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als Schöpfer ansehnlicher Feldharnische genannt. Die Neigung des Kurfürsten galt mehr als dem Kriegshandwerk dem edlen Waidwerk. Er konnte, auf dessen Bildnissen fast nie die riesige Rüde mit dem gewaltigen, initialengeschmückten Halsband fehlt, für die Ausstattung des Jagdgerätes nicht genug tun. So rückten die Büchsenmacher, Schloßschmiede und Schäfter in die ersten Reihen der bevorzugten Lieferanten vor. Von Hans Stockmann, Simon Helbig, Georg Geißler, Gottfried Hahn, Nikolaus Fichtner und anderen besitzt die Gewehrgalerie ausgezeichnete Büchsen; die Wirsing, Örtel, Herold, Rewer führen diese Linie ins Barock und Rokoko, in die Periode der Steinschloßflinten weiter. Als Armbrustmacher standen die Mitglieder der Familie Haenisch allen anderen voran; mehr als dreiundeinhalb Jahrhunderte haben sie im unmittelbaren Dienst des sächsischen Hofes, als Schäfter, Büchsenmeister, Pfleger der Jagdkammer und nachmals Inspektoren der Gewehrgalerie den Wettinern treue Dienste geleistet. Johann Georg II. trat mit allerhand eigenhändigen Elfenbeinschnitzereien als praktischer Kunstfreund in die Fußstapfen seines Ahnherrn August; die Jagdhörner, die aus seiner Werkstatt hervorgingen, bekunden neben reifem technischen Können einen sichern Geschmack. Ein neues Inventar der Rüstkammer wurde auf seinen Befehl begonnen, aber erst sein Nachfolger Johann Georg III., der Türkensieger, ließ, wohl nach seiner Heimkehr von Wien 1683, die Arbeiten neu aufnehmen, die noch vor seinem Eintritte in den Feldzug gegen Frankreich zu einem Abschluß gediehen. Wieder ist es ein Schleinitz, der Oberstallmeister Johann Georgs, der das mühsame Werk mit seinem Namen zeichnen darf. Auf 2874 Folioseiten, in zwei monumentalen Bänden, deren schwere, mit reicher Blindpressung verzierte, schweinslederne Deckel Beschläge und Schließen von graviertem Messing tragen, sind die Bestände von 27 Gemächern und Kammern des großen reißigen Stalles von der fleißigen Hand des Rüstkammerschreibers Christian Hader aufs sorgfältigste beschrieben. Wenn sich alle diese Notizen, auch bis ins Einzelne, oft Wort für Wort, den älteren Inventaren anschließen, so bleibt doch der Wert dieses Inventars als der letzten, einheitlichen und umfassenden Quelle über die Gesamtheit der älteren Tradition ungeschmälert.

Was an kostbaren Waffen unter August dem Starken, dem kleineren Roi Soleil des europäischen Ostens, dem kurfürstlich-königlichen Besitz zuwuchs, wiegt im Vergleich zu dem, was seine weit weniger großzügigen Vorgänger erworben hatten, nur allzuleicht. Auch die Inventare lassen erkennen, wie Geschmack und Kunstliebe damals den Schwerpunkt der Neuerwerbungen von der Rüstkammer nach der Sammlung der Gemälde und der Kostbarkeiten verschob. Der Plan einer Organisation des gesamten fürstlichen Besitzes fand durch die Errichtung des Zwingers erst seine notwendige räumliche Grundlage. Die Rüstkammer mußte der Gemäldegalerie weichen; während diese in den ersten Stock des Stallgebäudes einzog, um bald nach einem Umbau des Hauses auch das Obergeschoß mit für ihre Schätze heranzuziehen, fanden die Waffen in dem benachbarten Eckhaus von Schösser- und Sporergasse, in drei Stockwerken, nur ein dürftiges Unterkommen. Kurz vorher in den Jahren 1716, 1717 und 1720 waren die Inventare der Kammern revidiert und teilweise neu aufgestellt worden. Jetzt verging mehr als ein halbes Jahrhundert, ehe man sich entschloß, das unübersichtliche Vielerlei, das die engen Räume und Gänge des alten Patrizierhauses füllte, wieder einmal etwas genauer durchzumustern. Erst in den Jahren 1783 und 1784, als Friedrich August III. der letzte Kurfürst von Sachsen war, begannen die Rüstkammerschreiber einige Sondergruppen aus dem großen Gebiete der Waffen und Inventionen neu zu behandeln. Aber schon waren viele Stücke der Vergänglichkeit und dem wandelbaren Geschmack zum Opfer gefallen; in den Inventaren häufen sich die Abschreibungen, sei es, daß ältere Stücke zum Verkauf kamen, sei es, daß sie als Geschenke an Mitglieder des Hofes, Sammler und andere abwanderten. Immer mehr schmolzen die Bestände zusammen; auch das Zeughaus nahm an der Plünderung der Rüstkammer redlich teil. Nachdem Sachsen die Wirren der napoleonischen Kriege überstanden hatte, begann die Sisyphusarbeit der Inventarisation von neuem; auch diese Reihe von 1821 ist Stückwerk geblieben, und ihre Verfertiger beschränkten sich auf trockene Wiederholung der älteren Beschreibungen, ohne den Dingen selbst und ihrem Wert irgendwie näher zu kommen. Es war der politischen Bewegung vorbehalten, die zur Einführung der staatlichen Verfassung in Sachsen führte, den immer mehr versandenden

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Erich Haenel: Kostbare Waffen aus der Dresdner Rüstkammer. Karl W. Hiersemann, Leipzig 1923, Seite VII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Haenel_Kostbare_Waffen.pdf/7&oldid=- (Version vom 6.1.2019)