Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl/Die Bemühungen der Fürsten um Erzielung des kirchl. Friedens

« Das Drama in Kursachsen Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid
Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl
Inhaltsverzeichnis
Schluss »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
VI. Die Bemühungen der Fürsten um Erzielung des kirchlichen Friedens.

 Wir könnten hiermit unsere Aufgabe als vollzogen betrachten: denn wir haben jetzt den letzten Kampf, der um Luthers Lehre vom Abendmahl gekämpft wurde, hinter uns.

 Nachdem wir unseren Ausgang von dem Beweis genommen hatten, dass Luther die Wittenberger Concordie nur unter der Voraussetzung eingegangen war, dass man seiner Lehre vom Abendmahl zugefallen sei; nachdem wir nachgewiesen hatten, dass Luther auch nur unter dieser Voraussetzung ein Verhältniss zu den Schweizern hatte eingehen wollen und dass er nie um der Einigung willen mit ihnen etwas von der Bestimmtheit seiner Lehre aufzugeben gewillt war; nachdem wir endlich nachgewiesen hatten, dass Luthers Lehre vom Abendmahl ihren bestimmten Ausdruck in den Bekenntnissschriften der lutherischen Kirche gefunden hat, hatten wir daran erinnert, wie durch das Interim die Einheit der lutherischen Theologen untereinander gestört worden war; wie unter den anderweitigen an das Interim sich anreihenden Streitigkeiten der lutherischen Theologen unter einander die Aufmerksamkeit von der Lehre vom Abendmahl abgelenkt wurde; wie mittlerweile in lutherischen Kreisen die Melanchthonische Auffassung Boden gewann, in der Schweiz aber Calvin seine Auffassung durch den consensus Tigurinus zur Geltung brachte, dieser mit dem Anspruch auftrat, die Härten Zwinglis und Luthers überwunden zu haben und damit auch Glauben und Eingang in lutherischen Kreisen fand.

|  Diese Wahrnehmung und die Ueberzeugung, dass die lutherische Lehre vom Abendmahl in der lutherischen Kirche dadurch gefährdet sei, veranlasste, dass Westphal auftrat und die Reihe von Kämpfen eröffnete, von denen wir berichtet haben. Der Kampf war gegen die gerichtet, welche innerhalb der lutherischen Kirche, ohne das Wort haben zu wollen, der lutherischen Lehre untreu geworden waren, er war angehoben worden von niedersächsischen Theologen, bald aber hatten auch die Würtemberger Theologen sich angeschlossen. Wo gekämpft wurde, nirgends konnte man auf die Dauer läugnen, dass man dem lutherischen Bekenntniss vom Abendmahl untreu geworden sei, verschieden aber war der Erfolg des Kampfes. In dem einen Lande, in der Pfalz, endete er mit dem Sieg des Calvinismus, in dem anderen Land, in Kursachsen, mit schwerer Bestrafung derer, welche das lutherische Bekenntniss in diesem Land hatten verdrängen und das calvinisch-melanchthonische Bekenntniss hatten einschwärzen wollen. Ein Zeugniss für die lutherische Lehre war der Kampf in dem einen wie in dem andern Lande, und sein Ende fand er dadurch, dass man in der Concordienformel wenige Jahre nach dem in Kursachsen abgelegten Zeugniss sich für die Auffassung als die lutherische erklärte, welche in dem Kampf vertreten worden war.

 Die Arbeit und den Kampf der lutherischen Theologen haben wir also bis in sein letztes Stadium verfolgt.

 Sehr nahe liegt es aber doch, auch noch der Stellung zu gedenken, welche die Fürsten in diesem Streit einnahmen. Ja wir haben noch ein besonderes Interesse daran. Dieselben nemlich, welche behaupten, der bis dahin beschriebene Kampf sei nur von einer Fraction von lutherischen Theologen geführt worden, welche, auf die Lehre Luthers sich steifend, und die Einigung, welche sich zwischen der Lehre Luthers und der Calvins angebahnt hatte, übersehend, der Melanchthonischen Lehre ihren wohlberechtigten Platz in der lutherischen Kirche streitig zu machen bemüht gewesen seien, behaupten weiter, die Fürsten hätten auf solennen Conventen und Fürsten-Versammlungen gerade die Melanchthonische Auffassung für die zu Recht bestehende erklärt und dieselbe kirchenrechtlich fixirt. Nach dieser Auffassung| wären also die Fürsten nicht mit den Theologen, die wir die lutherischen nennen, gegangen, hätten die Fürsten vielmehr trotz des Widerspruchs dieser Theologen die Melanchthonische Auffassung als Bekenntniss der evangelischen Kirche anerkannt, und damit thatsächlich diese Theologen selbst nur als eine Fraction in der lutherischen Kirche bezeichnet, welche kein Recht habe, sich zu der herrschenden und tonangebenden zu machen. Verhielte es sich wirklich so, so würde uns das zwar in unserem Urtheil über das gute Recht der lutherischen Theologen in der Sache nicht irre machen, aber wir müssten zugestehen, dass ihnen dieses Recht von den Fürsten ist streitig gemacht worden, und dass die Melanchthonische Auffassung kirchenrechtlich sanctionirt worden ist.

 Wie es sich damit verhalte, ist also für uns eine sehr wichtige Frage, und mit ihrer Beantwortung soll der Schluss dieser Arbeit gemacht werden.

 Die Stellung der Fürsten kam bei den verschiedenen Versuchen zu Tage, welche sie machten, um die Zerwürfnisse, die unter den Theologen der lutherischen Kirche bekanntlich nicht allein um der Abendmahlslehre willen entstanden waren, beizulegen.

 Diese Versuche also haben wir noch ins Auge zu fassen. Wir halten uns nur an die hervortretendsten. Diese beginnen mit dem Jahr 1557. In diesem Jahr war auf dem Reichstag zu Worms beschlossen worden, dass auf einem demnächst in Worms zu haltenden Colloquium zwischen Katholiken und Protestanten noch einmal der Versuch gemacht werden solle, beide Religionsparteien, die katholische und evangelische, zu einigen. Da lag nichts näher, als dass der andere Versuch, die evangelischen Theologen untereinander zu einigen, voranging. Einen solchen unternahm der Herzog Christoph von Würtemberg[1].

 Noch während der Reichstag in Regensburg versammelt war, kam dieser Fürst auf den Gedanken, einen Convent der evangelischen Stände zu Stande zu bringen[2]. Bei dem Kurfürsten von| Sachsen fand dieser Gedanke keinen Eingang, er trug um des Kaisers willen Bedenken darauf einzugehen, der Kurfürst Otto Heinrich von der Pfalz aber ging darauf ein. Diese beiden Fürsten vereinigten ihre Bemühungen und es gelang ihnen, einen Convent in Frankfurt a/M. (am 18. Juni 1557) zusammen zu bringen, auf dem sich ausser ihnen der Landgraf Philipp von Hessen, der Pfalzgraf Friedrich und der Graf Georg von Würtemberg einfanden; die Grafen von Nassau aber, die Pfalzgrafen von Simmern und Zweibrücken und einige Grafen und oberländische Reichsstädte schickten Deputirte. Die Fürsten und Deputirten hatten auch Theologen mitgebracht, deren es 31 waren.
.
 Die vornehmsten Gegenstände, über die man in Berathung trat, waren die Instruction, welche man den Colloquenten für das Colloquium mit den Katholiken zu geben habe, und die Frage, „wie man eine gottselige Vergleichung in der Lehre und Ceremonien stiften könne?“ Es kam nun zwar zu einhelligen Beschlüssen. Es waren die: bei dem Wormser Colloquium solle man die Augsburger Confession und Apologie zu Grund legen, den Katholiken gegenüber aber, wenn sie auf den unter den Evangelischen vorhandenen Zwiespalt hinweisen wollten, entgegenhalten, „dass man im Grund und in den Hauptstücken einig sei.“ Endlich: man wolle nach stattgehabtem Colloquium dahin wirken, dass der Streit der evangelischen Theologen untereinander auf| einer Synode zum Austrag gebracht werde, bis dahin aber solle der Streit ruhen[3].

 Allein zu diesen einhelligen Beschlüssen kam es doch nur, weil weder die Fürsten noch die Theologen, welche man zur Flacianischen Partei rechnete, auf dem Convent vertreten waren. Aus den Einwendungen des Gallus, des einzigen Theologen der Flacianischen Richtung, der, von Regensburg deputirt, in Frankfurt zugegen war, kann man das schon abnehmen. Er bemerkte in den Bedenken, die er am 21. und 22. Juni einreichte, man könne doch nicht sagen, dass bis dahin immer der A. C. gemäss gelehrt worden sei, denn man dürfe der Interimistischen Collusionen nicht vergessen; auch möchte er den Beschluss, dass der Streit bis zu einer Synode ruhen solle, nicht so verstehen, dass die Zwinglianer nicht mehr von der Kanzel gestraft, und den neu aufkommenden Irrungen nicht gewehrt werden dürfte. Er schlug weiter vor, dass, weil die Sekten sich mit der Augsburgischen Confession deckten, nicht nur der Buchstabe, sondern auch der Verstand derselben nach der Apologie und den Schmalkaldischen Artikeln wieder festgesetzt werden möchte. Endlich erinnerte er daran, dass schon auf dem Regensburger Reichstag nicht alle Theologen-Parteien seien vertreten gewesen und meinte er, man dürfe bei der Vorbereitung zu einem künftigen Vergleich keine Partei präjudiciren[4].

 Wie man aber in den Flacianischen Kreisen über die Frankfurter Beschlüsse urtheilte, erfahren wir von Flacius selbst. Er tadelte daran, dass die Fürsten ihren Theologen nicht befohlen hätten, die Sacramentirer zu verdammen; dass man die Theologen nicht an die Schmalkaldischen Artikel, die doch von allen Kirchen und Theologen unterschrieben wären, verbunden habe. Er nannte es eine Unwahrheit, dass behauptet worden, es hätten bisher Alle der A. C. gemäss gelehrt; er rügte es, dass im Abschied kein Wörtchen vom Interim, den adiaphoris, dem Majorismus enthalten sei. Als das Schlimmste aber bezeichnete er, dass| man den Eiferern wider besagte Ketzereien Stillschweigen auferlegen und sie auf eine Synode, das ist ad graecas Calendas, vertrösten wolle[5]

 Schon aus diesen Aeusserungen liess sich abnehmen, dass man auf dem zu erwartenden Colloquium mit den in Frankfurt gefassten Beschlüssen nicht zurecht kommen würde: denn die Voraussetzung dabei war die eines Waffenstillstandes der evangelischen Theologen unter einander, und von dieser Voraussetzung war man in Frankfurt auch ausgegangen, ohne sich zu vergewissern, ob denn auch beide Parteien darauf einzugehen geneigt wären.

 Man sollte bald, noch vor Beginn des Colloquiums, inne werden, dass man von falscher Voraussetzung ausgegangen war: denn die herzoglich sächsischen Theologen gaben mit ihrem Herzog aufs deutlichste zu erkennen, dass sie zu solchem Verfahren die Hand nicht bieten würden. Statt in eine Vertuschung oder Ignorirung der vorhandenen Differenzen zu willigen, wollten sie vielmehr, dass dieselben erst ausgeglichen würden, und sie ihrerseits konnten an eine Ausgleichung nur dann glauben, wenn man einig würde in Verwerfung der Irrthümer, welche im Laufe der Zeit aufgetaucht waren.

 In diesem Sinn hatte Flacius schon am 9. August an die in Worms versammelten Theologen eine lange Epistel gerichtet und sie ermahnt, wider das Interim, die Adiaphoristen, Osiandristen, Majoristen tapfer zu fechten, und den Papisten ja nichts| einzuräumen; sie sollten ihr Schwerdt blank halten wider die Sacramentirer und Schwenkfeldianer, und sich von Anderen nicht bereden lassen, es in die Scheide zu stecken. Jetzt wäre die Zeit des reinen und deutlichen Bekenntnisses[6].

