Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/4. Der Kampf mit Oesterreich/2. Der Isteiner Krieg

Innere Kämpfe Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/4. Der Kampf mit Oesterreich
von Rudolf Wackernagel
König Sigmund und Herzog Friedrich
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Zweites Kapitel.
Der Isteiner Krieg.




Die Stadt, durch ihre innern Angelegenheiten in dauernder Bewegung gehalten, wurde zur gleichen Zeit aufs Mannigfaltigste von außen her beunruhigt.

Es handelt sich dabei vorerst um einen allgemeinen Zustand, der hier nur erwähnt, unmöglich geschildert werden kann. Um Uebergriffe und Verwicklungen aller Art und um tägliche Kämpfe, die in ihrer Gesamtheit wie etwas Unausweichliches, zum Leben der Stadt notwendig Gehörendes erscheinen. Im Einzelnen nicht um große Ereignisse. Eine Menge untergeordneter Existenzen gerät mit der Stadt in Streit, meist um kleinen Anlasses willen. Von ihren Angriffen, von dem Streit mit ihnen ist beständig die Rede; trotz Landfrieden und Geleiten bilden sie eine dauernde Gefährdung des Verkehrs; und das Bemerkenswerte ist hiebei die auf allen Seiten und von jeder Partei geübte Verquickung öffentlicher und persönlicher Verhältnisse, sodaß täglich aus einem Privatstreit oder einer privaten Schuldsache eine Staatsfehde entstehen kann oder einer Staatsfehde wegen ein Einzelner überfallen wird. Wir erwähnen die Streitigkeiten Basels mit dem Edelknecht Hans von Lützel 1402, mit Kunz von Dürmenz und seinen Söhnen, mit Bernhard von Schauenburg 1403. 1401 greift Hugo von Landenberg den aus Ungarn heimkehrenden Konrad Lutringer von Basel zwischen Waldshut und Laufenburg an, nimmt ihm Pferde und Waren; die Klage Basels bei Oesterreich ist ohne Erfolg, und der Landenberger läßt sagen, er habe die Tat getan auf Geheiß des Grafen Wilhelm von Montfort, dessen Feinde von Graf Friedrichs von Toggenburg wegen die Basler seien. Einen ähnlichen Streit hat Basel 1405 mit Marquard von Ems, der sich auf dem Bodensee an Basler Kaufmannsgut vergriffen hat, und nimmt dem Rudolf Mötteli von Ravensburg eine Warenladung weg. Es ist dies nur Einzelnes aus einer großen Menge. Die Stadt ist unaufhörlichen Angriffen ausgesetzt, hat es mit Gegnern aller [357] Art zu tun, denen mit den gewöhnlichen Mitteln gar nicht beizukommen ist. Sie greift daher nicht nur zu Repressalien, wie im Falle Mötteli, sondern geht auch so weit, sich ihrer Feinde gewaltsam und in der Stille zu entledigen.

Doch hat uns hier nur das Große zu beschäftigen. Dabei kommen zunächst in Betracht die Häuser Tierstein, Oesterreich und Burgund.

Mit Graf Otto von Tierstein-Farnsburg stand Basel in leidlichen Beziehungen. Er ließ die Stadt gewähren; in den Angelegenheiten Oltens und der sisgauischen Herrschaften tat er ihren Willen. Ganz anders die beiden Grafen von der Pfäffinger Linie, Bernhard und Hans, die Söhne des bei Sempach gefallenen Walraf. Dem ländlichen, fast bäuerlichen Wesen des Farnsburgers gegenüber nehmen sie eine merklich bedeutendere Stellung ein; sie verfolgen eine eigene Politik; sie haben engen Kontakt mit dem Sundgauer Adel und der Herrschaft und sind Gegner Basels.

Jetzt im Jahre 1406 standen diese Grafen in offener Feindschaft mit der Stadt; in einer Fehde mit Oesterreich hatten sie sich an ihr vergangen, und hieraus war der Krieg erwachsen.

Wesen und Verlauf der Fehde Tierstein-Oesterreich ist hier nicht zu schildern; es genügt, daran zu erinnern, daß die Herzoge den Grafen die Herrschaften Blumenberg und Delle wegnahmen. Aber wichtig ist die Wirkung, die eine Fehde solchen Umfangs auf Basel hatte, durch die Erschütterung aller öffentlichen Zustände, durch die Bedrohung seines Besitzes und die erhöhte Gefährdung seines Handelsverkehres. Wie ernst die Stadt selbst die Lage ansah, zeigt ihre Tätigkeit; sie rüstete, sie berief einen erprobten Büchsenmeister, sie stellte die Kommission der Neuner auf und versah sie mit außerordentlichen Vollmachten; bitter beschwerte sich der Rat über die Unbill und Gewalt, die den Seinen täglich angetan werde, den Raub von Gütern, die Gefangennehmungen. Da der Bund Basels mit Oesterreich nicht mehr bestand, konnte die Stadt dem Kriege selbst ferne bleiben.

Da rief eine Gewalttat der Tiersteiner auch sie unter die Waffen. Zwei Angehörige Oesterreichs, Sundgauer, wurden durch die Grafen innerhalb der Basler Bannmeile niedergeworfen und gefangen genommen. Nur im Blick auf die Summe alles Dessen, was die Stadt und ihre Bürger schon bisher durch diesen Krieg hatten erleiden müssen, ist die unverhältnismäßige Wirkung dieses Vorfalles zu verstehen. Als schwere Schmach und Gewalttat empfand Basel die Verletzung seiner Bannmeile, die Hemmung des feilen Kaufes, die Störung seines Marktes und ergriff den Anlaß, um jetzt loszubrechen. Es zog vor Pfäffingen, das Schloß der Grafen.

[358] Aber bei späterer Gelegenheit machte Basel noch einen andern Grund für seinen Kriegszug geltend. Es handelte sich auch hiebei um einen durch die Tiersteiner ausgeführten Ueberfall. Sie hatten auf österreichischem Gebiet, unweit Basels, eine Gesandtschaft des Königs von Cypern, die zu König Karl VI. von Frankreich reiste, festgenommen. Basel hatte sich sogleich ins Mittel gelegt; einen Schatz kostbarer Juwelen, Perlen, Diamanten, Silbergeschirre, vergoldeter Seidenborten, der den Gesandten beim Ueberfall war genommen worden, hatte der Rat in Verwahrung erhalten, wohl deswegen, weil er nicht einem der Gesandten gehörte, sondern einem Dritten, dem Herrn Peter von Beauffremont, Johanniterkomthur in Lothringen. Vielleicht um eben dieses Frevels willen war die Fehde zwischen der österreichischen Herzogin Katharina und den Tiersteinern ausgebrochen; jedenfalls aber stellte Basel später, zu einer Zeit, da es ihm von Wert sein mußte, sein Verhältnis zu Oesterreich als ein gutes gelten zu lassen, dem Herzog Johann von Burgund, Katharinens Bruder, die Sache so dar, daß es vor Pfäffingen gezogen sei, um den der cyprischen Botschaft angetanen Schimpf an den Grafen zu sühnen.

Der Auszug geschah am 5. November 1406, unter Aufgebot der ganzen Streitmacht. Es war auf Eroberung Pfäffingens abgesehen; aber noch ehe die Belagerung begonnen hatte, stellte sich im Freiherrn Thüring von Ramstein der Vermittler ein. Er brachte rasch Belagerer und Belagerte zu einem Vergleich. Dessen Inhalt zeigt deutlich, aus welchen Ursachen Basel den Zug unternommen hatte. Denn vor allem wurde der Lauf und feile Kauf nach Basel wieder proklamiert und dessen Sicherheit durch die Grafen ausdrücklich zugesagt. Auch versprachen sie, künftig die Unverletzlichkeit der Basler Bannmeile zu achten. Wichtig sodann war die gleichfalls im Interesse von Basels täglichem Verkehr getroffene Bestimmung einer neutralen Zone österreichischen Gebietes, innerhalb deren die Grafen die gewohnte Art der Kriegführung mit Verwüsten des Landes und Niederbrennen der Dörfer unterlassen sollten. Ihre Grenze lief von Basel über Ottmarsheim, Mülhausen, Dammerkirch, Altkirch, Pfirt an die Birs. Es war dies ein ausgedehntes Gebiet, und für Basel, das in ihm einen großen Teil seiner Gefälle zu beziehen hatte, hatte diese Bestimmung Wert; aber am erwünschtesten wäre der Stadt die Beendigung des Krieges überhaupt gewesen. Daher übernahm sie die Vermittlung eines Friedens zwischen Tierstein und Oesterreich. Sie ließ sich die Sache angelegen sein; nach Weihnachten fand im Basler Rathause eine große Versammlung statt, bei der von Seiten Oesterreichs der Landvogt sowie alle Vögte und Räte [359] der Lande, von Seiten Tiersteins Graf Bernhard anwesend waren. Endlich am 24. Januar 1407 kam der Vergleich zustande, dessen hauptsächliche Festsetzung war, daß Blumenberg und Delle bei der Herrschaft bleiben und diese dafür den Grafen siebentausend Gulden zu zahlen habe. Streitigkeiten, die sich infolge hievon zwischen ihnen über Zugehörigkeit von Leuten ergeben würden, sollten durch ein Schiedsgericht, eventuell unter dem Vorsitze Basels, beglichen werden.

Wie der Pfäffinger Vertrag, so war auch dieser den Interessen und Wünschen Basels entsprechend. Dennoch durfte die Stadt nicht glauben, damit mehr als einen momentanen Erfolg errungen zu haben. Die Gefahr bestand unvermindert fort. Sie war aber nicht bei Tierstein, sondern bei Oesterreich.

Das im Jahre 1393 mit den Herzogen geschlossene Bündnis währte bis Andreastag 1403. Unter ihm ward beiden Parteien Muße, ihre Angelegenheiten neu zu ordnen und ihre Kräfte zu sammeln. Aber noch weitergehende Folgen konnte der Bund haben. So geschahen die Züge der Basler nach Rheinau 1394 und vor Gemar 1396 auf bundesmäßige Mahnung Herzog Leopolds. So auch bot im Oktober 1402 der österreichische Landvogt Hans von Lupfen Basel gegen die Appenzeller Gotteshausleute auf. Der Rat antwortete, die Sache gehe den Abt an und nicht den Herzog; als Lupfen seine Mahnung wiederholte, verlangte Basel eine Konferenz. Lupfen fuhr fort zu drängen; aber der Rat blieb bei seiner Weigerung, und zu einer Beteiligung Basels am Appenzeller Kriege kam es nicht.

Dies eine Beispiel zeigt die innerliche Unwahrheit des Bundes. Er konnte auch nicht hindern, daß jeder der Verbündeten seine eigenen Wege ging; so tat Basel in seinen Verträgen mit Straßburg, Bern, Solothurn, in der Erwerbung der Landschaft, und ein Gleiches tat Oesterreich.

Jetzt war der Bund zu Ende, und die Gefahr für Basel wurde immer größer, je mehr Oesterreich erstarkte. Es ist bemerkenswert, wie planmäßig die Herzoge ihre Stellung am Oberrhein befestigten. Dem Bündnis mit Bischof Konrad von Basel 1393 folgte 1399 ein Bund mit Bischof Humbert. Im gleichen Jahre machte sich Herr Hans von Falkenstein zum Diener Oesterreichs und öffnete ihm seine Burg in der Klus; das Jahr darauf tat Graf Walraf von Tierstein dasselbe und öffnete der Herrschaft die Festen Tierstein und Pfäffingen. Die 1409 beginnenden Versuche für einen Frieden mit den eidgenössischen Orten haben in diesem Zusammenhange gleichfalls ihre Bedeutung, wie auch die große Schutzvereinigung der Städte und Edeln in den österreichischen Landen 1410.

[360] Solcher Lage der Dinge entsprechend kam es im Jahre 1403, als das Bündnis auslief, nicht zur Erneuerung. Um so bedeutsamer war, daß zur selben Zeit, im November 1403, Basel seinen Bund mit Straßburg verlängerte und bekräftigte. Wie sehr hiebei an Oesterreich gedacht wurde und wie bewußt die Stadt ihren Sympathien und ihrem wirklichen Lebensbedürfnisse Genüge tat, zeigt die Bestimmung des Bundes, daß keine der beiden Städte den Herzogen wider die andre Stadt beistehen solle, und zeigen noch deutlicher die Ergänzungen in den Beibriefen von 1405: gegenseitige Verpflichtung zu Schutz von Freiheiten, Rechten und Gewohnheiten, und gegenseitiges Gelöbnis, ohne die andere Stadt sich niemals mit Oesterreich zu verbünden. Die Gefahr, vom Reiche zu kommen und den Herzogen in die Hände zu fallen, schien den Lenkern beider Städte nahe zu stehen; besorgt schrieb Basel nach Straßburg von dem Gerüchte, daß König Ruprecht die großen Reichsstädte im Elsaß an Herzog Friedrich geben und damit die Macht des Bündnisses Basel-Straßburg zu brechen versuchen wolle. Auf Basel insbesondere scheine es abgesehen zu sein.

So war man sich der alten Feindschaft bewußt. Noch hielt man Frieden. Aber die Beschwerden, die später bei der großen Abrechnung Basels mit der Herrschaft vorgebracht wurden, wegen feilen Kaufs, Gerichtsstandes, freien Zugs, Verkehres, Geleites usw., erwuchsen gerade in Zeiten dieser Art, da man sich zwar nicht bekriegte, aber hüben und drüben der Haß lebte und in zahllosen Zänkereien und Quälereien Ausdruck fand, da Basel auch hinter jenen kleinen Helden der Landstraße, die sich seine Feinde nannten, gelegentlich den Willen der Fürsten von Oesterreich vermuten mochte. Der ganze Zustand, durch kein Bündnis mehr festgehalten, strebte gewaltsam nach einer kriegerischen Entscheidung; und Basel hielt sich gerüstet. Es ordnete seine Streitmittel, stellte eine Kriegskommission auf, sicherte sich auf alle Fälle die Neutralität des Markgrafen Rudolf von Hochberg und des Freiherrn Thüring von Ramstein.

