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Autor: Erich Haenel
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Titel: Kostbare Waffen aus der Dresdner Rüstkammer
Untertitel: mit 82 Lichtdrucktafeln, davon 2 farbig
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1923
Verlag: Karl W. Hiersemann
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons
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PRVNKRAPIER KVRFVERST CHRISTIANS II.
1605
[I]
ERICH HAENEL


KOSTBARE WAFFEN


AUS DER DRESDNER
RÜSTKAMMER





MIT 82 LICHTDRUCKTAFELN, DAVON 2 FARBIG
__________________________________________________


VERLAG KARL W. HIERSEMANN • LEIPZIG
1923
[Ξ]


PRVNKRAPIER KVRFVERST CHRISTIANS II.
Geschenk des Herzogs Carl Emanuel von Savoyen 1605
[III]
EINLEITUNG

Der Klassiker der englischen Waffenkunde, Sir Samuel Meyrick, hat in einem seiner frühesten Werke, das auch der damals noch in den Kinderjahren ihrer Entwicklung stehenden Disziplin in Deutschland mit die Wege gewiesen hat, die Dresdner Rüstkammer so gepriesen: the finest collection probably of armour in the world, if considered as works of art.

Wenn sich in den Waffensammlungen der Habsburger, am Kaiserhofe zu Wien und in den königlichen Gemächern des allerkatholischesten Herrschers zu Madrid, das künstlerische Schaffen der führenden Waffenschmiede und ihrer Mitarbeiter auch noch glänzender spiegelt, wenn es den Herzögen des Hauses Savoyen gelang, zahlreichere Werke der großen italienischen Meister, in denen die Prunkfreude und der Geschmack der Renaissance lebendig wird, in ihrer Armeria zu vereinen, wenn schließlich die Kriegszüge des stolzen Frankreich das Musée de l’Armée weit über den Rahmen der einheimischen Produktion hinaus gefüllt haben, so bleibt der Dresdner Rüstkammer ein anderer, reinerer Ruhm. Sie bietet heute noch, wenn auch verstümmelt, so doch unverfälscht, ein Bild der Freude an Wehr und Waffen, wie sie den Fürsten des 16. und 17. Jahrhunderts eigen war, und in ihren Schätzen funkelt die künstlerische Gesinnung einer Zeit, in der die Waffe, dem eingeborenen kriegerischen Zweck entzogen, als Träger dekorativer Gestaltungsmöglichkeiten der Stilbewegung und dem kunsthandwerklichen Persönlichkeitswillen folgte. Die edelsten Werkstoffe, die zartesten wie die kraftvollsten ornamentalen Eingebungen finden sich in der Waffe zu vollendeten Harmonien zusammen. Unter dem Gewande dieser mit jeglicher Sorgfalt gepflegten Schönheit verlieren die Notwendigkeiten des praktischen und technischen Zwecks ihre harten Umrisse: die Waffe wird ein unentbehrlicher Teil in der Ausstattung des Vornehmen, ein Stück der Gewandung selbst des Bürgers bei festlichem Anlaß.