 In gleichem Sinn äusserte er sich in einem Bedenken an die Herzoge von Sachsen, und ganz in diesem Sinn war die Instruktion abgefasst, welche den sächsischen Deputirten nach Worms mitgegeben ward[7]. Sie sollten bei der A. C., Apologie und den Schmalkaldischen Artikeln verbleiben, „würden nun die Anderen das Widerspiel zeigen und vorgeben, sie blieben auch bei der A. C., Apologie und Schmalkaldischen Artikeln, wollten aber wider die eingeschlichenen Sekten und Veränderungen sich nicht ausdrücklich erklären, so sollten sie mit niemanden Gemeinschaft halten, sondern, ehe man sich mit den Papisten ins Gespräch einliesse, erst folgende Punkte namhaft von allen A. C.-Verwandten verdammen lassen,“ nemlich die Sekten der Wiedertäufer, der Zwinglianer und Sacramentschwärmer, den Osiander, Major, Schwenkfeld, die Servetianer in Polen, „endlich Alle die, so ihren Fall und Defection zur Zeit des Interims nicht erkennen, sondern noch verfechten und vertheidigen wollten.“

 Alle Bemühungen, welche jetzt von der anderen Seite gemacht wurden, den Herzog von Sachsen und seine Theologen zum Aufgeben dieser Forderungen zu bewegen, waren vergeblich. Der Herzog verblieb dabei: „es wäre nicht möglich, dass die gesammten Theologen die Augsburgische Confession wider die Papisten vertheidigen könnten, ehe sie sich selbst vorher nicht verglichen und die Irrthümer verdammt. Die Papisten hätten ja die Streitschriften gelesen, und wenn also die Theologen A. C. nicht aus Einem Munde redeten, würden jene diese mit ihrem eigenen Schwerdt schlagen“[8]. Auf ihre Forderung aber, vor dem Beginn des Colloquiums noch den Versuch einer Einigung zu machen, ging man von der anderen Seite nicht ein. Noch vor Ankunft Melanchthons berichteten die herzoglich sächsischen Deputirten an den Herzog[9], „sie hätten viele Personen| angestochen und vermerkten, dass sie es schwerlich dazu werden kommen lassen, dass vor der Handlung mit den Papisten, beides von den alten und neuen Irrthümern, so seit der Zeit der Promulgation des Interims aufgekommen, Unterredung gestattet und Verdammung der Irrthümer zugelassen werde, dieweil Philipp von dem zwinglischen Irrthum sehr verdacht, daneben auch sonst des Adiaphorismus halber angefochten wird. So würde Brentius und die anderen Würtembergischen nicht lassen Osiandern verdammen. Sind auch Etliche unter den Würtembergischen, so Majorn mit seiner Proposition de necessitate etc. nicht gedenken fallen zu lassen. So sind auch wohl Andere mehr unter den Haufen der geordneten Personen, die Zwinglium auch im Busen stecken haben. Dieweil dann einer hier, der andere dorten krank liegt, werden sie unsres Erachtens dahin mit höchstem Fleiss arbeiten, dass kein Irrthum, so wider unsere A. C., Apologie und Schmalkaldischen Artikel strebet, angefochten und namhaft verdammt werde, sondern werden es bei dieser Generalclausel bleiben lassen, dass man sich zur A. C. bekennt, dagegen alles, was dem zuwider sei, in genere also verdamme, dass man keines Irrthumes in specie gedenke“[10].
.
 Und dabei liessen sie es auch in der That auf dem Colloquium, das am 4. September seinen Anfang nahm, verbleiben. Darum kam es aber auch so, wie die herzoglich sächsischen Theologen vorausgesagt hatten. Diese hatten sich zwar noch bestimmen lassen, von einer Protestation vor dem ganzen Colloquium, welche erst für den Fall, dass kein Vergleich zu Stande komme, beschlossen worden war, abzustehen, und hatten sich daran genügen lassen (am 2. Septbr.), eine schriftliche Protestation bei dem Notar niederzulegen, welche aber, wenn es nicht die Nothdurft erforderte, um der Papisten willen, bei währendem Colloquium nicht eröffnet werden sollte. Allein die Katholiken, denen das Colloquium lästig genug war, nützten die ihnen wohlbekannte Uneinigkeit der Theologen klüglich, und der Bischof Helding forderte in der sechsten Sitzung (am 20. Septbr.), nachdem Canisius zuvor in einer weitläufigen Rede darzuthun versucht hatte,| dass die Protestanten keineswegs im Glauben einig seien, dieselben auf, die Sekten erst namentlich zu benennen, welche sie von der A. C. ausschliessen oder was sie für Lehren darunter begriffen. Bisher hätten sie nur Schwenkfeld, Servet, Thamer und die Wiedertäufer genannt. Nun müssten sie sich auch vermöge des Reichsdekrets deutlich erklären, ob sie die Zwinglianer und Calvinisten in der Lehre vom Sacrament, die Osiandristen in der Lehre von der Rechtfertigung, die Flacianer in der Lehre de servo arbitrio und guten Werken, und die Picarden in anderen vielen Punkten von der A. C. ausschlössen“[11].

 Jetzt glaubten die sächsischen Theologen, es wäre tempus confessionis und waren entschlossen, in der nächsten Sitzung ihre Protestation zu publiciren. Vergebens suchte man sie von diesem Beschluss abzubringen, und als man ihnen drohte, sie von der ferneren Theilnahme an dem Gespräch auszuschliessen, übergaben die vier Theologen, Schnepf, Mörlin, Strigel und Stössel am 2. October ihre Protestation dem Präsidenten des Colloquiums mit der Bitte, sie zu den Akten zu nehmen, und verliessen Worms.

 Damit war das Collequium zu seinem Ende gekommen. Alle Bemühungen der zurückgebliebenen Protestanten um einen Fortgang desselben waren vergeblich. Die Katholiken erklärten jetzt, sie wüssten nicht, wer die rechten A. C-Verwandten seien, ob die Zurückgebliebenen oder die Ausgeschlossenen, sie könnten also in einen Fortgang des Colloquiums nicht willigen, bevor nicht eine Ausgleichung der evangelischen Theologen unter einander statt gehabt habe[12].

 Dieses Scheitern des Colloquiums hat man den Flacianern Schuld gegeben. Das ist insofern wahr, als die Katholiken von dem von den Flacianern hervorgehobenen Zwiespalt, der unter den evang. Theologen selbst sei, Anlass nahmen, das Colloquium, das sie von Anfang an nur ungern und ohne guten Willen angetreten hatten, abzubrechen. Aber kann darum die Flacianer ein Vorwurf treffen? Fällt er nicht vielmehr auf die zurück, welche den gewagten Versuch machen wollten, die Heilung des auch| von ihnen als vorhanden anerkannten Zwiespalts auf eine spätere Zeit auszusetzen und zuvor auf die unwahre Voraussetzung einer Glaubenseinheit hin den Gang mit den Katholiken anzutreten? Hätten auch die Flacianer den Zwiespalt nicht aufgedeckt, die Katholiken hätten ihn gewiss zur Sprache gebracht Den Flacianern aber durfte man nicht zumuthen, eine Einigkeit zu fingiren, die nicht vorhanden war. Entweder also hätte man auf den Antrag der Flacianer, vor dem Beginn des Colloquiums eine Ausgleichung zu versuchen, eingehen oder, wenn man voraus sah, dass eine solche nicht zu erzielen sei, mit allen Mitteln das Zustandekommen eines Colloquiums verhindern sollen[13]. –

 Das Colloquium war gescheitert. Die evangelischen Fürsten wagten keinen neuen Versuch mehr, den Riss zwischen Katholiken und Protestanten zu heilen.

|  Sollten sie gleich müssig dem Riss gegenüberstehen, der unter den Evangelischen an den Tag getreten war?
.
 Sie hätten es nicht gedurft, wenn sie auch gewollt hätten. Es nahte der Reichstag zu Frankfurt heran, auf welchem dem Römischen Kaiser Ferdinand die Kaiserkrone aufgesetzt werden sollte. Zum ersten Mal nach dem Wormser Colloquium kamen die Fürsten da wieder zusammen, der Verdacht, dass die Evangelischen unter sich nicht eins wären in der Lehre, lastete aber seit dieser Zeit schwerer als je auf ihnen. Diesen Verdacht mussten sie um jeden Preis abwenden. Da die Theologen die Hand dazu nicht boten, was blieb ihnen anderes übrig, als an dem Gedanken festzuhalten, den der Herzog Christoph von Würtemberg schon vor dem Frankfurter Convent ausgesprochen hatte, an dem dass die| A. C.-Verwandten Stände in eigner Person sich zusammenthun sollten, um den Hader der Theologen zu schlichten? Der Herzog von Würtemberg suchte eine Anzahl befreundeter Fürsten dahin zu vereinigen, dass sie auf dem Frankfurter Reichstag in Person| erschienen, um sich zu einer gemeinsamen Erklärung zu einigen[14].

 Der Aufforderung folgten die drei Kurfürsten, August von Sachsen, Otto Heinrich von der Pfalz, Joachim von Brandenburg, und der Pfalzgraf Friedrich Wolfgang[15]. Zuvor schon waren der Herzog von Würtemberg und der Kurfürst von Sachsen mit einander übereingekommen, Gutachten von Theologen einzuholen.

 Solche wurden von Brenz und Melanchthon eingeholt. Wir haben nur das des Letzteren gelesen[16], und wissen von dem des Brenz nur, dass es mit dem des Melanchthon durchaus einig war, Melanchthons Aufsatz aber über die Lehre vom Abendmahl deutlicher befunden worden war[17]. Melanchthon hielt die Berufung einer allgemeinen Synode, denn an eine solche hatten die Fürsten gedacht, nicht für räthlich. Jedenfalls, meinte er, müssten die Fürsten vorher einträchtig sein, „nicht allein was sie fürtragen wollten, sondern auch was sie endlich schliessen und worauf sie bleiben wollten.“ Er unterschied dann zwischen streitigen| Sachen, welche leicht, und zwischen solchen, welche nicht so leicht zu richten seien. Zu den letzteren rechnete er die Fragen über den freien Willen, über Osianders Lehre, über das Sacrament des Altars, die Elevation, die guten Werke, die Mitteldinge, die Decisionen in Ehesachen, und er sagte nun, wie er meine, dass man in diesen Punkten lehren solle.

 Um zu sehen, welche Stellung Melanchthon in seinem Gutachten zu dem Streit der Theologen unter einander einnimmt, genügt es, das was er vom Sacrament des Leibes und Blutes Christi sagte, näher anzusehen. Er weist da die katholische Transsubstantiationslehre, die Lehre der Boehmischen Prädikanten, dass das Brod sei essentiale corpus Christi, und endlich die Lehre Westphals, dass der Leib Christi sei an allen Orten, ab. Er will, dass gelehrt werde: „dass nichts Sacrament sei oder sein könne ausser dem eingesetzten Brauch, dass der Sohn Gottes im Abendmahl also wahrhaftig und gegenwärtig sei, dass er uns in dieser Niessung mit Brod und Wein seinen Leib giebt, sich selbst und seine Verheissung uns applicirt, und zu Gliedmassen seines Leibes macht.“ Endlich verwirft er als unrecht die Reden Zwinglis und anderer, „dass das Sacrament ein äusserliches Zeichen und der Herr Christus nicht wesentlich dabei sei.“ Die Ubiquität des Leibes Christi schliesst er also aus; der unio sacramentalis und des Genusses von Seite der Unwürdigen gedenkt er nicht.

 Nimmt man nun noch hinzu, dass er im Eingang, wo er die Berufung einer Synode als unräthlich bezeichnet, auf das Stärkste sich gegen Flacius ausspricht, indem er bemerkt, „er begehre nicht bei ihm zu sein, dieweil er gewisslich wisse, dass gedachter Illyrikus und sein Anhang nicht Gottes Ehre suche, sondern öffentlich der Wahrheit widerstrebe und noch nie sich erklärt habe von der ganzen Summe der christlichen Lehre,“ so sieht man, Melanchthons Gutachten zielt nicht auf eine Einigung der beiden Partheien, er sieht vielmehr von der einen Parthei ganz ab. Er hoffte vielleicht, dass eine Mehrheit sich die Fassung der Lehren, welche er vorgeschlagen, aneignen werde, für welchen Fall eine Synode für ihn die Bedeutung gehabt hätte, dass auf ihr diese Fassung solenn angenommen worden wäre.

