Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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keltische Stämme der Alpen, auf Noricum und Pannonien beschränkt
Band V A,1 (1934) S. 114
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Taurisci, ursprünglich Bezeichnung eines großen Teiles der Kelten in den Alpen, später auf ihre Angehörigen in Noricum und Pannonien beschränkt, während für ihren westlichen Ast die Bezeichnung Taurini (s. d.) gebraucht wurde.

I. Quellen und Literatur.[1] Hauptquelle sind die Berichte der antiken Schriftsteller und die Ergebnisse der archäologischen Forschung. Von griechisch schreibenden Autoren kommen namentlich Polybios, Strabon, Appian und Dio Cassius in Betracht, von lateinisch schreibenden Livius und Plinius, daneben einige Inschriften. Vollständige Zusammenstellung der Quellen bei Holder Altcelt. Sprachsch. II 1767ff. Literatur: Zippel D. röm. Herrschaft in Illyrien. Contzen Wanderungen der Kelten 60f. Müllenhoff Deutsche Altertumsk. II 83f. 260f. Egger Teurnia. Die römischen und frühchristl. Altertümer Oberkärntens (2. Aufl. 1926); Frühchristliche Kirchenbauten im südl. Noricum (Sonderschriften d. österr. archäolog. Institutes in Wien, IX. Bd.); Führer durch die Antikensammlung des Landesmuseums in Klagenfurt. Nowotny Römisch-norische Kulturbilder, Korr.-Bl. des Gesamtvereines d. deutsch. Geschichtsvereine 1925, 94ff. Schmid XV. Bericht der röm.-germ. Kommission 178ff. Kahrstedt Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Ost- und Zentralalpen vor Augustus (Gött. Gel. Nachr. 1927, 1ff.).

II. 1. Name: Taurisci CIL V 2, 8270 (Monastero; vgl. u. 4 a). Plin. n. h. III 131. 133. 134. 148. Ammian. Marc. XV 9, 6. 10, 9. Aurel. Vict. de vir. ill. 72, 2. Ταυρίσκοι Polyb. II 15, 8. 28, 4. XXXV 10, 10. 14. Strab. IV 206. 207. V 216. VII 293. 296. 304. 313. Appian. III. 16. Cass. Dio IL 34, 2. L 28, 4. Steph. Byz. 424. 608 M. Die T. haben ihren Namen von der vorrömischen Bezeichnung der Alpen (Müllenhoff DA II 83, 2. Nissen Ital. Landesk. I 138. II 163. Nopcsa Anthropos VIII 146. Fischer ebd. 777). Aus Strab. VII 296 τοὺς Ταυρίσκους δὲ Τευρίσκους καὶ Ταυρίστας φασί ergibt sich die Identität der T. mit den Teuriskern und mit den Tauristen. Diese Gleichheit spiegelt sich auch in dem parallelen Vorkommen der aus den Gentilnamen abgeleiteten römischen Cognomina Tauriscus (CIL III 496 Megalopolis, 12366 Novae, 12426 Kestambul) und Teuriscus (CIL III 10949 Scarbantia) wider. Eine Ergänzung zu den Namensformen bietet Eratosthenes bei Steph. Byz. 608 M. Ἐρατοσθένης Τερίσκους aὐτούς φησι διὰ τοῦ ε, οἳ καὶ Ταῦροι λέγονται. Dagegen müßte man aus Strab. VII 293 φησὶ δὲ Ποσειδώνιος ..., Κίμβρους ... ἐπὶ τὸν Ἴστρον καὶ τοὺς Σκορδίσκους Γαλάτας καταβῆναι, εἰτ᾽ ἐπὶ Τευρίστας καὶ Ταυρίσκους ... [2] auf eine Verschiedenheit der Teuristen und Taurisker schließen, wenn man nicht mit Müllenhoff II 265 Anm. statt ἐπὶ Τευρίστας καὶ Ταυρίσκους ἐπὶ Τ. ἢ Τ. lesen will, und Zippel 121 hält Teuristen und T. für zwei getrennt wohnende Abteilungen desselben Volkes.

2. Der Begriff T. und ihre Verbreitung. Der Begriff T. ist in ethnographischem Sinne keineswegs eindeutig. Zweifellos sind es Leute keltischen Ursprungs (Strab. VII 293. 313). Sie hatten vielleicht ihre Heimat im Gebiete zwischen Harz und Thüringer Wald, wo sie die Träger der in Skelettgräbern erscheinenden Sonderkultur späthallstättischen Charakters waren. Sie verließen diese um 400 v. Chr. und zogen südwärts. Vielleicht erinnert der Name Τευριοχαῖμαι (Ptolem. II 11, 11) in Böhmen (Ptolem. II 11, 11 ὑπὲρ τὰ Σούδητα ὄρη) in späterer Zeit noch an sie (Much bei Hoops Reallex. d. germ. Altertumskunde IV 314). Wann und wo sie sich in die drei oder vier Äste gliederten, die uns in den beiden letzten vorchristlichen Jahrhunderten entgegentreten (s. u.), entzieht sich unserer Kenntnis.

Polybios kennt schon zwei Völkerschaften dieses Namens. Die eine von ihnen im diesseitigen Gallien (II 15, 8 τῶν Ἄλπεων ἑκατέρας τῆς πλευρᾶς ... τοὺς βουνώδεις καὶ γεώδεις τόπους κατοικοῦσι τοὺς μὲν ἐπὶ τὸν Ῥοδανὸν καὶ τοὺς ἄρκτους ἐστραμμένους Γαλάται Τρανσαλπῖνοι προσαγορευόμενοι, τοὺς δ᾽ ἐπὶ τὰ πεδία Ταυρίσκοι καὶ Ἄγωνες καὶ πλείω γένη βαρβάρων ἕτερα) ist gewiß mit den T. identisch, welche, von den Boiern in deren Unabhängigkeitskämpfen gegen Rom zu Hilfe gerufen, mit diesen, den Insubrern und Gäsalen vereint im J. 225 nach Mittelitalien gezogen (Polyb. II 28, 4. 30, 6) und gegen den Consul C. Atilius aufgestellt worden sind. Der Wortlaut der Polybiosstelle verweist ausdrücklich auf die Westalpen; überdies wären T. aus den Ostalpen auf den Widerstand der Veneter und Cenomanen gestoßen. Cato bei Plin. n. h. III 134 sagt auch von den Lepontiern und Salassern, sie seien Tauriscae gentis (vgl. dazu Amm. Marc. XV 10, 9), Plin. n. h. III 123 und Strab. IV 204 rechnet sie zu den Ligurern (zutreffende Begründung dieser irrtümlichen Auffassung bei Philipp Art. Taurini o. Bd. IV A S. 2544). Polyb. III 30, 4 nennt sie Tauriner und Steph. Byz. 608 M. identifiziert Tauriner und T. (Ταυρίσκοι ἔθνος περὶ τὰ Ἄλπεα ὄρη λέγονται καὶ Ταυρῖνοι ὡς Πολύβιος τρίτῳ), vielleicht nicht ganz mit Unrecht (Zippel 116). Aus diesen Stellen ergibt sich, daß die Bezeichnung T. in älterer Zeit auch für den später Tauriner genannten Stamm Verwendung gefunden hat, in jüngerer Zeit auf die Kelten in den Ostalpen beschränkt worden ist.