Im höfischen Leben des Fürsten aber rückte die Waffe in die erste Reihe der Gegenstände, die als Geschenke dem verwandtschaftlichen, freundwilligen und diplomatischen Verkehr sachliche Stützung verliehen. So zog die zur Leidenschaft gesteigerte Sammelfreude der hohen Herren aus den verschiedensten Quellen ihre Nahrung. Neben die Stücke, welche der fürstliche Liebhaber selbst dem Meister in Auftrag gab, reihten sich die Spenden der Anverwandten, der Standesgenossen, der Vornehmen, die sich leicht und ritterlich so die Gunst des Herrschers erkauften. Stärker aber als an anderen Fürstenhöfen flossen in Dresden die Mittel zur Mehrung dieses wehrhaften Hausbesitzes, wo die politische Einsicht und die kriegerische Begabung der Fürsten, gestützt auf die reichen natürlichen Kräfte des zwar kleinen, aber musterhaft verwalteten Landes, sich mit dem Ehrgeiz vereinigten, der auch keine Opfer scheut, wenn es gilt, das Ansehen des Hauses durch irdisches Gut von bleibendem Werte zu mehren. Legten die Herzöge Georg und Heinrich, der Fromme, genannt, den Grund zu der sächsischen Rüstkammer, so konnte des Letzteren Sohn August in dreiunddreißig Jahren einer so klugen wie machtbegierigen, in allen materiellen Fragen ungewöhnlich erfolgreichen Regierung diesen Besitz auf ziemlich das Zehnfache seines Bestandes vermehren. Das Vierteljahrhundert, das seiner Herrschaft folgte, führte durch Christian I. und mehr noch durch dessen Sohn Christian II. die Rüstkammer auf die Höhe ihrer Entwicklung. In den Jahren, die für die stilistische Ausgestaltung der Waffe im Sinne eines selbständigen Kunstwerkes die reichsten und fruchtbarsten waren, trat der sächsische Hof als Käufer mit dem zu Wien in ernsthaften Wettbewerb. Als stolzeste Frucht dieser, keine Grenzen kennenden Leidenschaft des Erwerbs darf der Prunkharnisch des Heinrich Knopf aus Nürnberg von 1606 gelten. So fand Johann Georg I., als er 1611 seinem frühverstorbenen Bruder auf dem Thron folgte, die Rüstkammer in derart imponierendem Reichtum an Erzeugnissen edelster Prägung, aber auch an einfachen, knechtischen Waffen vor, daß er nur wenig zu tun hatte, um diesen von allen Zeitgenossen bewunderten Besitz als Glanzpunkt [IV] seiner Residenz zu erhalten. Wie der große Krieg über Deutschland hinwegbrauste, war die Rüstkammer in ihrem Werdegang von rund anderthalb Jahrhunderten im wesentlichen abgeschlossen. Was die Nachfolger, selbst August der Starke, für sie taten, vermochte nicht die Lücken zu füllen, die nun schon die Not der Zeit, mangelhafte Pflege, Verständnislosigkeit gegenüber ehrwürdigem Altersrost in die Bestände rissen. Als die Rüstkammer im Jahre 1722 ihr altes Heim verließ, um das folgende Jahrhundert in dem düstern Boseschen Hause der Schössergasse zu verträumen, war sie kaum noch ein Schatten ihres einstigen Selbst. Und auch ihre Wiederaufrichtung im Zwinger wurde nur mit bedeutenden Einbußen an älteren, nicht mehr völlig unversehrten Stücken erkauft. Erst seit ihrer Rückkehr in ihren Ursprungssitz ward man sich ihrer Werte neu bewußt: die Wissenschaft wandte ihr wachsende Teilnahme zu, und heute wird niemand widersprechen, wenn man sie die schönste Sammlung kostbarer Waffen auf deutschem Boden nennt.

