Haenel Kostbare Waffen/Tafel 67

Tafel 66 Kostbare Waffen aus der Dresdner Rüstkammer (1923) von Erich Haenel
Tafel 67
Tafel 68
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TAFEL 67
DOLCHE
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[134] a. Knauf, Eisen gebläut, oval pilzförmig gerippt mit silberner Blume auf der Angel, Gehilze mit (ehemals) Samt bezogen, die Knöpfe der Parierknebel mit graviertem Silber beschlagen. – Klinge mit steilem Grat. – Scheide, mit Besteckmesser und Pfriem; auf dem Mundblech dreimal verschlungene Hände, dazwischen zweimal in Silber, durchbrochen die Buchstaben: MTMV, von Blättern durchzogen. Bezug von Samt, Ortband mit Ring- und Blattdekor, gleichfalls von Silber.

Inventar der Rüstkammer. 1567. S. 124: Ein tolch mit einer hochgereifften klingenn, hatt ein schwarz Kreuz unnd Knopff, auch der Knopff mitt Silbernn rosen belegett hatt ein sammet hefft unnd scheidenn dorann ein Silbernn beschlege mitt drey reiffen darzwischen durchbrochenne buchstabenn, mit einer zwiefachenn Silbernn Kette, zweyenn beschlagenen besteckenn unnd einem kurz silberen orthbanndt mit laubwergk.

Ehrenthal (a. a. O. S. 101) vermutet in den Buchstaben die Devise des Herzogs Heinrichs des Jüngeren von Braunschweig († 1568) „Meine Zeit mit Unruh“ in der niederdeutschen Form: M(in) T(id) M(it) V(nruh). Doch findet sich dieser Wahlspruch nicht bei diesem Fürsten, sondern bei Heinrich dem Mittleren von Braunschweig-Lüneburg (1468–1532), der durch seine Gemahlin Margarete von Sachsen ein Schwager Friedrichs des Weisen war. Die verschlungenen Hände deuten auf eine Hochzeitsgabe oder wenigstens auf ein Geschenk zwischen Eheleute. Der gotische Einschlag der Dekoration weist auf das erste Viertel des 16. Jahrhunderts hin. (FHM. E 626.)

b. Kurzes Schwert (Ochsenzunge) Kurfürst Johann Friedrichs des Großmütigen (1503–1554). Ausstattung von vergoldetem Silber getrieben und graviert; Gehilze roter Samt. Klinge mit gebläutem, goldtauschiertem Mittelstreifen. Auf dem Mundblech der mit rotem Samt bezogenen Besteckscheide ein Medaillon mit Abigails Huldigung vor David (1. Sam. 25, 23), auf dem Ortband zwei Porträtmedaillons in Lorbeereinrahmung: Johann Friedrich und seine Gemahlin Sibylle von Cleve.

Inventar der Rüstkammer. 1567, S. 122b: Ein tolch mitt einer breittenn kling auf beidenn Seitenn mit golt auf einen braunen (!) grundt geezet, Kreuz Knopff und oderhefft mit Silber überzogenn und vergult die scheide hat ein beschlege dorauf ein rundt biltlein wie Abigail die Verehrung König Davit bringt … am orthbandt. Churfürst Johann Friedrich unnd S Churf Gemahls Contrafactur.

Die Waffe zeigt den Einfluß italienischer Vorbilder am deutlichsten in der Zeichnung der Tausia auf der Klinge und der durchaus freien und renaissancemäßig ausgeglichenen Komposition der Plakette auf dem Mundblech. Um 1530–1540. (FHM. E 619.)

c. Dolch. – Den Knauf, grau und weißer Chalcedon, bildet ein Drachenkopf, mit Augen von Rubinen in weißem Email, auf dem Hinterkopf das Medusenhaupt geschnitten. Das Gehilze, auf braunem Holz durchbrochene Auflagen von Gold, bunt emailliert mit Granaten und antiken Gemmen besetzt; auf den, ebenso durchgebildeten Knebeln je eine weibliche Halbfigur, in geschnittenem Onyx. – Krumme, glatte Klinge, oben blattförmige Auflagen, Eisen gebläut, mit Gold und Silber tauschiert, auf beiden Seiten aufgenietet. – Scheide, wie der Griff dekoriert; in den Kameen erkennt man mythologische Gestalten und Szenen: Herkules, Leda, Bacchus und Ariadne u. a.

