigt hätte (Cic. ad fam. X 31, 3). Den Ausbruch des Bürgerkrieges beklagte er aufrichtig (ebd. 2), und solange er irgend konnte, suchte er persönlich den Wirren fern zu bleiben. Er sehnte sich nach dem Frieden, und als er die Unfähigkeit der republicanischen Partei [1601] erkannt hatte, fügte er sich als kluger Mann in das Unabänderliche, doch nicht ohne seine persönliche Selbständigkeit auch dem späteren Kaiser gegenüber zu wahren und gelegentlich zu bethätigen. Er nahm gegen Augustus die Stellung eines älteren Freundes ein, der den Kaiser noch in seinen Anfängen als Privatmann gekannt hat, und opponierte ihm teils öffentlich im Senat (Suet. Aug. 43; über seine Teilnahme an den Senatsverhandlungen s. CIL VI 877.[4] S.-Ber. Akad. Berl. 1889, 966, 5), teils auch im Privatleben. So war es bezeichnend, dass Asinius Pollio mit dem ihm selber missliebigen Timagenes in dem Augenblicke sich aussöhnte, wo derselbe bei Augustus in Ungnade gefallen war (Sen. de ir. III 23, 5ff.). Indessen war bei ihm der Mut und die Leidenschaftlichkeit (Plin. n. h. XXXVI 33: fuit acris vehementiae) doch sehr durch kluge Vorsicht gemildert, so dass er z. B. dem Cicero bei dessen Lebzeiten den Hof machte (Cic. ad fam. X 31, 6) und erst nach dessen Tode seiner Erbitterung Luft machte (Sen. suas. VI 14f. 24. 27. Quint. inst. or. XII 1, 22) und auch seinen Angriff auf Munatius Plancus auf dessen Tod verschob (Plin. n. h. praef. 31). Ebenso hielt er dem Kaiser gegenüber seine ferocia (Tac. ann. I 12) und contumacia (Sen. contr. IV praef. 4) taktvoll in solchen Schranken, dass einerseits der Herrscher ihm nichts anhaben konnte (ebd. praef. 5. Vell. II 86, 3), andererseits sein eigener Ruf unabhängiger Gesinnung dabei keinen Schaden litt (Tac. ann. XI 6: ad summa provectus incorrupta vita et facundia). Freilich lag es zugleich in des Kaisers eigenem Interesse, einem hochgeachteten Manne aus der Zeit der Republik einen gewissen Spielraum zu lassen und ihn dadurch zu einem Denkmal der Milde seiner Regierung zu machen. Aber Asinius Pollio erleichterte ihm dies dadurch, dass er von der Politik sich grundsätzlich fern hielt und nur auf dem Gebiete der Litteratur seine Zunge walten liess. Die unabhängige Wahrheitsliebe, welche wir überall an ihm finden, ,gab nicht nur seinen Schriften einen eigenen Reiz, sondern ehrt zugleich den Menschen, der sich einer einmal geschlossenen Freundschaft nicht schämt und sich selbst einer gefallenen Grösse gegenüber offen dazu bekennt. Offen rühmte er sich in einer Zeit, da die Sache des Senats zu siegen schien, der Freundschaft, die ihn mit Iulius Caesar verbunden hatte (Cic. ad fam. X 31, 3). Selbst das Andenken seiner Mörder, des Brutus und Cassius, deren Namen andere später kaum zu nennen wagten, war ihm heilig, nachdem sie ihren Frevel mit dem Tode gebüsst hatten (Tac. ann. IV 34). Auch dem Antonius, dem er sich ungern angeschlossen, von dem er schriftlich angegriffen war, bewahrte er die Treue, indem er die Zumutung des Caesar vor der Schlacht bei Actium zurückwies, gegen seinen früheren Feldherrn zu kämpfen‘ (Gardthausen Aug. u. s. Zeit I 1, 111f.). Asinius Pollio war gefürchtet wegen seiner Einfälle und seines beissenden Witzes, aber auch hier gab es gewisse Grenzen, die er niemals überschritt; die Neigung zu scharfer Kritik scheint ihm angeboren zu sein, sie tritt wenigstens in Bezug auf Balbus schon im J. 711 = 43 sehr entschieden zu Tage (Cic. ad fam. X 32, 1–3), wie er auch schon damals viel über Feinde [1602] zu klagen hat (ebd. 33, 2); und aus der zweiten Hälfte seines Lebens sind die Belege dafür zahlreich. Die Selbstbeherrschung, die er im öffentlichen Leben sich zum Gesetz machte, wusste er aber auch in seinen Privatverhältnissen zu bethätigen (Sen. contr. IV praef. 4ff.). Sein Privatleben war tadellos; er liebte Scherz und heiteren Lebensgenuss (Catull. XII 8. Quint. inst. or. VI 3, 110), hielt sich aber von den Ausschweifungen seiner Standesgenossen fern (Sen. ben. IV 31, 4) und erreichte, zwischen Arbeit und Erholung vernünftig wechselnd (Sen. dial. IX 17, 7), ein hohes Alter im vollen Besitz der geistigen und leiblichen Kräfte (Sen. contr. IV praef. 5. Val. Max. VIII 13 ext. 4).