Die Schlacht bei Telamon endete mit der Niederlage der Kelten; Insubrer und Boier wurden [3] unterworfen, die T. wahrscheinlich in die Ostalpen abgedrängt, wo T. vor allem im nordwestlichen Kärnten seit dem 2. Jhdt. v. Chr. nachweisbar sind und eine Überschichtung der illyrischen Urbevölkerung durch Kelten stattfindet (so Reinecke Der bairische Vorgeschichtsfreund VI 39. Schmid 239, 166 gegen die Ansicht Eggers Frühchristliche Kirchenbauten 2 und Veiths IOA XXI/XXII Beibl. 484, die in den T. den ursprünglichen Namen der Noriker sehen). Polyb. XXIV 10, 10 = Strab. IV 208 kennt daher neben den T. in den Westalpen auch T. in den Ostalpen [2] (ἔτι φησὶ Πολύβιος ἐφ᾽ ἑαυτοῦ κατ᾽ Ἀκυληίαν μάλιστα ἐν τοῖς Ταυρίσκοις τοῖς Νωρικοῖς εὑρεθῆναι χρυσεῖον). Mit der Bezeichnung der östlichen T. als norische verfolgt Polybios den Zweck, durch Angabe ihres Wohnortes sie von anderen, vor allem von ihren westlichen Stammesgenossen, von denen er ja ebenfalls spricht, zu unterscheiden. Strab. IV 208 hat den Ausdruck Ταυρίσκοις οἱ Νωρικοί Polybios entlehnt (Zippel 118; anders Schmid 197, 67, der den Beisatz οἱ Νωρικοί zu Ταυρίσκοι von Strabon gemacht wissen will). Strabon unterscheidet die T. in der illyrischen Landschaft von der in der ligurischen (IV 206 οἱ ἐγγὺς ἤδη τοῦ Ἀδριατικοῦ μυχοῦ καὶ τῶν κατὰ Ἀκυληίαν τόπων οἰκοῦσι Νωρικῶν τέ τινες καὶ Κάρνοι. Τῶν δὲ Νωρικῶν εἰσὶ καὶ οἱ Ταυρίσκοι; vgl. auch VII 293 s. o.; IV 204 Ταυρινοὶ ... Λιγυστικὸν ἔθνος); er redet von ihnen an keiner Stelle als Volk der Gegenwart; im Gegenteil er bezeichnet sonst immer (IV 207. 208) die Einwohner Norikums als Noriker. Der Name T. verschwindet nach Strabon, bei dem er noch ziemlich häufig verwendet wird, ganz. Caesar spricht nur mehr von Norikern (bell. Gall. I 5, 4 ager Noricus, I 53, 4 Ariovisti uxores, altera Norica, regis Voccionis soror ...). Zippel 118 will infolgedessen annehmen, daß er nicht an einem einzelnen Stamme innerhalb Noricums haftete, sondern für alle oder doch die meisten Bewohner dieses Landes verwendet wurde und mit dem Verluste ihrer politischen Selbständigkeit außer Gebrauch kam, und schließt infolgedessen auf die Richtigkeit der Angaben des Plinius, aus dessen Bemerkung n. h. III 133 iuxta Carnos quondam Taurisci appellati nunc Norici und III 131 interiere ... Tauriscis Noreia sich der ethnische Prozeß, das Aufgehen der dünnen Herrenschicht der keltischen T. in der unterworfenen norisch-illyrischen Urbevölkerung, deutlich ergibt. Appian und Ptolemaios kennen infolgedessen in der Provinz Noricum keine T. mehr, sondern nur Noriker (Zeuss Die Deutschen und ihre Nachbarstämme 239).

T. begegnen aber auch im Bereiche des späteren Pannonien. Die erste Erwähnung hier zur Zeit des Zuges der Cimbern, der auch auf sie stieß (Poseidonios bei Strab. VII 293 :φησὶ δὲ (Ποσειδώνιος) ... τοὺς ... Κίμβρους ... ἀποκρουσθέντας ὑπὸ τῶν Βοίων ἐπὶ τὸν Ἴστρον καὶ τοὺς Σκορδίσκους Γαλάτας καταβῆναι, εἰτ᾽ ἐπὶ Τευρίστας καὶ Ταυρίσκους. Strab. IV 207 sagt genauer παραῤῥεῖ ...... τὸν Ναύπορτον [Κορκόρας] [4] ποταμός ...... ἐκβάλλει δ᾽ εἰς τὸν Σάον, ὥστ᾽ εὐμαρῶς εἰς τὴν Σεγεστικὴν κατάγεται καὶ τοὺς Παννονίους καὶ Ταυρίσκους und Nauportus nennt er an einer anderen Stelle (VII 313) τῶν Ταυρίσκων οὖσαν κατοικίαν. Der östlichste Vorposten ihrer Verbreitung war zur Zeit des Plinius die Umgebung Sirmiums (Plin. n. h. III 148 mons Claudius [in der Nähe Sirmiums; nähere Festlegung nicht möglich; vgl. Patsch o. Bd. IV S. 1. Müllenhoff DA II 290], cuius in fronte Scordisci, in tergo Taurisci). Ob sich zu dieser Zeit ihr Gebiet westwärts noch bis Nauportus erstreckt hat, ist unbestimmt; auffällig bleibt, daß Strabon das eine Mal (VII 313) von Nauportus als Stadt der T. spricht, das andere Mal (IV 207) sie ziemlich weit von Nauportus entfernt wohnen läßt (auch dies jedenfalls wieder ein Beweis für die Benützung zweier aus verschiedener Zeit stammender Quellen durch ihn; diese Diskrepanz bei Kahrstedt nicht erwähnt).

An die pannonischen T. ist jedenfalls auch dort zu denken, wo sie Strab. V 213. VII 304. 313 um das J. 60 v. Chr. im Bunde mit den Boiern erwähnt (Zippel 121, anders Goos Archiv f. siebenbürgische Gesch. XIII 447 Anm.; vgl. II 4 S. 8 und den Art. Τευρίσκοι). Zuletzt werden sie im pannonisch-dalmatinischen Kriege Octavians der J. 35-33 v. Chr. genannt (Appian. Ill. 16. Cass. Dio IL 34, 2).

3. Ethnographie. Die T. sind zweifellos Kelten (vgl. II 2). Im Laufe der Zeit nahmen sie manches artfremde Volkselement in sich auf, vielleicht auch das der Ligurer (s. o. II 2; vgl. das Auftreten eines gallischen Königs Tauriscus neben Ligys in der Hercules-Sage; vgl. Contzen 61).