 In Frankfurt gingen die Fürsten der Hauptsache nach auf| die Gedanken Melanchthons ein. Sie erklärten (in dem Recess vom 18. März 1558, unterschrieben von Otto Heinrich, Kurfürst August, Kurfürst Joachim von Brandenburg, Pfalzgraf Wolfgang, Herzog Christoph von Würtemberg und Landgraf Philipp von Hessen[18]: da die Berufung einer Generalsynode auf Schwierigkeiten gestossen, hätten sie, um den Verdacht, als wären die Evangelischen ihrem Bekenntniss untreu geworden, abzuwehren, sich entschlossen, aufs neue sich zu der reinen, wahren Lehre zu bekennen, welche in göttlicher, prophetischer und apostolischer Schrift des Alten und Neuen Testaments und auch in den drei Hauptsymbolen derselben, der A. C. sammt derselben Apologie enthalten sei. Da aber über einige Lehrpunkte Streit stattgefunden habe, so wollten sie sich über diese des Näheren erklären. Es sind das die Lehren von der Rechtfertigung, den guten Werken, dem Sacrament des Leibes und Blutes Christi und den Mitteldingen. Ueber diese erklärten sie sich dann ganz in der von Melanchthon vorgeschlagenen Weise, und weiter erklärten sie, sie seien entschlossen, in ihren Landen darauf zu halten, dass diesem Bekenntniss nicht zuwider gelehrt und nichts dagegen veröffentlicht werde, seien auch bereit, „mit den abwesenden Fürsten und Ständen sich über diese Artikel zu vereinigen und zu vergleichen, damit die Unruhe und Verbitterung, so einige vorhanden sein sollte, unter denen, die dieses Verstandes mit ihnen einig sein werden, in Vergessen gestellt und derselben nimmer gedacht werde.“
.
 Das Geschäft der Vereinbarung mit den anderen Fürsten und Ständen vertheilten die Fürsten dann ausdrücklich untereinander. Im Namen aller Kurfürsten und Fürsten sollte der Herzog Johann Friedrich von Sachsen zum Beitritt aufgefordert werden; der Kurfürst von der Pfalz sollte mit den benachbarten Ständen, auch mit Strassburg, handeln, der Kurfürst von Sachsen mit dem Markgrafen Georg Friedrich von Brandenburg, den Fürsten zu Anhalt, der Stadt Magdeburg; der Kurfürst von Brandenburg mit dem Markgrafen Hans von Brandenburg, den fürstlichen Häusern Lüneburg, Meklenburg und Pommern, der Herzog Christoph| von Würtemberg mit dem Grafen Georg von Würtemberg und den oberländischen Städten Ulm, Augsburg, Nürnberg und Regensburg. Ausdrücklich aber wurde endlich noch beschlossen, dass, wenn die eingeladenen Fürsten und Stände dem Recess auch nicht beiträten, die Einladenden doch an demselben festhalten wollten.

 Der Standpunkt, welchen die Fürsten, die den Recess unterschrieben, einnahmen, ist also ganz klar. Sie schlossen einen Bund untereinander, eine bestimmte Lehrnorm, über die sie unter sich übereingekommen waren, in ihren Landen zur Geltung zu bringen; sie versuchten auch die anderen Stände und Fürsten dafür zu gewinnen, aber der Bund sollte auch bestehen für den Fall dass diese nicht beiträten. Zur theologischen Grundlage ihres Bundes aber machten sie die Ansicht, welche Melanchthon der Flacianischen Partei gegenüber vertrat. Sie verzichteten also auf eine Ausgleichung mit dieser, wie Melanchthon darauf verzichtete, der ausdrücklich wollte, die sächsischen Lande sollten nicht beigezogen werden, „sonst würde nicht Einigkeit gemacht, sondern viel grössere Zwietracht und Hass angezündet“[19].

 Dass damit die ganze Melanchthonische Entwicklung des deutschen Protestantismus von Seite der Fürsten ausdrücklich sanctionirt war, kann man schon darum nicht (mit Heppe[20] behaupten, weil ja auch Brenz mit dem Versuch einer Einigung auf solchen Grundlagen einverstanden gewesen scheint, man aber doch den Brenz nicht als einen Theologen wird bezeichnen wollen, der, auch damals nicht, die ganze Melanchthonische Anschauung sich angeeignet hatte. Den Melanchthonischen Standpunkt nahmen die Fürsten nur insofern ein, als sie mit ihm der Meinung waren, der überwiegende Theil der Theologen werde dieser Vereinbarung in der Lehre sich anschliessen, und so scheint auch Brenz geglaubt zu haben, der an den bisherigen Streitigkeiten sich noch wenig betheiligt hatte und bekanntlich erst das Jahr darauf sich näher über die gegenseitigen Differenzen orientirte.

|  Hatten die Fürsten, hatten Melanchthon und Brenz darin Recht, und gelang eine Einigung auf Grund des Frankfurter Recesses, so war man an dem Ziel angelangt, gelang sie nicht, so kam der Zwiespalt erst recht zu Tag.

 Es geschah das Letztere. Zwar in den Ländern der Fürsten, von welchem der Recess ausgegangen war, wurde derselbe ohne Widerrede angenommen, allein sehr anders wurde es von den Fürsten und Ständen gehalten, welche zum Beitritt eingeladen worden waren. Die Fürsten von Anhalt glaubten, die Lehre vom Abendmahl sei in dem Recess nicht genugsam gegen eine Auslegung des Artikels zu Gunsten der Sacramentirer gewahrt. Auch die Grafen von Henneberg hielten das Bekenntniss vom Abendmahl nicht für ausreichend, ihr Bekenntniss lautete dahin, dass in, unter und mit dem Brod, beiden, den Gläubigen und Ungläubigen, der wahre, natürliche, wesentliche Leib nicht allein geistlicher Weise, sondern leibhaftig doch unsichtbarlich gereicht und mit dem Mund empfangen werde. Auch erklärten sie ausdrücklich, dass sie den Recess nicht anders denn nach Laut der A. C. und Schmalkaldischen Artikel unterschreiben würden.

 Der Rath der Stadt Regensburg meinte auch, man hätte von dem Abendmahl deutlicher und richtiger reden sollen, zumal Calvin zwar auch die Worte „gegenwärtig und wesentlich“ brauche, sie aber anders und nicht von der leiblichen Gegenwärtigkeit verstehe. Der Rath will mit ausdrücklicher Berufung auf die Schmalkalder Artikel das Bekenntniss aufgenommen wissen, dass nicht allein die Gläubigen, sondern auch die Ungläubigen den wahren Leib Christi zu geniessen bekommen.

 Die niedersächsischen Theologen klagten auch darüber, dass der Artikel vom Abendmahl gar zweifelhaftig gestellt sei, „also dass Calvin und alle Sacramentirer gleich so wohl ihn auf ihre Meinung ziehen könnten“[21].

 Stärker sprachen sich die Meklenburger Theologen in einem von Chyträus abgefassten Gutachten aus[22]. Sie hätten es für| besser gehalten, wenn man die A. C. von neuem hätte drucken lassen und in einer Deklaration die beiden streitig gewordenen Artikel hinzugefügt hätte: denn ohne namentliche Verwerfung der Irrthümer sei es nicht möglich, Einigkeit wieder anzurichten. Dürfe man auch nicht ganze Kirchen oder einzelne Personen, so aus Einfalt irrten, verdammen, so müsste man doch die Sacramentirer, Schwenkfeldianer, Osiandristen namentlich verwerfen. Ganz in gleichem Sinn äusserten sich die Pommerschen Theologen, am unzufriedensten aber die Magdeburger in einem Bedenken, das Wigand aufgesetzt hatte. Schon das ist ihnen bedenklich, dass weltliche Herren ohne Beisein der Theologen in Religionssachen ein Formular stellten, zumal da gerade unter ihnen diejenigen Theologen wohnten, welchen Irrthümer vorgeworfen würden. Sie tadeln weiter, dass man eine Amnestie errichten wolle, denn in Glaubenssachen, die die Sache Gottes und nicht der Menschen beträfen, könne man nichts wie Aepfel und Birnen vergeben. Eine Wunde dürfe man nicht unterkötig lassen und zuheilen, sondern müsse sie durch öffentliche Verdammung rein ausdrücken, wenn anders eine beständige Heilung erfolgen sollte. Sie sind endlich mit der Fassung der einzelnen Artikel nicht einverstanden, am wenigsten mit der der Lehre vom Abendmahl, „denn die Worte wahrhaftig, lebendig, wesentlich und gegenwärtig stünden den Zwinglianern auch wohl an.“[23]

 Eine nicht kleine Anzahl von Ländern und Ministerien hatte sich also gegen den Frankfurter Recess erklärt. An sie reihte sich der Herzog Johann Friedrich von Sachsen mit seinen Theologen an. Dieser Herzog hatte von Anfang an den in Frankfurt versammelten Fürsten die meisten Bedenken eingeflösst, denn sie wussten ihn unter dem Einfluss seiner Theologen stehend, und diese Theologen gehörten der Flacianischen Parthei an, Flacius selbst stand in seinen Diensten. Dieser und Amsdorf schrieben sofort gegen den Recess, Flacius die refutatio Samaritani Interim[24], Amsdorf gab heraus „öffentlich Bekenntniss der reinen Lehre und confutatio der jetzigen Schwärmer.“

|  Flacius machte nicht allein Ausstellungen an den einzelnen Artikeln des Recesses, dieselben, welche auch von den vorhergenannten Theologen gemacht worden waren, er erhob vor allem starke Beschwerde über den geringen Werth, den der Recess den Lehrdifferenzen beilegte, und über die darin ausgesprochene Behauptung, dass man nie von der Augustana abgewichen sei. Noch grössere Beschwerde erhob er über die Tyrannei der Fürsten, welche sich darin kund gebe, dass sie den Theologen vorschreiben wollten, was und wie sie lehren sollten, und dass sie „statt eine Synode zu berufen, sich in einen Winkel setzten und da ein neues Interim schmiedeten.“ Amsdorf fand es arg, dass die Theologen, welche durch ihre Aenderung und Neuerung Uneinigkeit und Zwietracht angerichtet hätten, jetzt die, welche darein nicht willigen könnten, zänkische und störrige Köpfe nannten, und griff zurück auf das Wormser Colloquium, auf dem die Adiaphoristen nicht in die Verdammung des Zwingli und Osiander hätten willigen wollen.
.
 Diese Theologen zeichneten wohl dem Herzog die Haltung vor, welche er jetzt einnahm. Wir haben schon bemerkt, dass von den Fürsten eine Gesandtschaft an ihn abgeordnet wurde, um ihn für den Recess zu gewinnen. Dieser erklärte er, er müsse sich Zeit lassen, die Sache zu überlegen, und nach Monaten erst lief seine Antwort an die Fürsten ein, in Begleitung einer von seinen Theologen verfassten Schrift[25]. Die Erklärung enthielt eine scharfe Kritik des ganzen Recesses, und bezeichnet genau die Stellung, welche die herzogl. sächs. Theologen zu demselben einnahmen. Es wird darin als ungebührlich bezeichnet, dass einige weltliche Stände Lehrartikel abfassten und sie der ganzen christlichen Kirche vorschreiben wollten; es sei wider der Kirche Gebrauch, dass gerade die Theologen, welche in der Zeit der Verfolgung in der Lehre gewichen und die Kirche geärgert hätten, berufen würden, über die Heilung des Zwiespaltes ihr Urtheil abzugeben; im Recess würden mit Unrecht die Lehrirrthümer, deren Viele sich schuldig gemacht, verläugnet; es sei| befremdlich, dass der Schmalkaldischen Artikel nicht gedacht werde; es wird an dem Recess gerügt, dass er die Antithese, die Verdammung der Irrthümer, unterlassen habe. Die Ausstellungen, welche an den vier Artikeln gemacht wurden, sind die gleichen, die wir schon gehört haben. Zum Schluss wird bemerkt, dass aus der vorgeschlagenen Amnestie nur grössere Uneinigkeit entspringen werde: denn die Papisten bekämen dann ein Recht zu der Behauptung, dass unter dem Namen der A. C. allerlei Sekten vorhanden seien, die Sektirer würden in ihrer Halsstarrigkeit gestärkt, die schwachen Gewissen verwirrt, die Stände und Theologen aber, welche bisher bei der Wahrheit gestanden, und die Sekten und Corruptelen gestraft, auch in Worms öffentlich dagegen protestirt hätten, würden damit sich selbst, ihr Verfahren und auch Lutherum, den Mann Gottes, strafen und dem Schuldigen ein Zeugniss der Unschuld geben.