Aber nun trat neben Oesterreich auch Burgund auf und verlangte Geltung.

Die von Westen her zum Oberrhein drängenden Gelüste und Kräfte sind eine charakteristische Erscheinung in der Geschichte dieser Jahrzehnte. Ihre früheren Aeußerungen wurden schon bemerkt; hier ist nochmals auf sie hinzuweisen. Nicht mit vereinzelten Regungen haben wir es zu tun, sondern mit den Symptomen einer allgemeinen und auch anderwärts wirkenden Tendenz. In die großen Zusammenhänge der Politik und einer geistigen, wissenschaftlichen, künstlerischen, gesellschaftlichen Herrschaft ist einzufügen, [361] was uns als Oertliches hier begegnet und die eminente kulturhistorische Bedeutung der Lage Basels aufs neue klar macht. Das Basler Bistum wird seit Otto von Grandson wiederholt wälschen Herren gegeben. Die oberrheinischen Familien der Rappoltstein, Tierstein, Ramstein, Hatstat usw. zeigen auffallend zahlreiche wälsche Allianzen; ihre Söhne, aber auch die jungen Markgrafen von Baden und Hochberg, holen ihre Ausbildung am burgundischen und am französischen Hofe, wozu als Gegenstück dienen mag, daß Graf Wilhelm von Vienne, Herr zu Saint Georges, 1413 seinen Sohn nach Basel schickt, um hier Deutsch zu lernen. Wie zahlreiche Basler 1396 dem Prinzen von Burgund nach Nikopolis gefolgt waren, so kämpfen auch Ritter und Edelknechte dieser Gebiete im Kriege des Herzogs Johann von Burgund wider die Lütticher 1408; auf dem Schlachtfelde zu Othey verdienen sich Graf Hans von Tierstein und die Brüder von Ramstein die Ritterwürde. Daß bei der Ausmalung der Elendenkreuzkapelle in Basel 1418 der Rat nicht ein deutsches Gebäude, etwa des nahen Elsasses, sondern die Karthause zu Dijon als Muster aufstellt, ist ein überaus bemerkenswertes Zeugnis; ihm zur Seite treten die Nachweise all der wälschen Beziehungen der Basler Karthause.

Es sind dies nur wenige Einzelheiten aus einer alle Gebiete des öffentlichen und des privaten Lebens berührenden mächtigen Wirkung. Aber wir haben uns klar zu machen, daß diese wälsche Influenz keineswegs etwas Einheitliches ist. Der große Gegensatz Burgund—Frankreich lebt auch in ihr; die einzelnen Mächte, die sich in buntem Wechsel als Träger dieser Tendenzen zeigen, Burgundisch-Neuenburg, Chalon, Vienne, Vergy, Mömpelgard, Froberg usw., wirken nicht gemeinsam, sondern jede für sich selbst und unter Umständen in gegenseitiger Opposition.

Unter ihnen beschäftigt uns an dieser Stelle nur Burgund. Aller Glanz, der auf diesem Reiche ruht, tritt uns entgegen; seine Macht, unter den Herzögen Philipp, Johann, Philipp herrlich emporsteigend, gibt auch den vereinzelten Aeußerungen, die jetzt Basel trafen, ihre Bedeutung. Hinter Allem steht eine große und bestimmte Absicht. Das Greifen nach den oberrheinischen Gebieten ist nicht erst durch Herzog Karl versucht worden. Was bei diesem als neue Idee aufzutreten und ihn mit der Gewalt plötzlicher kühner Eingebung hinzureißen scheint, ist ererbte Politik.

Im September 1378 verständigte sich Herzog Philipp der Kühne von Burgund mit Herzog Leopold von Oesterreich über Vermählung der 1374 geborenen Margaretha, Tochter Philipps, mit Leopolds gleichnamigem Sohne. Diese Ehe kam jedoch nie zu Stande. Margaretha wurde 1385 [362] Frau des Herzogs Wilhelm von Baiern, und die im gleichen Jahre verabredete Erneuerung des Paktes von 1378 setzte an Stelle Margarethas deren jüngere, 1378 geborene Schwester Katharina. Im Jahre 1393 wurde dann die Ehe Katharinas mit Leopold vollzogen.

Seit diesem Eheschluß erscheint Burgund als direkt beteiligt an den Geschicken unsrer oberrheinischen Lande. Katharina ist bis zu ihrem Ende vor allem burgundische Prinzessin, Repräsentantin ihres Vaters Philipp, dann ihres Bruders Johann, zuletzt ihres Neffen Philipp, und hilft den Interessen ihres Hauses Geltung gewinnen gegenüber den Interessen Oesterreichs.

Der Ehevertrag bestimmte, daß dem burgundischen Heiratsgut der Katharina, das auf hunderttausend Franken bemessen wurde, von österreichischer Seite die Leistung einer jährlichen Rente von zehntausend Franken auf solange, als das Heiratsgut nicht zurückerstattet würde, und außerdem die Leistung einer jährlichen Rente von ebenfalls zehntausend Franken auf Lebenszeit der Katharina entsprechen sollte. Als Sicherheit für die letztere Rente wurden Schloß und Stadt Thann, als Sicherheit für die erstere die Schlösser, Städte und Herrschaften Hericourt, Belfort, Rosenfels, Masmünster, Bergheim, Pfirt, Blumenberg, Delle, Altkirch, Ensisheim, Landser, Ortenberg mit dem Albrechtstal und Rotenberg verschrieben. Die Braut erhielt die Verwaltung der ihr also verschriebenen Herrschaften; Untertanen und Vasallen hatten ihr den Treueid zu leisten.

Wenn auch spätere Abmachungen, namentlich infolge unvollständiger Leistung des Heiratsgutes durch Burgund, diesen Bestand modifizierten, so bewirkte der Vertrag doch das eine für uns Wichtige, daß er dem Hause Burgund dauernden Einfluß auf die Verhältnisse der Vorlande ermöglichte. Dieser Einfluß war um so erheblicher, als die geschlossene Ehe in allen ihren Wirkungen diesen Landen die Kraft eines politisch mündigeren Staates sowie einer einheitlichen und hochentwickelten Verwaltungskunst zu spüren gab. Was daneben trat, war die Persönlichkeit der Katharina selbst. In diesem Zeitalter selbständiger, tätig eingreifender Fürstinnen erscheint auch sie als fertige Regentin. Chroniken und Akten nennen sie kurzweg die „Frau von Oesterreich“; ihr Gemahl Leopold ist neben ihr kaum bemerklich.

Leopold wurde Herr der Vorlande schon bei der Teilung von 1396; seit 1402 hatte er seinen Bruder Friedrich als Mitregenten. Im Mai 1406 übertrug er an Friedrich förmlich die volle Gewalt in den Vorlanden, jedoch unter ausdrücklichem Ausschlusse der seiner Frau Katharina durch besondere Verschreibung zugewiesenen Herrschaften Elsaß und Sundgau.

[363] Schon vor diesem Zeitpunkte hatte Katharina in oberrheinischen, auch breisgauischen Angelegenheiten selbständig gehandelt; ihre Erlasse an Smasman von Rappoltstein 1404, an die Stadt Freiburg im Januar 1406, ihre Verleihung des Schlosses Schafgießen im März 1406, zeigen dies. Von jetzt an aber erscheint sie als eigentliche Herrin jedenfalls der linksrheinischen Vorlande.

Was sie von nun an im Besitze dieser Macht vornimmt, tut sie unabhängig von Leopold, unabhängig insbesondere auch von Friedrich, überhaupt selbständig und auf eigene Rechnung, aber jedenfalls im Einverständnis mit ihren burgundischen Verwandten. Als sie im Frühjahr 1407 sich bedrängt und bedroht sah, gab Herzog Johann von Burgund seinem Marschall Johann von Vergy die Weisung, der Katharina auf erstes Ersuchen sofort mit Heeresmacht zuzuziehen und sie in ihren Herrschaften zu schirmen; „denn wir sind gesonnen, unsrer Schwester mit Hintansetzung unsrer eigenen Geschäfte brüderliche Hilfe zu gewähren.“ So stand Burgund allezeit aufmerksam im Hintergründe.


Mit dieser Regentin sollte nun auch Basel zu tun bekommen. Die Stadt empfand mit aller Deutlichkeit, daß die Verhältnisse zur offenen Feindschaft drängten; dasselbe Jahr 1407, zu dessen Beginn sie den Frieden zwischen Oesterreich und den Grafen von Tierstein zu Stande gebracht hatte, zeigt sie mit aller Beflissenheit um Stärkung ihrer Position bemüht, unverkennbar in Erwartung eines schweren Konfliktes.

Vor allem haben wir eine wichtige Ausdehnung des Basler Gebietes namhaft zu machen.

Der Bund mit Bern und Solothurn und die Erwerbung der sisgauischen Herrschaften hatten vor wenigen Jahren stattgefunden; das Eine war geschehen mit Rücksicht auf das Andre. Wenn Basel seine Verbindungen mit den Landen der Eidgenossenschaft weiter ausbilden wollte, so konnten ihm diese Erfolge nicht genügen. Es mußte die beiden Pässe völlig beherrschen und hiefür auch die jenseitigen Zugänge in seine Gewalt bekommen. Beim obern Hauenstein konnte der große buchsgauische Pfandbesitz der von Laufen bei gelegener Zeit hiezu den Anlaß bieten. Am untern Hauenstein dagegen war Olten, die Brückenstadt an der Aare, der begehrenswerte Punkt. Die Stadt war Pfand des Herzogs Friedrich vom Bistum Basel; schon vor Zwanzig Jahren hatte Bischof Imer den Baslern seinen Willen zur Erlangung dieses Pfandes gegeben. Jetzt, im Jahre 1407, kam Basel zur Ausführung des alten Planes; es brachte mit einer [364] Zahlung von zweitausend Gulden an den Herzog Olten in seine Gewalt. Es empfing Huldigung und Treueid der Bürger und bestätigte ihnen seinerseits ihre Rechte. Es verstärkte und verbesserte die Oltner Ringmauern und steigerte dafür die Pfandsumme um tausend Gulden mit Erlaubnis des Bischofs. Es stellte die Brücke in Stand. Den Grafen Otto von Tierstein bewog es dazu, den Bürgern von Olten für ihr Städtchen und einen zugehörigen Bezirk Exemtion von den hohen Gerichten der Landgrafschaft Buchsgau zu gewähren, in der Meinung, daß die Ausübung dieser Gerichtsbarkeit ihnen selbst d. h. ihren neuen Herren von Basel zustehen solle. Und diesen bewilligte sodann König Ruprecht, in Abweichung von bisheriger Uebung, das Oltner Blutgericht, wenn kein Graf oder Freiherr zu haben sei, mit einem ehrbaren Ritter zu besetzen.

Basel sah offenbar die Herrschaft über das Städtchen und den Flußübergang als eine solche an, die dauern sollte. Wie es in diesen Jahren überhaupt sich auf möglichst breiter Basis einzurichten gesonnen war, zeigt auch der Schritt, den es jetzt im Westen, in den Juratälern tat. Auch hier war es kein junger Entschluß. Wir erinnern uns daran, daß Basel schon einmal, zu Bischof Imers Zeiten, St. Ursanne, dann Delsberg besessen hatte. Der Besitz war nur ein vorübergehender gewesen. Jetzt näherte sich der Rat diesen Gebieten aufs neue. Nicht zu Pfand erwarb er sie von ihrem Herrn. Was er jetzt tat, war tiefer gehend und wendete sich an die Gemeinden selbst. Meier Rat Bürger und Leute der Stadt Delsberg, Meier und Leute des Delsbergertals und des Münstertals wurden im November 1407 für sie und ihre Nachkommen, auf ewige Zeiten, zu Bürgern Basels empfangen. Der Basler Rat versprach ihnen beholfen und beraten zu sein, sie bei allen Rechten zu schirmen, sie überhaupt zu halten und zu behandeln wie seine eingesessenen Bürger. Ihrerseits gelobten sie, diesem Burgrechte nie zu entsagen, kein andres Burgrecht anzunehmen, auch mit Niemandem sich zu verbünden. Endlich die wichtigste Bestimmung: bei Kriegszügen Basels waren die Landschaften gehalten, ihre Mannschaft auszurüsten und mit dem Banner der Stadt ziehen zu lassen.

Dergestalt hat Basel nach zwei Seiten hin, durch verschiedene Mittel, seine Herrschaft erweitert. Die wichtige Ergänzung hiezu war die im November 1407 stattfindende Erneuerung des Bundes mit Straßburg, diesmal jedoch auf die Dauer eines vollen Jahrzehnts und wiederum wie im Jahre 1405 mit den beiden Zusatzberedungen über gegenseitige Schirmung der Freiheiten und über Unzulässigkeit des Bundes mit Oesterreich. In eben diese Zeit, Oktober 1407, fällt endlich auch der Bund mit Markgraf [365] Rudolf von Hochberg, der jedoch, den Abreden von 1405 und 1406 ähnlich, eigentlich nur ein Neutralitätsvertrag war; denn König und Reich, Bischof und Hochstift Basel, Herrschaft Oesterreich und Markgraf Bernhard wurden dabei durch Rudolf vorbehalten, und in einem besondern Briefe verpflichtete er sich, im Falle des Krieges zwischen Basel und einem der Vorbehaltenen stille sitzen zu wollen. Zu solcher Neutralität verpflichtet war, wie schon erwähnt, auch Freiherr Thüring von Ramstein, zufolge Versprechen von 1405.