4. Geschichte.

α) Vor der Berührung mit den Römern. Nach der Schlacht bei Telamon zogen die T. wahrscheinlich die Etsch, Eisack und Rienz entlang; Pustertal und Lessachtal bildeten ihr Einfallstor in Noricum (Schmid 202). Hier setzten sie sich in den Gebirgstälern, vor allem Kärntens und Oberkrains, fest, eroberten die bereits seit der mittleren norischen Periode bestehenden Ansiedlungen auf der Gurina (aus dieser Zeit das daselbst gefundene calenische Reliefgefäß [Pagenstecher Jahrb. d. deutsch. archaeolog. Inst. 8. Erg.-Bd. 136] und eiserne Mittel-La-Tène-Fibeln [A. B. Meyer Gurina 23. 72. Jaksch Carinthia I 50ff.] stammend), gründeten vermutlich schon um diese Zeit das in seinem Namen an sie erinnernde Teurnia (Schmid 193), befestigten den Adjovski Gradec (Heidenschlößl) in der Wochein (Fund bronzener Mittel-la-Tène-Fibeln [Hoernes Mitt. d. anthropol. Ges. Wien XVIII S.-Ber. 87]) und nahmen wahrscheinlich auch Noreia (Sempronius Asellio Schol. Bern. ad Verg. Georg. III 474 ab urbe Noreia, quae est. in Gallia) und Nauportos (Fund keltischer Münzen aus der Spät-La-Tène-Periode und eines gleichalterigen Schwertes in der Nähe) in Besitz. Aber auch an anderen Orten (auf der Postela bei Marburg [Schmid Mitt. d. prähistor. Kommission d. Akad. Wien. II 278f.], in Reichenegg und Dreschendorf bei Cilli [Schmid Südsteiermark 12. Skrabar Starinar 1922, 25f.], in Skorba bei Pettau [hier neben Tongefäßen, [5] die infolge Verwendung der Drehscheibe ihre Zugehörigkeit zur Spät-La-Tène-Periode verraten]) erinnern Funde aus der Mittel-La-Tène-Zeit (eiserne Fibeln, Schwerter, Schildbuckel u. a.) an die frühe Besiedlung dieser Striche durch Kelten; in diesen T. zu sehen, geht meines Erachtens nicht an; denn aus der bisher bekannten Verbreitung des Kultes des Gottes Latobius (zu beiden Seiten der Koralpe, im östlichen Kärnten und im Bezirke von Flavia Solva bei Leibnitz in Steiermark; vgl. Egger Anzeiger d. Wien. Akad. phil. hist. Kl. LXIV 11) läßt sich mit Egger 20 der Schluß ziehen, daß in früher Zeit der östliche Teil des späteren Noricum nicht von T., sondern von den an sie ostwärts anschließenden Latobikern bewohnt worden ist.

b) Nach Aufnahme der Beziehungen zu den Römern.

α) Die T. in Noricum. Die ersten Beziehungen der Römer zu ihnen sind feindlicher Art (Kahrstedt 32f.). Beim Vorstoß keltischer Schwärme über die Alpen im J. 186 v. Chr. wehrten sich die Römer gegen ihre Niederlassung und traten gleichzeitig mit einem transalpinen Keltenstaate in Verbindung, um ihren Abzug zu erwirken (Liv. XXXIX 22, 6. 7. Zippel 105. Egger Anzeiger d. Wien. Akad. phil. hist. KI. LXIV 20). Obwohl sich diese Gefahr auch in den nächsten Jahren wiederholte, erhielt erst nach drei Jahren der Praetor L. Julius den Auftrag, die Gallier zu entfernen, doch quod ... sine bello posset (Liv. XXXIX 45, 7); nur wenn alle friedlichen Maßnahmen erfolglos blieben, sollte ein Consul mit Waffengewalt eingreifen (Liv. XXXIX 45, 6. 7. Zippel 106). Schließlich (181 v. Chr.) legten die Römer in dem von den Galliern fortwährend bedrohten Gebiete die Kolonie Aquileia an (Liv. XL 34, 1. Zippel 107. Huelsen o. Bd. II S. 318f.). Aber die Züge der Gallier hörten auch jetzt nicht auf (Liv. XL 53, 5. 6. Zippel 107). Aus der Tatsache, daß die angesehensten Römer als Gesandte verwendet wurden, zieht Zippel 122 den Schluß, daß es sich bei diesen Alpini populi (Liv. XLIII 5, 1) um ein größeres politisches Gebilde gehandelt haben müsse, und sieht in ihnen die T. (derselben Auffassung neuestens auch Kahrstedt 32 und Egger Anzeiger d. Wien. Akad. phil. hist. Kl. LXIV 20). Für ihre Macht spricht vielleicht auch die Haltung der Römer, die, um diese Zeit mit anderen Fragen ihrer äußeren Politik beschäftigt, immer und immer wieder den Verhandlungsweg betraten, und die mehrmals reichliche Beschenkung der gegenseitigen Gesandten nach dem Berichte des Livius (XXXIX 55, 3. XLIII 1, 8). Aber zu einem Bündnis zwischen Römern und T. kam es nicht (Zippel 122). In der ersten Zeit durften die T. nicht einmal einen rechtskräftigen Kaufvertrag mit den Italikern abschließen. Immerhin stellten die T. im Kriege gegen die Istrer im J. 178 v. Chr. ein Hilfskorps von ungefähr 3000 Mann (Liv. XLI 1, 8). Die nächsten diplomatischen Beziehungen der Römer mit den T. gehören in die Jahre 170 und 169. Im Jahre 170 erhielten die gallischen Gesandten als besonderes Vorrecht für den Einzelfall, ut denorum equorum iis commercium esset educendique ex Italia potestas [6] fieret (Liv. XLIII 5, 9). Im folgenden Jahre ließ der regulus Gallorum Balanos den Römern durch Gesandte Hilfstruppen für den Krieg gegen Perseus anbieten (Liv. XLIV 14, 1).