 Der Herzog ging aber noch weiter[26]. Er fasste den Plan, die Gegner des Frankfurter Recesses zu einem gemeinsamen Bekenntniss zu einigen, und lud zu diesem Endzweck die niedersächsischen Stände, denen sich, wie er hoffen konnte, Dänemark, Pommern und Meklenburg anschliessen würden, zu einer Synode nach Magdeburg ein. Weil aber die niedersächsischen Stände Bedenken dagegen hatten, und auch die Stadt Magdeburg sich eine Synode in ihrer Stadt verbat, ging der Herzog auf den Rath von Flacius allein vor, und liess durch seine Theologen im Namen seiner und seiner Brüder eine Schrift fertigen, welche sich über alle Irrthümer, welche bisher aufgetaucht waren, aussprach, das berüchtigte Confutationsbuch, welches von dem Herzog am 28. Novbr. 1558 sanctionirt, und Anfangs des Jahres 1559 gedruckt wurde. Dieses Confutationsbuch, das freilich bald dem Herzog die meiste Noth bereiten sollte, war recht eigentlich und absichtlich dem Frankfurter Recess entgegengestellt, und enthielt gerade das, was man an diesem von jener Seite aussetzte, eine förmliche Verdammung aller Irrthümer, und eine genau und unumwunden präcisirte Lehre. Mit ihr war der Bruch mit der anderen Partei und also der Riss in der lutherischen Kirche recht eigentlich constatirt[27].

|  Die Fürsten des Frankfurter Recesses, welche das Gewitter hatten heraufsteigen sehen, waren vergebens bemüht gewesen es abzuwenden. Gleich nachdem der Herzog Johann Friedrich die niedersächsischen Stände zu einer Synode nach Magdeburg eingeladen hatte, war der Kurfürst von Sachsen der Meinung gewesen, an dieser Synode sollten sich auch die Anhänger des Frankfurter Recesses betheiligen, diese waren aber unter sich selbst darüber nicht einig geworden, und es war darum gut, dass die Synode, aus anderen uns schon bekannten Gründen, unterblieb. Der Pfalzgraf Otto Heinrich war dann bemüht, eine Zusammenkunft beider Theile an einem anderen Ort zusammenzubringen, und schlug Fulda als den Ort der Zusammenkunft vor. Der Herzog Johann Friedrich hatte sich auch bereit erklärt, die Conferenz in Fulda (sie sollte am 20. Januar 1559 stattfinden) zu beschicken, nachdem ihm bemerkt worden, es handle sich auf ihr nicht um das Bestreben, die Irrungen sofort zu beseitigen, sondern nur um eine Vereinbarung zu Berufung aller Stände und ihrer Theologen. Die Conferenz scheiterte aber an dem Kurfürsten von Sachsen. Dieser hatte erst gemeint, es handle sich nur um eine Conferenz der Stände und Fürsten, welche den Frankfurter Recess unterschrieben hätten, als er dann hörte, dass die Absicht dahin ging, womöglich alle Fürsten für die Conferenz zu gewinnen, wurde er bedenklich, zum Theil wohl durch den Einfluss Melanchthons, der von einem Zusammentreten mit den herzoglich sächsischen Theologen nur grössere Uneinigkeit fürchtete und den herannahenden Reichstag für den geeigneteren Ort dafür hielt. Der Kurfürst weigerte sich zwar nicht gerade dazu, eine Conferenz zu beschicken, meinte aber doch, man sollte sie auf eine spätere Zeit verschieben, oder besser noch, bis zum Zusammentritt des Reichstags warten. Grössere Bedenken noch hatte der Markgraf von Brandenburg. Der Pfalzgraf Otto Heinrich gab darum seinen Plan auf.
.
 Mittlerweile war das Confutationsbuch ausgegeben. Die Bedeutung desselben wusste der Kurfürst von Sachsen wohl zu würdigen, und forderte daher die Wittenberger Fakultät zu einem Gutachten über dasselbe auf, und Melanchthon gab am 9. März 1559 ein solches im Namen der Fakultät ab. Der Landgraf Philipp| von Hessen aber äusserte sich selbst ausführlich am 7. Mai über dasselbe in einem Schreiben an den Herzog Johann Friedrich[28]. Hält man diese Gutachten zusammen mit der Antwort des Flacius auf das Schreiben des Landgrafen an den Herzog Johann Friedrich, so erkennt man leicht, dass eine Verständigung zwischen beiden Theilen ferner als je war. Melanchthon glaubte das Confutationsbuch ausdrücklich auf sich selbst beziehen zu müssen, er verhielt sich gegen dasselbe nur abweisend, ohne Hoffnung auf eine Verständigung, und äusserte sich in sehr starken Ausdrücken über einzelne Lehren, welche darin vertreten waren. So rügte er, „dass sie von alten und neuen Zwinglianern sprächen, und doch nicht sagten, „was sie neue Zwinglianer nennen, sie wollten gehalten sein für die allerfreudigsten Papstfresser und stärkten doch die papistische Abgötterei, denn sie setzten etliche propositiones, welche niemand von der Kirche von Anfang an, auch die Päpstischen nicht, gesetzt hätten, nemlich dass der Leib Christi an allen Orten sei, in Stein und Holz.“
.
 Der Landgraf Philipp schreibt freilich versöhnlicher und möchte vermitteln, er nimmt aber dabei einen Standpunkt ein, der unmöglich zu einer Ausgleichung führen konnte. Man hätte, meint er, den Sacramentirern gegenüber bei der Wittenberger Concordie bleiben sollen, die Luther, Ph. Melanchthon, Bugenhagen u. A. angerichtet. Er glaube, wenn der Herzog der Sacramentirer Bücher etliche lese, würde er sehen, dass beide Theile nicht so weit auseinander wären, so sie von allen Theilen der Wahrheit wollten Statt geben. Halte man sie aber für Schwärmer, Ketzer oder Sacramentsschwärmer, so solle man eine Synode aller evangelischen Stände und ihrer Theologen deutscher Nation versammeln und sie dahin kommen lassen. Würde da befunden, dass sie wider die Wahrheit des Evangelii und der Epistel Pauli und dem Gebrauch zuwider, wie er in primitiva ecclesia gewesen, so könnten sie dann in diesem Artikel excludirt werden. Solcher Auffassung der Dinge stand freilich Flacius weit fern. Ihm ist der Irrthum der Sacramentirer zu wohl constatirt,| als dass er ihn erst noch wollte in Frage gestellt sehen. Diese Irrthümer erst noch dem Urtheil einer Synode anheim zu stellen, hielt er für sträflich und gefährlich, damit würden alle Sekten und Rotten gleichsam in integrum restituirt: denn man müsste dasselbe auch bei den Papisten thun, welche man auch nie auf einer ganzen Synode der Länge nach verhört habe[29].

 Noch bevor diese Schreiben und Schriften ausgegangen waren, war der Reichstag zu Augsburg, am 3. März 1559, eröffnet worden. Das Ergebniss desselben war das, dass man den Versuch einer Vereinbarung der Katholiken und Evangelischen[30] auf spätere Gelegenheit aufschob, d. h. ihn fallen liess. Damit war aber auch der Riss zwischen Katholiken und Protestanten constatirt. Je weniger nun aber Einigkeit unter den Protestanten war, desto mehr war ihre Lage den Katholiken gegenüber gefährdet. Das sahen beide Theile ein, von beiden Theilen stellte sich daher eine gewisse Geneigtheit ein, abermals eine Ausgleichung zu versuchen. Zu diesem Endzweck nahm der Herzog Christoph von Würtemberg den Plan des Pfalzgrafen Otto Heinrich, der am 12. Febr. 1559 gestorben war, wieder auf.

 Aber noch währte es lange, bis es zu einer Zusammenkunft kam: denn Flacianischerseits griff man den Gedanken, den der Herzog Christoph von Würtemberg früher gehabt, aber auf den Rath von Brenz hatte fallen lassen[31], wieder auf, den nemlich, auf Berufung einer Generalsynode hinzuwirken. Es scheint, dass die Flacianer einen Congress, der von einem der Fürsten, welche den Frankfurter Recess unterschrieben hatten, ausgegangen war, fürchteten und die Sache in ihre Hand zu nehmen suchten. Sie reichten daher eine Supplication an alle evangelischen Stände ein[32]. Diese war von der stattlichen Anzahl von 51 Theologen aus verschiedenen Ländern unterzeichnet, nicht allein von allen herzoglich| sächsischen Theologen, sondern auch von den norddeutschen Theologen Hamburgs, Lübecks, Bremens, Braunschweigs, Magdeburgs u. a., von oberpfälzischen Theologen, von hessischen, brandenburgischen, kursächsischen, von den fränkisch Markgräflichen Theologen, von Theologen Nürnbergs, Augsburgs, den schwäbischen Städten und Baden[33]. Die Synode, wurde gebeten, solle an einem Ort gehalten werden, der auch von Dänemark, Schweden und Preussen beschickt werden könnte. Auf ihr sollten die Irrthümer klar bezeichnet und verdammt werden, und alle Theologen, welche derselben beiwohnten, sollten zuvor auf die Augustana, Apologie und Schmalkalder Artikel verpflichtet werden.

 Diese Theologen nahmen also ganz die Stellung ein, welche die herzoglich sächsischen Theologen früher gegen den Frankfurter Recess eingenommen hatten, wie sie sich denn auch ganz offen gegen die Weise, wie dieser Recess zu Stande gekommen sei, erklärten, dagegen nemlich, dass erst die Fürsten die Beschlüsse feststellten und hinterher die Theologen nur zustimmen sollten. Es war damit ausdrücklich die Weise verworfen, welche Melanchthon in seinem Gutachten vom 4. März 1558 empfohlen hatte. Denselben Inhalt hatte eine Supplik, welche fünf Jenaer Theologen (H. Musäus, Wigand, Flacius, Judex und Balthasar Winkler)[34], an den Herzog von Würtemberg richteten. Dieser, der die erste, auch ihm zugesendete, Supplik ungnädig aufgenommen hatte[35], schickte doch diese zweite an den Landgrafen von Hessen. Der Tod Melanchthons war mittlerweile eingetreten, und vielleicht mochte der Herzog glauben, dass eine Synode jetzt leichter zu Stande kommen könne, aber der Landgraf war nicht geneigt darauf einzugehen, und dem Herzog bot sich eine andere Gelegenheit einen Vergleichsversuch anzustellen.