Alles dies galt der Schaffung gesicherter Verhältnisse in der Nähe, rings um Basel. Daß aber der Rat hiebei nicht stehen blieb und daß seine Absichten und wohl auch seine tatsächlichen Beziehungen viel weiter reichten, zeigt der aus dem Jahre 1408 stammende Entwurf zu einem Bündnisse Basels mit König Ruprecht, seinem Sohne Pfalzgraf Ludwig und den elsässischen Reichsstädten. Dieser Entwurf schließt sich aufs engste dem Pakt an, den damals Straßburg mit den soeben genannten Fürsten und Städten einging; wie dort kam auch ein Bündnis mit Basel der pfälzischen Hauspolitik entgegen, die im Elsaß Einfluß und Macht zu gewinnen strebte, und diente andrerseits der Stadt in hohem Maße: die Macht ihrer gefürchtetsten Gegner und Nachbarn wurde paralysiert durch Verknüpfung der Interessen eines gleich Starken mit den städtischen Interessen. Dennoch blieb es nur beim Entwurfe. Wir finden keine Aeußerungen, die das Nichtzustandekommen dieses Bundes erklären; vielleicht wurde doch die große räumliche Distanz als ein Hindernis empfunden.

Endlich sind zu nennen die Rüstungen und Vorbereitungen im Innern, die der Rat betrieb, und zu denen auch die Mehrung der Bürgerschaft d. h. in solchen Zeiten der ordentlichen Kriegsmacht gerechnet werden muß. Nach der großen Bürgeraufnahme bei Anlaß des Pfäffingerzuges vom November 1406 zeigt das Jahr 1408 freilich nur einen Zuwachs um einige dreißig Mann. Aber unter diesen befand sich eine ganze Reihe von Adligen, Henman Vitztum, Wilhelm von Masmünster, Götzman Münch, Ulrich von Pfirt, Rudolf von Blumenegg, Peterman von Eptingen genannt Huser, Friedrich von Hatstat u. A. m. Eine Tatsache, die gerade in dieser Zeit von Bedeutung ist: Edle, die bei der herrschenden Unruhe und Unsicherheit, trotz allen eigenen Beziehungen zu Oesterreich, sich an die Stadt anschließen, bei dieser Rückhalt suchen und zugleich ihr verpflichtet werden.


Nun begannen sich auch schon die Feindseligkeiten zu zeigen. Nicht an die kleinen vereinzelten Freveltaten denken wir dabei, sondern an Maßregeln [366] allgemeiner Bedeutung. Im Frühjahr 1407 erhoben sich die Herren und Amtleute im Sundgau gegen das alte Recht Basels auf den freien Zug und verboten Denen, die nach Basel ziehen wollten, namentlich wenn sie wohlhabende Leute waren, den Austritt aus der Herrschaft. Der Basler Rat trat sofort gegen diese Sperre auf. Er machte die alte Freiheit seiner Stadt geltend; er ließ dies durch öffentlichen Ruf auf dem Kornmarkte verkünden, mit der feierlichen Zusage, daß er Jeden, der zu ihm ziehe, schirmen und beschützen werde. So am 20. Mai 1407. Daß infolge dieser Proklamation ein etwas verstärkter Zuzug und eine Mehrung der Bürgerschaft tatsächlich eintrat, war nicht die Hauptsache; wichtig war, daß die Stadt ihr Recht so bestimmt und vorbehaltlos kund tat. Sie erhielt sofort Gelegenheit, den verheißenen Schutz auch wirklich zu üben.

Infolge des öffentlichen Rufes waren u. A. auch neun Eigenleute aus Münchenstein nach Basel gezogen und hier Bürger geworden. Ihr Herr, der Edelknecht Lütold Münch, erhob hiegegen Einsprache; auch im Schoße des Basler Rates selbst wurden Stimmen laut, die das Recht des freien Zuges in diesem Falle nicht von vorneherein wollten gelten lassen, die Münchensteiner Leute nicht als „zügig“ ansahen. Namentlich Rotberg und Ehrenfels drangen auf Untersuchung der Sache durch Schiedsleute. Die Streitigkeiten hierüber zogen sich durch Monate hin; zuletzt beschloß der Rat, am Herkommen auch in diesem Falle festzuhalten, und lehnte eine weitere Untersuchung ab. Damit aber gab sich Lütold Münch nicht zufrieden. Er sandte der Stadt seinen Feindschafts- und Absagebrief, im Februar 1409, und mit ihm sandten gleiche Briefe nicht weniger als hundertundsechszehn Herren, Edle und sonstige Anhänger, dabei Graf Wilhelm von Montfort, Wilhelm vom Ende, Albrecht von Hohentann, ein Truchseß von Dießenhofen, Einer von Heudorf u. dgl. Auffallenderweise kein einziger Oberrheiner, sondern Schwaben und Bodenseeherren, denen doch die Sache selbst gleichgültig war und nur das Lärmmachen sowie das Bedrohen der Stadt Vergnügen bereitete.

Dennoch kam es zu einer Verständigung. Im April 1409 schloß Lütold Münch eine solche ab mit den neun Münchensteiner Männern und mit der Stadt Basel, des Inhalts: wenn er innert Jahr und Tag auf Grund spezieller Forderungen, die ihm zustehen, die Neun zurückfordert und diese Forderungen erweist, nach der Stadt Herkommen und Gewohnheit, so sollen sie ihm folgen, andernfalls aber in Basel bleiben.

Es war dies durchaus keine „unehrliche Richtung“, wie der den Rotberg und Ehrenfels feindliche Schreiber im Ratsbuche will glauben machen, [367] sondern die Stadt hatte ihr Recht durchgesetzt. Das Bemerkenswerte an dem Handel ist aber, daß auch hier wieder ein kleiner Vorfall sofort weit hinaus Wellen trieb; die Folge dieser zahlreichen Absagen war nicht ein offener Krieg, sondern Hemmung und Gefährdung des Basler Handels auf allen durch die Gebiete der Absagenden führenden Straßen.

Endlich wiederum die Tiersteiner Grafen Bernhard und Hans. Der mit diesen im belagerten Pfäffingen 1406 geschlossene Vertrag hatte zwar die Feindseligkeiten beendigt, aber keinen Frieden geschaffen. Die Stimmung war beiderseits dieselbe geblieben. Kurz nach jenem Frieden hatte ein Knecht des Grafen, namens Lack, sich „schnöde Reden“ über den Auszug der Basler nach Pfäffingen erlaubt; der Rat ergriff ihn, ließ ihm beide Augen ausreißen und verbot ihm auf ewige Zeiten die Stadt. Die Grafen trachteten natürlich nach Vergeltung dieser Härte, und da sie Schuldner einiger Bürger Basels waren, Volmars des Wirts zum Kolben, des Hüglin Spitz, des Ritters Henman von Ramstein u. A., war die Möglichkeit gegeben. Vor allem dadurch, daß die Tiersteiner ihren Zahlungspflichten nicht nachkamen. Wenn der Rat später die Wahrheit redete, so ließen zwar auf seine Verwendung hin die Kreditoren einen Teil ihrer Forderungen nach, um des lieben Friedens willen. Aber was half dies? Die Grafen wollten nicht Frieden, sondern Streit. Unterhandlungen, die angeknüpft wurden, zerschlugen sich, und die Grafen schritten zu Tätlichkeiten. Im Herbst 1409 nahmen sie ihre Gläubiger, zum Teil mit List, gefangen, erpreßten hohes Lösegeld, beraubten auch andere Basler, und zehn Tage nachher schickten sie dem Rat ihre förmlichen Absagebriefe „von der Frau von Oesterreich wegen“. Der Krieg dieser mit Basel war unterdessen ausgebrochen.

Herzogin Katharina hatte freilich, zu Beginn des Jahres 1408, noch einmal einen Versuch gemacht, das frühere Bündnis mit Basel zu erneuern. Seitdem sie Herrin im Sundgau war, mochte sie namentlich wegen der gespannten Beziehungen zu ihrem Schwager Herzog Friedrich für wünschbar halten, Basel sich zu verpflichten. Der Rat schien auch keineswegs abgeneigt zu sein; er war allerdings durch ein Separatabkommen mit Straßburg gebunden, aber auf seine Vorstellungen hin erteilte ihm der dortige Rat am 17. Februar 1408 seine Zustimmung zu einem solchen Bündnis. Dennoch kam dies nicht zustande; es scheiterte am Widerstand der zur Zeit in Basel herrschenden Partei, deren Wortführer Rotberg und Ehrenfels den Gesandten Katharinas so barsch empfingen, daß er die ihm aufgetragenen Unterhandlungen über ein Bündnis nicht einmal beginnen mochte. [368] So verblieb es denn bei der Feindschaft, und im Vertrauen auf die Hilfe Burgunds konnte die Herrschaft nun, da die Stadt den Frieden nicht wollte, Alles wagen.

Herzog Johann hatte, wie wir sahen, schon früher seinen Marschall Vergy angewiesen, der Katharina auf erstes Verlangen beizustehen. Zu Beginn des Sommers 1409 setzte sich ein solcher Zuzug in Bewegung. Bern ließ Basel die Warnung zukommen, daß der burgundische Herzog die Grafschaft Pfirt eingenommen und den von Vergy dort stehen habe. Auch von andern Seiten wurden Basel solche Meldungen zugetragen; in wälschen Landen hätten sich die Herren gesammelt, die deutschen Edeln wollten sich mit ihnen vereinigen, sie Alle gedächten diesen Sommer vor Basel zu ziehen und die Stadt zu belagern. Ja, es verlautete von noch weitergehenden Absichten Burgunds. Ende Septembers schrieb Herzog Friedrich von Oesterreich seinen Städten und Landen im Argau, Thurgau und am Rhein, sich durch die Angriffe der Eidgenossen nicht abschrecken zu lassen; freudig verkündete er ihnen, der Herzog von Burgund sei im Begriff, die Eidgenossen zu bekriegen, und sobald der Krieg angehe, werde er, Herzog Friedrich, den Seinen zu Hilfe kommen.

Das zunächst bedrohte Basel rüstete sich aufs sorgsamste; eine am 26. April 1409 erlassene Kriegsordnung regelte in genauer Weise die Sammlung der Bewaffneten, die Bewachung von Türmen und Ringmauern, die Verteilung der Kommandos. Die Handwerksgesellen mußten schwören, mit ihren Meistern bei der Zunft zu dienen; wer von ihnen dem nicht nachkam, sollte aus der Stadt gewiesen werden. In gleicher Weise sah man sich vor, die Stadt von unnützen Leuten, wie Köpplern, Gilern, Bettlern zu säubern. Jeder Bürger mußte sich für ein Jahr mit Speise verproviantieren; die Verwahrung der öffentlichen Kornlager, auch auf den Schlössern der Landvögte, wurde geordnet, die Ausfuhr von Salz untersagt. Man sorgte für Ergänzung der Munitionsvorräte, für Instandhaltung der Waffen; man fällte Holz, um Schußbreschen in den Mauern rasch flicken zu können. Claus Schilling, Dietrich Ereman und Hügli von Laufen wurden angewiesen, ihre Schlösser Bottmingen, Binningen und Tierstein in kriegsfertigen Stand zu stellen.

Eine wichtige Sache für die Stadt war, sich zu dieser Zeit ihrer adeligen Bürger zu versichern. Soweit diese festen Sitz in Basel hatten, war das Verhältnis ein unbedenkliches; schwieriger da, wo es sich um Ausbürger handelte. Der Rat schrieb diesen Allen, daß sie ihre Schlösser draußen mit Besatzung zu versehen und nur den Baslern offen zu halten [369] hätten, selbst aber in die Stadt kommen sollten. So an Egli von Wessenberg, Peter von Eptingen von Bisel, Peter von Eptingen genannt Huser, Wilhelm von Masmünster u. A. Ritter Bernhard Waldner, der in gleicher Weise aufgefordert worden war, erhob Bedenken, da man drohe sein Schloß niederzubrennen; er verlangte des Bürgerrechts entlassen zu sein. Aber der Rat wiederholte seine Mahnung aufs entschiedenste, lehnte die Entlassung aus dem Bürgerrecht ab, forderte den Waldner auf, seinen Eid zu halten und seine Ehre zu wahren. Auch der Abt von Bellelay und der Propst von Münster im Granfeld erhielten ihre Aufgebote mit der Mahnung, jeder einen gewaffneten Knecht mit einem guten Pferde zu schicken. Auch diese Herren hatten Ausreden; aber auch sie erinnerte der Rat an ihren Bürgereid; wenn sie nicht gehorchten, würden sie für meineidige und ehrlose Leute zu halten sein.

Endlich die Neutralen wie Hochberg und Ramstein. Der Rat ließ es sich angelegen sein, die mit ihnen geschlossenen Verträge genau zu prüfen. Auch die Neutralität des Johann von Gliers, Freiherrn zu Froberg, gewann er jetzt, d. h. Gliers wurde Bürger Basels, versprach der Stadt mit allen seinen Schlössern und Leuten zu dienen, behielt aber hiebei außer den Herren von Chalon und Diebold von Neuenburg auch die Herrschaft Oesterreich vor. Es mochte sein eigenes Interesse sein, hierdurch allem Nachteil eines Krieges zuvorzukommen; aber auch für Basel bedeutete der Vertrag, wenn gleich er, wie der Stadtschreiber später angab, mit einem Bestechungsskandal zusammenhängen mochte, einen Vorteil.