Als Christian I. wenige Monate nach seiner Thronbesteigung dem Zeug- und Baumeister Paul Buchner aus Nürnberg den Auftrag gab, südöstlich vom Schlosse, nach dem Gottesacker der Frauenkirche und dem Jüdenhofe zu, einen Prachtbau für den Marstall zu errichten, bestimmte er die oberen Stockwerke des neuen Hauses zur Aufnahme der kurfürstlichen Rüstkammer. Damit fand nicht nur der enge sachliche Zusammenhang zwischen Reitwesen und Brauch und Spiel der Waffen sinngemäßen Ausdruck, sondern auch die Wertschätzung, die man diesem Teil des Hausbesitzes entgegenbrachte, der neben der Silberkammer die älteste administrative Einheit darin darstellte. Schon Herzog Georg der Bärtige hatte 1539 seinen Amtmann Hans von Dehn-Rothfelser zum Rüst- und Harnischmeister ernannt. Bis zu seinem Tode hat dieser, der als Verwaltungsbeamter, Forstmann und Intendant der Bauten unter Moritz und August eine umfangreiche Tätigkeit ausübte, an der Spitze der Kammer gestanden. An seine Person knüpft das erste Inventar an: es meldet 1561 von allerhand Stücken zur Turnierausrüstung, die der eben Verstorbene in Verwahrung gehabt hatte. Als Plattner, die an der Kammer angestellt waren, finden wir um 1554 Sigmund Rockenberger von Wittenberg, 1558 den Bayern Hans Rosenberger; von beiden besitzt die Sammlung noch heute Rennzeuge. Daneben war in Hans Schukoffski und Hans Leuthner, den die Dokumente „den Pollack“ nennen, der Einschlag aus dem Osten vertreten, ohne den die formale wie die technische Entwicklung der Waffe in jener Zeit undenkbar ist. Der volle Bestand der Rüstkammer tritt uns zuerst in den Inventaren von 1567 und 1568 entgegen. Das erstere, von Hans von Auerswalde und Hans Jenitz, dem vielgewandten Kammersekretär, aufgestellt, unterscheidet deutlich den wirklichen Stall, wo neben den Rossen selbst die aus Sturmhaube, Rüstung, Büchse, Schwert und Dolch bestehende Ausstattung der Knechte aufbewahrt wird, den Geschirrstall und die eigentliche „Rüstkammer und Wehren, so Wolf Zahn in Verwahrung hat“. Hier sind, in sechzig Gruppen verteilt, Blankwaffen, wie Sau- und Reitschwerter, Rapiere, Degen, Dussäggen, Säbel, Dolche, Waidmesser, Plötzen, Dreiecker, Schlachtschwerter, Sägeschwerter, dann Feuerwaffen aller Art, Schilde und Helme, weiter Stangenwaffen, Bären- und Sauspieße, Schefflin, Partisanen und dergleichen, auch Armbrüste, Faustkolben, Flegel und Schieferhämmer, endlich, als wichtigste Gruppe, Harnische aller Art, Ballienkürasse, schwarze und blanke, gereifte Harnische, Spießer- und Trabharnische, viele davon auf hölzernen Pferden, Panzerzeug, Sättel, Roßstirnen, insgesamt an die anderthalbtausend Stück. Etwa 70 davon sind heute noch in der Sammlung nachweisbar. Ein Jahr später werden 61 Renn- und Stechzeuge der „Neuen Rüst- und Harnischkammer“ nebst zahlreichen Einzelstücken, wie sie zum Turnieren gehören, von Heinrich von Schönberg und dem Sekretar Valerius Cracau inventarisiert: es handelt sich hier wohl um jene Harnische, die ausschließlich beim Waffenspiel, und nicht, wie die im Stall, auch im Kriege getragen wurden. Damals begann Wolf von Speier, der Sohn Peters, der noch unter Georg seine Plattnerwerkstatt in Annaberg gegründet hatte, für den Hof zu arbeiten. 1576 wurde er Hofplattner in Dresden, zugleich mit Hans Feil dem Büchsenmeister. Die Besoldungen waren nicht allzu reichlich: im 3. Quartal 1586 z. B. wurden „denen in der Harnisch- und Rüstkammer“ 88 fl. 17 gr., den Zeug- und Büchsenmeistern 591 fl. 13 gr. ausgezahlt, während schon im 1. und 2. Quartal 1584 die Rentkammer 7978 fl. 1 gr. 10 Pf. für Kleidung und Seidenware, 29 343 fl. 15 gr, 55 Pf. für Ketten, Kleinode und Silbergeschirr [V] verrechnete. Die Gesamtausgaben des kurprinzlichen Hofes für die Rüstkammer in den drei letzten Regierungsjahren Augusts betrugen 6246 fl. 15 gr. 8 Pf. Von den Meistern, die so für die Rüstkammer beschäftigt wurden, sind vor allem die Plattner Peter von Speier d. J., Wolfs Sohn und Nachfolger, und Wolf Bebbighorn, die Messerschmiede Barbart Seyfridt und Hans Mammitzsch, die Büchsenmacher Drechsler, sechs an der Zahl, Zacharias Herold, Stephan Schickrad, David Wächter, denen sich Paul Buchner, der Schraubenmacher und Baumeister, selbst zugesellt, der Schäfter Georg Zöllner, die Goldschmiede Wendel unter der Linden, Urban Schneeweiß und Christoph Kellerthaler, die Tischler Georg und Marx Fleischer, schließlich die bekannten Maler Heinrich Göding und Daniel Bretschneider zu nennen.