|  Er war von dem Kurfürsten Friedrich von der Pfalz zu einer Zusammenkunft eingeladen worden, auf der die politischen und kirchlichen Angelegenheiten besprochen werden sollten, und er hatte zugesagt; aber gerade weil er wusste, dass er dort auch den Schwiegersohn des Kurfürsten, den Herzog Johann Friedrich von Sachsen, finden werde, nur unter der Bedingung, dass die Besprechung sich allein auf die politischen Angelegenheiten beschränken würde. Indessen als die Fürsten (im Juni 1560) beisammen waren, hielt es der Kurfürst doch für unverantwortlich, nur für die weltlichen Dinge zu sorgen und die Religionssachen nicht zu berühren. Er fragte darum den Herzog, wie er meine, dass die Wunden der Kirche geheilt werden könnten. Der Herzog gab seine Meinung dahin ab: „es könne solches nicht besser geschehen, als wenn man nicht jedem zuliesse, nach seinem Kopf zu schreiben, zu schelten und zu verdammen, und weil keiner der Fürsten mehr am Leben sei, welcher zur Zeit der Uebergabe der A. C. zugegen gewesen und dieselbe unterschrieben habe, ausser dem Landgrafen von Hessen und dem Fürsten Wolfgang von Anhalt, so sollten alle evangelischen Stände solche, wie sie im Jahr 1530 dem Kaiser übergeben worden, von neuem einhellig unterschreiben und eine der Sache gemässe Vorrede und Schluss dazu machen. Darin müsste gemeldet werden, dass sie die Apologie und Schmalkaldischen Artikel, so viel sie die Hauptpunkte des christlichen Glaubens beträfen, auch also annehmen und sich in ihren Kirchen und Landen demgemäss verhalten wollten.“ Diese neuerdings durch Unterschrift bestätigte Confession könnte dann entweder durch Abgeordnete oder auf einem öffentlichen Reichstag dem Kaiser übergeben werden. Endlich sollten die Stände feierlich geloben, keine Rotten noch Sekten in ihren Landen zu dulden, auch den Theologen nicht zu gestatten, nach ihrem Gefallen zu schänden und zu schmähen[36].
.
 Der Gedanke des Herzogs war der Sache nach derselbe, welcher auch dem Frankfurter Recess zu Grund gelegen hatte. Von dem Antrag der Flacianer, die Irrlehren namentlich zu verzeichnen, war Umgang genommen. Dass daher der Kurfürst von| der Pfalz den Vorschlag des Herzogs gern annahm, war natürlich, aber freudig überrascht war derselbe darüber, dass auch der Herzog Johann Friedrich bereitwillig auf diesen Vorschlag einging. Ihn hatte wohl die Betonung der Unterschrift der Augustana vom Jahr 1530 und die Beiziehung der Schmalkaldischen Artikel dafür eingenommen. Man besprach sich sogleich des Näheren über die Weise, wie ein Convent der Fürsten ins Werk gesetzt werden könne. Ausdrücklich beantragte der Herzog Johann Friedrich noch, dass keine Theologen, mit Ausnahme der Hofprediger, welche jeder Fürst mitbringen könne, zugelassen werden sollten, weil Solche, da wo es sich nur um Unterschrift einer schon vorliegenden Confession handle, unnöthig seien[37]. Man hielt es für räthlich, vor allem den Landgrafen Philipp von Hessen für den Plan zu gewinnen. Dieser ging gern darauf ein und der Herzog Johann Friedrich übernahm es nun, den Kurfürsten von Sachsen in das Interesse zu ziehen. Es gelang auch diess, und die so verbündeten Fürsten theilten sich jetzt in das Geschäft, ihre Standesgenossen zu einem Convent nach Naumburg auf den 20. Januar 1561 einzuladen[38].
.
 Schon hatte der Herzog Christoph von Würtemberg dort Quartier bestellen lassen, da erhob gerade einer der Fürsten, welche an der Spitze des Plans standen, ein Bedenken über das Exemplar der Augustana, das unterschrieben werden sollte, der Kurfürst Friedrich von der Pfalz. Er schrieb (am 20. Decbr.) an den Herzog von Würtemberg, er trage Bedenken, das deutsche Exemplar der Augustana von 1530 zu unterschreiben, sei aber bereit, das lateinische Exemplar von diesem Jahr zu unterzeichnen. Gegen den Kurfürsten von Sachsen erklärte er sich noch deutlicher dahin: es sei unverglichen geblieben, welches Exemplar der A. C. eigentlich gemeint und verstanden worden, das von| neuem unterschrieben werden solle. Sei das deutsche Exemplar von 1530 gemeint, so trage er Bedenken dasselbe zu unterschreiben, denn die Fassung, welche die Abendmahlslehre darin habe, könne auch in papistischem Sinn gedeutet werden; dagegen trage er kein Bedenken, die in dem lateinischen Exemplar enthaltene Abendmahlslehre zu unterschreiben, zumal da dieses Exemplar nachmals „an etlichen Orten selbst wohlbedächtig emendirt worden sei, welches emendirte Exemplar auch im Jahr 1541 auf dem Colloquium zu Worms aufs neue als die wahre christliche Confession überreicht worden sei“[39].

 Dieses Schreiben wurde freilich von dem Herzog Christoph gleich, und wohl mit Recht dahin gedeutet, dass der Kurfürst von der Pfalz nicht viele Lust zu dieser Zusammenkunft habe, und er fürchtete, dass wenn der Kurfürst die Unterschrift verweigere, andere Fürsten ihm nachfolgen würden. Aber es lag ihm so viel an der Zusammenkunft, dass er sich dem Kurfürsten gegenüber zur Annahme des lateinischen Exemplars bereit erklärte, und bei den anderen Fürsten dahin wirkte, dass sie sich an diesen Einwurf des Kurfürsten nicht stiessen. Es kam nun wirklich zur Zusammenkunft in Naumburg, und am 23. Januar 1561 zur ersten Sitzung. Die Gegenstände, welche zur Verhandlung kamen, betrafen die Unterschrift der Augustana, und die Frage, ob man das vom Papst ausgeschriebene Concil beschicken solle?

 Uns interessirt nur der erste Punkt.

 Darin, dass die Augustana von neuem unterschrieben werden solle, waren alle Fürsten einig, und auch in dem Entschluss einigten sie sich bald, dass dieser neu unterschriebenen Augustana eine praefatio voran zu schicken sei. Aber nun traten die anderen Fragen hinzu: welche Ausgabe der Augustana man unterschreiben solle; ob man in der Vorrede auch der Schmalkalder Artikel, ob man des Frankfurter Recesses oder auch der in dem Corpus d. Misnicum enthaltenen sächsischen Confession erwähnen solle? Es ist unschwer zu sehen, wie diese Fragen ihren Grund in den verschiedenen Richtungen, welche vorlagen hatten. Der Herzog Johann Friedrich war es vor Allen, welcher| der Schmalkalder Artikel, der Kurfürst von der Pfalz, welcher des Frankfurter Recesses gedacht wissen wollte. Ueber diesen Punkt einigte man sich endlich dahin, dass weder des Frankfurter Recesses, noch der Schmalkalder Artikel, noch der sächsischen Confession gedacht werden sollte, sondern nur der Apologie und der a. 40 wiederholten A. Confession[40]. Mehr Mühe machte es, über die zu unterschreibende Ausgabe der Augustana sich zu einigen. Die Kurfürsten waren erst der Meinung, man solle die neuere Edition (von 1540) beibehalten, „die in Sachen von der ersten nicht unterschieden, sondern nur mit weitläufigeren Worten und mehrerer Deutlichkeit und Dexterität verfasst wäre,“ aber die anderen Fürsten und Stände wollten, dass man die allererste Ausgabe unterschreibe, und man kam darin überein, dass man die deutsche Confession der Wittenberger Ausgabe von 1530, und die lateinische von 1531 unterschreiben wolle. Mit der Abfassung der Vorrede wurden die beiden Kurfürsten beauftragt[41].
.
 Diese lautete ihrem wesentlichen Inhalt nach dahin[42]: die Stände A. C. wären verunglimpft, als wären sie unter einander uneinig und von der A. C. abgegangen. Um solchen Vorwurf abzuweisen, hätten sie beschlossen, die Augustana aufs neue zu unterschreiben, weil von den Fürsten, welche dieselbe 1530 unterschrieben hatten, nur zwei noch am Leben seien, und obwohl diese Confession 1540 u. 42 etwas stattlicher und ausführlicher wiederholt, auch aus dem Grunde der heiligen Schrift erklärt und gemehrt, dieselbe auch auf dem angestellten Colloquium zu Worms von den Ständen A. C. wiederum dem kaiserl. Präsidenten übergeben, angenommen und darüber colloquirt worden, hätten sie doch die Edition von 1531 vornemlich zur Hand nehmen wollen, damit ein jeder spürte, wie ihr Gemüth und Meinung nicht sei andere neue oder ungegründete Lehre zu vertheidigen oder auszubreiten, hätten diese von neuem subscribirt und gedächten dabei zu verharren.“ Weiter aber wurde erklärt, „es sei ihr Gemüth| und Meinung gar nicht, dass sie durch diese Wiederholung und Subscription obgemeldeter erster abgedruckter Confession von obberührter anderweit anno 1540 übergebenen und erklärten Confession mit dem wenigsten wollten abweichen oder sich davon führen lassen. Sie könnten also eben so wenig von derselben als von der ersten ihrer Vorfahren und zum Theil ihrer übergebenen Confession abweichen, dazu sie dann desto mehr bewogen, weil solche erklärte Confession, so a. 40 u. 42 in Druck gegeben worden, jetzund den mehreren Theil bei ihren Kirchen und Schulen im Gebrauch. Gleichermassen wollten sie die Apologie, so durch ihre Vorfahren .. zu Augsburg überreicht .., wie dieselbe hernachmals zu Wittenberg gedruckt und auf gedachtem Colloquio zu Worms a. 40 neben obberührter verbesserter Confession übergeben, ausdrücklich repetirt haben. Wollte aber der Gegentheil etliche Wörter oder Artikel in der ersten Edition der A. C. und Apologie (sonderlich da von den heiligen Sacramenten und Messe auch von der Röm. Kirche gemeldet wird) zu seinem Vortheil und dahin deuten oder ziehen, als wären sie Protestanten mit der Papisten abgöttischen Lehre und Ceremonien und sonderlich der Transsubstantiation einig,“ so erklärten sie, „dass sie lediglich bei der heiligen Schrift und A. C. von dem Verdienst Christi und Einsetzung der Sacramente verharrten.“
.
 Versuchen wir es, uns ein Urtheil über diese Präfation zu bilden! Sie giebt sich auf den ersten Blick als ein Compromiss zu erkennen, der zwischen den verschiedenen Richtungen versucht wurde. Es war nemlich, sobald man an die Frage kam, welche Ausgabe der Augustana unterschrieben werden solle, eine Differenz unter den Fürsten zu Tag getreten. Vor allem der Kurfürst von der Pfalz hatte gewollt, dass die Ausgabe von 1540 zur Unterschrift gewählt werde, der Herzog Johann Friedrich von Sachsen aber hatte an der Ausgabe von 1530 festgehalten. Beide Fürsten hatten ein gleich grosses Interesse, an der von ihnen vorgeschlagenen Ausgabe festzuhalten und gleich starke Gründe dafür. Der Kurfürst von der Pfalz hatte zudem die Bedenken, welche er zuvor nur gegen das deutsche Exemplar von 1530 ausgesprochen hatte, jetzt auch auf das lateinische Exemplar übergetragen. Er fürchtete, dass der zehnte Artikel die| Brodverwandlung zu bekräftigen scheine; dass aus den letzten Worten im Artikel von beiden Gestalten, da gesagt würde, dass die papistische Procession und Herumtragen deswegen unterlassen würde, quia divisio sacramenti non congruat cum institutione Christi, gefolgert werden könnte, dass man dann wohl beide Gestalten des Sacraments zugleich in Procession herumtragen dürfte und könnte; er nahm Anstoss an dem Satz: „unsere Kirchen werden fälschlich beschuldigt, dass sie die Messe abschaffen: denn die Messe wird bei uns behalten,“ da in der ganzen Pfalz die Messen abgeschafft und weder Lichter, noch Messgewand, noch andere papistische Ceremonien mehr zu hören, noch zu sehen seien[43].

 Ob das die einzigen Gründe waren, aus denen der Kurfürst gegen Unterschrift der Augustana von 1530 und für Unterschrift der von 1540 war? Schwerlich. Dass man calvinischer Seits die Ausgabe von 1540 vorzog, weil man sie in der Abendmahlslehre in calvinischem Sinn deuten zu können glaubte, ist bekannt[44].