Erst 40 Jahre später, ins Jahr 129 v. Chr., fällt der erste Versuch der Römer, die Alpengebiete ihrem Machteinflusse unterzuordnen (Kahrstedt 34), und dient voraussichtlich der Abwehr von Angriffen, welche die T. und Carner, jedenfalls als Bundesgenossen der Histrer und Japoden, gegen den vorgeschobenen römischen Posten Aquileia gerichtet haben (v. Premerstein IOA X 273). Nach dem Wortlaut des Elogiums des C. Sempronius Tuditanus (Dess. 8885 = CIL I² 652) .... [eodemque tempo]re et Tauriscos [Carnes ... magnis cladib]us coactos m[anus dare in deditionem accepit] nimmt v. Premerstein 274, 27 an, daß während der Kämpfe des Sempronius Tuditanus gegen die Japoden eine Nebenexpedition vielleicht unter der Leitung des D. Iunius Brutus Callaicus (Liv. ep. Oxy. LV v. Premerstein 279. Münzer o. Bd. X S. 1024) Erfolge gegen die T. erzielte (Münzer o. Bd. II A S. 1441), deren Siedlungsbereich vielleicht damals weiter nach Süden reichte als später (Reisch IOA XI 284f.). Ob über ein Jahrzehnt später (115) der Consul M. Aemilius Scaurus gegen die T. kämpfte und über sie triumphierte, läßt sich nicht mit aller Bestimmtheit sagen; denn die Triumphalfasten CIL I p. 460 = I 1² p. 49 führen einen Triumph des Genannten de Galleis Karneis V ... an, nach der anonymen Schrift de vir. ill. 72, 7 Ligures et Cauriscos domuit atque de his triumphavit. Die Lesart Cauriscos ersetzen die Ausgaben meist durch Gautiscos; gegen die Konjektur Mommsens Tauriscos für Cauriscos macht Zippel 138 geltend, daß damit die T. für Ligurer erklärt werden, während der Schlußteil des Satzes atque de his triumphavit darauf hinweist, daß ,vorher verschiedene Völker genannt‘ seien; diese Behauptung ist unrichtig, wenn et wörtlich übersetzt wird (vgl. übrigens auch die verschiedenen Angaben über die völkische Zugehörigkeit der Lepontier und Salasser, s. o.), wohl aber bleibt der Widerspruch zwischen den Triumphalfasten und dem Anonymus bestehen, wozu noch kommt, daß sich das handschriftlich überlieferte Cauriscos leicht als Lesefehler aus Carniscos erklären läßt (Zippel 139). Allerdings hat die Konjektur Mommsens sonst allgemeinen Beifall gefunden (Mommsen Röm. Gesch. II 173 Anm. Klebs o. Bd. I S. 584 Nr. 140. Schön Abh. d. archaeol. epigr. Sem. Wien IX 50. v. Premerstein IOA X 274, 28. Groebe Klio V 106). Wenn also M. Aemilius Scaurus wirklich gegen die T. kämpfte, so ist der Grund für sein Vorgehen derselbe wie seinerzeit für C. Sempronius Tuditanus (v. Premerstein 274).

Mit der drohenden Erschöpfung der etruskischen Erzlager wandten sich die römischen Unternehmer der Ausbeutung der neu entdeckten Goldlager bei den T. zu (Polyb. XXXIV 10, 10. Zippel 123. Kahrstedt 13, s. u.). Auch ihre Verjagung (Polyb. XXXIV 10, 10), offenbar in Zusammenhang mit dem Rückgange des Einflusses der Equites in Rom, also nach dem J. 122 [7] (Kahrstedt 13), konnte das Interesse der Römer für diese Gebiete nicht beeinträchtigen (Kahrstedt 13) und die Störung der guten Beziehungen zwischen Römern und T. war nur vorübergehend (Zippel 123); denn Appian. Celt. 13 berichtet, daß der Consul (Papirius) Carbo im J. 113 gegen die Cimbern (bei Appian heißt es Teutonen) gezogen sei αἰτιώμενος ἐς Νωρικοὺς ἐσβαλεῖν, Ῥωμαίων ξένους ὄντας und die politische Folge dieses Freundschaftsverhältnisses kennzeichnet Appian ebd. ἐποιοῦντο δ᾽ οἱ Ῥωμαῖοι (sc. Νωρικοὺς) ξένους, οἷς ἐδίδοσαν μὲν εἶναι φίλους, ἀνάγκη δ᾽ οὐκ ἐπῆν ὡς φίλοις ἐπαμύνειν richtig, wobei vertragsmäßige Verpflichtungen selbstverständlich keinen der beiden Teile banden (Zippel 123).

Die Verschmelzung der dünnen Herrenschicht der T. mit der alteingesessenen norisch-illyrischen Bevölkerung, als wichtigstes Ergebnis des Cimberneinfalles (Appian nennt infolgedessen die Alpenbewohner nicht T., sondern Noriker; vgl. II 2), kommt auch in dem Übergewicht der Spät-La-Tène-Kultur in vielen Ansiedlungen des nördlichen und südlichen Noricum (z. B. auf der Gurina, auf dem Maria Saaler Berge, im Juvavum, Karlstein bei Reichenhall, Hallstatt und an anderen Orten) zum Ausdruck (Schmid 194 mit genauer Literaturangabe) und zahlreiche keltische Münzen (v. Luschin-Ebengreuth Jahrb. d. Zentralkommission N. F. II 73ff. IV 188ff. Schmid Bericht des Landesmuseums Rudolfinum in Laibach 1906, 37) sprechen für eine verhältnismäßig dichte Besiedlung der Ostalpenländer. Im 1. Jhdt. v. Chr. kam es zur politischen Einigung der Ostalpenkelten in einem regnum Noricum (s. d.).

Die Nennung der T. in einer Inschrift (CIL V 2, 8270), deren Bruchstücke in Monastero bei Aquileia, nicht, wie Zippel 260 meint, in einem Seitentale des Vintschgaues bei Münster an der Grenze Tirols gegen Graubünden gefunden wurden (... f et Tauriscos c. ... i coactos), bringt Zippel 260 mit Recht (Groebe Klio V 104) in Verbindung mit dem Zuge des römischen Statthalters von Illyricum, P. Silius, im J. 16 v. Chr. gegen die Alpenvölker der Pannonier und Noriker, die einen Einfall nach Istrien gemacht hatten; wahrscheinlich wurde durch sein Erscheinen Aquileia von großer Gefahr befreit, und zum Danke dafür setzten seine Bewohner ihrem Retter ein Ehrendenkmal, das seine Erfolge, darunter auch über die T., verzeichnete (Groebe 106; anders Zippel 271, der ihn die Siegesinschrift aufstellen ließ an der äußersten Stelle, bis zu der er vordrang). Nach dieser Niederlage, deren politische Folgen Dio LIV 20, 2 treffend mit den Worten kennzeichnet καὶ οἱ Παννόνιοι τήν τε Ἰστρίαν μετὰ Νωρίκων κατέδραμον, καὶ αὐτοί τε τοῦ Σιλίου καὶ τῶν ὑποστρατήγων αὐτοῦ κακωθέντες αὖθις ὡμολόγησαν, καὶ τοῖς Νωρίκοις αἴτιοι τῆς αὐτῆς δουλείας ἐγένοντο, und nach ihrer Züchtigung im folgenden Jahre durch Tiberius und Drusus waren die T. ungefährlich und galten als gute Steuerzahler (Strab. IV 206 πάντας [die Noriker samt T. und Carnern] ἔπαυσε τῶν ἀνέδην καταδρομῶν Τιβέριος καὶ ὁ ἀδελφὸς αὐτοῦ Δροῦσος θερείᾳ μιᾷ ὥστ᾽ ἤδη τρίτον καὶ τριακοστὸν ἔτος ἐστὶν, ἐξ οὗ καθ᾽ ἡσυχίαν ὄντες ἀπευτακτοῦσι τοὺς φόρους; [8] vgl. v. Premerstein IOA VII 225). Es darf infolgedessen nicht befremden, daß der Name der T. wie auch der jedes anderen norischen Stammes, mit Ausnahme der Ambisonten, im Tropaeum fehlt. Schmid 196 schließt hieraus auf eine verhältnismäßig leichte Unterwerfung der Noriker, die sich eben nur auf einen Verteidigungskrieg im schwer zugänglichen Gebirge beschränkten (Flor. II 22, 4), und führt als Stütze für seine Ansicht die Worte Appian. Illyr. 29 ... οὐδὲν εὗρον ἴδιον ἐς Ῥαιτοὺς ἢ Νωρικοὺς γενόμενον ὅθεν μοι δοκοῦσι τοῖς ἑτέροις τῶν γειτόνων συναλῶναι. Zippel 271 dagegen weist darauf hin, daß die Bewohner des späteren Noricum damals eben noch nicht als unmittelbare Untertanen des römischen Reiches betrachtet werden konnten. Augustus ließ nämlich nach Besiegung der Alpenvölker für das Land südlich der Donau den Namen regnum Noricum offiziell weiterbestehen und es durch Procuratoren verwalten. Erst Kaiser Claudius richtete die Provinz nach italischem Muster ein (s. u.).