Nachdem nach Vollendung des prächtigen „Neuen Stalls“ die Schätze der Rüstkammer dort in nahezu vierzig Sälen und Gemächern dreier Stockwerke übersichtlich untergebracht waren, wurde auch die Inventarisierung von neuem in Angriff genommen. Zwar deren Ergebnis, das anscheinend erst kurz vor dem Tode des Kurfürsten fertig vorlag, ist uns nicht mehr erhalten, und auch aus den ersten Jahren der Regierung Christians II., als sein Vormund Herzog Friedrich Wilhelm von Sachsen-Weimar-Altenburg die Administration Kursachsens in Händen hatte, liegen nur einzelne Nachträge, Rechnungen und Sonderverzeichnisse vor, von denen die Inventare der „Büchsenkammer und des Armbrust Schießzeuges“ das vollständigste Bild der Bestände geben. Erst im Jahre 1605, vier Jahre nach seinem eigentlichen Regierungsantritt, erinnerte sich der lebenslustige junge Monarch dieser Pflicht, und beauftragte den Kammerrat und Rentmeister Humpert von Langen und die Stallmeister Georg von Schleinitz und Hans Meißner mit Aufstellung eines neuen Hauptinventars „Über die Rüst- und Inventionskammern auf dem neuen Stall“. Dies wurde, ein Foliant von 1604 Seiten, auf denen wenigstens ein halbes Dutzend verschiedener Handschriften zu erkennen sind, im folgenden Jahre abgeschlossen; es enthält, so sehr es auch in vieler Beziehung den Eindruck eines flüchtigen Konzeptes macht, zahlreiche wichtige Hinweise auf Alter, Herkunft und Verfertiger der Stücke neben oft ausführlichen Beschreibungen. Aus den räumlichen Bedingungen entwickelt sich der Organismus der Sammlung, wie er dann ihre Aufstellung bis ins 19. Jahrhundert hinein bestimmt hat. Da haben wir die Schwarze Reiter- oder Schlittenkammer, die Ballien-, Harnisch-, Kur-, Lange Wehr- und Ungarische Kammer, die Büchsenstube und die Neue und Lange Inventionskammer. Zwischen den Harnischen, Degen und Dolchen, dem Schießzeug, den Sätteln und Roßstirnen drängen sich türkische Teppiche, Kleider zum Wassertriumph, also Phantasiekostüme, Schlitten, Roßarzneibücher, Turnierröcklein, corduanische Schießtaschen, persianische Handschuhe, Marschallstäbe, Schrotfäßlein und dergleichen mehr. Inzwischen war besonders die Reihe der Kriegs- und Prachtharnische, wie wir heute die Kürasse und Ballienharnische nennen, um zahlreiche hervorragende Arbeiten vermehrt worden: am bedeutungsvollsten durch die siebzehn Harnische aus der Werkstatt des berühmten Augsburger Plattners Anton Pfeffenhauser und die beiden Meisterwerke des Nürnberger Goldschmiedes Heinrich Knopf, der, als „Cnoep“ Sprößling einer Münsterschen Goldschmiedefamilie, 1630 in Frankfurt sein bewegtes Leben beschloß. Ihm den Zielen wie der Energie des künstlerischen Wollens nach eng verwandt, war seit 1590 der bayerische Messerschmied Othmar Wetter in Dresden für die kurfürstlichen Kunstfreunde tätig. Bis fast ans Ende des Jahrhunderts läßt sich das Wirken dieses Meisters, in dem die Kunst des Eisenschnittes einen ihrer hervorragendsten Könner nach dem Norden entsandt hatte, in der Hauptstadt Sachsens verfolgen; dreimal wird sein Name in dem großen Inventar von 1606 genannt. In der