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Die Besteckmesser sind nicht mehr vorhanden. – Die Waffe stellt eine verfeinerte Abart des typischen Schweizerdolches dar, und gehört in die Zeit um 1540–1550.

h. Dolch. – Griff Buchsbaum, geschnitzt, mit figürlichen Szenen im Relief: Unter einem, mit Maßwerkgiebeln und Fialen gekrönten Baldachin sitzt eine gekrönte, reichgekleidete, geflügelte Frau, auf ihrem Schoß ein Hündchen, das sie mit der Linken hält, in der Rechten einen Pfeil erhoben, rechts und links von ihr die Köpfe und Arme zweier riesiger, behaarter Waldmänner, auf deren einem sie zu sitzen scheint. Ein stehender Waldmensch wird von einer Frau (Dienerin) gefesselt an einer Kette und einem Halsband geführt. Über dieser Szene Felsgruppe: ein sitzender Waldmensch hält einen Affen, der sich in einem Spiegel beschaut, an einer Kette, davor ein liegender Hirsch und ein Häschen. – Über der Angel am Knauf eine silbervergoldete Platte, um die Parierscheibe, die eine Schnitzerei im spätgotischen Stil zeigt, ein Reif, Silber, mit Gold tauschiert. Die Unterseite der Scheibe mit Leder bezogen. – Kurze Gratklinge, mit einer Marke. – Kette und Öse Silber, vergoldet.

Inventar der Churkammer 1671, Nr. 167 (S. 72): Ein Dolch mit einem hölzernen heffte und runden Knopffe, oben mit einer silbernen vergüldeten Platte und Knöpffgen, der grieff aller mit Figuren künstlich ausgeschnizet … mit silberner vergüldeter und gestochener Kappe und orthbande woran ein silbernes vergüldetes Kettlein und Rincken. Diesen Dolch soll herzog Rudolff in Schwaben, alß er wieder Keyser Heinrichen den Vierden Krieg geführet und ihm in einer Schlacht vor Merßburgk ao. 1080 im Monath Octobr. die rechte hand abgehauen worden, geführet haben.

Diese Legende wird im Ges. Inventar 1689 von Volradt Goch ausführlich erzählt: darnach soll der Dolch sich in der Bibliothek des Merseburger Domkapitels befunden haben, und von da während der Administration des Stiftes durch Kurfürst August nach Dresden gelangt sein. (I, S. 783.) Jedenfalls gehört der Dolch nicht ins 11., sondern ins frühe 15., die silberne Fassung ins 16. Jahrhundert. Mit der Geschichte des Hl. Chrysostomus, wie man früher annahm, hat die Darstellung nichts zu tun. Die Frau unter dem Baldachin ist wohl ein Symbol der Keuschheit, die Waldmenschen sind die gebändigten Naturtriebe. Dagegen ist der sitzende Waldmensch (Thebais) Herr über Eitelkeit und Wollust (Affe mit Spiegel).

Der kurze Dolch, der meist rechts am Gürtel (Dupsing) getragen wird, gehört schon im 14. Jahrhundert zur ritterlichen Bewaffnung. Das symbol- wie kostümgeschichtlich gleich interessante Stück ist schon von Quandt (Andeutungen für Beschauer des historischen Museums, 1834) als Dokument des frühen Mittelalters angezweifelt worden. (FHM. A 35.)

Empfohlene Zitierweise:
Erich Haenel: Kostbare Waffen aus der Dresdner Rüstkammer. Karl W. Hiersemann, Leipzig 1923, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Haenel_Kostbare_Waffen.pdf/213&oldid=- (Version vom 6.1.2019)