β) Die T. in Pannonien. Bei welcher Gelegenheit die T. nach Pannonien gekommen sind, wissen wir nicht. Daß sie hier bereits zur Zeit des Zuges der Cimbern nachweisbar sind (Strab. VII 293), ist schon erwähnt worden (S. 3). An diese T. haben wir nach Zippel 119 auch bei den Angaben Strab. VII 304. 313 über das boisch-tauriscische Reich des Critasirus (vgl. Fund einer Silbermünze im Mallnitzer Tauern mit der Umschrift Gaesatorix re(x) Ecritusiri reg(is) fil(ius) Kubitschek IOA IX 70) zu denken. Aus dem Zusammenhalt der Worte Strab. VII 304 ... Βοίους δὲ καὶ ἄρδην ἠφάνισε (sc. Βοιρεβίστας) τοὺς ὑπὸ Κριτασίρῳ καὶ Ταυρίσκους und VII 313 Δακοὶ καταπολεμήσαντες Βοίους καὶ Ταυρίσκους, ἔθνη Κελτικὰ τὰ ὑπὸ Κριτασίρῳ geht hervor, daß Kritasirus Herrscher der Boier war, die T. aber von den Boiern unterworfen wurden. Die Bemerkung Zippels 120 zu diesen Stellen, daß um das J. 60 v. Chr. unmöglich an eine Unterwerfung der Noriker durch die Boier, ja überhaupt an eine politische Vereinigung beider Völker und schon gar nicht an eine Vernichtung des norischen Reiches durch die Daker gedacht werden könne (Strab. VII 313), da doch am Beginn des Bürgerkrieges equites ab rege Norico circiter trecenti zu Caesar nach Corfinium gekommen seien (Caes. bell. civ. I 18), ist sicher richtig, aber eine Verbindung der norischen und pannonischen T. braucht in dieser Zeit nicht mehr angenommen zu werden, ja muß durch die folgenden Ereignisse geradezu als ausgeschlossen gelten. Dagegen ist eine Waffenbrüderschaft der Boier und T. (nach Barb Wien. numism. Ztschr. LXI [N. F. XXI] 26 ein Beweis hierfür der Münzfund der Gerlitzenalpe [Kenner Jahrb. d. Zentralkommission II 73ff.], der boische und tauriskische Prägungen vereinigt) im Kampfe gegen die Daker ohne weiteres denkbar. Neuerdings hat Niese Ztschr. f. d. deutsche Altertum XLII 154 dieses Ereignis mit gutem Grunde (Brandis o. Bd. IV S. 1959) um das J. 60 v. Chr. angesetzt; damit stimmt auch Goos Siebenbürg. Archiv XIII 447 Anm. überein, der gegen die allgemeine Annahme die T. für keltische Bewohner der nordungarischen Gebirgsgegenden [9] hält (vielleicht nicht ganz mit Unrecht, da Ptolem. III 8, 3 Teurisker als einen Stamm im nordwestlichen Dacien anführt). Die pannonischen T. waren bereits vor Octavian den Römern tributpflichtig (Zippel 198. 216); dies ergibt sich aus Cass. Dio IL 34, 2 und Appian. Ill. 16 (Cass. Dio IL 34, 2 οἱ... Σάλασσοι καὶ οἱ Ταυρίσκοι Λιβυρνοί τε καὶ Ἰάπυδες οὐδὲν μὲν οὐδὲ ἐκ τοῦ πρὶν μέτριον ἐς τοὺς Ῥωμαίους ἔπρασσον, ἀλλὰ τήν τε συντέλειαν τῶν φόρων ἐξέλιπον καὶ ἐσβάλλοντες ἔστιν ὅτε ἐς τὰ ὁμοροῦντα σφίσιν ἐκακούργουν• τότε δὲ φανερῶς πρὸς τὴν ἀπουσίαν αὐτοῦ ἐπανέστησαν; Appian. Ill. 16 ἔργῳ δὲ μείζονι ἐλήφθησαν, καὶ φόρους ὅσους ἐξέλιπον ἠναγκάσθησαν ἀποδοῦναι, Δοκλεάται τε καὶ Κάρνοι καὶ Ἰντερφρουρῖνοι καὶ Ναρήσιοι καὶ Γλινδιτίωνες καὶ Ταυρίσκοι). Schmid 179, 1 weist mit Recht darauf hin, daß Kromayer Herm. XXXIII 6, 1 und im Anschluß an ihn Veith IOA XXI/XXII 486 und Nischer Die Römer in Österreich-Ungarn 20 ,den Quellen Gewalt antun, indem sie einen Feldzug gegen die norischen T. annehmen‘, zumal Cass. Dio IL 37, 4 eine Unterstützung der Römer durch die norischen T. erwähnt (s. u.); auch v. Domaszewski Westdeutsch. Ztschr. XXI 160 irrt, wenn er durch diese Kämpfe die Handelsstraße über die Radstätter Tauern nach der Donau für die Römer gesichert sehen will. Die Stelle Cass. Dio IL 34, 2 aber auf die ligurischen T. zu beziehen, wie Schmid 179, 1 es tut, geht meines Erachtens nicht an: einmal ist für die ligurischen T. die Bezeichnung Tauriner üblich (vgl. o. II 2); diese verschwindet allerdings seit Hannibal aus der Überlieferung und kommt in späterer Zeit nur im Namen der Stadt Colonia Iulia Augusta Taurinorum vor (Nissen Ital. Landeskunde II 163), aber in der Cassius Dio-Stelle werden die T. zwischen den Salassern und Liburnern genannt; daraus muß auf einen Wohnsitz der T. östlich der Salasser, die im Tale der Dora Baltea siedelten (Nissen I 478. Philipp o. Bd. I A S. 1848), geschlossen werden; da die norischen T. hierfür nicht in Betracht kommen können, bleibt nur die Möglichkeit offen, an die T. zu denken, die im späteren Pannonien wohnten; wenn Boissevain Cass. Dio IV p. 653 die T. zu den Bewohnern Dalmatiens rechnet, was auch aus der Liste der von Octavian unterworfenen Stämme bei Appian. Ill. 16 geschlossen werden könnte, so spricht diese Auffassung nicht gegen die eben geäußerte, da die Grenze zwischen den Provinzen Pannonien und Dalmatien auch noch Jahrzehnte später nicht eindeutig zu bestimmen ist. Über die Stellung der pannonischen T. zu den Römern vor Octavian wissen wir nichts (Zippel 198). Als sich die T. ihrer Tributpflicht entzogen und sich auch sonst Übergriffe zuschulden kommen ließen (Cass. Dio IL 34, 2; vgl. auch Appian. Ill. 16), mußten die Römer gegen sie im J. 35 v. Chr. vorgehen. Die Römer fanden im Kampfe gegen sie Unterstützung bei den hier wohnenden ‚Bundesgenossen‘ (Cass. Dio IL 37, 4 ὁ Καῖσαρ ... πλοῖα παρὰ τῶν ταύτῃ συμμάχων ποιηθέντα λαβών...); das waren nach Zippel 230f. jedenfalls die T. im späteren Noricum, die damals als einziges Volk an der Donau mit Rom in freundschaftlichen Beziehungen standen. Die [10] pannonischen T. gehörten zu den bedeutendsten Gegnern Octavians (Appian. Ill. 16. Cass. Dio IL 34, 2. Zippel 227. 230), von denen er als neulich besiegten Feinden auch in der Rede an sein Heer vor der Schlacht bei Actium spricht (Cass. Dio L 28, 4). Während seiner Kämpfe gegen die Iapoden erfolgte ihre Unterwerfung durch eine seiner Kolonnen (Cass. Dio IL 35, 1. Kromayer Herm. XXXIII 6, 1. v. Premerstein IOA X 274, 27. Mommsen CIL III p. 388 Anm. ist im Irrtum, wenn er die Unterwerfung der T. für mero errore hält). In der Folgezeit hören wir von den pannonischen T. nur in der schon genannten (8. 4) Pliniusstelle.