gleichen Zeit taucht der Plattner und Büchsenmeister Hans Undeutsch in den Akten auf, der für das Zeughaus und dann auch für die Rüstkammer Trabharnische schlug. Doch verminderten sich die Aufwendungen allmählich mehr und mehr. Im ersten Quartal 1613 wurden für die Rüstkammer nur 91 fl. 9 gr. ausgegeben, während in der gleichen Zeit „Kleidung und seidene Waren“ 21314 fl. 11 gr. 10 Pf. verschlangen. Aus der Zeit Johann Georgs I. treten uns die Plattner Christian[WS 1] Müller und Jakob Jöringk entgegen. Die wertvolle Überlieferung der sächsischen Plattnerkunst verebbte nach und nach; der Prachtharnisch in gebläutem Eisen mit reicher Goldmalerei, den die Kurfürstin im Jahre 1622 ihrem Gemahl zum Weihnachtsfest darbrachte, ist das Werk eines Augsburger Meisters; Breslauer und Wiener werden [VI] als Schöpfer ansehnlicher Feldharnische genannt. Die Neigung des Kurfürsten galt mehr als dem Kriegshandwerk dem edlen Waidwerk. Er konnte, auf dessen Bildnissen fast nie die riesige Rüde mit dem gewaltigen, initialengeschmückten Halsband fehlt, für die Ausstattung des Jagdgerätes nicht genug tun. So rückten die Büchsenmacher, Schloßschmiede und Schäfter in die ersten Reihen der bevorzugten Lieferanten vor. Von Hans Stockmann, Simon Helbig, Georg Geißler, Gottfried Hahn, Nikolaus Fichtner und anderen besitzt die Gewehrgalerie ausgezeichnete Büchsen; die Wirsing, Örtel, Herold, Rewer führen diese Linie ins Barock und Rokoko, in die Periode der Steinschloßflinten weiter. Als Armbrustmacher standen die Mitglieder der Familie Haenisch allen anderen voran; mehr als dreiundeinhalb Jahrhunderte haben sie im unmittelbaren Dienst des sächsischen Hofes, als Schäfter, Büchsenmeister, Pfleger der Jagdkammer und nachmals Inspektoren der Gewehrgalerie den Wettinern treue Dienste geleistet. Johann Georg II. trat mit allerhand eigenhändigen Elfenbeinschnitzereien als praktischer Kunstfreund in die Fußstapfen seines Ahnherrn August; die Jagdhörner, die aus seiner Werkstatt hervorgingen, bekunden neben reifem technischen Können einen sichern Geschmack. Ein neues Inventar der Rüstkammer wurde auf seinen Befehl begonnen, aber erst sein Nachfolger Johann Georg III., der Türkensieger, ließ, wohl nach seiner Heimkehr von Wien 1683, die Arbeiten neu aufnehmen, die noch vor seinem Eintritte in den Feldzug gegen Frankreich zu einem Abschluß gediehen. Wieder ist es ein Schleinitz, der Oberstallmeister Johann Georgs, der das mühsame Werk mit seinem Namen zeichnen darf. Auf 2874 Folioseiten, in zwei monumentalen Bänden, deren schwere, mit reicher Blindpressung verzierte, schweinslederne Deckel Beschläge und Schließen von graviertem Messing tragen, sind die Bestände von 27 Gemächern und Kammern des großen reißigen Stalles von der fleißigen Hand des Rüstkammerschreibers Christian Hader aufs sorgfältigste beschrieben. Wenn sich alle diese Notizen, auch bis ins Einzelne, oft Wort für Wort, den älteren Inventaren anschließen, so bleibt doch der Wert dieses Inventars als der letzten, einheitlichen und umfassenden Quelle über die Gesamtheit der älteren Tradition ungeschmälert.