 Stand der Kurfürst damals vielleicht auch noch nicht in directem Verkehr mit den Schweizern, welche so viele Stücke auf die veränderte Confession hielten, so stand er doch in Beziehung zu den Strassburgern, welche doch die gleichen Interessen mit den Schweizern hatten und in diesem Sinn auf den Kurfürsten wirkten[45]. Und wäre dem auch nicht so gewesen, der Kurfürst musste in seinem eigenen Interesse, um sich für seine Auffassung| vom Abendmahl auf die Augustana berufen zu können, der Ausgabe von 1540 das Wort reden. Gerade lutherische Theologen hatten ihm vor Jahren schon entgegengehalten, dass die Augsburgische Confession, auf die er sich berufe, nicht die ächte sei und dass diese nichts wisse von einer Abendmahlslehre, wie sie Melanchthon vorgetragen[46]. Er war also mit seinem eigenen Interesse an diese Ausgabe von 1540 gebunden, und wir werden nicht irre gehen, wenn wir annehmen, dass dieser Grund die anderen Gründe, welche er dafür anführte, überwog.
.
 Der Herzog Johann Friedrich von Sachsen scheint auch sogleich die Parteinahme des Kurfürsten für diese Ausgabe in diesem Sinn gedeutet zu haben, und gerade dadurch bestimmt worden zu sein, an der confessio invariata festzuhalten. Man wird nemlich annehmen dürfen, dass der Herzog sich die Meinung angeeignet hatte, welche Chytraeus in einem Bedenken an den Herzog Ulrich von Meklenburg, der ihn mit nach Naumburg genommen, ausgesprochen hatte[47]. Des Chyträus Meinung[48] ging aber dahin: man solle die allererste Edition unterschreiben, denn wären auch etliche Artikel in den neueren Editionen in den Hauptlehren und der Sache selbst nicht viel geändert, sondern nur deutlicher und weitläufiger erklärt.. „so wären doch auch etliche Worte und Sentenzen darin gefährlich ausgelassen oder geändert und also beidenhändisch gestellt, dass die von Luther ernstlich| verdammten und von unserer Kirche abgesonderten Sekten die A. C. zu ihrem Schanddeckel brauchen könnten.“ Als Beispiel führt er den X. Artikel der conf. invariata an, in welcher die secus docentes improbirt seien. „Das wären die Zwinglianer und alle die den Leib Christi nur im Himmel einschlössen und läugneten, dass Christus wahrhaftig und wesentlich zugleich an vielen Orten gegenwärtig sei, wo das heilige Abendmahl gehalten wird, und dass der Leib Christi nicht nur geistlicher Weise, durch den Glauben, sondern auch mit dem leiblichen Munde, von Würdigen und Unwürdigen, genossen werde ...“ In der Apologie aber, fährt er fort, wäre dieser Artikel also erklärt,“ dass im Abendmahl Christi Leib und Blut wahrhaftig und wesentlich zugegen, denn sonst hätte es Paulus nicht eine κοινωνία genannt. Diess aber wäre hernach in allen nachher gedruckten Apologien ganz und gar ausgelassen und werde dafür in anderen Schriften der Sacramentirer Deutung gebraucht: das Brod ist dieses, damit Gemeinschaft des Leibes Christi.. uns mitgetheilt wird, woraus dann folge, dass Christi Leib und Blut mit Brod und Wein nicht anders mitgetheilt würde, als dass mit dem gepredigten Wort des Evangelii uns alle erworbenen Gutthaten angeboten werden, welche Deutung aber Lutherus kurz rund verworfen hat.“ Chyträus führt weiter an: in dem letzten Druck der deutschen Apologie wären die Worte „wesentlich gegenwärtig“ ganz ausgelöscht und dafür vere exhibeantur hingesetzt, welches die Sacramentirer allein von der Kraft und Wirkung und nicht vom Wesen und Substanz des wahren Leibes Christi verstünden; in der lateinischen Confession von 1542 aber seien die Worte vere adsunt und improbant secus docentes ganz ausgelassen, und hingegen cum pane et vino exhibeantur hineingerückt.“ –

 Eignete sich also, wie wir annehmen dürfen, der Herzog Johann Friedrich diese Meinung des Chyträus an, so sehen wir, der Herzog hatte so viele Gründe für die Confessio invariata, als der Kurfürst von der Pfalz für die variata. Wie konnten diese Gegensätze ausgeglichen werden?

 Man suchte, um ein Compromiss zu erzielen, den Herzog Johann Friedrich dadurch zu befriedigen, dass man die Augustana von 1530 und 31 unterschrieb, und dass man in der praefatio ein| Bekenntniss vom Abendmahl ablegte, des Inhalts, dass im Abendmahl der Herr Jesus wahrhaftig, lebendig, wesentlich, gegenwärtig sei, zugleich auch ausdrücklich diejenigen verwarf, welche im Abendmahl ein äusserlich Zeichen sahen, also die Zwinglianer.

 Den Kurfürsten von der Pfalz aber suchte man dadurch zu befriedigen, dass man neben der Ausgabe von 1530 auch die von 1540 anerkannte, und dass man ausdrücklich erklärte, es sollten die Worte des Artikels in der ersten Edition, an welche sich der Kurfürst stiess, nicht in papistischem Sinn verstanden sein[49].

|  Er ging auf den Compromiss ein, nicht aber der Herzog Johann Friedrich von Sachsen, dem sich der Herzog Ulrich von Meklenburg anschloss. Diese beiden Fürsten erklärten sich also gegen die praefatio, während die überwiegende Mehrzahl der Fürsten sich mit ihr einverstanden erklärte. – War es diesen Fürsten zu verdenken?
.
 Sie hätten offenbar bei diesem Compromiss den Kürzeren gezogen. Wenn die Präfation auch mit Unrecht, wie bald geschah, so ausgelegt wurde, dass die ältere Ausgabe nach der neueren| zu interpretiren sei[50], so war wenigstens dem nicht gewehrt, dass man im Anschluss an die confessio variata der Abendmahlslehre die Deutung gab, welche ihr von calvinistischer Seite her gegeben wurde[51], und so konnte freilich der Kurfürst von der Pfalz sich zur Unterschrift bereit erklären, aber aus eben diesem Grunde konnte der es nicht thun, welchem es um Geltendmachung der Lehre Luthers zu thun war. Der Herzog hätte seinen bisherigen Standpunkt gänzlich aufgeben müssen, wenn er unterschrieben hätte.
.
 Es ist ihm aus seinem Verhalten kein Vorwurf zu machen, auch nicht der des Schwankens und der Unbeständigkeit. Er konnte sich noch, ohne seiner Ueberzeugung untreu zu werden, zu erneuerter Unterschrift der Augustana bereit erklären: denn damals, als man ihn dazu aufforderte, war nur von der Augustana von 1530 die Rede, und war diese mit Redlichkeit unterschrieben, so war damit die Lehre Luthers gewahrt. Ob unter dieser Voraussetzung eine Einigung unter den Fürsten zu Stande kommen konnte, war freilich eine andere Frage, welche aber nicht er, sondern welche die Fürsten sich vorzulegen hatten, von welchen der Vorschlag ausging. Und diese Frage hätten die Leiter| dieses Planes allerdings zum wenigsten schon vor Berufung des Naumburger Convents, von der Zeit an, sich vorlegen sollen, als der Kurfürst von der Pfalz mit seinen Bedenken gegen die confessio invariata herausrückte: denn liess er diese Bedenken nicht fallen, so musste der Zwiespalt zwischen ihm und den lutherisch Gesinnten heraustreten. Der Herzog wollte das abwarten. Nachdem aber die Fürsten, die es freilich für eine Unmöglichkeit halten mussten, den Kurfürsten für einfache Annahme der confessio invariata zu bestimmen, jenen Compromiss versucht hatten, der in Wahrheit keiner war, konnte der Herzog sich sagen, dass er das Seinige gethan habe, und jetzt lag es ihm nahe genug, ganz zu dem alten Standpunkt zurückzukehren, den er dann in der Protestation vom 2. Febr., die er einreichte, aussprach[52].

 In ihr spricht er sein Bedauern darüber aus, dass die Fürsten auf die Bedenken, welche er von Anfang an gegen die vorliegende Fassung der praefatio erhoben, nicht geachtet hätten, und giebt die Gründe an, warum er die praefatio nicht unterschreiben könne. Als ersten Grund nennt er den, dass darin die falsche Behauptung aufgestellt sei, dass bis dahin von keiner Seite eine Abweichung von der Augustana stattgefunden habe, „da aus ergangenen Geschichten kurz verschiedener Jahre das Widerspiel dermassen offenbar und am Tage, dass solches nicht kann verneint werden. Zudem dass auch nicht wenige noch geringe Irrthümer in Zeit des Interim sich befunden und eingedrungen.“

 Würde er nun die praefatio unterschreiben, so würde er wider das offene und klare Verbot Gottes, welches meldet, dass nicht falsch Gezeugniss gegeben werden solle, erschrecklich sündigen, „würde er damit auch seine eigenen confutationes, die hievon auf stattlich gehabten Rath vieler fürtrefflichen Theologen wider solche Irrthümer ausgegangen, gänzlich verwerfen.“ Er bemerkt aber weiter, es sei ihm nicht möglich, ein Dokument zugleich mit denen zu unterschreiben, „von denen männiglich kund und wissend sei, dass es dieselben mehr mit der Zwinglianer Meinung, denn mit dem zehnten Artikel der Confession und Apologie| und der Assertion der Schmalkaldischen Artikel halten, denn offenbar und am Tag, dass dieselben in wenig vergangenen Wochen etliche treue Diener und beständige Lehrer, die sich allein in Predigen vom Nachtmahl nach der Confession gehalten, abgesetzt haben.“ Er findet, dass in der praefatio „die Irrthümer nicht allein nicht abgeschafft, sondern durch eine glimpfliche friedliche Vergleichung und stillschweigende Verhehlung mit gefärbtem Schein fast beigelegt, dergestalt, dass die beständige Lehre nicht allein mit den Corruptelen und Irrthümern zugleich vermischt und miteinander verglichen, sondern vielmehr den Sectarien und Abgewichenen die Confession zu einem Schutz und Unterflucht übergeben und eingeräumt werden will.“

 Er rügt, dass in der praefatio der A. C. selbst eigene Ordnung nicht gehalten sei „weil allewege in derselben Confession die Gegenlehre verworfen und verdammt, und dasselbe nicht insgemein sondern ausdrücklich mit Namen der Sekten und in specie, derhalber so sollten auch dergestalt in berührter praefatio die Irrthümer neben der reinen Lehre angezeigt, dargethan, abgesondert und verworfen worden sein. Da nun dermassen ohne Erläuterung und Verwerfung der Irrthümer sollte unterschrieben werden, so würde damit der A. C. ihr wahrhaftiger und in Gottes Wort gefasster und wohlgegründeter Verstand ungewiss gemacht: denn leichtlich zu erachten, dass ein Jeglicher die Artikel nach seinem Irrthum deuten, ziehen, ändern und zu seinem Vortheil verkehren, wie alleweil Calvinus, Hardebergius und andere thun.“

 Endlich beklagte sich der Herzog auch darüber, dass man in der praefatio der Schmalkaldischen Artikel nicht mit einem Wörtlein gedacht und erwähnt, auch nicht geduldet werden wolle, dass derselben darin solle gedacht werden.

 Den Tag nach Uebergabe der Protestation verliess der Herzog Naumburg, noch bevor die Gegenvorstellung, welche man sogleich dem Herzog zu machen beschloss, in seine Hände kommen konnte[53]. Man versuchte noch durch eine Gesandtschaft,| welche man ihm nach Weimar nachschickte, ihn umzustimmen[54], diese richtete aber nichts aus.
.
 Nachdem die Gesandten mehrere Tage in Weimar zugebracht, liess ihnen der Herzog (am 11. Febr.) eine Antwort an die Stände zugehen[55], des Inhalts: die in die praefatio eingerückte Erklärung über das Abendmahl könne ihn nicht befriedigen, „denn die Schweizerischen Theologen neben Calvin und Hardenberg bekenneten ja auch, dass Christus im Abendmahl nicht abwesend, sondern gegenwärtig wäre, und dass Christi Leib und Blut durch den Glauben genossen werde, welches aber mit der A. C., Schmalkaldischen Artikeln und den Schriften Lutheri selig nicht übereinstimmte, sintemal dieselbigen vom Abendmahl also lehrten, dass die Niessung des Leibes und Blutes Christi nicht allein geistlich mit dem Glauben, sondern auch äusserlich leiblich mit dem Mund geschehe und zugleich von Würdigen und Unwürdigen nach der Lehre Christi und Pauli empfangen werde.“ Sonach würde durch Unterschreibung der Zwinglianismus mehr gestärkt als verworfen. Der Herzog erklärte es ferner für bedenklich, dass die Schmalkaldischen Artikel als eine Richtschnur nicht wollten zugelassen werden, stellte aber schliesslich doch den Beitritt unter gewissen Bedingungen in Aussicht, unter denen nemlich: wenn man sich zu einer Synode oder einem Convent entschliesse, auf welchem die eingerissenen Streitigkeiten beigelegt würden, und wenn man entweder den Entwurf der praefatio, den er beilegte, genehmige[56] oder wenn im Artikel vom Abendmahl bekannt| würde, „dass der wahre Leib und Blut des Herrn gereicht und empfangen werde von frommen und bösen Christen, und dass man es demnach auch nicht mit denen hielte, so allein eine geistliche Niessung des Leibes und Blutes Christi zulassen wollten.“