Auf den 5. Oktober 1409 hatte Markgraf Rudolf Basel und den Landvogt Katharinas, Graf Hans von Lupfen, zu einem gütlichen Tage nach Neuenburg eingeladen, in der Absicht, dem drohenden Streit zuvorzukommen. Basels Gesandte stellten sich pünktlich, nicht so der von Lupfen. Dieser wünschte ungeduldig, endlich offenen Krieg zu haben, und schlug los. An eben diesem 5. Oktober, einem Samstag, als man abends die Stadttore zu schließen sich anschickte, erschien er mit Graf Herman von Sulz, dem Landvogt Herzog Friedrichs, plötzlich vor der Stadt, fing, wen und was er greifen konnte, verwüstete und brannte nieder. Am Tage darauf stieß der von Vergy mit seinen Burgundern zu den Beiden, und nun begann der Krieg allenthalben und mit allen Mitteln.

Basel setzte sich zur Wehre, aber es erhob vor allem laute Klagen seinen Freunden und Bundesgenossen gegenüber; bei der Herzogin Katharina, beim Herzog von Burgund beschwerte es sich bitter, nicht über die Feindseligkeiten selbst, aber darüber, daß sie vor Absage und Kriegsankündigung [370] eröffnet worden seien. Die Stadt war überrumpelt worden und ihre Leute, ungewarnt, unbehütet, hatten schweren Schaden an Leib und Habe erlitten.

Zahlreiche Fuhrleute von Basel, die ohne Arg auf den Sundgauerstraßen gefahren waren, hatten zu klagen: sie waren gefangen genommen, Pferde, Wagen und Waren ihnen genommen worden. Schreiberlein und der reiche Metzger Wernlin von Vislis fielen gleichfalls in die Hände der Feinde, sie mußten hohe Lösung zahlen. Zu Habsheim wurden die Klingentalerfrauen an ihren Weinvorräten und anderer Habe geschädigt; Aehnliches geschah zu Bergheim, zu Hirsingen, zu Sierenz.

Aber diese Form- und Rechtsverletzung wurde wenigstens zum Teil rasch gut gemacht. Die Herzogin selbst freilich, ihr Schwager Friedrich, ihr Bruder von Burgund, deren Leute doch über Basel herfielen, erklärten selbst den Krieg nicht; nur ihre Werkzeuge taten dies. Von diesen liefen jetzt die Absagebriefe wenn auch verspätet, nur um so gehäufter bei der Stadt ein, vor allem von den Wälschen, von zahllosen Herren, Edeln und Kriegsleuten Burgunds, deren Namen völlig fremd, in Basel noch nie gehört worden waren. „Es ist unsres Bruders des Fürsten von Burgund Krieg“ schrieb Katharina wiederholt von Wien aus an ihren Landvogt. Aber sie selbst war unleugbar an dem Kriege beteiligt, und ebenso Herzog Friedrich; auch die Städte Rheinfelden, Säckingen, Waldshut sagten Basel die Feindschaft an. So hatte Basel Feinde ringsum. Es mahnte Straßburg um Zuzug; aber auch von Markgraf Rudolf verlangte es Hilfe, unter Berufung auf das Bündnis und mit dem Vorgeben, daß die Herzoge von Oesterreich, die er beim Bunde vorbehalten, dem Kriege fremd seien. Es war dies eine Fiction, und von einem Zuzuge des Markgrafen vernehmen wir nichts. Aber über den Berg kamen Hilfstruppen der neuen Eidgenossen Bern und Solothurn.

Der ganze Oktober verging nun in Feindseligkeiten, bei denen es aber nie zu einem ernstlichen Aufeinandertreffen der Streitenden kam. Das eine Mal vernehmen wir, daß die Oesterreicher und Burgunder einige Dörfer von Edlen, die zur Stadt hielten, Rodersdorf, Häsingen, Blotzheim, verwüsteten; einige Tage später streiften sie an der Stadt vorüber und verbrannten die Wasserhäuser Binningen, Bottmingen, Benken. Die Basler schossen von ihren Mauern auf die der Stadt zu nahe Kommenden; dann zogen sie eines Nachts mit dem Banner aus und steckten einige Sundgauer Dörfer in Brand, erbeuteten Vieh u. dgl. m.

Ein Hauptschlag aber gelang Oesterreich durch Einnahme des Schlosses Rheinfelden.

[371] Zum Verständnis dieser Sache ist etwas weiter auszugreifen. Es handelt sich bei ihr um das Verhältnis, daß ein Bürger der Stadt Basel eine Herrschaft einfach kraft Pfandrechts innehat und nützt; zu jener Zeit begegnet dieses Verhältnis unzählige Male; aber seine Bedeutung und seine möglichen Konsequenzen werden nirgends so deutlich, wie hier bei Rheinfelden.

Zu den glänzendsten Erscheinungen des damaligen Basler Patriziats gehört die Familie Zibol; sie zeigt sich nur in zwei Generationen, und ihr Hauptvertreter war Jakob Zibol. Das Porträt, das der Karthäuser Chronist von ihm gibt, mit gleichmäßig großem Lobe seiner Geschicklichkeit, seines Reichtums, der Eleganz seines Auftretens, seiner Beredsamkeit und Tatkraft, mag geschmeichelt sein. Aber für ihn spricht, daß er, obwohl nicht ritterlichen Standes, 1388 zum Bürgermeister erhoben wurde; seit 1368 saß er im Rate, anfangs als Vertreter der Schlüsselzunft, später bei den Achtburgern; bei unzählbaren wichtigen Legationen vertrat er die Stadt; wiederholt war er Oberstzunftmeister, bis ihn Peter zum Angen aus diesem Amte drängte. Doch ist seine Bedeutung für die Geschichte der Stadt deswegen nicht zu Ende. Vielmehr zeigt sich erst jetzt das Ergebnis seiner zahlreichen außeramtlichen Beziehungen. Er war sehr reich. Beim großen Ungeld von 1401 stand er in der ersten Klasse, und in unaufhörlichen Geldgeschäften erwies er sich als einer der stärksten und rührigsten Bankiers der Stadt. Vom Hochstift, von den Münch, von der Gräfin Elisabeth von Neuchatel erhielt er die Stadt Laufen, Stadt und Tal Delsberg, das Schloß Birseck, die Herrschaft Wartenberg, die Herrschaft Badenweiler zu Pfand, usw. Daneben gibt die Gründung der Karthause seinem Bilde etwas verhältnismäßig Großartiges; sie läßt auch eine höhere Beziehung in seinem Wesen wahrnehmen; vor allem ist sie in ihren Wirkungen viel dauerhafter gewesen als alles sonst von ihm Geleistete.

Hier ist besonders darauf aufmerksam zu machen, wie er im Osten Basels in den beidseits am Rheine gelegenen Herrschaften Fuß faßt. Von der „Hürussin“, d. H. der Witwe des Ritters Rudolf von Schönau, erwirbt er das Dorf Bötzen und sodann alle die Rechte auf der Herrschaft Hauenstein, dem Schwarzwalde, dem Amte Wehr usw., die sie von Oesterreich besaß. Im Zusammenhange hiemit steht die Uebernahme der österreichischen Pfandschaften des Heinrich Geßler: 1404 der Feste Schenkenberg unweit Brugg, 1405 der Feste Rheinfelden mit der Grafschaft im Fricktal und dem Amte Honberg; die Summe, um welche Zibol dieses gewaltige Objekt an sich brachte, betrug achttausenddreihundertundzehn Gulden. Aber er [372] blieb hiebei nicht stehen. Für seinen Sohn Peter hatte er Anna, die Tochter der Hürussin, zur Frau erlangt und damit einen das Bisherige arrondierenden Besitz in sein Haus gebracht; er begegnet nun als Herr von Zell und von Schloß Altenstein bei Schopfheim; wenig später sehen wir auch Herschaft und Stadt Laufenburg, sowie Nütze und Gülten der Stadt Säckingen in seinem Besitze.

In diese großartige Tätigkeit brachte jetzt der Krieg Basels mit Oesterreich die verderblichste Störung. Ohne ihn wäre sie wohl noch weiter gegangen, und das eigentliche Ziel der Ambitionen Zibols würde zu erkennen sein. So aber bleibt dies verborgen, und wir vermögen auch nicht zu beurteilen, ob er bei allen diesen Erwerbungen überhaupt mit Rücksicht auf seine Stadt Basel oder gar im Einverständnis mit ihr gehandelt habe.

Er war Bürger und saß bei Ausbruch des Krieges im Rate. Gleich andern Bürgern war er verpflichtet, der Stadt im Kriege mit seinen Schlössern zu dienen. Der Rat zählte darauf. Da die Lösung der Pfänder Rheinfelden, Laufenburg, Hauenstein und Schwarzwald durch die Herzogin Katharina zu Händen Burgunds, worüber im Sommer 1409 zwischen ihr und den österreichischen Herzogen verhandelt worden war — und womit die burgundische Politik einen überaus wichtigen Schritt vorwärts getan haben würde — nicht zu Stande gekommen war, blieb Jakob Zibol im Besitze dieser Pfandschaften, und als dann der Krieg wirklich ausbrach, verlangte der Basler Rat von Zibol Oeffnung und Einräumung des Schlosses Rheinfelden. Aber Zibol hatte im Jahre 1405 bei Uebernahme des Pfandes dem Herzog Friedrich gegenüber sich verpflichten müssen, der Herrschaft Oesterreich mit dem Schlosse Rheinfelden allezeit gehorsam und gewärtig zu sein und es ihr gegen Jedermann offen zu halten. Er mußte jetzt diesem Versprechen treu bleiben und das Ansinnen des Rates ablehnen.

Man wird wohl im Allgemeinen sagen können, daß der Pfandbesitz auswärtiger Herrschaften durch einzelne Bürger nur selten der Stadt unmittelbaren Nutzen gebracht hat, etwa in der Weise, daß er den Uebergang der Herrschaften an das Gemeinwesen vorbereitete. Er kam zu Stande als Teil eines Schuld- und Geldgeschäftes, und auch alles Weitere, das mit ihm geschah, vollzog sich nach geschäftlichen Erwägungen, an denen der Patriotismus keinen Teil hatte. Damit soll nicht geleugnet werden, daß im einzelnen Falle die Stadt doch solche Wirkungen zum gemeinen Besten erwarten, sich darüber auch mit dem Pfandherrn verständigen mochte. Zu Kriegszeiten war es jedenfalls von Vorteil, wenn diese Festen in den [373] Händen von Bürgern sich befanden; aber gerade in solchen Fällen auch ergaben sich Konflikte, wie der nun bei Rheinfelden bestehende. Deutlich zeigt dieser, wie ungesund an sich dieses Geschäftemachen mit dem Feinde der Stadt war, und wie verhängnisvoll es werden konnte.

Die Lage Zibols war in der Tat eine mißliche. Sollte er jetzt mit seinem starken Schlosse Oesterreich dienen zum Schaden Basels? Sollte er dem Herzog die Oeffnung weigern unter Berufung auf sein Basler Bürgerrecht, wie er sie dem Rate geweigert hatte unter Berufung auf den Pfandvertrag? und neutral bleiben?

Die Rheinfelder Bürger, die schon seinerzeit gegen die Verpfändung des Schlosses an Zibol geredet, „Kummer und Gebreste“ vorausgesagt hatten, machten allen Zweifeln ein Ende. Am 17. Oktober 1409 schickten sie Basel ihren Absagebrief, und kurz darauf bemächtigten sie sich durch einen Handstreich des Schlosses, besetzten es und nahmen den darin wohnenden Zibol — einen der Söhne Jakobs — gefangen. Sie handelten hiebei im Einverständnis mit Graf Herman von Sulz, dem Landvogte Friedrichs; aber Katharina betrachtete die Sache als zu ihren Gunsten geschehen. Sie beauftragte von Wien aus ihren Landvogt und ihren Hubmeister wiederholt, die Feste Rheinfelden zu Händen zu nehmen, dem gefangenen Zibol ein hohes Lösegeld zu auferlegen, den Herzog Friedrich nicht über die Feste kommen zu lassen.

Basel aber auferlegte dem Zibol und seinen Söhnen für den Schaden, den die Stadt von ihrer „Verwahrlosung“ des Schlosses Rheinfelden wegen erlitten habe, die enorme Buße von zwölftausend Gulden. Vielleicht ist aus der Höhe dieser Strafe doch darauf zu schließen, daß der Verlust Rheinfeldens dem Rate das Scheitern eines territorialen Planes, das Zunichtewerden der Aussicht auf eine wichtige Gebietserwerbung bedeutete. Er nahm den Jakob Zibol und zwei seiner Söhne — der dritte war im Schlosse gefangen worden — in harte Haft und entließ sie aus dieser erst gegen das, durch Bürgschaft von Freunden und Verwandten unterstützte Versprechen der Zahlung jener Summe und gegen den feierlichen Verzicht auf jede Rückforderung und Rache. Es war in jedem Betracht eine Katastrophe für Zibol; sein Vermögen war schwer geschädigt, seine öffentliche Stellung vernichtet. Der Chronist der Karthause erkannte darin die Hand Gottes, die den Stolzen demütigt; aber er ließ unentschieden, ob die harte Behandlung Zibols durch den Rat mit Recht oder mit Unrecht geschehen sei.

[374] Während dieser Vorfälle liefen immerfort neue Fehdebriefe beim Basler Rat ein; andrerseits fanden sich sundgauische Edle, wie Hans Wilhelm von Girsperg, Rudolf von Regisheim und Heinrich Kappeler bereit, als Söldner in seinen Dienst zu treten. Nebenher aber waren auch die Vermittler nicht müßig; Pfalzgraf Ludwig entbot die Parteien samt ihren Bundesgenossen zur Verständigung nach Mülhausen, auf 4. November. Die Versammlung fand statt, aber führte zu nichts. Der Krieg dauerte weiter. Katharina, die noch immer in Wien sich aufhielt, sandte Brief über Brief an ihren Landvogt von Lupfen; sie trieb ihn an, sich die Sache angelegen sein zu lassen; von Vergleich wollte sie nichts wissen. Die eingenommenen Schlösser, vor allem Rheinfelden, ermahnte sie gut zu besetzen, die Gefangenen nicht los zu lassen. Nichts solle geschehen ohne des Herzogs von Burgund Willen und jede Einmischung Herzog Friedrichs ferngehalten werden. Wie wenig sie daran dachte, vom Kriege zu lassen, wie sie ihn vielmehr noch viel stärker zu betreiben wünschte, zeigt ihr Auftrag, die Herzoge von Bar und von Lothringen und den Grafen von Savoyen zur Hilfe aufzurufen.