Was an kostbaren Waffen unter August dem Starken, dem kleineren Roi Soleil des europäischen Ostens, dem kurfürstlich-königlichen Besitz zuwuchs, wiegt im Vergleich zu dem, was seine weit weniger großzügigen Vorgänger erworben hatten, nur allzuleicht. Auch die Inventare lassen erkennen, wie Geschmack und Kunstliebe damals den Schwerpunkt der Neuerwerbungen von der Rüstkammer nach der Sammlung der Gemälde und der Kostbarkeiten verschob. Der Plan einer Organisation des gesamten fürstlichen Besitzes fand durch die Errichtung des Zwingers erst seine notwendige räumliche Grundlage. Die Rüstkammer mußte der Gemäldegalerie weichen; während diese in den ersten Stock des Stallgebäudes einzog, um bald nach einem Umbau des Hauses auch das Obergeschoß mit für ihre Schätze heranzuziehen, fanden die Waffen in dem benachbarten Eckhaus von Schösser- und Sporergasse, in drei Stockwerken, nur ein dürftiges Unterkommen. Kurz vorher in den Jahren 1716, 1717 und 1720 waren die Inventare der Kammern revidiert und teilweise neu aufgestellt worden. Jetzt verging mehr als ein halbes Jahrhundert, ehe man sich entschloß, das unübersichtliche Vielerlei, das die engen Räume und Gänge des alten Patrizierhauses füllte, wieder einmal etwas genauer durchzumustern. Erst in den Jahren 1783 und 1784, als Friedrich August III. der letzte Kurfürst von Sachsen war, begannen die Rüstkammerschreiber einige Sondergruppen aus dem großen Gebiete der Waffen und Inventionen neu zu behandeln. Aber schon waren viele Stücke der Vergänglichkeit und dem wandelbaren Geschmack zum Opfer gefallen; in den Inventaren häufen sich die Abschreibungen, sei es, daß ältere Stücke zum Verkauf kamen, sei es, daß sie als Geschenke an Mitglieder des Hofes, Sammler und andere abwanderten. Immer mehr schmolzen die Bestände zusammen; auch das Zeughaus nahm an der Plünderung der Rüstkammer redlich teil. Nachdem Sachsen die Wirren der napoleonischen Kriege überstanden hatte, begann die Sisyphusarbeit der Inventarisation von neuem; auch diese Reihe von 1821 ist Stückwerk geblieben, und ihre Verfertiger beschränkten sich auf trockene Wiederholung der älteren Beschreibungen, ohne den Dingen selbst und ihrem Wert irgendwie näher zu kommen. Es war der politischen Bewegung vorbehalten, die zur Einführung der staatlichen Verfassung in Sachsen führte, den immer mehr versandenden [VII] Strom des königlichen Kunstbesitzes in ein neues Fahrwasser zu lenken. Zu einem Teil des Hausfideikommiß erklärt, siedelte die Rüstkammer 1832 in die nordwestlichen Galerien des Zwingers über, und feierte hier, zum „Historischen Museum“ erhoben, eine von allen Altertumsfreunden lebhaft begrüßte Auferstehung. Wie Johann Gottlob von Quandt in dem Vorwort seiner, 1834 erschienenen „Andeutungen für Beschauer des historischen Museums“ ausführt, konnte als Grundgedanke der Neuordnung, wie sie die durchaus eigenartigen Raumverhältnisse des Zwingers forderten, nur der historische in Frage kommen. Die Reste der Kunstkammer, Möbel, Instrumente, Gläser, fürstlicher Hausrat, die 1831 bei der Auflösung dieser Sammlung, der Keimzelle der sächsischen Kunstmuseen, keine der neugegründeten Sammlungen aufgenommen hatte, wurden nun mit der Rüstkammer vereinigt. „Es blieb also nichts übrig, als aus diesen widerstrebenden Teilen ein geschichtliches Sittengemälde zu bilden“: mit diesen Worten Quandts, der selbst die Aufstellung im Zwinger mitgeleitet hatte, ist auch die Auffassung gekennzeichnet, die in den neuen 1836–1838 bearbeiteten Inventaren dieses Museums von Waffen, Reitzeug, Kostümen und kunsthandwerklichen und völkerkundlichen Gegenständen der verschiedensten Art lebt. Daß aber Turnier-, Schlachten- und Paradesaal, wie die romantische Phantasie jener Geschichtsfreunde die drei Hauptgalerien des neuen Museums getauft hatte, nur als äußerliche, gleichsam dekorative Kategorien der waffenkundlichen Hauptgruppen gelten konnten, wurde auch in der Folge den Hütern dieser Sammlung noch lange nicht bewußt. Denn mit der Rückführung des Museums in das ehemalige Stallgebäude, das zu diesem Zweck umgebaut und nach dem, jüngst verstorbenen König Johann „Johanneum“ getauft worden war, zogen auch diese Schemen in das alte Haus mit hinüber. Noch Albert Erbstein, dem wir den ersten wissenschaftlichen Führer 1889 verdanken, hatte sich mit ihnen herumzuschlagen, und Max von Ehrenthal machte, durch Einrichtung eines Fußturnierwaffensaales, neben dem Turnierwaffensaal, und eines Saales mittelalterlicher Waffen, dessen Inhalt bis tief ins 16. Jahrhundert reichte, die Unklarheit nicht besser. Umso schwerer wiegt, als Ergebnis fleißiger Quellenforschung, sein 1896 zum ersten Male erschienener Führer. Wenn auch manche seiner Angaben, dank der inzwischen gewonnenen gründlicheren Kenntnis der Archivalien und der Vertiefung und Klärung der geschichtlichen Waffenkunde als selbständiger wissenschaftlicher Disziplin überhaupt, heute der Kritik nicht mehr standhalten, so mußte er doch (3. Aufl. 1899 zitiert als FHM.) auch an dieser Stelle, als bisher einzige weiter verbreitete Publikation über die Rüstkammer, zum Ausgangspunkt der Beschreibungen genommen werden.