Der Stil dieser Prunkwaffe, in dem sich orientalische Elemente mit den Formen der deutschen Hochrenaissance mischen, steht den Arbeiten des Münchners Hans Mielich nahe, der für die bayerischen Herzöge Wilhelm V. und Albrecht V. arbeitete. – Um 1550–1560.

d. Dolch. – Gefäß Eisen, geschnitten und vergoldet, mit Masken, Blattwerk und Jagdszenen. Klinge gebläut, geätzt und vergoldet: vorn Johann Georg I. zu Pferd, mit der Überschrift: IOHAN GEORG DG • DVX • SAX• und Jagdszenen; hinten Kaiser Ferdinand II.: FERDINAND. IM. DG. ROM. und ein anderer Reiter: CHVRFVRST. COLLONI• (!) dazwischen eine Schwadron Reiter und der Reichsadler. An der Angel die eingeätzte Marke, das Einhorn, des Klingenschmieds Clemens Horn von Solingen. [135]

Inv. der Churkammer 1671, Nr. 302 (S. 140): Ein Degen und Dolch mit ganz eisernen mit Löwen-Köpffen und Jagten zierlich außgehauenen und ganz vergüldeten Knöpffen Grieffen … die Klingen durchaus blau angelauffen und mit deren Herrn Churfürsten Bildnüßen zu Pferde auch derer Wapen und nahmen schön gestochen und verguldet … welche Churfürst Johann Georgen dem Ersten von dem General Wachtmeister dem Herrn von Trautzsch praesentiret worden.

Der „Degen“ (Reitschwert) entspricht in seiner Bildung bis ins einzelne dem Dolch; seine Klinge zeigt die Bildnisse des Kaisers Ferdinand III., der Könige Gustav Adolf von Schweden, Christian IV. und V. von Dänemark, Ludwig XIII. von Frankreich, Philipp IV. von Spanien, Siegismund I. von Polen, des Kurfürst Maximilian von Bayern, des Kurprinzen Johann Georg (II.) und anderer fürstlicher Zeitgenossen. Danach muß die Garnitur ungefähr um 1650 entstanden sein. (FHM. E 662.)

e. Dolch des Kurfürst August. – Griff und Scheide Silber, gegossen und getrieben. Knauf mit vier Masken, als Parierknebel Eicheln. – Auf der halbrunden Scheide Reliefdarstellungen: Aristoteles und Phyllis, die nackte Justitia mit Schwert und Wage, Ceres; am vierteiligen Ort zweimal die stehende Leda mit dem Schwan, nach dem bekannten antiken Relief, Diana und Lucretia; die flache Rückseite mit derben Weinblattranken graviert.

Inventar der Rüstkammer 1567, S. 124b: Eine kleiner kurtzer Silberner tolch mit einer Collingischen (Solingischen?) kling ist Kreuzlein Knopff und hefft alles Silber dergleichen die scheide dorauf gegossene arbeit wie die fraw denn Man gezeumett, unnd einer Nackettenn Justicia, mit zweyenn bestecken, ist des Königs zu Dennemarck gewesen.

Dies könnte Christian III., Kurfürst Augusts Schwiegervater, † 1559, oder sein Nachfolger Friedrich II. 1559–1588, sein (s. Tafel 42b, S. 84). Die Waffe gehört in die Zeit um 1550–1560, der unbeholfene Charakter der figürlichen Szenen läßt annehmen, daß sie keine deutsche, sondern vielleicht Kopenhagener Arbeit ist. (FHM. E 57.)

f. Dolch mit Springklingen (Parierdolch). – Griff Eisen, auf der Vorderseite geschnitten und mit Gold tauschiert; Dekoration von Masken und Löwenköpfen. Die Seitenklingen greifen mit Haken in einen durch einen Schieber beweglichen Riegel der Mittelklinge ein, zwei Federn, am obern Ende dieses Vierkants, drücken sie nach außen.

Inventar der Rüstkammer 1567, S. 104b: Ein schwarz Rappier . . . . sambt einem tolch mit dreyenn außschnallenden spizenn unnd Straln.