 Man ersieht aus dieser Antwort des Herzogs, und namentlich aus der von ihm beigelegten praefatio, wie es dem Herzog zu klarem Bewusstsein gekommen ist, dass es sich vor allem um Wahrung der Abendmahlslehre Luthers, welche in der Naumburger Präfation gefährdet war, handle. Die in Naumburg versammelten Fürsten und Stände hätten aber eben darum nicht daran denken können, auf die Vorschläge des Herzogs einzugehen, denn nimmermehr wäre der Kurfürst von der Pfalz zur Annahme dieses Vorschlags zu bewegen gewesen. Allein man hatte in Naumburg auch gar nicht die Ankunft der nach Weimar geschickten Gesandten abgewartet, sondern schon am 8. Febr. sich schlüssig gemacht, die Augustana und praefatio zu unterschreiben. In die letztere wurde dann noch die dem Herzog Johann Friedrich schon angekündigte Erklärung über das Abendmahl eingesetzt, die dahin lautete: „dass in dem Abendmahl ausgetheilt und empfangen werde der wahre Leib und Blut des Herrn Jesu Christi, und dass der Herr Christus in der Ordnung solches seines Abendmahls wahrhaftig, lebendig, wesentlich und gegenwärtig sei, auch mit Brod und Wein, also von ihm geordnet, uns Christen seinen Leib und Blut zu essen und zu trinken gebe, und so wol nichts Sacrament sein könne ausserhalb der Niessung des Nachtmahls, wie es von dem Herrn Christus selbst eingesetzt. Also lehrten auch diejenigen unrecht, welche sagten, dass der Herr Christus nicht wesentlich in der Niessung des Nachtmals, sondern dass es allein ein äusserliches Zeichen sei, dabei die Christen ihr Bekenntniss thun und zu kennen sind.“

 Man beschloss dann endlich noch, diejenigen Stände, welche entweder in Naumburg gar nicht anwesend gewesen, oder die Stadt vor dem Schluss des Convents verlassen hatten, zum Beitritt| einzuladen, auch den Predigern aufzugeben, demgemäss zu lehren. Unterschrieben war dieses Dokument von dem Kurfürsten von Sachsen, der Pfalz und von Brandenburg, von dem Herzog Christoph von Würtemberg, von Philipp von Hessen, Carl von Baden, dem Pfalzgrafen Georg, dem Markgrafen Johann von Brandenburg, drei Herzogen von Pommern, den Fürsten von Anhalt, den Grafen von Henneberg; theils eigenhändig, theils durch Stellvertreter.
.
 Wir sehen: gross ist allerdings die Anzahl der Fürsten und Stände, welche mit ihrer Unterschrift beitraten, obgleich doch zu viel gesagt ist mit der Behauptung, dass fast alle evangelischen Stände sich aufs neue in der gemeinsamen Anerkennung der A. C. geeinigt hätten[57], denn wenn auch nur die zwei Fürsten Johann Friedrich von Sachsen und Herzog Ulrich von Meklenburg gegen die Vorrede protestirten, so haben doch lange nicht einmal die Fürsten und Stände, welche auf dem Naumburger Convent zugegen oder vertreten waren, unterschrieben[58]. Aber gross ist die Anzahl der beigetretenen Fürsten allerdings. Was war nun das Resultat, das man erzielt hatte? Dagegen haben wir uns schon ausgesprochen, dass man das Resultat des Naumburger Convents mit Heppe dahin deuten könne, dass man auf demselben die rechtliche Geltung der variata als authentische Auslegung des Bekenntnisses von 1530, so wie die schriftenmässige Wahrheit der Melanchthonischen Abendmahlslehre vor dem Kaiser bezeugt habe[59]. Die Einigung dieser Fürsten und Stände bestand nur darin, dass man beschloss, die Differenzen in der Lehre, welche unter den Theologen vorhanden waren, zu ignoriren, und das war, wie wohl zu bemerken ist, ein Beschluss, welchen die Fürsten und Stände fassten, nicht aber ein Beschluss, den die Theologen fassten: denn von den wenigen Theologen, deren sich die Fürsten als Beirath bedienten, kann man nicht sagen, dass sie die Stimme der Theologen vertraten. Konnte| ein solcher Beschluss rechtliche Geltung haben? Konnte man ihm auch nur in ferner Analogie die Bedeutung beimessen, welche man dem Augsburger Reichstag von 1530 beizulegen hat? Der Kaiser hätte sich vielleicht dazu verstanden, aber es wäre ein arger Missbrauch der Landesfürstlichen Gewalt gewesen, wenn die Fürsten und Stände ihren Beschluss der Kirche hätten aufdringen wollen.

 Wollte man aber auch den Fürsten und Ständen diese Gewalt vindiciren, immerhin war es ein Beschluss, dessen rechtliche Geltung die Fürsten und Stände alsbald selbst wieder zurückgezogen haben.

 Das beweist die Geschichte, welche sich ereignete. Bevor wir zu dieser übergehen, berichten wir erst über die Aufnahme, welche der Naumburger Abschied bei den Ständen erfuhr, die nachträglich zum Beitritt aufgefordert wurden.

 Wir haben schon bemerkt, dass die in Naumburg versammelten Fürsten sich verabredet hatten, von den dort nicht vertretenen Ständen die Unterschrift auszuwirken, damit waren sie aber nicht glücklich.

 Von den oberländischen Ständen, welche einzuladen der Herzog Christoph und der Pfalzgraf Wolfgang übernommen hatte, lehnten fast alle ab, oder unterschrieben nur mit der Erklärung, dass sie die Abendmahlslehre im lutherischen Sinn auffassten[60]. Noch ungünstiger war das Resultat in Niederdeutschland, als dem Land, in welchem die Abendmahlsstreitigkeiten schon seit geraumer Zeit im Gange waren. Die Pommerschen Theologen, welche von Chyträus auf Befehl des Herzogs Johann Albrecht von Meklenburg befragt worden waren, liessen sich durch die Unterschrift ihrer Herzoge nicht abhalten, zu erklären, dass sie mit der Präfation nicht einverstanden sein könnten, denn diese sei so abgefasst, dass auch die Sacramentirer ihren Sinn hineinlegen könnten[61]. Die Magistrate von Lübeck, Hamburg und Lüneburg warteten gar nicht bis sie gefragt wurden, sondern erklärten auf einem Convent in Mölln, sie könnten die| Präfation nicht gutheissen, weil zuvor von Seite der Kirchen, welche sich einer Abweichung von der A. C. schuldig gemacht hätten, die Erklärung abgegeben werden müsste, dass sie mit den anderen einig seien im Verstand der Augustana nach den Schmalkaldischen Artikeln und dem Catechismus Luthers; und weil die Naumburger Präfation wolle, dass die streitigen Artikel nach dem Frankfurter Recess ausgelegt würden, gegen den sie sich früher schon erklärt hätten[62]. Auf diese vorläufige Erklärung folgte eine andere der Theologen aller niedersächsischen Stände und Städte. Sie ging von Lüneburg aus, wo sie sich im Juli 1561 versammelten. Wir nennen von den da versammelten Theologen nur den Paul Eitzen und Joachim Westphal von Hamburg, den Tilemann Heshusius von Magdeburg, den Mörlin und Chemnitz[63]. Man erklärte sich da rundweg gegen den Naumburger Abschied, und dahin, die A. C. müsse in dem Verstand genommen werden, wie sie in der Apologie, den Schmalkalder Artikeln, dem Catechismus und anderen Schriften Luthers aus Gottes Wort erklärt worden sei, „damit sie kein cothurn und Deckmantel allerlei irriger falschen Lehre würde.“ Man verlangte ferner, dass man sich gegen die vornehmsten Irrthümer und Sekten erkläre, und nannte als solche die Osiandristen, Majoristen, Sacramentirer, Adiaphoristen und Synergisten. Und diese Erklärung wurde auf einem zweiten Convent in Lüneburg auch von den weltlichen Ständen unterschrieben, und mit einer Vorrede von Mörlin in Druck gegeben[64].
.
 So klein war also die Anzahl derer nicht, welche sich gegen die Naumburger Beschlüsse erklärten, und sehr in das Gewicht| fällt der Widerspruch, welcher von Seiten der Theologen gegen dieselben erhoben wurden. –

 Wenden wir uns nun aber zu den Fürsten, welche für die Naumburger Beschlüsse thätig waren, und zu der weiteren Geschichte der Naumburger Präfation.

 Der Protest des Herzogs war doch wie ein Pfahl im Fleisch der in Naumburg verbündeten Stände. Obwohl man in Naumburg die Präfation unterschrieben hatte, bevor noch die Gesandten von Weimar eingetroffen waren, so glaubte der Kurfürst von Sachsen doch die Antwort des Herzogs nicht auf sich beruhen lassen zu dürfen, er schickte sie daher noch im Februar 1561 an den Kurfürsten von Brandenburg, mit der Bitte, sich darüber zu äussern. Dieser gab dem Herzog wenigstens in dem einen Punkt Recht, dass man sich über das Abendmahl präciser, und zwar so, wie er, der Herzog es gethan, aussprechen solle; wie ja auch in dem Frankfurter Recess schon die Bereitschaft zu ausführlicherer Erklärung über die einzelnen Artikel ausgesprochen worden sei[65]. Er war daher der Meinung, der Kurfürst solle den Herzog von Würtemberg und den Pfalzgrafen Wolfgang, und durch diese die übrigen Fürsten zu gemeinsamer Erklärung darüber auffordern und diese Erklärung dem Herzog von Sachsen zustellen: bis man sich aber über eine gemeinsame Erklärung über das Abendmahl geeinigt, solle man die Einladung der übrigen Stände zur Unterzeichnung der Augustana aufschieben.

 So wenig also hielt dieser Fürst das in Naumburg vollbrachte Werk für abgethan, dass er noch in demselben Monat dasselbe in Frage stellte und zu Fortsetzung der Verhandlungen rieth. Um dieselbe Zeit drohte aber ein anderer Fürst, dessen Gesandte in Naumburg unterschrieben hatten, von der Unterschrift zurückzutreten, der Markgraf Johann von Brandenburg. Er war gleich dem Herzog von Sachsen mit der in der Präfation ausgesprochenen Behauptung, dass man nie von der Augustana abgewichen sei, unzufrieden, und forderte den Kurfürsten von Sachsen auf, bei den übrigen Fürsten die Streichung, dieser Stelle in der Präfation zu erzielen, da er im anderen Fall sich öffentlich von der| Naumburger Uebereinkunft lossagen würde. Der Kurfürst sah sich genöthigt, dem Markgrafen zu willfahren, und schrieb zu diesem Endzweck an den Herzog von Würtemberg und den Pfalzgrafen Wolfgang. Der Letztere überzeugte sich bei den Verhandlungen, welche jetzt zwischen ihm und dem Kurfürsten gepflogen wurden, dass die Forderung des Herzogs von Sachsen in Betreff der Lehre vom Abendmahl eine gerechte sei, und wir ersehen zugleich aus diesen Verhandlungen, dass der Markgraf bis dahin von der Annahme ausgegangen war, die lutherische Lehre vom Abendmahl sei in der Präfation vollkommen gesichert [66]. Der Pfalzgraf forderte jetzt auch, dass man auf Berufung eines Theologen-Convents bedacht sein solle, auf welchem man sich in einer Erklärung über das Abendmahl einige. Man fragte nun bei dem Kurfürsten von der Pfalz an, ob er in die Aenderung der Präfation und in die Aufstellung einer Erklärung über das Abendmahl zu willigen bereit sei. Dieser lehnte das Ansinnen mit Entschiedenheit ab. Aber bei den anderen Fürsten, bei den Kurfürsten von Sachsen und von Brandenburg, dem Herzog Christoph von Würtemberg, dem Pfalzgraf Wolfgang, gewann erst recht die Ueberzeugung Platz, dass, wenn man auch von einer Aenderung der Präfation absehen könne, man doch nicht umhin könne, eine bestimmte Erklärung über das Abendmahl nach dem Antrag des Herzogs von Sachsen abzugeben, und diese Fürsten vereinigten ihre Bemühungen, den Kurfürsten von der Pfalz und den Landgrafen von Hessen dafür zu gewinnen[67]; denn nicht nur der Erstere sondern auch der Andere zeigte sich abgeneigt.
.
 Natürlich, denn jetzt zeigte es sich, dass alle die obengenannten Fürsten die Naumburger Präfation in Betreff der Lehre vom Abendmahl im lutherischen Sinn verstanden wissen wollten, und sobald dem Kurfürsten von der Pfalz und dem Landgrafen von Hessen das klar geworden war, schien für sie die Zeit des Zusammengehens mit diesen Fürsten vorüber. So stand es nemlich auch bei dem Landgrafen Philipp. Dieser trug sich immer noch mit dem Gedanken, dass auch die Reformirten mit aufgenommen werden sollten, und legte die Naumburger Präfation so aus, dass er meinte, auch die Reformirten könnten sich an dieselbe anschliessen.| Durch ein Gutachten seiner Theologen[68] liess er sich zwar zu der Erklärung bestimmen, er sei auch bereit, die von dem Herzog von Sachsen geforderte Declaration zu unterschreiben. Es war aber ein Glück, dass der Kurfürst von der Pfalz in der Verweigerung der Unterschrift standhaft blieb: denn wenn er etwa auch in dem Sinn und mit den Gedanken des Landgrafen von Hessen unterschrieben hätte, so wäre eine Einigung doch nur auf Grund einer gegenseitigen Täuschung zu Stande gekommen, oder, wie man gleich gut sagen kann, die Fürsten, welche sich für die Naumburger Präfation interessirten, wären in der Täuschung verblieben, als wären sie in dem Bekenntniss mit dem Kurfürsten von der Pfalz einig: denn noch bis in die letzte Zeit hinein waren sie der Meinung, der Kurfürst habe das der Präfation angehängte Bekenntniss vom Abendmahl im lutherischen Sinn aufgefasst. Erst der standhaften Weigerung desselben, die vorgelegte Declaration zu unterschreiben, verdankten sie die Aufklärung.