Nun aber erhob sich auch Basel zu kräftigeren Schlägen. Am Tage nach der ergebnislosen Mülhauser Verhandlung, am 5. November, zog es vor Rheinfelden, auf dem rechten Ufer, mit einem Heere von viertausend Mann, mit sieben großen Büchsen. Doch nur einen halben Tag lang, blieben sie dort liegen, taten einige Schüsse gegen Stadt und Stein, und wandten sich dann wieder nach Hause, im Durchmarsche die Dörfer Warmbach, Nollingen, Wyhlen niederbrennend.

Von besserer Art war dann das Vorgehen gegen Istein am 11. November, die einzige wahrhaft kriegerische Tat der Basler in diesem Kriege. Istein, das aus zwei Schlössern bestand, dem untern nahe dem Rheinufer und dem obern auf der Höhe des Felsens, war seit 1392 durch Oesterreich an den Edelknecht Burchard Münch von Landskron d. ä. verpfändet. Kurz nach dem Ausbruch der Feindseligkeit hatte Basel mit Burchard über seine Neutralität verhandelt und diese von ihm zugestanden erhalten; mit Urkunde vom 15. Oktober gelobte er, seine Feste Istein den Feinden Basels nicht aufzutun und die Stadt aus der Feste nicht zu schädigen noch schädigen zu lassen. Aber dieses Versprechen brach er schon nach kurzem, und Basel beschloß, den ehrlos gewordenen Edeln nun zu züchtigen. Mit großer Macht — die Stärke des Heeres wird auf fünftausend Mann angegeben — zogen die Basler vor die durch Leute der Herrschaft Oesterreich besetzten Schlösser Istein und „liessen das grobe Geschütz von Morgen bis Nachmittag [375] also ernstlich darein gehen, daß dieser Tonder weit und breit im Land erschallete.“ Dann schritten sie entschlossen zum Sturm; die untere Feste ward erbrochen, der größere Teil ihrer Besatzung samt dem Anführer Diebold von Schönenberg niedergehauen; da verzichtete der Kommandant des obern Schlosses, Stülinger, auf weitere Verteidigung und öffnete freiwillig seine Pforten. Die Basler waren Sieger, ohne große Verluste erlitten zu haben; sie legten Besatzung in die gewonnenen Schlösser und konnten noch am selben Abend heimkehren. Ein seltenes Hochgefühl belebte die Stadt. Sofort am Morgen des folgenden Tages versammelte sich der Große Rat zu Augustinern und ließ sich von gesamtem altem und neuem Rate feierlich schwören, die bezwungene Feste bei der Stadt zu behalten und ohne den Willen des Großen Rates nie mehr aus der Hand zu geben, dreihundertfünfundachzig Mann, die den Zug mitgemacht hatten, erhielten das Geschenk des Bürgerrechtes.

Die Vergeltung von Seiten Oesterreichs war ein Streifzug der Rheinfelder in das Waldenburger Tal, am 18. November; sie raubten eine Herde Vieh zusammen und zogen mit dieser langsam heimwärts. Inzwischen aber hatten sich die Landleute aus den anstoßenden Tälern der Basler Herrschaften gesammelt; sie folgten der Schar und fielen bei Magden über sie her. Dieser kam ein Reitertrupp aus Rheinfelden zu Hilfe; ein hitziges Gefecht entspann sich, bei dem die Rheinfelder gegen achzig, die Basler Landleute gegen dreißig Tote hatten.

In Antwort hierauf wiederum brachen die Basler wenige Tage später in das Elsaß ein; im Schlosse Landser saß Burchard Münch der jüngere, seit Beginn des Krieges ein erklärter Feind Basels, Sohn des wortbrüchigen Herrn von Istein. Ihm galt dieser Zug; Landser, Uffheim, Dietweiler, Habsheim wurden in Asche gelegt und wer sich zur Wehre setzte erschlagen.

So verfuhr man von beiden Seiten. Selten kam es zu einem Treffen; man zog, wenn die Bahn frei war, rasch in Feindesland und brannte ein Stück weg. Es war weniger ein Krieg, als ein großer und gehässiger Zank.

Von Seiten Oesterreichs und Burgunds wurde er auch wirklich ohne Anwendung bedeutender Macht geführt; die Fürsten selbst blieben ihm fern und überließen ihn den Vögten und Amtleuten, in deren Händen er zu einem planlosen Geplänkel wurde.

Aber dem gegenüber war auch in Basel kein Zustand, der ein einheitlich machtvolles Einschreiten möglich machte; der Isteiner Sturm steht als vereinzelte Episode da. Die Not dieses Krieges traf mit den schweren innern Zwistigkeiten zusammen, die oben geschildert worden sind. Jetzt, [376] im November 1409, stand die Krisis auf ihrer Höhe: Peter zum Angen war tot, gegen seine Genossen im Regiment, Rotberg und Ehrenfels, wurde der Vorwurf erhoben, daß sie am Kriege, aber auch an der Unordnung in den militärischen Maßnahmen schuld seien.

Gerade dieser Krieg hätte für die Machthaber Gelegenheit sein können, eine besondere Kraft und Kunst zu zeigen, ihre Herrschsucht zu legitimieren, ihre Macht durch das glänzendste aller Mittel zu befestigen. Aber hiezu scheinen sie nicht ausgereicht zu haben, und der Krieg bot nun den Anlaß zu ihrem Sturze.

Im Großen und Ganzen stand trotz der Einnahme Isteins der Nachteil doch eher auf Seite Basels. Vor allem der private Schaden, den seine Bürger erlitten hatten, war ein außerordentlich großer; mit Genugtuung schreibt die Herzogin, daß ihre Sache gegen die Basler von den Gnaden Gottes glücklichen Verlauf genommen habe, daß zahlreiche Gefangene gemacht worden seien, aus denen eine merkliche Geldsumme gelöst werden könne. Das Empfindlichste aber war jedenfalls der Verlust des Schlosses Rheinfelden.

Unter solchen Umständen, und da der Winter vor der Türe stand, hatten die Bemühungen der Mediatoren mehr Aussicht auf Erfolg als vor Monatsfrist. Es war wiederum Pfalzgraf Ludwig, der sich ins Mittel legte, und nun auch Markgraf Rudolf. Auf den 7. Dezember wurden die Parteien zu Friedensunterhandlungen nach Kaisersberg geladen; ihre Gesandten trafen dort ein. Aber während diese sich beredeten, schlugen die Basler noch einmal los, diesmal gegen die Herrschaft Badenweiler, die an die Herzogin Katharina verpfändet war. Am 10. Dezember zogen sie hinüber und verbrannten acht Dörfer; neben den Herrschaftsleuten kamen da, namentlich in Buckingen, auch Unbeteiligte, wie die Klosterfrauen von Adelhausen, Schnewlin Bärnlapp und Andere zu Schaden. Aber es war die letzte Verwüstung dieser Art; am gleichen Tage, da die Basler jenseits des Rheines sengten, wurde in Kaisersberg ein Waffenstillstand geschlossen mit Dauer bis zum 11. November des folgenden Jahres.

Wir haben zu beachten, daß Basel diesen Vertrag ausdrücklich nur mit der Herzogin Katharina, mit den Grafen Bernhard und Hans von Tierstein und mit Burchard Münch von Landskron einging, nicht dagegen mit Herzog Friedrich.

Im Anschluß an diese Beredung eines Waffenstillstandes war allerhand zu erledigen. Vor allem der große Komplex der Schädigungen, die an Hab und Gut und Personen Basels vor der Absage waren verübt [377] worden; die Bereinigung dieser umfangreichen und schwer zu schlichtenden Sache wurde einem besondern Verfahren vorbehalten. Hinsichtlich der Gefangenen sodann konnte der Rat von Basel schon am 17. Dezember erklären, daß er ihnen die Freiheit gegeben habe; nur einige Leute des Grafen Bernhard von Tierstein, die auf den Schlössern Birseck und Dorneck in Haft lagen, waren durch die Pfandherren dieser Schlosser, Thüring von Ramstein und Künzlin von Laufen, aus Versehen noch nicht freigegeben worden. Hinwiederum hatte sich Basel darüber zu beschweren, daß die Seinen, die zu Ensisheim, Altkirch, Badenweiler, Liebenstein, Angenstein eingekerkert wären und zum Teil an ihrem Leib gepeinigt würden, noch nicht frei seien. Waren es wohlhabende Leute, so versuchte man, ein Lösegeld von ihnen zu erzwingen, wie z. B. mit Ulman Vitztum geschah.

Das Schlimmste war doch die furchtbare Verwüstung des Landes um Basel; vom Elend der armen Leute ist in den Akten natürlich keine Rede, sondern nur davon, daß sie nun den Bürgern und Klöstern nicht mehr zinsten. Basel fragte bei Straßburg, wie dort in solchen Fällen verfahren würde, und die Straßburger antworteten: seit vierzig Jahren sei das Land um ihre Stadt herum so oft und so schwer mit Brand geschädigt worden, daß mit den Zinsleuten nie etwas habe abgemacht werden können; ihre Bürger hätten den armen Leuten jeweilen geholfen und dies meist mit ihrem eigenen großen Schaden. Auch in Basel blieb wohl nichts Anderes übrig, sofern nicht die fortdauernde Kriegsgefahr alle Interessen und Kräfte in Anspruch nahm.

Denn der Haß gegen die Basler und gegen ihre Helfer lebte unvermindert durch den ganzen Sundgau weiter; er suchte Rache und Schädigung, im einzelnen ganz unbekümmert um die Satzungen des Waffenstillstandes. Daß in den Gebieten Friedrichs, in Säckingen, Herznach usw. Basler Bürger an ihrem Gute geschädigt wurden, war freilich dem Frieden nicht zuwider. Aber in Ensisheim, in Altkirch, in Pfirt wurde die Zufuhr von Korn und anderem Gut nach Basel verboten; Basler Bürgern wurden ihre Gefälle gesperrt, so dem Claus Schilling in Bergheim; der von Fridingen verbot die Bebauung aller Güter des Herrn Friedrich von Hatstat im Amte Pfirt. Denjenigen, die österreichischen Landen angehörten und dennoch zu Basel gehalten hatten, galt der meiste Unwille. Die von Ensisheim drohten laut, den Hans Billung von Pfaffenheim und zwei andere Sundgauer, die im Kriege Basel geholfen hatten, auf Räder zu setzen; der Friede werde nie so gut werden, daß sie seiner genießen möchten.

So die Gesinnung. Auf beiden Seiten. Basel legte in die Schlösser [378] Istein eine Besatzung unter dem Befehle des Dietrich Ereman. Es sorgte für Erneuerung seiner Munition; es kaufte Panzer in Frankfurt, Armbrüste, Pfeile, Harz und Harzringe. Es häufte große Vorräte von Korn in der Stadt. Es erließ eine neue Kriegsordnung. Es legte Besatzungen nach Liestal, Waldenburg, Honberg, Olten, auch in die Schlösser Birseck und Rotberg; in Liestal wurde eine Tretmühle eingerichtet. Und bemerkenswert ist der Neutralitätsvertrag mit Heinrich von Roseneck, dem Herrn auf Wartenfels. Dieser Vertrag wurde geschlossen wegen des unter Wartenfels liegenden Olten, das gerade jetzt, da Basel mit dem Herrn des Aargau in Fehde stand, von besonderer Wichtigkeit war; daher der Rat auch umfassende Verstärkungsbauten in Olten ausführte.

Wir haben die Verschiedenheit der österreichischen Personen und Regierungen, der im Sundgau mächtigen Katharina von Burgund und des die übrigen Vorlande beherrschenden Friedrich, zu beachten, nicht nur des Krieges wegen, sondern auch mit Beziehung auf die Politik, ja sogar auf die innern Zustände Basels.

Es ist namentlich von Interesse zu beobachten, wie Basel schon während des Krieges direkte Fühlung mit Burgund sucht. Der Rat schreibt am 29. November den Räten des Herzogs, daß er seine Gesandten nicht nach Vesoul schicken könne, weil die Straße zu unsicher sei. Später, nach eingetretenem Waffenstillstand, beschließt er, an den Herzog selbst zu gelangen. Smasman von Rappoltstein, burgundischer Kammerherr, übernahm die Vermittlung, und im Januar 1410 ritten die Basler Gesandten, zusammen mit solchen von Straßburg, nach Paris zu Herzog Johann. Wir kennen das Ergebnis dieser Gesandtschaft nicht; aber wir vermuten, daß es eine Verständigung war. Von Anfeindungen Basels durch Burgund verlautet von da an nichts mehr; auch mit Johann von Vienne und Heinrich von Beauffremont machte die Stadt in diesem Frühjahr Frieden. Und nicht von ungefähr war es jedenfalls, daß im selben Monat Januar, in dem die Basler Gesandten nach Paris ritten, eine zweite Gesandtschaft an die Herzogin Katharina und ihren Gemahl Leopold nach Wien abging.

Man wollte in Basel den Frieden mit der Gruppe Oesterreich-Burgund; man bezeugte diesen Willen so entschieden, weil auch jene Gruppe den Frieden suchte; dies geschah, nachdem in Basel inzwischen eine neue Partei ans Ruder gekommen war.