Vgl. Tafel 43b, S. 86, wo die Fächerform der Abwehrwaffe durch einfache Spaltung der Klinge erzielt wird. – Italienisch, um 1560.

g. Dolch in der Art der Schweizerdolche. – Griff von geschnittenem und poliertem Achat, mit vergoldetem Silber beschlagen. – Die Klinge zur Hälfte geätzt und vergoldet; auf der einen Seite die Inschrift: „Er macht meinne fuß gleich den hirssen unnd stelet mich auff meine höhe Psalma am XVI“, auf der andern aufsteigende Ranken und Puttenköpfe. Eingeschlagene Schmiedemarke in der Art der von Lyon. – Scheide, Silber, gegossen und vergoldet; auf der Vorderseite in durchbrochenem Relief Kampfszenen antiker Krieger, vor einem König, dem ein Knieender die Krone darbringt, in der Art des H. S. Beham. Auf der Rückseite graviert ein Putto mit Blattwerk im Stil des Meisters mit den Pferdeköpfen. – Nürnberger Beschau.

Inventar der Rüstkammer 1567, S. 123b: Ein kurtzer tolch hatt eine kling auf beidenn seiten mit guldener schriefft geezet, Das Kreuz hefft unnd Knopff dergleichen die Hefft am bestecke vonn einem pollirten eckichtenn Jaßpis unnd mitt Silbernn verguldenn leublein unnd blettlein bischlagenn, Die scheide ganz silbern verguldt, forne durchbrochenn darauf eine Romische schlachtt.

[136] Die Besteckmesser sind nicht mehr vorhanden. – Die Waffe stellt eine verfeinerte Abart des typischen Schweizerdolches dar, und gehört in die Zeit um 1540–1550.

h. Dolch. – Griff Buchsbaum, geschnitzt, mit figürlichen Szenen im Relief: Unter einem, mit Maßwerkgiebeln und Fialen gekrönten Baldachin sitzt eine gekrönte, reichgekleidete, geflügelte Frau, auf ihrem Schoß ein Hündchen, das sie mit der Linken hält, in der Rechten einen Pfeil erhoben, rechts und links von ihr die Köpfe und Arme zweier riesiger, behaarter Waldmänner, auf deren einem sie zu sitzen scheint. Ein stehender Waldmensch wird von einer Frau (Dienerin) gefesselt an einer Kette und einem Halsband geführt. Über dieser Szene Felsgruppe: ein sitzender Waldmensch hält einen Affen, der sich in einem Spiegel beschaut, an einer Kette, davor ein liegender Hirsch und ein Häschen. – Über der Angel am Knauf eine silbervergoldete Platte, um die Parierscheibe, die eine Schnitzerei im spätgotischen Stil zeigt, ein Reif, Silber, mit Gold tauschiert. Die Unterseite der Scheibe mit Leder bezogen. – Kurze Gratklinge, mit einer Marke. – Kette und Öse Silber, vergoldet.

Inventar der Churkammer 1671, Nr. 167 (S. 72): Ein Dolch mit einem hölzernen heffte und runden Knopffe, oben mit einer silbernen vergüldeten Platte und Knöpffgen, der grieff aller mit Figuren künstlich ausgeschnizet … mit silberner vergüldeter und gestochener Kappe und orthbande woran ein silbernes vergüldetes Kettlein und Rincken. Diesen Dolch soll herzog Rudolff in Schwaben, alß er wieder Keyser Heinrichen den Vierden Krieg geführet und ihm in einer Schlacht vor Merßburgk ao. 1080 im Monath Octobr. die rechte hand abgehauen worden, geführet haben.

Diese Legende wird im Ges. Inventar 1689 von Volradt Goch ausführlich erzählt: darnach soll der Dolch sich in der Bibliothek des Merseburger Domkapitels befunden haben, und von da während der Administration des Stiftes durch Kurfürst August nach Dresden gelangt sein. (I, S. 783.) Jedenfalls gehört der Dolch nicht ins 11., sondern ins frühe 15., die silberne Fassung ins 16. Jahrhundert. Mit der Geschichte des Hl. Chrysostomus, wie man früher annahm, hat die Darstellung nichts zu tun. Die Frau unter dem Baldachin ist wohl ein Symbol der Keuschheit, die Waldmenschen sind die gebändigten Naturtriebe. Dagegen ist der sitzende Waldmensch (Thebais) Herr über Eitelkeit und Wollust (Affe mit Spiegel).

Der kurze Dolch, der meist rechts am Gürtel (Dupsing) getragen wird, gehört schon im 14. Jahrhundert zur ritterlichen Bewaffnung. Das symbol- wie kostümgeschichtlich gleich interessante Stück ist schon von Quandt (Andeutungen für Beschauer des historischen Museums, 1834) als Dokument des frühen Mittelalters angezweifelt worden. (FHM. A 35.)