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Strom des königlichen Kunstbesitzes in ein neues Fahrwasser zu lenken. Zu einem Teil des Hausfideikommiß erklärt, siedelte die Rüstkammer 1832 in die nordwestlichen Galerien des Zwingers über, und feierte hier, zum „Historischen Museum“ erhoben, eine von allen Altertumsfreunden lebhaft begrüßte Auferstehung. Wie Johann Gottlob von Quandt in dem Vorwort seiner, 1834 erschienenen „Andeutungen für Beschauer des historischen Museums“ ausführt, konnte als Grundgedanke der Neuordnung, wie sie die durchaus eigenartigen Raumverhältnisse des Zwingers forderten, nur der historische in Frage kommen. Die Reste der Kunstkammer, Möbel, Instrumente, Gläser, fürstlicher Hausrat, die 1831 bei der Auflösung dieser Sammlung, der Keimzelle der sächsischen Kunstmuseen, keine der neugegründeten Sammlungen aufgenommen hatte, wurden nun mit der Rüstkammer vereinigt. „Es blieb also nichts übrig, als aus diesen widerstrebenden Teilen ein geschichtliches Sittengemälde zu bilden“: mit diesen Worten Quandts, der selbst die Aufstellung im Zwinger mitgeleitet hatte, ist auch die Auffassung gekennzeichnet, die in den neuen 1836–1838 bearbeiteten Inventaren dieses Museums von Waffen, Reitzeug, Kostümen und kunsthandwerklichen und völkerkundlichen Gegenständen der verschiedensten Art lebt. Daß aber Turnier-, Schlachten- und Paradesaal, wie die romantische Phantasie jener Geschichtsfreunde die drei Hauptgalerien des neuen Museums getauft hatte, nur als äußerliche, gleichsam dekorative Kategorien der waffenkundlichen Hauptgruppen gelten konnten, wurde auch in der Folge den Hütern dieser Sammlung noch lange nicht bewußt. Denn mit der Rückführung des Museums in das ehemalige Stallgebäude, das zu diesem Zweck umgebaut und nach dem, jüngst verstorbenen König Johann „Johanneum“ getauft worden war, zogen auch diese Schemen in das alte Haus mit hinüber. Noch Albert Erbstein, dem wir den ersten wissenschaftlichen Führer 1889 verdanken, hatte sich mit ihnen herumzuschlagen, und Max von Ehrenthal machte, durch Einrichtung eines Fußturnierwaffensaales, neben dem Turnierwaffensaal, und eines Saales mittelalterlicher Waffen, dessen Inhalt bis tief ins 16. Jahrhundert reichte, die Unklarheit nicht besser. Umso schwerer wiegt, als Ergebnis fleißiger Quellenforschung, sein 1896 zum ersten Male erschienener Führer. Wenn auch manche seiner Angaben, dank der inzwischen gewonnenen gründlicheren Kenntnis der Archivalien und der Vertiefung und Klärung der geschichtlichen Waffenkunde als selbständiger wissenschaftlicher Disziplin überhaupt, heute der Kritik nicht mehr standhalten, so mußte er doch (3. Aufl. 1899 zitiert als FHM.) auch an dieser Stelle, als bisher einzige weiter verbreitete Publikation über die Rüstkammer, zum Ausgangspunkt der Beschreibungen genommen werden.

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In diesem Werke ist zum ersten Male der Versuch gemacht, die hervorragendsten Stücke der Kursächsischen Rüstkammer nicht nur im Bilde darzustellen, sondern sie als Dokumente ihrer Zeit aus dem Zusammenhange ihrer geschichtlichen und künstlerischen Entstehungsvorgänge und Werte sinnfällig und begreifbar zu machen. Es wurde zu diesem Zwecke jeweils die älteste vorhandene Quelle, das ist die erste Beschreibung des Inventars, in möglichst vollem Umfange wiedergegeben; nach der Beschreibung, die den Bildeindruck zu verschärfen und wo nötig zu erweitern bestrebt ist, bilden die Worte des einstigen Rüstkammerschreibers die Grundlage eines Textes, der die Herkunft des Werkes zu bestimmen und seine Bedeutung innerhalb der einschlägigen stilistischen, technischen und zweckgeschichtlichen Entwicklungsphase klarzustellen sucht. Der Reichtum des Vorhandenen machte eine Auswahl nötig, von den wertvolleren Stücken brauchte indessen keines übergangen zu werden. Der Kreis, den sie bilden, ist weit gespannt: er schließt den Ernst des Krieges, Blut und Nerv des Kämpfers, die stolze Freude an Schmuck und jeglicher Schönheit des sinnlich Beglückenden, Waffenspiel und Tand, Jagd und Rossespflege in sich ein. Durch mehr als drei Jahrhunderte wallt der prächtige Zug; wie er verrauscht, hat sich der Kampf schon längst neue Werkzeuge geschaffen, die das Schicksal der Völker auf ihre Weise entscheiden. Ihre Gewalt hängt über uns Allen, heute drohender, gebietender als je. Aus ferner Vergangenheit funkelt, durch die Wolken der grauen Gegenwart, das Geschöpf einer froheren und helleren Menschheit, die kostbare Waffe.

Empfohlene Zitierweise:
Erich Haenel: Kostbare Waffen aus der Dresdner Rüstkammer. Karl W. Hiersemann, Leipzig 1923, Seite VIII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Haenel_Kostbare_Waffen.pdf/8&oldid=- (Version vom 6.1.2019)