5. Familie.

Asinius Pollio war vermählt mit Quintia, der Tochter eines L. Quintius, welcher im J. 711 = 43 proscribiert wurde und auf der Flucht durch Selbstmord umkam (App. b. c. IV 12. 27). Von ihr hatte er drei Söhne: C. Asinius C. f. Gallus (Nr. 15), Asinius Saloninus, der schon als Knabe starb (Nr. 37), und Herius Asinius, welcher ebenfalls bereits vor dem Vater starb (Sen. contr. IV praef. 4f.; s. Nr. 6); ausserdem eine Tochter Asinia (Nr. 39), vermählt an M. Claudius Marcellus Aeserninus und von diesem Mutter eines gleichnamigen Sohnes, der durch seine früh hervortretende rednerische Fähigkeit ein Liebling seines Grossvaters wurde (Sen. contr. IV praef. 3f. Suet. Aug. 43. Tac. ann. III 11. XI 6. 7. CIL VI 1237).[5] Ein Freigelassener des Asinius Pollio war vermutlich Asinius Epicadus (Nr. 12).

Litteratur. Thorbecke De C. Asinii Pollionis vita et studiis doctrinae, Leyden 1821. Drumann Gesch. Roms II 2ff. Jacob Asinius Pollio, Lübeck 1852. D’Hendecourt De vita, gestis et scriptis Asinii Pollionis, Lovanii 1858. Forcellini Onom. I 516f. Bailleu Quomodo Appianus in bell. civ. l. II–V usus sit Asinii Pollionis historiis, Gött. 1874. Aulard De C. Asinii Pollionis vita et scriptis, Paris 1877. Thouret Leipz. Stud. I 324ff. Peter Jahrb. f. Philol. CXIX 420ff. Harder ebd. CXXXVII 368ff. Landgraf Untersuchungen zu Caesar und seinen Fortsetzern, Erlangen 1888. Wölfflin S.-Ber. Akad. Münch. 1889, 319ff. C. Asini Polionis de bell. Afr. comm. rec. Wölfflin et Miodonski, Lps. 1889. Schmalz Über den Sprachgebrauch des Asinius Pollio, 2. Aufl. München 1890. Teuffel-Schwabe Röm. Litt.-Gesch. I⁵ 473ff. Schanz Röm. Litt.-Gesch. II 18ff. Kornemann Die historische Schriftstellerei des C. Asinius Pollio, Jahrb. f. Philol. Suppl. XXII.

[Groebe. ]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 1353.
  2. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 1976.
  3. Corpus Inscriptionum Latinarum X, 5159.
  4. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 877.
  5. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 1237.