*     *     *

In diesem Werke ist zum ersten Male der Versuch gemacht, die hervorragendsten Stücke der Kursächsischen Rüstkammer nicht nur im Bilde darzustellen, sondern sie als Dokumente ihrer Zeit aus dem Zusammenhange ihrer geschichtlichen und künstlerischen Entstehungsvorgänge und Werte sinnfällig und begreifbar zu machen. Es wurde zu diesem Zwecke jeweils die älteste vorhandene Quelle, das ist die erste Beschreibung des Inventars, in möglichst vollem Umfange wiedergegeben; nach der Beschreibung, die den Bildeindruck zu verschärfen und wo nötig zu erweitern bestrebt ist, bilden die Worte des einstigen Rüstkammerschreibers die Grundlage eines Textes, der die Herkunft des Werkes zu bestimmen und seine Bedeutung innerhalb der einschlägigen stilistischen, technischen und zweckgeschichtlichen Entwicklungsphase klarzustellen sucht. Der Reichtum des Vorhandenen machte eine Auswahl nötig, von den wertvolleren Stücken brauchte indessen keines übergangen zu werden. Der Kreis, den sie bilden, ist weit gespannt: er schließt den Ernst des Krieges, Blut und Nerv des Kämpfers, die stolze Freude an Schmuck und jeglicher Schönheit des sinnlich Beglückenden, Waffenspiel und Tand, Jagd und Rossespflege in sich ein. Durch mehr als drei Jahrhunderte wallt der prächtige Zug; wie er verrauscht, hat sich der Kampf schon längst neue Werkzeuge geschaffen, die das Schicksal der Völker auf ihre Weise entscheiden. Ihre Gewalt hängt über uns Allen, heute drohender, gebietender als je. Aus ferner Vergangenheit funkelt, durch die Wolken der grauen Gegenwart, das Geschöpf einer froheren und helleren Menschheit, die kostbare Waffe.

[VIII]
INHALT
1. Harnische Tafel 1–25
2. Harnischteile und Schilde Tafel 26–37
3. Handwaffen Tafel 38–67
4. Stangenwaffen Tafel 68–70
5. Schlagwaffen Tafel 71–72
6. Feuerwaffen und Zubehör   Tafel 73–74
7. Jagdwaffen Tafel 75–79
Degentaschen Tafel 80