5. Das Leben der T.

a) Siedlung. Die bisherige Ausgrabungstätigkeit gewährt noch kein genaues Bild der Siedlungsverhältnisse der T. Geschlossene Ortschaften gab es im allgemeinen wenig, z. B. die aus illyrischer Zeit stammende in Gurina (vgl. A. B. Meyer Gurina im oberen Gailtal 39ff. Kahrstedt 7, 1. 14) oder die wahrscheinlich keltische Gründung Loncium (Mauthen im Gailtal, o. Bd. XIII S. 1396). Es überwogen jedenfalls wie in der Gegenwart Einzelhöfe, die allenthalben über die Täler verstreut waren (Egger Teurnia 9). Die größeren Orte, sogenannte Fliehburgen, lagen nach keltischem Brauche auf Anhöhen (daher Verg. Georg. III 474ff. um 40 v. Chr. Norica castella in tumulis) und waren durch Wall und Pallisaden geschützt (aus den Ausgrabungen in Teurnia, bei Paternion-Feistritz oder in Puch bei Gummern zu sehen), ein Beweis für die geringe Sicherheit in ihrem Bereiche (Egger Teurnia 13). Mit der Besetzung des Landes durch die Römer nahm die Dichte der Besiedlung rasch zu und durch Kaiser Claudius erfolgte die Zerlegung des Gebietes der Landesnatur entsprechend in eine geringe Anzahl ausgedehnter autonomer Stadtbezirke (s. u.). Ausdrücklich als Siedlungen der T. werden Nauportus (Strab. VII 313) und Noreia (Plin. n. h. III 131) bezeichnet.

b) Wirtschaftliche Verhältnisse. Über die Beschäftigung der T. sind wir schlecht unterrichtet. In dem Gebirgslande spielt der Ackerbau jedenfalls nur eine geringe Rolle, eine um so größere die Viehzucht (Strab. V 213 berichtet, daß die Boier nach den Kämpfen gegen die Daker τὴν ... χώραν οὖσαν τὴς Ἰλλυρίδος μηλόβοτον τοῖς περιοικοῦσι (nämlich den T.) κατέλιπον) und die Waldwirtschaft. Unter den Tauschgegenständen, welche die T. nach Aquileia auf den Markt brachten, werden Harz, Vieh, Pech, Brennholz, Wachs, Honig und Käse genannt (Strab. V 206).

Besondere Bedeutung besaß der Bergbau. Die Galmeilager auf dem Jaukenberge führten bereits venetische Kaufleute in das obere Gailtal (Egger Teurnia 4. Fluss o. Suppl.-Bd. V S. 322, daselbst Anführung der wichtigsten Literatur). Norisches Eisen (wahrscheinlich aus Nordkärnten — dort ist jedenfalls Noreia zu suchen; vgl. Kahrstedt 6; anders Mitterdorfer Carinthia XIII 81ff. und nach ihm Schmid 195, der es in der Nähe des steirischen Einöd sucht) war früher schon ein beliebter Handelsgegenstand. Polyb. XXXIV 10, 10ff. hebt besonders die Goldlager im Tauriskerlande hervor (allerdings [11] ohne nähere Bezeichnung des Fundortes, wahrscheinlich im Bereiche der Hohen Tauern; vgl. Egger Frühchristl. Kirchenbauten 5; genauer nach Egger IOA XXV Beibl. 161 bei Feistritz a. d. Drau in Kärnten, nach Brunner Wien. numism. Ztschr. N. F. XIX 83 an einen jener Zufallsfunde im Schwemmland zu denken), deren Abbau zu seiner Zeit nach Aufnahme der Arbeit durch italische Unternehmer bereits nach zwei Monaten einen Preissturz des Goldes in Italien um 1/3 bewirkt habe; von diesen Goldlagern berichtet er weiter, daß man nach Abhub von 2 Fuß tiefen Erdschichten sofort auf ein 15 Fuß mächtiges Lager abbaufähigen Goldes gestoßen sei; dieses komme teils zu 7/8 rein vor in Stücken von der Größe einer Saubohne oder einer Lupine, teils bedürfe es eines längeren, doch sehr einträglichen Schmelzprozesses. Aber auch die Goldlager an anderen Orten in Tragin bei Paternion im Drautal und bei Kliening im Lavanttal (beide Orte in Kärnten) tragen das ihrige zur Wohlhabenheit der Alpenkelten bei (vgl. den goldenen Halsring der Früh-La-Tène-Periode von der Maschlalpe bei Rauris in Salzburg, Klose Jahrb. f. Altertumskunde VI 1ff. Kyrle Urgesch. d. Kronlandes Salzburg I 63). Durch Marmorbrüche war die Gegend um Puch bei Gummern bekannt (vgl. die Errichtung eines Votivaltars für Saxanus Aug(ustus), den Schützer der Steinbrüche, im 2. Jhdt. n. Chr. (Egger Frühchristl. Kirchenbauten 4).

