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seiner Residenz zu erhalten. Wie der große Krieg über Deutschland hinwegbrauste, war die Rüstkammer in ihrem Werdegang von rund anderthalb Jahrhunderten im wesentlichen abgeschlossen. Was die Nachfolger, selbst August der Starke, für sie taten, vermochte nicht die Lücken zu füllen, die nun schon die Not der Zeit, mangelhafte Pflege, Verständnislosigkeit gegenüber ehrwürdigem Altersrost in die Bestände rissen. Als die Rüstkammer im Jahre 1722 ihr altes Heim verließ, um das folgende Jahrhundert in dem düstern Boseschen Hause der Schössergasse zu verträumen, war sie kaum noch ein Schatten ihres einstigen Selbst. Und auch ihre Wiederaufrichtung im Zwinger wurde nur mit bedeutenden Einbußen an älteren, nicht mehr völlig unversehrten Stücken erkauft. Erst seit ihrer Rückkehr in ihren Ursprungssitz ward man sich ihrer Werte neu bewußt: die Wissenschaft wandte ihr wachsende Teilnahme zu, und heute wird niemand widersprechen, wenn man sie die schönste Sammlung kostbarer Waffen auf deutschem Boden nennt.

Als Christian I. wenige Monate nach seiner Thronbesteigung dem Zeug- und Baumeister Paul Buchner aus Nürnberg den Auftrag gab, südöstlich vom Schlosse, nach dem Gottesacker der Frauenkirche und dem Jüdenhofe zu, einen Prachtbau für den Marstall zu errichten, bestimmte er die oberen Stockwerke des neuen Hauses zur Aufnahme der kurfürstlichen Rüstkammer. Damit fand nicht nur der enge sachliche Zusammenhang zwischen Reitwesen und Brauch und Spiel der Waffen sinngemäßen Ausdruck, sondern auch die Wertschätzung, die man diesem Teil des Hausbesitzes entgegenbrachte, der neben der Silberkammer die älteste administrative Einheit darin darstellte. Schon Herzog Georg der Bärtige hatte 1539 seinen Amtmann Hans von Dehn-Rothfelser zum Rüst- und Harnischmeister ernannt. Bis zu seinem Tode hat dieser, der als Verwaltungsbeamter, Forstmann und Intendant der Bauten unter Moritz und August eine umfangreiche Tätigkeit ausübte, an der Spitze der Kammer gestanden. An seine Person knüpft das erste Inventar an: es meldet 1561 von allerhand Stücken zur Turnierausrüstung, die der eben Verstorbene in Verwahrung gehabt hatte. Als Plattner, die an der Kammer angestellt waren, finden wir um 1554 Sigmund Rockenberger von Wittenberg, 1558 den Bayern Hans Rosenberger; von beiden besitzt die Sammlung noch heute Rennzeuge. Daneben war in Hans Schukoffski und Hans Leuthner, den die Dokumente „den Pollack“ nennen, der Einschlag aus dem Osten vertreten, ohne den die formale wie die technische Entwicklung der Waffe in jener Zeit undenkbar ist. Der volle Bestand der Rüstkammer tritt uns zuerst in den Inventaren von 1567 und 1568 entgegen. Das erstere, von Hans von Auerswalde und Hans Jenitz, dem vielgewandten Kammersekretär, aufgestellt, unterscheidet deutlich den wirklichen Stall, wo neben den Rossen selbst die aus Sturmhaube, Rüstung, Büchse, Schwert und Dolch bestehende Ausstattung der Knechte aufbewahrt wird, den Geschirrstall und die eigentliche „Rüstkammer und Wehren, so Wolf Zahn in Verwahrung hat“. Hier sind, in sechzig Gruppen verteilt, Blankwaffen, wie Sau- und Reitschwerter, Rapiere, Degen, Dussäggen, Säbel, Dolche, Waidmesser, Plötzen, Dreiecker, Schlachtschwerter, Sägeschwerter, dann Feuerwaffen aller Art, Schilde und Helme, weiter Stangenwaffen, Bären- und Sauspieße, Schefflin, Partisanen und dergleichen, auch Armbrüste, Faustkolben, Flegel und Schieferhämmer, endlich, als wichtigste Gruppe, Harnische aller Art, Ballienkürasse, schwarze und blanke, gereifte Harnische, Spießer- und Trabharnische, viele davon auf hölzernen Pferden, Panzerzeug, Sättel, Roßstirnen, insgesamt an die anderthalbtausend Stück. Etwa 70 davon sind heute noch in der Sammlung nachweisbar. Ein Jahr später werden 61 Renn- und Stechzeuge der „Neuen Rüst- und Harnischkammer“ nebst zahlreichen Einzelstücken, wie sie zum Turnieren gehören, von Heinrich von Schönberg und dem Sekretar Valerius Cracau inventarisiert: es handelt sich hier wohl um jene Harnische, die ausschließlich beim Waffenspiel, und nicht, wie die im Stall, auch im Kriege getragen wurden. Damals begann Wolf von Speier, der Sohn Peters, der noch unter Georg seine Plattnerwerkstatt in Annaberg gegründet hatte, für den Hof zu arbeiten. 1576 wurde er Hofplattner in Dresden, zugleich mit Hans Feil dem Büchsenmeister. Die Besoldungen waren nicht allzu reichlich: im 3. Quartal 1586 z. B. wurden „denen in der Harnisch- und Rüstkammer“ 88 fl. 17 gr., den Zeug- und Büchsenmeistern 591 fl. 13 gr. ausgezahlt, während schon im 1. und 2. Quartal 1584 die Rentkammer 7978 fl. 1 gr. 10 Pf. für Kleidung und Seidenware, 29 343 fl. 15 gr, 55 Pf. für Ketten, Kleinode und Silbergeschirr

Empfohlene Zitierweise:
Erich Haenel: Kostbare Waffen aus der Dresdner Rüstkammer. Karl W. Hiersemann, Leipzig 1923, Seite V. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Haenel_Kostbare_Waffen.pdf/5&oldid=- (Version vom 6.1.2019)