Haenel Kostbare Waffen/Tafel 9

Tafel 8 Kostbare Waffen aus der Dresdner Rüstkammer (1923) von Erich Haenel
Tafel 9
Tafel 10
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TAFEL 9
SÄCHSISCHE
TURNIERHARNISCHE (RENNZEUGE)
UM 1580–1590
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[18] Blank. – Kragen 2mal geschoben, breite Brust mit leichtem Gansbauch, je einem Bauch- und Gesäßreifen, 5mal geschobenen Beintaschen. Achseln 8mal geschoben, mit breiten Hinterflügen, Armkacheln mit ganzen Muscheln, rechts Handschuh mit geschobenen Fingern, links Henze. Der Harnisch a hat daneben links ein kleines Stechmäusel, sowie eine große Stechachsel oder Tartsche, die mit einer Flügelschraube durch den Bart an der Brust befestigt ist, während Harnisch b zu dem großen Stechmäusel nur eine kleine Stechachsel trägt, die sich der Linie des Bartes anschließt. Ganzes Beinzeug, bestehend aus einmal geschobenen Diechlingen, 4mal geschobenen Kniebuckeln, geschlossenen Beinröhren, Schuhen mit Rüst-, Ballen- und Knöchelgeschübe. Rennhut mit steilem Kamm, Stirnstulp, ganzem Bart, mit leichtem Brechrand und Luftgebe, der außer an der Brust an der Stirn, unter dem Sehschlitz, angeschraubt ist. Ein starker Bügel greift hinten um den Kamm, legt sich um den Nackenschutz und ist am Rücken verschraubt. Der gezackte Rand zum Anlegen der Rennstange an der rechten Brust, gleichfalls mit Schrauben verstellbar, steigt bei a auf, während er bei b abgesenkt ist. Der Stachel an der Tartsche bei a mag in erster Linie zum Abfangen des gegnerischen Stoßes gedient haben.

Diese Zeuge sind nicht individuell in den Inventaren nachzuweisen, da sie im 16. und 17. Jahrhundert in außerordentlich großer Zahl in der Rüstkammer vertreten waren, wovon jetzt noch 29 blanke wie schwarze im Besitz des Museums sind. Sie zeigen im wesentlichen Abwandlungen eines Haupttypus (ganzes und halbes Beinzeug, verschiedene Größen der Tartsche und des Bartes) und dürften meist Arbeiten der Annaberger Plattner Wolf und Peter von Speier und des Dresdners Wolf Beppighorn sein. Im Inventar von 1606 werden u. a. folgende Arten Harnische genannt: Ballien Küris, Frey Turnier Küris, Harnisch zum Fußturnier, Küris zum Fußturnier, Rennzeug, Stechzeug, Harnisch zum Frey Rennen, Feldharnisch, Trabharnisch. Bei den vorliegenden Typen wird in der Regel ein Ballien- und ein Freiturnierharnisch als ein Paar, d. h. wohl als Ergänzungsteile einer vollständigen Renngarnitur, unter einer Nummer zusammengefaßt; z. B.

Inventar 1606, S. 204. Zweenn eisenfarben Kuris, welche Stellanußen von Holzendorff seind geschlagen wordenn, einer zur Ballien, der ander zum Frey Turnier gehörigk, Zum Ballienküris ist Rücken und Brust, Kragen, Spangeröl armzeugk, Handschuch, Kurze Beindäschlin, Lange Kniebuckeln, Armschifftung, Achselstück, ein Schildt, Barth, Huet, Kleine Armschifftung, Zwo Brechscheiben, eine Roßstirne.
Zum Frey Turnier Küris gehören Rücken, Brust, Kragen, Spangeröl, Armbzeugk, Fingerhandschuch, Kurze Beindaschlein, ein geschlossen Helmlin, mit einem Barth, eine Schlagkhauben mit einem Barth, zwo Brechscheiben, eine Roßstirne.

Der Unterschied ist also im wesentlichen der: der Ballienküriß, d. h. der Turnierharnisch zum Stechen über die Planke (paille, pallia, deutsch: das Dill) war ein ganzer Harnisch mit einem Rennhut, während der einfache Turnierharnisch, d. h. das Rennzeug, nur ein halber Harnisch, ohne Beinzeug, war, dem ein geschloßner Helm oder ein offner, wobei mehr an eine Art Sturmhaube zu denken ist, zugehörten, je nach der Bestimmung des Turniers. Der Ausdruck „welsches Gestech“, den Leitner (Freydal S. XXXVII) für das Gestech über die Planke gebraucht, kommt in den früheren Dresdner Inventaren nicht vor, wird hier durch „Ballienrennen“ ersetzt. Die Unterscheidung im Dresdner Führer, S. 43, ist darum gerade hier sprachlich nicht angebracht, trägt auch den Tatsachen, soweit man versucht, die obengenannten Merkmale bei den zwei Haupttypen festzustellen, nirgends Rechnung. Wir müssen uns damit begnügen, wie ich schon an andrer Stelle andeutete (Der sächsischen Kurfürsten Turnierbücher, S. 7) eine gewisse Abwandelung der maximilianischen, gleichsam klassischen Typen am sächsischen Hofe zu erkennen. Der Sprachgebrauch der späteren Rüstkammerschreiber ist von Widersprüchen, Verallgemeinerungen, Abschwächungen keineswegs frei; das erwünschte Ziel, eine genaue Systematik der in Sachsen um die Zeit von 1550–1630 vorkommenden Harnischarten danach zu schaffen, wird ewig unerreicht bleiben. – (FHM. C 22 flg.)