Tafel 1 Feldharnisch Herzog Heinrichs des Frommen von Sachsen (1473–1541)
Tafel 2 Feldharnisch des Kurfürsten Moritz von Sachsen (1521–1553) von Matthäus Frauenpreis d. Ä. Augsburg
Tafel 3 a. Trabharnisch des Kurfürst August von Sachsen (1526–1586) von Peter von Speier d. Ä. 1546
b. Trabharnisch des Kurfürst August von Sachsen (1526–1586) von Wolf von Speier. Um 1567
Tafel 4 Feldharnisch des Kurfürst Moritz von Sachsen (1521–1553)
Tafel 5 Feldharnisch des Herzogs (Kurfürst) August von Sachsen (1526–1586)
Tafel 6 a. Halber Feldharnisch
B. Rennzeug des Kurfürst August von Sachsen (1526–1586)
Tafel 7 Harnisch für das Realgestech
Tafel 8 Prunkharnisch des Herzogs Johann Wilhelm von Weimar (1530–1573)
Tafel 9 Sächsische Turnierharnische (Rennzeuge) um 1580–1590
Tafel 10 Turnierharnisch Kurfürst Christians I. von Sachsen (1560–1591)
Tafel 11 Prunkharnisch des Kurfürst Christian I. von Sachsen (1560–1591)
Tafel 12 Prunkharnisch für Mann und Ross des Kurfürst Christian I. von Sachsen (1560–1591) von Anton Pfeffenhauser, Augsburg
Tafel 13 a. Halber Harnisch des Kurfürst Christian II. von Sachsen (1583–1611)
b. Fussturnierharnisch des Kurfürst Christian I. von Sachsen (1560–1591)
Tafel 14 Silberner Halbharnisch des Kurfürst Christian I. von Sachsen (1560–1591)
Tafel 15 Prunkharnisch des Kurfürst Christian II. von Sachsen (1583–1611)
Tafel 16 Prunkharnisch des Kurfürst Christian II. von Sachsen (1583–1611) von Heinrich Knopf, Nürnberg, 1606
Tafel 17 Prunkharnisch des Herzogs Johann Georg (I.) von Sachsen (1585–1656) von Heinrich Knopf, Nürnberg, 1604
Tafel 18 a. Trabharnisch des Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen (1585–1656)
b. Fussturnierharnisch des Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen (1585–1656)
Tafel 19 Prachtharnisch des Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen (1585–1656) von Hieronymus Ringler, Augsburg, 1622
Tafel 20 Kinderharnische Sächsischer Prinzen
Tafel 21 Feldharnisch des Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen (1613–1680)
Tafel 22 Feldharnisch des Oberlandbaumeisters Wolf Caspar von Klengel (1630–1691)
Tafel 23 b. Prunkkürass des Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen (1613–1680) zum Kostüm des Hosenbandordens
b. Fussturnierharnisch des Herzog Johann Georgs (III.) von Sachsen (1647-1691).
Tafel 24 a. u. b. Korazine des Kurfürsten August von Sachsen (1526–1586)
Tafel 25 Panzerzeug des Kurfürst August von Sachsen (1526–1586)
Tafel 26 a. Helm zu einem Harnisch Kaiser Ferdinands I. (1503–1564) von Wilhelm von Worms
b. Rundschild
Tafel 27 Prunkschild und Helm von Lucio Piccinino, Mailand
Tafel 28 Prunkschild und Sturmhaube um 1580
Tafel 29 Rundschild und Schützenhaube
Tafel 30 Prunkhelm (Sturmhaube)
Tafel 31 Prunkschild und Morion Kurfürst Christians I. von Sachsen (1560–1591)
Tafel 32 Sturmhaube des Augsburger Prunkharnischs von 1599
Tafel 33 Prunkschild und Sturmhaube
Tafel 34 Trabantenhelme der Zeit Kurfürst Christians II. von Sachsen (Reg. 1591–1611)
Tafel 35 Sturmhaube und Morion
Tafel 36 Sturmhaube – Rossstirn – Harnischkragen
Tafel 37 Rundschilde
Tafel 38 Schwerter des Mittelalters
Tafel 39 Schwerter des ausgehenden Mittelalters
Tafel 40 a. Kurschwert Friedrichs des Streitbaren von Sachsen (1425)
b. Kurschwert des Kurfürst Moritz von Sachsen (1547)
Tafel 41 Kurschwert des Kurfürst August (1566)
Tafel 42 Prunkschwerter und Dolch des Kurfürst August (1520–1586)
Tafel 43 Prunkschwerter und Dolche des Kurfürst August (1526–1586)
Tafel 44 Rapiere mit tauschierten Gefässen
Tafel 45 Rapiere und Dolche mit Gefässen in Eisenschnitt
Tafel 46 Prunkdegen und Dolche mit goldenen Griffen
Tafel 47 Rapier Kurfürst Christians I. (1560–1591) 1575
Tafel 48 Rapier mit goldemailliertem Griff des Kurfürst August 1575
Tafel 49 Dolche mit goldemaillierten Griffen
Tafel 50 Prunkrapiere
Tafel 51 Prunkrapiere
Tafel 52 Säbel (Dussäggen)
Tafel 53 Rapiere und Dussägge
Tafel 54 Rapiere mit tauschierten Gefässen
Tafel 55 Rapiere mit tauschierten Gefässen
Tafel 56 Rapiere mit eisengeschnittenen Gefässen von Othmar Wetter, Dresden
Tafel 57 Prunkrapiere mit silbernen und eisengeschnittenen Gefässen
Tafel 58 Reitschwerter vom Ende des 16. Jahrhunderts
Tafel 59 Prunkschwerter des 17. Jahrhunderts
Tafel 60 Rapiere mit Gefässen in Eisenschnitt
Tafel 61 Prunkwaffengarnitur Kurfürst Christians II. (1583–1611) von Johann Michael Prag 1612
Tafel 62 Prunksäbel
Tafel 63 Degen des 18. Jahrhunderts
Tafel 64 Orientalische Säbel
Tafel 65 Degen des 18. Jahrhunderts
Tafel 66 Geweihtes Schwert Papst Benedikts XIII. 1725
Tafel 67 Dolche
Tafel 68 Kursächsische Partisanen und Gläfe des 16. Jahrhunderts
Tafel 69 Kursächsische Helmbarten und Menschenfänger des 16. Jahrhunderts
Tafel 70 Sächsische Partisanen
Tafel 71 Streithacken und Hämmer
Tafel 72 Streitbeile, Faustkolben und Bergbarte
Tafel 73 Faustrohre des 16. und 17. Jahrhunderts
Tafel 74 Pulverflaschen und Patronenbüchsen
Tafel 75 Armbrüste und Jagdtaschen
Tafel 76 Kredenzmesser, Armbrust und Bolzenkasten
Tafel 77 Jagdwaffen
Tafel 78 Jagdwaffengarnitur Kurfürst Christians II. (1583–1611) 1608
Tafel 79 Jagdwaffen
Tafel 80 Degentaschen und Wehrgehänge des 17. Jahrhunderts

Druckfehlerberichtigung

[Ξ]

Druck des Textes von Poeschel & Trepte, Leipzig,
der Tafeln von Kunstanstalt Stengel & Co., G. m. b. H., Dresden,
Einband von H. Sperling nach Entwurf von
Erich Gruner, Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Christan