Von sonstiger gewerblicher Tätigkeit im Tauriskerlande hören wir gar nichts. Sie dürfte in dem Gebirgslande nicht groß gewesen sein und sich ursprünglich auf die Verarbeitung der Erzeugnisse der Landwirtschaft und des Bergbaues beschränkt haben, in späterer Zeit allerdings durch eingewanderte Handwerker auf eine höhere Stufe gehoben worden sein (Egger Teurnia 12). Die innige Verbindung von Magneteisenerz mit Eisenglanz, überdies mancherorts, z. B. in Pöllau, der Titangehalt, verlieh dem norischen Eisen, für das Schmelzen an verschiedenen Stellen der Alpen, z. B. auf dem Ajdovski gradec (Mitteil. d. Wien. anthropol. Ges. XVIII S.-Ber. 37. Argo II 61ff.) und in Hüttenberg (Morlot Jahrb. d. geolog. Reichsanstalt Wien I 210) schon in früher Zeit bestanden haben, Festigkeit und verschaffte ihm dadurch Berühmtheit (Zusammenstellung der Belege Muchar Gesch. d. Steiermark I 118f. Holder Altcelt. Sprachsch. II 762, vgl. auch Schmid 195). Auch Kupferschmelzen in Windischgraz (Schmid Mitteil. d. präh. Kommission Wien II 375) und auf der Gurina (Jaksch Carinthia I 44), im Pinzgau, bei Hallein und am Rainberg in Salzburg (Hell Mitteil. d. Ges. f. Salzburg. Landeskunde LXIV 19) und Essen auf der Postela (Schmid Mitteil. d. präh. Kommission Wien II 261) beweisen den Gewerbefleiß der Alpenkelten.

Von gelegentlichen Raubzügen abgesehen, unterhielten die T. mit den Italikern zumeist friedlichen Güteraustausch, wobei namentlich Aquileia und Nauportus als Marktorte in Betracht kamen (Nauportus als Handelsplatz bis ins 1. Jhdt. n. Chr. von Bedeutung, Tac. ann. I 20. Schmid IOA XIX/XX 164 Beibl.). Hier suchten die T. vor allem ihre Bedürfnisse an gewerblichen Erzeugnissen durch Hingabe der Überschüsse ihrer [12] Wirtschaft (s. o.) zu befriedigen. Mit der Einbeziehung in das größere Gebilde des römischen Staates zog das Tauriskerland sicherlich auch aus dem durchlaufenden Warenverkehr manchen Vorteil (Egger Teurnia 12).

c) Schrift. Nur ganz wenige Denkmäler norischer Schrift und Sprache sind bekannt, nämlich die Felseninschriften von Würmlach und die Bronzeplättchen von Gurina (A. B. Meyer Gurina 39ff. 91ff. Taf. VIII. X. Pauli Altital. Forsch. III 62ff. nr. 276-303. 410 Tal. VI—VIII. Sommer Indogerm. Forsch. XLII 90ff. Ghirardini Not. d. scav. 1888, 313ff.), letztere besonders sorgfältig geschrieben. Das verhältnismäßig häufige Vorkommen gesichert keltischer Stamm- oder Bildungssilben in einzelnen Namen (z. B. Pauli nr. 279. 280) zeigt, daß auch die T. das venetische Alphabet beibehalten haben, aber für die Buchstaben a, i, z (oder d) altertümliche Formen verwenden; der für die venetische Schrift eigentümliche Gebrauch von Punkten zwischen den einzelnen Buchstaben wird in den Schriftdenkmälern Kärntens besonders sorgfältig beobachtet, die im Venetischen übliche Verdopplung der Konsonanten findet sich aber in ihnen nur bei der Stellung zwischen Vokalen (Schmid 202).

6. Romanisierung. Mit der Besetzung der östlichen Alpenländer durch die Römer setzte die Romanisierung der T. ein, ohne auf Widerstand zu stoßen. In den Städten findet bald die lateinische Sprache Eingang und wird auch auf Votiv-, Ehren- und Grabsteinen samt den üblichen Formeln und Abkürzungen, ja selbst in nichtoffiziellen Kreisen, sogar bei Leuten der niederen Volksschichten verwendet. Dagegen erhalten sich besonders auf dem flachen Land und in abgeschlossenen Tälern die keltische Sprache und die keltischen Namensformen noch lange. Häufig begegnet auch eine Mischung beider Sprachelemente namentlich in den Inschriften auf den Grabsteinen der Städte (keltische Namen neben lateinischem Texte), in diesen wieder die einheimische Verwandtschaftsbezeichnung bruttes [über diese v. Domaszewski Neue Heidelberger Jahrb. III 193ff. Rh. Mus. LV 318f.] eingestreut [Beispiele bei Egger Frühchristliche Kirchenbauten 3. 71]). Mit der Sprache leben auch manche Sitten und Gebräuche der T. noch Jahrhunderte fort. So erhielt sich bei ihnen die Skelettbestattung (z. B. noch in der aus dem 1. und 2. Jhdt. n. Chr. stammenden Nekropole von Chatissa-Katsch zu treffen, vgl. Schmid IOA XXV 137ff.), während die Kelten südlich und nördlich von ihnen schon längst zur Leichenverbrennung übergegangen waren; gemauerte Gräber mit bunter Wandbemalung sind an verschiedenen Orten ihres Bereiches, in Virunum (Klagenfurt), Colatia (Altenmarkt bei Windisch Graz), Juenna (Globasnitz), Chatissa (Katsch) zu finden ) (Schmid IOA XXV 140f.). Vielfach entwickelte sich eine Mischkultur, wobei das artfremde Element, größtenteils das römische, nur ganz wenig das griechische infolge der geringen Zahl seiner Vertreter, die heimische Grundlage nicht gänzlich umgestalten konnte. Ob wir die Eigentümlichkeiten der Tracht (Schürzung des Gewandes, große Schulterfibeln, beschlagene Ledergürtel, verschiedene Formen der Kopfbedeckung und des [13] Kopfschmuckes), wie wir sie u. a. aus den Abbildungen auf Grabmälern in Noricum kennen (Schober Sonderschriften d. österr. archäolog. Institut. X), den T. zuschreiben dürfen, läßt sich vorläufig nicht sagen (Nowotny a. 0. 96). Allerdings bürgerte sich bei den lebhaften Verkehrsbeziehungen mit Italien bald eine höhere Lebensführung ein, die namentlich in den Bauten (stark gebaute Häuser mit Heißluftbeheizung, Bädern Wasserleitungen u. a.), in der Verwendung feineren Hausrates u. a. Ausdruck fand (Egger Teurnia 12). Die Siedlungen, die sich nach römischem Muster organisierten (s. u.), wurden durch Straßen verbunden, auf denen der römische Kaufmann, in diesen Gebieten schon lange bekannt, als eifriger Pionier der Romanisierung den Weg ins Innere fand. Dagegen suchten bei der verhältnismäßig dünnen Besiedlung des Gebirgslandes seine Bewohner kaum außerhalb der Heimat ihr Fortkommen und im römischen Zivildienst sind bisher noch keine T. nachzuweisen gewesen.