Noch in Kaisersberg hatte sich Ehrenfels gegen einen Frieden gesperrt. Der Friede war dennoch geschlossen worden; die nächsten Monate schon brachten den Sturz des Ehrenfels und seiner Genossen, und die erste [379] wichtige Tat der neuen Regierung war im November 1410 der definitive Sühnvertrag mit Katharina, auf den ein Jahr später dann ein eigentliches Bündnis folgte.

Es fällt schwer, den Gedanken an einen Zusammenhang zwischen diesen Ereignissen abzuweisen. Wir dürfen die Partei, die dem Regiment Rotberg-Ehrenfels ein Ende machte, als Trägerin einer der Gruppe Oesterreich-Burgund zugeneigten Politik betrachten, im Gegensätze zu den an das alte, rein habsburgische Oesterreich sich anlehnenden Edeln und Patriziern.


Unterdessen aber dauerte Basels Krieg mit Herzog Friedrich fort, sofern dabei von Krieg geredet werden kann. Noch mehr als bei den Zwistigkeiten mit Katharina bewegte er sich in der Form kleinlicher Plackereien und Raufereien. Auch hier trat der Fürst ganz zurück; er schob Vogt, Amtleute und Städte vor, die sich vor Kurzem erst zur Schirmung und Aufrechterhaltung seiner Herrschaft feierlich verbunden hatten, und ließ diese sich ergehen, wie es ihnen beliebte. Wegnahme von Fuhren, Zollschwierigkeiten, Sperrung von Gefällen, grobes Insultieren von Baslern, die sich etwa drüben blicken ließen, - das Ganze ein häßliches, nie Ruhe gebendes Wesen, das als typisch gelten kann für die Gebahrung der österreichischen Nachbarn in vielen folgenden Jahrzehnten. Hier können wir nur Einzelnes herausheben: die Festnahme des Oltner Zollers durch die Leute von Brugg; die Konfiszierung der Waren, die dem Basler Krämer Lietinger bei Freudenau von der Fähre ins Wasser gefallen waren, durch den Landvogt unter frivoler Geltendmachung eines Grundwuhrrechtes; die Beschimpfung und Mißhandlung von Baslern zu Rheinfelden; sie beklagten sich bitter über den „Unlust“, der ihnen dort geschehe; schon damals flog ihnen das berüchtigte Schimpfwort Kuhgesnier ins Gesicht. Aber bedenklich war, daß auch die Straßen im fernen Tirol nicht mehr als sicher gelten konnten; nahe bei Innsbruck wurde den Baslern Henman Offenburg und Heinrich von Biel eine Fuhre mit Venediger Gut durch Herrn Friedrich von Fledenitz und den herzoglichen Hofmeister Ulrich Winspriacher geraubt, und die Stadt nahm sich ihrer schwer geschädigten Bürger in Klagen und Forderungen vergeblich an.

Besondere Schwierigkeiten bot die Rheinfelder Angelegenheit der Zibolle. Das Schloß war ihnen genommen, aber Niemand wußte noch, wer jetzt eigentlich der Herr des Schlosses sei, ob die Stadt Rheinfelden, ob Katharina, ob Friedrich. Die Nutzungen aber, die vom Schlosse dependierten, die Dörfer, Gefälle, Rechtsame wurden von den Zibollen als [380] ihnen noch immer zustehend betrachtet; sie machten diese Rechte geltend, versuchten die Erträgnisse einzutreiben, und stießen hiebei allenthalben auf den Widerstand Oesterreichs. Diesen Widerstand fanden sie aber auch da, wo keine Zugehörigkeit zu Rheinfelden vorlag, so beim Amte Zell, dem Meieramte zu Säckingen, usw. Im Zusammenhange hiemit stand, daß die Burg Steineck im Wehratal, eine Herrschaft des Basler Bürgermeisters Arnold von Bärenfels, durch Junker Georg Meier von Hüningen, der jetzt in österreichischen Diensten stand, eingenommen worden war und daß er nicht mehr aus ihr weichen wollte.

Das Mißliche hiebei waren die Verhältnisse im Kreis der Zibolle selbst. Jakob, der Vater, stand mit seinen Söhnen im Streit; nur die Söhne werden jetzt genannt, wenn es sich um die Rheinfelder Angelegenheiten handelt, und unter ihnen ist Burchard schon im September 1410 nicht mehr Basler Bürger, sondern Hofgesinde und Diener der Herrschaft Oesterreich.

Die Stellung Basels in dieser Sache war hiedurch natürlich erschwert. Für Burchard konnte der Rat nicht mehr einstehen; was er jetzt tat, geschah nur noch zu Gunsten von Peter und Claus. Er verwendete sich für sie beim Landvogt Herman von Sulz, er lud diesen zu Konferenzen; aber vergeblich. Seine Beschwerden gingen ins Leere; Landvogt und Statthalter waren nirgends im Lande zu finden, wenn es galt, sie um etwas anzusprechen.


Aber die Beziehungen der Stadt zu Katharina neigten sich dauernder Verständigung zu. Nur allmählich. Keine der beiden Parteien war gewillt, sich vorbehaltlos der Freundschaft der andern zu bequemen. Bei Katharina kam hiebei auch die Besonderheit ihrer Herrschaft in Betracht. Wenn auch sie selbst aus bestimmten Rücksichten wünschen mochte, mit Basel Frieden zu haben, ja verbündet zu sein, so stieß in dem ihr untergebenen Sundgau bei Vielen, Städtern und namentlich Edeln, diese Tendenz auf Schwierigkeiten. Aber auch in Basel bestanden Parteien, im Rat und in der Bürgerschaft, und walteten erhebliche Bedenken. Merkwürdig in dieser Beziehung ist ein großes Rundschreiben, das der Rat am 8. Oktober 1410 zahlreichen Städten im Elsaß, am Rhein, in Franken und Schwaben zukommen ließ. Es waren nicht die verbündeten, aber die altbefreundeten Städte, denen er hier von dem Kriege mit der Frau von Oesterreich ausführlichen Bericht gab und das bald bevorstehende Ablaufen des Waffenstillstandes anzeigte; hauptsächlich aber bat er sie alle, der Katharina in keiner Weise beizustehen, [381] unter Anrufung des gemeinsamen Interesses, das sie, die Städte, allenthalben verbinde. Das Ganze klingt, wenn wir die zur gleichen Zeit schwebenden Friedensverhandlungen damit vergleichen, wie eine Rechtfertigung, ja beinahe wie eine Gewissenserleichterung unmittelbar vor einem großen Schritte, den zu tun dem Rate nicht leicht werden wollte.

Jedenfalls hatte er die Empfindung, daß zur Zeit Viel auf dem Spiele stand. Im September war die Herzogin Katharina von Wien wieder heimgekehrt und sah im Schlosse zu Ensisheim. Es galt nun die Verhandlungen mit ihr zu führen; und als beflissener Unterhändler war Markgraf Rudolf von Hochberg zur Stelle. Auf den 14. Oktober wurde eine Konferenz nach Ensisheim verabredet; Basel forderte Straßburg sowie Bern, Solothurn, Zürich, Freiburg, Luzern auf, ihre Vertreter ebenfalls dorthin zu schicken.

Die Konferenz fand statt. Es ging dabei in der Stube stürmisch zu, und der Reflex dieser Erregtheit waren die Schimpfworte und Schläge, die nachher draußen zwischen den Gefolgen gewechselt wurden. Man sieht und hört den Unwillen des Sundgauer Adels, dem das Paktieren seiner Herrin nicht gefiel.

Aber der Vermittler hielt fest. Sechsmal ritten er und die Städteboten hin und her zwischen Basel und Ensisheim, und daß es auch noch sehr kritische Momente gab, zeigt das Schreiben Katharinas an die Stadt Freiburg im Breisgau vom 25. Oktober, in dem sie von ihrem Zwist mit der Stadt Basel redet und freien Durchpaß für die von ihr deswegen zu Hilfe gerufenen Ritter und Knechte verlangt.

Offenbar war Basel schwer zu haben; Hauptkampfpunkte bei den Verhandlungen werden Istein sowie Basels Ersatzforderungen für den vor der Absage den Seinen zugefügten Schaden gewesen sein.

Endlich kam es doch zum Abschluß; am 3. November 1410 wurde der Vertragsbrief ausgefertigt und besiegelt. Alle Forderungen und Zwistigkeiten wurden als erledigt erklärt, die Freilassung der Gefangenen und die Rückgabe des während der Waffenruhe weggenommenen Gutes angeordnet. Ueber Vergütung des Schadens, der vor der eigentlichen Kriegserklärung zugefügt worden, sollte ein besonderes Schiedsgericht urteilen; ebenso über die speziellen Streitigkeiten der Grafen von Tierstein mit Basel. Wenn sich die Grafen dessen weigern, so wird ihnen die Herzogin in keiner Weise beistehen und insbesondere ihr Schloß Pfäffingen nicht beschirmen. Denn es soll nun Friede sein; das ist der deutlich erkennbare Wille der Parteien und namentlich auch der Herzogin. Daher die rückhaltlose Wiedereinführung [382] des alten Herkommens in Freizügigkeit und Erteilung des Bürgerrechts. Daher insbesondere die Annahme der Begehren Basels in betreff Isteins. Diese Feste nämlich, das obere und das niedere Haus, der Stein und Fels darauf und daran sie gebaut ist, samt Steg und Weg soll denen von Basel für immer verbleiben.

Die bisherigen Inhaber der Burg, Burchard Münch Vater und Sohn, erklärten ihre Zustimmung hiezu und verzichteten auf alle Ansprachen. Basel aber verfuhr sofort mit seinem neuen Besitze auf die in diesem Fall einzig verständige Weise. Noch im November begann es mit der Schleifung und kam damit am 13. Januar 1411 zu Ende. Henman Pflegler besorgte die Arbeit; Ringmauern und Einbauten wurden in den Rhein geworfen; die Quadersteine des Turmes aber nach Basel geführt und dort in der Nähe des Riehenthors zur Errichtung eines Eckturmes der Stadtmauern verwendet. Von Istein blieb nichts stehen als die zwei Kapellen des untern Schlosses.

Nachdem dann im Januar 1411 auch der Schiedsspruch über die Forderungen aus dem vor der Absage erlittenen Schaden ergangen war und ferner Graf Otto von Tierstein zwischen seinen Vettern Bernhard und Hans und der Stadt Basel Friede gemacht hatte, konnte die ganze leidige Sache als erledigt gelten. Basel durfte mit dem Ausgange zufrieden sein; dem Markgrafen Rudolf, dessen Vermittlung von Wert gewesen war, machte es „von seiner Arbeit wegen“ ein ansehnliches Geldgeschenk.

Aber ein Punkt war nicht geklärt: das Verhalten des Grafen Herman von Sulz, Landvogts von Herzog Friedrich, sowie der Städte Rheinfelden, Waldshut und Säckingen. Im Vertrage mit Katharina war von diesen Städten gesagt, daß er auch für sie gelten sollte, sofern sie ihn annähmen. Dem Grafen von Sulz gegenüber aber erklärte dort Katharina ausdrücklich, daß sie ihm gegen Basel keine Hilfe leisten werde. Es mußte sich nun zeigen, was von dieser Seite her geschah.

Hinsichtlich Rheinfeldens war im Frieden mit Katharina abgeredet worden, daß die Burg der Herrschaft Oesterreich sein solle, unter Vorbehalt der den Zibollen aus dem Pfandbrief zustehenden Rechte; die zur Burg gehörenden Dörfer, Steuern, Zinse und Nutzungen sollten den Zibollen bleiben und ihnen entrichtet werden. Die Söhne Zibol erklärten ihr ausdrückliches Einverständnis hiemit, und Herzogin Katharina übernahm es, bei ihrem Schwager Friedrich dafür zu wirken, daß auch der Graf von Sulz die Abmachung anerkenne.

Herzog Friedrich seinerseits scheint in den Besitz der Feste eingetreten [383] zu sein, im übrigen aber eine Verständigung mit den Zibollen gefunden zu haben; er erneuerte und erweiterte ihnen jetzt und in den folgenden Jahren ihre Pfandschaften. Der alte Vater Jakob hatte hieran keinen Teil mehr; er war mit den Söhnen entzweit, aber auch mit der Stadt zerfallen, deren Bürgerrecht er aufgeben wollte. Der Rat tat ihm den Willen nicht, gebot ihm heimzukehren und gehorsam zu sein.

Aber Graf Herman von Sulz nahm die für ihn unverbindliche Abmachung nicht an und behielt Steineck, Altenstein und was er sonst noch den Zibollen und andern Baslern genommen hatte, in Händen, trotz Basels Forderungen und Klagen. Die Lage verschärfte sich dadurch, daß auf Mahnung Straßburgs, an dessen Angehörigen sich Sulz ebenfalls vergriffen hatte, Basel ihm am 9. Januar 1411 förmliche Feindschaft ansagte.

Aber was tat ihm dies, solange die Stadt nicht zu den Waffen griff? Er war und blieb im Vorteil; er war beweglich, er hatte überall seinen Anhang, und täglich konnte er die Basler aufs empfindlichste treffen, wenn er einen der Ihren auf dem Kaufmannswege fand.