7. Religiöse Verhältnisse. So wenig wir auch über die Religion der T. wissen, die Tatsache steht fest, daß sie im Laufe der Zeit namentlich unter dem Einflusse der römischen Eroberung Veränderungen erfahren hat. Von tauriskischen Gottheiten kennen wir nur eine, welcher die Bevölkerung auch nach Einbürgerung der römischen Staatsreligion treu blieb, die Göttin Abiona (kleiner Altar aus Teurnia; vgl. Egger Teurnia 38 nr. 7). Ob die verschiedenen sonst in Noricum verehrten keltischen Gottheiten (z. B. Apollo Belenus, Belestis, Epona, vgl. Nowotny 97. Schmid 200) auch bei den T. Anwert fanden, wissen wir nicht. Nach der Eroberung ihres Gebietes durch die Römer fanden bei den T. die allenthalben im römischen Reich gefeierten Gottheiten Verehrung. In vielen Fällen wurden einfach für die keltischen Götter die Namen der ähnlichen römischen angewendet, so Saxanus als Schutzheiliger der Steinbrüche in Gummern (bei Spital an der Drau), die Triviae und Quadrubiae. Bald verdrängten die römischen Gottheiten die einheimischen, ja im Laufe der Zeit fanden auch die ganz anders gearteten Religionen des Orients vermutlich auf dem Wege über Aquileia Eingang, so vor allem der Mithraskult (in Teurnia nachweisbar; vgl. Egger Teurnia 13).

Wiederholt hatte in vorrömischer Zeit ein sakraler Mittelpunkt der zerstreut siedelnden Bevölkerung das mangelnde politische Band ersetzt, so das auf dem Danielsberg für die Bewohner des Mölltales (Egger Frühchristliche Kirchenbauten 7), dessen Kult mit fortschreitender Romanisierung mit Hercules in Beziehung gebracht wurde, der ja in Ländern mit keltischer Bevölkerung häufig die Funktion von Lokalgottheiten übernahm (Roscher Myth. Lex. II 3010).

8. Militärische Verhältnisse. Über diese gewinnen wir aus den gelegentlichen Bemerkungen des Livius infolge der Anwendung römischer Begriffe auf sie kaum ein richtiges Bild. Vor allem fällt die Größe des Aufgebotes im Vergleich zu der verhältnismäßig dünnen Besiedlung des Landes auf. So stellt Catmelus (o. Bd. III S. 1794) 3000 Bewaffnete (Liv. XLI 1, 8) den Römern zur Verfügung, an einer anderen Stelle (Liv. XLI 3, 5) wird ein praesidium [14] Gallorum erwähnt. Über die Beschaffenheit der Truppen und ihre Bewaffnung erfahren wir gar nichts. Nach der Einbeziehung des Tauriskerlandes in den Machtbereich der Römer fanden auch hier wie in allen von Kelten bewohnten Gegenden Rekrutierungen statt. Der Unterschied in der Rechtsstellung der Bevölkerung (s. u.) wirkte sich in militärischer Beziehung insofern aus, als die Peregrinen in die Auxilia eingereiht wurden, die Stadtbevölkerung aber in den stadtrömischen Truppen und in den Legionen diente (vgl. Egger Teurnia 54).

9. Politische Verhältnisse. Auch in die politischen Verhältnise der T. gewähren uns die Quellen nur geringen Einblick. Ihr Staat, an dessen Spitze reges standen (Liv. XLII 5, 1), zerfiel, wie der aller Kelten (Mommsen Ges. Schr. V 394), in mehrere Gaufürstentümer (gentes Liv. XXXIX 22, 7. XLIV 14, 1, vielleicht ein solches die bei Steph. Byz. 424 genannte χώρα Μαγιστρική), die ziemlich unabhängig nebeneinander standen, mit reguli an der Spitze (Liv. XLI 1, 8. XLII 1, 7. XLIV 14, 1); doch Näheres ist uns darüber nicht bekannt (Mommsen Ges. Schr. V 438). Vermutlich erst um die Wende des 2. zum 1. Jhdt. n. Chr. gelang den Kelten der Ostalpen unter Führung des norischen Stammes die Einigung zu einem Königreich (Caes. de bell. I 53) (Barb Wien. num. Ztschr. LXI [N. F. XXI 26] sieht meines Erachtens mit Recht in dem Ausdruck Noricum mehr einen staatsrechtlichen als nationalen Begriff); die Namen einiger Könige sind uns bekannt. Der geringe Widerstand, auf den die Römer bei der Besetzung des Landes durch die Stiefsöhne Octavians Drusus und Tiberius stießen (s. o.), veranlaßte die Reichsregierung, diesen Zustand über 50 Jahre aufrechtzuerhalten. Erst Kaiser Claudius richtete hier eine Provinz ein; sie wurde in größere Bezirke zerlegt, die von den als Munizipien oder Kolonien konstituierten städtischen Mittelpunkten aus verwaltet wurde (daher Aguntum, Teurnia, Virunum, Celeia municipia Claudia; vgl. Jung Wien. Stud. XII 107); die vollständige Durchführung der städtischen Organisation in ihr zeigt unter anderem die Weihinschrift CIL VI 1569 (Rom), in der die einzelnen civitates [Norici] angeführt werden, die [Vi]runenses, Celeienses, [Teurni]enses, Ov[ilabenses] (Jung Wien. Stud. XII 107, 48). Die ländliche Bevölkerung besaß anfänglich, solange die Städte, denen sie zugeteilt war, im Range von Munizipien standen, bloß die Rechte der Peregrinen, erlangte aber später mit dem Aufstiege dieser zu Kolonien das latinische Bürgerrecht (Jung 107. Egger Frühchristliche Kirchenbauten 7).

  1. ) Folgende Ubersicht berücksichtigt nur das Allerwichtigste.
  2. Im folgenden ist nur von diesen die Rede; bezüglich der T. in den Westalpen vgl. den Art. Taurini.