Und gerade jetzt traf dieselbe Widerwärtigkeit auch noch von einer andern Seite ein, zur größten Ueberraschung Basels. Am 17. April 1411 wurden mehrere Kaufleute aus Basel und Freiburg i/U. auf offener Landstraße unweit Breisach von einer Gesellschaft Adeliger überfallen, beraubt und in Gefangenschaft fortgeführt. Die Täter waren Herzog Reinhold von Urslingen und Brun Werner von Hornberg; als der Rat von Basel diese wegen des Ueberfalls zur Rede stellte, erhielt er vom Herzog die Antwort, er habe die Basler niedergeworfen wegen der Ansprache, die Hans Gruber an die mit Basel befreundeten Städte Bern, Solothurn und Zürich habe. Dem Rate war die Angelegenheit nicht unbekannt. Aus einer geringen Privatsache hatte Gruber vor Jahren durch Anrufung erst des Hofgerichts, dann des Papstes, eine Aktion zu entwickeln verstanden, die mit Klagen, Vorladungen, Unterhandlungen, Zänkereien ohne Ende die ganze Eidgenossenschaft in Anspruch nahm und, weil bereitwillig sowohl Reichsacht wie Bann verhängt wurde, eine widerwärtige und im einzelnen auch recht schädliche Plage bildete. Die Sache ist bezeichnend für den Rechtszustand der Zeit, und höchst bezeichnend ist nun auch, wie Basel durch den Herzog von Urslingen, der dem Gruber die verlangte Hilfe nur allzugern gewährte, unversehens in den Unfug mit hineingerissen wurde.

Es war mit der Gruberfehde schon früher einmal behelligt gewesen, im Jahre 1404. Damals hatte es, seinen Eidgenossen von Bern und [384] Solothurn Hilfe leistend, mit den Brüdern Friedrich und Mathis von Hornberg Krieg geführt. Basels Söldner und Knechte waren in das Wutachtal gezogen, hatten dort gekämpft, hornbergische Leute gefangen nach Basel gebracht. Derselbe Erhard von Falkenstein, der jetzt, 1411, bei dem Breisacher Ueberfall die Hände mit im Spiel hatte, war damals den Baslern zu Hilfe und Dienst verpflichtet gewesen und hatte ihnen sein Schloß Ramstein bei Tennenbronn, unweit Triberg, geöffnet. Im Juli 1405 sodann war Friede zwischen den Hornbergern und den Eidgenossen gemacht worden.

Jetzt sah Basel sich dieselben Leute wiederum gegenüber; es war von ihnen angegriffen wider alles Recht, mitten im Frieden, ohne Fehde, ohne Absage. Entrüstet schrieb es an Herzog Reinhold und verlangte ungesäumte Freigebung und Entschädigung der Gefangenen. An die Eidgenossen von Bern, Solothurn und Zürich wendete es sich und verlangte Auskunft über die Grubersche Angelegenheit, um deren willen dieser Frevel geschehen sei. Von Straßburg verlangte es bundesgemäße Hilfe gegen die Raubritter; es war entschlossen, den Krieg gegen diese zu eröffnen. Es gedachte seine Waffen wiederum in die Gebiete der Feinde selbst zu tragen, und schlug zu diesem Behufe den Straßburgern vor, sich von ihrem Bürger Graf Konrad von Fürstenberg die Verfügung über die ihm gehörenden Schlösser zu Haslach, Hausen und Wolfach geben zu lassen. Aber Straßburg zauderte, erhob allerhand Bedenken. Die Unterhandlungen mit dem Fürstenberger zogen sich in die Länge, und unermüdlich, dringlich, bekümmert und entrüstet schrieb der Basler Rat Brief um Brief nach allen Seiten, indeß seine Bürger noch immer unerlöst in der Haft des Urslingers saßen.

Zugleich schien die Angelegenheit immer weiter zu greifen, nicht zum wenigsten durch die Schuld des hinter Allem stehenden Hans Gruber, der auch jetzt wieder seine Ränke trieb. Aber auch Basel selbst sorgte dafür, indem es seine Beschwerden bis vor den Pfalzgrafen Ludwig, die Herren von Würtemberg, die Stadt Ulm, Rottweil, Villingen brachte. Da kam im November die Kunde nach Basel, ein Heereszug der Rittergesellschaft St. Georgenschildes sei unter Führung des Herzogs von Urslingen über den Rhein gesetzt, um das Land der Herzogin Katharina zu verwüsten und sich gegen Basel zu wenden. Beunruhigend war auch die Entdeckung eines Bauern vom Bodensee, den der Herzog Reinhold gedungen haben sollte, die Stadt Basel in Brand zu stecken und damit dem Herzog in die Hände zu spielen; der Bauer wurde am 15. Februar 1412 gevierteilt. Aber bei alledem kam es zu keinen entschiedenen Maßregeln gegen außen; der [385] Krieg, den der Rat von Basel führte, blieb ein papierner, und als schließlich im März 1412 die Straßburger Freunde, die in dieser Sache stets Zurückhaltung gepredigt hatten, mit dem Vorschlag einer Vermittlung kamen, ließ sich Basel dazu bereit finden. Am 23. März wurde die Sühne zu Straßburg geschlossen: die gefangenen Basler sollten gegen Vergütung der Atzungskosten freigegeben werden; von einer Entschädigung verlautete nichts; wohl aber wurden alle Ansprachen und Forderungen aus dem bisher Geschehenen zwischen den Parteien, sowohl zwischen Basel und Urslingen und Hornberg, als zwischen Basel und Gruber für erledigt erklärt, und auch in Zukunft sollte Friede zwischen ihnen sein.

Es ist nur natürlich, daß ein solcher Handel nicht bei den zunächst Beteiligten stehen blieb. Eine Reihe von Existenzen, die uns in den Schriften jener Tage überall da begegnen, wo von Streit und Fehde gehandelt wird, benützten auch diese Gelegenheit, um im Trüben zu fischen. Der alte Feind Basels Graf Hans von Lupfen, Burchard von Rischach, Ritter Hans von Fridingen, und insbesondere der vielgenannte Parteigänger Hans Wilhelm von Girsperg. Im Kriege Basels mit Katharina war er einer der Söldnerführer der Stadt gewesen, das Jahr darauf aber außer Landes gegangen, nach seinem Vorgeben für längere Zeit, und hatte dem Smasman von Rappoltstein sein väterliches Schloß samt Zwing und Bann und allen Zubehörden verpfändet, ihn auch für den Fall seines Todes zum Erben eingesetzt. Aber schon im Frühjahr 1411 zeigte er sich wieder wohlbehalten in der Heimat, und als einige Basler und Berner Kaufleute durch Wegelagerer, Rudi Schlosser und seine Bande, beraubt wurden, war der Girsperger hiebei beteiligt. Er gab den Uebeltätern Quartier und Schutz in seinem Schlosse; bald nachher jedoch, im Oktober, fiel er selbst in die Hände der ergrimmten Basler. Sie hatten mit ihm nicht nur wegen des Raubes abzurechnen; auch für die Prügel, die er vor kurzem bei der Ensisheimer Konferenz ihrem Boten gegeben, gedachten sie ihn jetzt büßen zu lassen. Er kam in harte Haft. Ein Protokoll, das hier am 20. Oktober über ein von ihm abgelegtes Geständnis ausgenommen wurde, ist sehr aufschlußreich: er bekennt seine Teilnahme an der Freveltat Schlossers, sein übermütiges Verfahren in Ensisheim; er will seine Freunde sich dafür verwenden lassen, daß der Herzog von Urslingen die gefangenen Basler freigibt und entschädigt; er gibt dem von Lupfen, dem von Fridingen u. A. die Schuld, die schnöden Briefe, die er an Basel geschrieben, verfaßt und ihn zu deren Absendung getrieben zu haben. Rund um ihn her stehen die Zeugen, Burchard Sinz, Claus Hüller, Heinzman Murer u. A. [386] und man ahnt, mit welchen Mitteln er zu allen diesen Aussagen, Zugeständnissen und Ausreden gebracht worden ist. Wenige Tage später hat der Rat von Basel nach Bern zu melden, daß der Girsperger unterhalb Gürtels gänzlich lahm und seiner Beine so ungewaltig sei, als ob sie ihm abgeschlagen wären; die Aerzte haben ihn besucht und meinen, das „Parley“ habe ihn gerührt. So blieb er liegen, und das Gesuch des Herzogs Friedrich von Oesterreich, ihn freizugeben, wurde vom Rate abgewiesen. Endlich, erst im Sommer 1412, bekam er die Freiheit; am 26. Juli schwur er Urfehde.

Neben diesen besondern Streitigkeiten ging zunächst der große Zwist mit dem Grafen Herman von Sulz unvermindert einher. Der Graf hielt fest, was er den Baslern an Schlössern, Dörfern, Gütern und Gefällen genommen hatte, und kümmerte sich wenig um die Zusagen der Herzogin Katharina. Die Forderungen Basels beantwortete er gar nicht und ließ den Rat bei Fürsten, Freunden, Eidgenossen seine Klagen anbringen. So sehr allem Recht entgegen das Verhalten des Grafen war, so widerwärtig für den Rat, überall wo er anpochte nur Schweigen und Achselzucken zu finden. Niemand mochte sich regen, die Sache anrühren. Herzog Friedrich, bei dem nicht nur wegen des Sulzers, sondern auch wegen der noch immer nicht bereinigten Sache des bei Innsbruck an Basler Gut verübten Raubes dringlich reklamiert wurde, erwiderte nichts. Straßburg, Bern, Solothurn wurden gemahnt, dem Grafen ihre Widersagbriefe zu schicken oder den Baslern doch zum mindesten guten Rat zu geben; sie taten weder das Eine noch das Andere. Auch Markgraf Rudolf, sonst bei Geschäften dieser Art stets bei der Hand, ließ nichts von sich hören. Er war nicht einmal zu finden; es hieß, er sitze auf seinem Schlosse Sausenberg, bade heimlich und erlaube den Seinen nicht, zu sagen wo er sei.

Erst die Freveltat des Urslingers im April 1411 und die hiebei neuerdings sich zeigende Zurückhaltung Straßburgs scheint den Baslern zum Bewußtsein gebracht zu haben, daß das Schreiben nichts nütze, das Zusehen und Warten ihrem Ansehen nur schade. „Je mer wir beitent und swigent, je mer wird es uns böse. Wir wollen den Unsern beholfen sein wider Graf Herman von Sulz und zu ihm greifen“, schrieben sie am 27. April 1411 nach Bern und Solothurn. Gleichen Tags oder am Tage darauf zogen sie mit Kriegsgewalt aus, rückten dem linken Ufer des Rheins entlang bis Mumpf und nahmen auf dieser Strecke an Leuten und Gütern ein, was zur Burg Rheinfelden gehörte. Der Herzog und seine Amtleute erhoben Einsprache; aber Basel verantwortete sich in aller Ruhe. Ihnen [387] gegenüber wie auch in Briefen an die verbündeten Städte, denen es von seinem Gewaltstreich Kunde gab, machte es zu dessen Begründung das höchst „ungutliche“ Handeln des Grafen von Sulz geltend. Uebrigens habe ja die Herrschaft an den Leuten und Gütern, zu denen Basel jetzt gegriffen habe, gar kein Recht, solange sie nicht den Baslern, denen sie versetzt seien, ausgelöst werden.

Jedenfalls hatte Friedrich nun sehen können, daß Basel die Sache ernst nahm und sich nicht länger hinhalten ließ. Er kam im Mai von Wien in die Vorlande und ließ Basel wissen, daß er Verhandlungen anzuknüpfen geneigt sei. Das gewohnte Treiben begann wieder: Markgraf Rudolf ward sichtbar und machte den Vermittler; Straßburg, Bern, Solothurn, Zürich ließen ihre Gesandten reiten; zu Baden im Aargau kam man zusammen und verhandelte. Am 10. Juli 1411 wurde hier der Vergleich abgeschlossen. Es war ein dürftiges Instrument, überaus kurz gefaßt und in ganz allgemeinen Ausdrücken die Beilegung aller Zwistigkeiten und Forderungen aussprechend. Auch seine Besiegelung durch den Herzog ließ, wie es scheint, auf sich warten, und so war die Wirkung dieses Vergleiches von vorneherein eine überaus schwache. Man glaubt den Akten sogar entnehmen zu sollen, daß überhaupt Alles beim alten blieb. Wenn auch inzwischen ein neuer Landvogt bestellt worden war, Burchard von Mansperg, die Herrschaft befolgte auch durch diesen das bisherige, ihr vorteilhafte System. Täglich bestürmten die Zibolle den Rat mit Klagen, daß ihre Güter ihnen vorenthalten würden wie vordem, und drangen auf Handhabung des Vergleichs.

Der Rat machte dem Landvogt die nötigen Vorstellungen, aber unternahm weiter nichts. Er war zur Zeit von anderen politischen Absichten und Plänen beherrscht; gelangen diese, so hatte er ein Mittel, um auch die Angelegenheit mit Herzog Friedrich nach Wunsch zu regeln.


Zunächst schuf Basel Klarheit in seinem Verhältnisse zum Adel. Die für die adligen Bürger geltende Ordnung setzte in der Hauptsache fest, daß kein Edler sein Bürgerrecht vor Ablauf von fünf Jahren ohne Willen des Rates aufgeben könne, daß er das Ungeld zahlen, mit der Stadt leiden und meiden, ihr mit seinen Festen, Schlössern, Landen, Leuten und Gut dienen solle. Noch in den letzten Jahren[WS 1] waren mehrere Edelherren zu Bürgern angenommen worden und hatten diese Ordnung beschworen. Im Kriege mit Katharina hätte gerade diese Gruppe von Bürgern gute Dienste leisten können; aber Manche unter ihnen versagten. Georg Meier von Hüningen [388] wollte schon im April 1410 sein Bürgerrecht aufgeben, aber der Rat verweigerte ihm die Entlassung. Gleichwohl betrachtete sich Meier als frei und nahm Dienst beim Grafen von Sulz; zusammen mit seinem Bruder Walter befehdete er Basel, schädigte den Konrad zum Haupt und andere Bürger, nahm die Burg Steineck ein. Auch Ritter Friedrich von Hatstat machte Miene, sich von der der Stadt loszusagen; der Rat gab ihn nicht frei, im Dezember 1410, und verwies ihn auf seinen Eid. Aber was nützte im Ernstfalle dieses Festhalten von Bürgern, die völlig unzuverlässig waren und das der Stadt Schuldige doch nicht leisteten? Der Rat beschloß, diese Renitenten und Zweifelhaften von sich abzuschütteln. Im November 1411 sagte er ihnen allen zugleich ihr Bürgerrecht von sich aus ab. Den Brüdern Georg und Walter Meier von Hüningen, dem Freiherrn von Gliers (der vor zwei Jahren erst Bürger geworden war), den Rittern Berthold Waldner und Friedrich von Hatstat, dem Peter von Eptingen genannt Huser und seinem Sohne Konrad, den Brüdern Ulrich und Pentelin von Pfirt. Sie sollten ewig nicht mehr als Bürger angenommen werden.

Der weitere, überaus wichtige Schritt, den Basel jetzt tat, war die Befestigung seines Verhältnisses zur Herzogin Katharina.

Der mit ihr am 3. November 1410 geschlossene Vergleich hatte nur der Beilegung des Streites gegolten. Jetzt, am 17. Dezember 1411, verbanden und vereinigten sich die Herzogin und die Stadt „durch schirm frist und notdurft willen“ ihrer Lande und Leute. Nur auf drei Jahre wurde der Bund geschlossen, aber er sicherte jedem der Bundschließenden Rat und Hilfe des anderen in allen Notfällen und für sein ganzes Gebiet. Als solches Gebiet der Herzogin werden genannt die Herrschaften, Schlösser und Städte Badenweiler, Ensisheim, Thann, Masmünster, Belfort, Rosenfels, Dattenriet, Blumenberg, Altkirch, Pfirt und Landser. Aber auch Basel trat mit einem ansehnlichen Territorium auf: den Herrschaften, Schlössern und Städten Liestal, Waldenburg, Honberg und Olten, samt Stadt und Tal Delsberg und Münster im Granfeld.

Für die Beurteilung dieses Bündnisses kommt in Betracht, daß Herzogin Katharina, zumal seit ihr Gemahl Leopold am 3. Juni 1411 gestorben war, persönliche, eigene Absichten hatte, die in Basel verstanden wurden. Basel aber wählte ein solches Zusammengehen mit Katharina, weil es damit einen Druck auf den ungeberdigen, jeder sonstigen Einwirkung sich entziehenden Herzog Friedrich auszuüben hoffte.

Unter allen Umständen war dieser Bund, der einen so gewaltigen [389] Komplex oberrheinischen Gebietes einheitlichen Interessen unterwarf, ein sehr wichtiges Faktum. Er zeigt uns Basel im Besitze großer Mittel und mit dem energischen Willen ausgerüstet, sich dieser Mittel zu bedienen.

Es erhielt durch den Bund sofort Gelegenheit, dies zu tun.

Der Anlaß war im Grunde ein nichtiger. In den Fehden Basels mit Herzogin Katharina und dem Grafen von Sulz hatten auch die Edelknechte Heinrich zu Rhein und sein Vetter Rudolf von Neuenstein Schaden durch die Oesterreichischen gelitten, völlig[WS 2] ungerechtfertigter Weise, wie sie behaupteten. Sie begehrten von der Herzogin Ersatz des Schadens und wurden abgewiesen. Daher sie sich zu rächen beschlossen.

Am 17. Dezember 1411 war der Bund Basels mit Katharina zustande gekommen und auf dem Basler Kornmarkt öffentlich kundgetan worden. Wenige Tage später, am Weihnachtsabend, fielen der zu Neuenstein und der zu Rhein über Angehörige der Herzogin im Sundgau her, nahmen ihrer zehn gefangen, erstachen drei und verwundeten etliche übel. Katharina mahnte sofort Basel zur Hilfe gemäß dem Bunde.

Basel kannte die beiden Herren recht gut, zumal den Neuensteiner, der eine Natur wie einst sein Großvater Rutschman von Blauenstein gewesen zu sein scheint. So unbedeutend er war, so viel Lärm machte er, und immer finden wir den Rat von Basel mit der Beilegung oder Entscheidung solcher Händel behelligt. So im Jahre 1410, als Rudolf von Neuenstein, zusammen mit Herrn Thüring von Ramstein, seinen Oheim Hans von Blauenstein gefangen genommen und über dessen Burg die Hand geschlagen hatte; die Ursache dieses Zankes ist uns nicht bekannt; auch der Graf von Würtemberg mischte sich darein; der Rat von Basel machte Frieden, aber Schloß Blauenstein blieb dem Neuensteiner und dem Freiherrn Thüring. So hatte der Rat 1411 neuerdings zu vermitteln, diesmal zwischen der Herzogin Katharina und dem zu Rhein samt dem Neuensteiner, in der soeben erwähnten Streitsache. Man verhandelte wiederholt. Da brach die mitten im Frieden verübte Gewalttat alle Versuche ab, und nun war Basel sogleich entschlossen, hart zu sein, keine Rücksichten walten zu lassen.

Geschädigt war im Grunde nur die Herzogin, und Basel lediglich zur Hilfe aufgeboten. Dennoch riß die Stadt die Führung an sich; sie stellte die bessere Mannschaft und vor allem das Belagerungsgeschütz; die Herzogin sollte nur vor Blauenstein ziehen, die Basler gedachten auch Neuenstein und Fürstenstein zu brechen. Unweit von einander lagen diese Burgen: am Nordhange des Jurablauen über Ettingen das starke Schloß [390] Fürstenstein, altberühmt durch die Belagerung von 1308; am Westende desselben Gebirgszuges über Kleinlützel Blauenstein; jenseits der Birs, das weite Laufener Blachfeld vom Berge her überschauend, das Stammschloß Rudolfs von Neuenstein.

Am 30. Dezember früh zogen die Basler aus und legten sich mit den Truppen der Herzogin in drei Abteilungen vor die Burgen. Die Kanonen taten das Nötige; noch am Abend dieses Tages fiel Neuenstein in die Hände der Belagerer; die Besatzung wurde nach Basel gebracht, um dort nach Urteil und Recht den Tod zu leiden.

Am Tage darauf, am letzten Tage des Jahres, wurde bei einbrechender Nacht Blauenstein gewonnen; aber das Haus war leer. Die Besatzung, worunter Rudolf von Neuenstein selbst, hatte sich, während die Belagerer zu Abend aßen, in der Dunkelheit davon schleichen können. Beide Burgen wurden sofort in Brand gesteckt, und die Belagerer zogen nun zu den Uebrigen vor Schloß Fürstenstein, das am längsten Stand hielt. Sieben Büchsenmeister, alle von Basel, waren hier an der Arbeit. Die Mannschaft der Herzogin bestand aus hundertundfünfzig Elsässer Bauern unter der Führung des Herrn Smasman von Rappoltstein und einiger Edeln. Nach dem raschen Ueberwältigen der beiden andern Burgen waren die Belagerer hier umso ungeduldiger; der starke Nebel hinderte das Schießen; das Volk wollte stürmen. Man wußte, daß Heinrich zu Rhein mit Reisigen und Knechten in der Feste war; sie hatten entweichen wollen, aber waren entdeckt worden und hinter die Mauern zurückgewichen. „Sie gäben uns gern das Haus auf, wenn wir sie des Lebens trösten wollten“, schrieb Basel, während die Belagerung noch dauerte, am 5. Januar 1412 den Freunden von Bern und Solothurn. Aber noch am Abend dieses Tages fiel auch Fürstenstein; die Eingeschlossenen ergaben sich. Der Herr von Rappoltstein hatte Namens der Herzogin ihnen Gnade schenken wollen; die Basler Hauptleute verlangten ihren Tod. In heftigem Wortwechsel stritten sich Claus Hüller und Hüglin zum Schiff mit dem Rappoltsteiner, bis dieser zuletzt zornig ausrief: „Sider ir nit anders wellent, so wil ich by solichem nit sin“ und mit den Seinen aus dem Lager ritt. Die Gefangenen, auch Heinrich zu Rhein, wurden auf der Stelle enthauptet.

Im Februar sodann brach Henman Pflegler der Büchsenmeister Fürstenstein ab.

So schaffte sich Basel Ruhe. Innerhalb eines Zeitraums von wenig mehr als einem Jahre hatte es vier Burgen in seiner Nähe gebrochen, dem [391] Adel Kraft und harten Willen gezeigt, die Herzogin rühmlich bekriegt und sich zur Verbündeten gemacht.


Basels Absicht bei diesem Bündnisse war gewesen, seine Stellung gegenüber Herzog Friedrich zu stärken, und wie sehr es, nach dem Abschluß des Geschäftes, bewußt war, das Gewollte erreicht zu haben, zeigen Aeußerungen des Rates aus dieser Zeit.

Schaffhausen hatte bei ihm ein gutes Wort zu Gunsten des Herzogs Friedrich einzulegen unternommen, der mit Allem, was ihm gegen Basel oblag, noch immer im Rückstande war. „Ihr bittet uns freundlich einzuhalten und ohne Zugriff zu bleiben um die Zumutungen, die wir an Herzog Friedrich haben von der Zibollen und etlicher Kaufleute unserer Bürger und auch von der Besiegelung der Richtungbriefe wegen“ erwiderte der Basler Rat am 17. Februar 1412. „Wisset, daß wir schon allzulange aufgezogen sind, nachdem wir doch unsere Bürger um des Friedens willen einen großen Teil ihrer Forderung haben preisgeben lassen. Wir werden daher nach der alten Fastnacht mit Hilf unsrer Freunde tun, was uns gebührt, wenn wir noch weiter hingehalten werden, was wir nicht hoffen.“

Der Rat von Schaffhausen hat jedenfalls nicht gesäumt, den Herzog von diesem Bescheide zu verständigen. Und in der Tat deutet nun bald Alles darauf hin, daß die Parteien sich einander näherten. Herzog Friedrich sah ein, daß er entweder offenen Krieg wagen oder einen Frieden machen müsse, der besser sei als der nichtssagende Vertrag von 1411. Er entschied sich für das Letztere. Verhandlungen über ein Bündnis begannen, der Rat von Straßburg verzichtete wiederum auf den ihm bundesgemäß zustehenden Einspruch, und am 13. Oktober 1412 kam der Bund zu Stande.

Nicht mit Friedrich allein. Wohl der Auseinandersetzungen wegen, die nach dem Tode des Herzogs Leopold zwischen seiner Witwe Katharina und seinem Bruder Friedrich über die elsässischen Territorien stattfanden, mochte Basel wünschen, seinen Vertrag mit einer Macht zu schließen, deren Herrschaftsgebiet doch als Ganzes unbestritten war. Es verband sich daher mit Friedrich und Katharina zugleich.

Es war eine stattliche Konföderation, die sich so zusammenfand: auf der einen Seite der Herzog und die Herzogin mit ihren Landen und Leuten im Thurgau, Aargau, Sundgau, Elsaß und Breisgau und den zahlreichen starken Städten dieser Gebiete, auf der andern Seite Basel mit seinem Territorium, das die Lande der Andern verband. Gegenseitige Beratung und Hilfe in Kriegsfällen, gegenseitige Beschirmung zu jeder Zeit waren [392] die Ziele der Vereinigung; genaue Abreden und Vorschriften hierüber, über Mahnung und Aufgebot, Zuzug, Behandlung eroberter Festen und ihrer Besatzungen, Bestreitung der Kosten usw. füllen das umfangreiche Bundesinstrument. Alle Sachen aber, die vor diesem Bunde strittig gewesen waren, wurden als erledigt erklärt.

So verbündete sich Basel mit Oesterreich. Indem es dabei unter Denjenigen, gegen die das Bündnis nicht gelten solle, auch seine „lieben Freunde und Eidgenossen“ von Straßburg, Bern und Solothurn nannte, war es sich des Unterschiedes wohl bewußt, der zwischen jenen Bünden und dem Pakte von heute bestand. Der letztere war eine reine Sache der Opportunität und ohne innere Wahrheit.

Noch fehlte aber die Besiegelung des Dokuments, wozu es bei allen Städten des Bundes herumgesandt werden mußte, sowie die Beschwörung. Im Dezember machten sich die Gesandten Basels auf den Weg; erst in Rheinfelden, dann von Stadt zu Stadt reitend, im Geleit eines Beamten der Herrschaft, nahmen sie überall die Räte in Eid. Im Februar 1413 war endlich dies Geschäft durchgeführt; am 13. Februar fanden sich die Vertreter Oesterreichs und der Städte in Basel ein und nahmen hier den Eid des Rates entgegen.

Zufrieden konnte dieser das mit achtunddreißig Siegeln bewehrte Pergament des Bundesbriefs zu seinen Schriften legen. Eine große Angelegenheit, ein schweres Zerwürfnis war glücklich beendigt. Freilich mit Mühe und Arbeit, und die Schäden dieser Zeit konnten noch lange schmerzen. Neben den schweren Verlusten, die der Einzelne erlitten, zeigte sich jetzt, wie verwüstet das Land, wie verwildert das Volk war. Entschiedenes Eingreifen des Rates war nötig. „Wir vernehmen, daß viele Leute in deiner Vogtei den Feldbau liegen lassen und ungöttliche Dinge treiben“ schrieb der Rat im Mai an den Landvogt zu Waldenburg. „Dies mißfällt uns. Wir befehlen ernstlich, daß du Alle, welche vermögend genug sind, dazu zwingest, einen Pflug zu haben und Korn zu bauen. Wo die Mittel hiezu fehlen, da sollen Zwei zusammen spannen und einen Pflug haben, damit ihre Güter nicht wüst liegen bleiben.“ Zugleich bestimmte der Rat die Steuer im Städtlein Waldenburg und die kleinen Bußen während der nächsten vier Jahre zur Verwendung für Bau und Befestigung, deren das Städtlein bedurfte. „Sorge dafür, daß dies geschehe, damit ehrbare Leute gerner darein ziehen und sich dort behausen.“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Jahrrn
  2. Vorlage: völiig