 Ueberblicken wir nun den Gang der Dinge, so ergibt sich Folgendes:

 Die Fürsten des Naumburger Convents waren mit den Theologen, welche Widerspruch gegen die Naumburger Präfation eingelegt hatten, in der Sache selbst mehr und mehr übereingekommen, sie waren einig mit ihnen in der Auslegung der Augustana nach den Schmalkalder Artikeln und dem Catechismus Luthers, und einig in der Abendmahlslehre. Dieser Lehre vom Abendmahl fielen sie nicht jetzt erst zu, sie waren ihr schon zu der Zeit, als sie die Naumburger Präfation unterschrieben, zugethan, damals aber hatten sie geglaubt, um den Preis der Einigkeit mit allen Fürsten eine etwas ungenauere Fassung der Lehre sich gefallen lassen zu sollen, sie waren aber auch damals von der Voraussetzung ausgegangen, dass diese Fassung im lutherischen Sinn verstanden würde. Als nun aber um diesen Preis doch keine Einigung zu Stande kam, traten sie der Forderung des Herzogs von Sachsen, dass eine genauere Erklärung vom Abendmahl gegeben werden solle, um so lieber bei, als sie selbst dieser Lehre| zugethan waren. Jetzt gaben sie auch dem Kurfürsten von der Pfalz nicht mehr nach, wollten sie die Naumburger Präfation nur unter der Bedingung aufrecht erhalten, dass der Kurfürst jene Declaration über das Abendmahl mit unterschreibe, und da er das nicht that, liessen sie die Naumburger Uebereinkunft fallen.

 Die Sache stand also jetzt wieder so, wie vor dem Frankfurter Recess und dem Naumburger Fürstentag. Es hatte sich ausgewiesen, dass die Fürsten nie ohne Zuziehung der Theologen ein Einigungswerk zu Stand bringen könnten, und auch der Beweis war geliefert, dass man, um Einigkeit zu erreichen, die Differenzen nicht verdecken durfte, dass man sie innerlich zu überwinden suchen musste.

 Das war die Ueberzeugung aller der genannten Fürsten, nicht allein die des Herzogs Johann Friedrich. Man kann also nicht sagen, dass dieses Resultat durch die Flacianische Parthei erzielt worden ist: denn diese konnte wohl auf den Herzog von Sachsen, nicht aber auf die anderen Fürsten Einfluss haben, und auch deren Einfluss auf den Herzog von Sachsen war ja keineswegs ein unbedingter. Vielmehr war ja bereits zur Zeit des Naumburger Fürstentags eine Spannung zwischen dem Herzog und der Flacianischen Partei eingetreten, welche alsbald zur Absetzung des Flacius von seiner Jenaer Professur führte. Sie war eingeleitet worden durch den Ausgang des Religionsgesprächs, welches zwischen Flacius und Strigel 1560 Statt hatte. Der Herzog war zwar in der Lehrfrage auf Seite des Flacius gestanden, hatte sich aber, wie es scheint, von der so grossen Gefährlichkeit der Lehre Strigels doch nicht überzeugen können, und war nun nicht dazu zu bringen, wie er allerdings versprochen hatte, eine Synode zum Behuf der letzten Entscheidung in dieser Sache anzuberaumen. Die Flacianer fürchteten jetzt, das Confutationsbuch sei gefährdet, und vergassen sich in ihrem Eifer für dasselbe. Der zu ihrer Partei gehörende Superintendent Winter in Jena liess den Professor der Rechte Matthäus Wesenbeck nicht als Taufzeugen zu, weil dieser ihm nicht genügende Erklärung über seine Stellung zum Confutationsbuch gab, und schloss bald darauf aus gleichen Gründen einen anderen Juristen vom Abendmahl aus. Es gelang den Gegnern, dem Herzog das Bedenken einzuflössen,| dass die Theologen seine Gerechtsame nicht genugsam respectirten, und die Massregeln, die er nun im Zusammenhang damit gegen Winter traf, führten zu einem völligen Bruch zwischen ihm und der Flacianischen Partei, der auch Ursache war, dass er die Strigelsche Angelegenheit ganz fallen liess. Während die Theologen wollten, dass die oberste Aufsicht über die Thüringische Kirche dem theologischen Collegium übertragen würde, nahm der Herzog für sich als Landesfürst, dem die custodia primae et secundae tabulae von Gott befohlen sei, die oberste Inspection der Kirche in Anspruch, und wie sich die Flacianer auch wehrten, der Herzog entzog der Fakultät alles Aufsichtsrecht, und bestellte (am 8. Juli 1561) ein Consistorium unter seinem Präsidium als oberste kirchliche Behörde für ganz Thüringen, der Widerspruch aber, den die Flacianer dagegen einlegten, führte endlich zur Absetzung des Flacius und seiner Verbündeten. Sie erfolgte am 10. Decbr. 1561[69]. Nach diesen Vorgängen wird man also auch den Herzog Johann Friedrich nicht mit der Flacianischen Partei identificiren wollen. Nur ihre Abendmahlslehre und ihren Widerstand gegen die calvinische Lehre theilte er mit ihnen, schon seine gegen die Strigelsche Angelegenheit eingetretene Gleichgültigkeit deutete darauf hin, dass ihm auch das Confutationsbuch nicht mehr sehr am Herzen lag, und er für den Austrag der noch schwebenden Streitigkeiten nicht gerade die gleichen Bedingungen wie sie zu stellen gewillt war[70].



  1. Sattler, Geschichte des Herzogthums Würtemberg, IV 116 ff.
  2. Der Herzog schrieb an seine Gesandten nach Regensburg (am 1. März): „Er befände nunmehr bei diesem beschwerlichen Handel eben dasjenige [294] in dem Werke, dessen er etliche Jahre her mit besonderem Anliegen grosse Sorge getragen, dass durch der Theologen etwan unnöthige, etwan eigensinnige und hitzige oder auch unbedachtsame Schriften und Schreien ihre Herren und Oberhäupter auch in Widerwillen, Uneinigkeit und Spaltung gerathen möchten, und dass derhalben die hohe Nothdurft erfordere, dass die A. C.-Verwandten Stände sich in eigner Person zusammenthun und diese Dinge miteinander stattlich erwägen, und mit einhelligem Zuthun solch’ Schreiben und Schmähen und dessen Folgen bei ihren theologis in den Schulen und auf den Kanzeln abstellen, auch da diese sich hierin nicht mässigen oder sonst zum Frieden und Einigkeit weisen lassen wollten, sie gar nicht in ihren Oberkeiten dulden und noch vielweniger ihre Schriften in den Druck kommen lassen: denn sonsten würde eine Zerrüttung unter den Evangelischen Ständen entstehen, wenn die theologi ihre Meinungen hartnäckig unter dem Beistand ihrer Fürsten durchsetzen wollten.“ Sattler IV, 117.
  3. Sattler, Geschichte des Herzogthums Würtemberg. IV. Beilage 40. p. 119. Bedenken und Verzeichniss zu einer Vorbereitung des künftigen Colloquii gestellt etc.
  4. Salig III, 264 sq.
  5. Salig III, 275. Ganz so urtheilt ein Theologe, der auf dem Convent zugegen gewesen in einem Brief, den Salig (III, 276) mittheilt. Salig vermuthet, dass Hartmann Bejer aus Frankfurt ihn geschrieben hat. Derselbe schreibt: Theologi, quos ego desiderabam, aberant omnes, praeter solum Gallum, quem ego unicum in illo conventu vidi, de cujus pio zelo ardentique studio erga ecclesiam Christi mihi aliquid certi possem polliceri. A ceteris enim omnia tam negligenter et frigide, ne quid gravius, attamen verius, dicam, administrata et peracta sunt, ut non potuissent vel negligentius, vel frigidius. Et, si vis, ut uno verbo tibi in aurem dicam quidnam ego inde adeptus sim commodi, scias, me non obscure animadvertisse: Palatinos Majorismum, Würtembergicos Osiandrismum, Hassicos Zuinglianismum non omnino improbare. Reliquos omnes esse vel Praeceptorios, ut ita dicam, quorum quisque suum, non habitâ veritatis ratione, sequitur, vel omnino aulicos, i. e. adulatores et canes mutos..
  6. Salig III, 294.
  7. Ibid.
  8. Salig III, 296.
  9. Ibid. p. 297.
  10. Salig III, 297 sq.
  11. Salig III, 311.
  12. Ibid. p. 331.
  13. In Worms war während des Colloquiums auch Beza mit noch einigen Deputirten der evangelischen Kirche Frankreichs erschienen, um die Theologen, die man dort versammelt wusste, zum Beistand für die Reformirten Frankreichs anzugehen. Die darauf bezüglichen Vorgänge gehören nicht in den Text unserer Geschichte, in einer Note wird es aber verstattet sein, ihrer zu erwähnen, da sie ein Licht auf die noch immer fortgehenden Bestrebungen der Reformirten um Anerkenntniss von Seite der Lutheraner werfen.
     Wir entnehmen das Nähere darüber dem Leben Bullingers von Pestalozzi.
     Schon im Jahr 1557 waren Beza und Farel in Deutschland gewesen, um Schutz wider die Verfolgungen, denen die unter französischer Hoheit stehenden Waldenser Piemonts ausgesetzt waren, zu erwirken, und damals hatte man sie in Deutschland aufgefordert, die Stellung dieser Waldenser und ihre eigene zu der Augsburgischen Confession darzulegen. Sie setzten zu diesem Behuf ein „Bekenntniss der in der schweizerischen und savoyischen Kirche geltenden Lehre“ auf, mit dem man in Deutschland sehr zufrieden war. Voll Freude darüber kehrte Beza nach der Schweiz zurück, sagte in Zürich dem Bullinger aber nichts von dem Bekenntniss, das er übergeben, theilte ihm aber mit, dass man in Deutschland mit dem Gedanken umgehe, einen Congress von Fürsten und Theologen zum Behuf der Erzielung der Einigung der lutherischen Theologen unter einander ins Werk zu setzen, und zugleich ein Religionsgespräch zwischen Katholiken und Protestanten vorzubereiten, und suchte Bullingern für Beschickung solcher Versammlungen von Seite der Schweiz günstig zu stimmen. Kunde von dem in Deutschland von Beza übergebenen Glaubensbekenntniss erhielt Bullinger zuerst aus Deutschland und äusserte sich sofort sehr ungehalten darüber in Briefen an Beza und Calvin. [301] Dem Ersteren schrieb er (am 16. Juli): „Zur grossen Freude unserer Gegner und zu der Unsrigen grossem Leidwesen wird sie (die Confession) überall verbreitet. Confessionen aber sollen klar und deutlich und durchaus nicht doppelzüngig sein, besonders in den noch streitigen Punkten. Ich wahrhaftig würde eine solche Confession weder schreiben, noch wenn sie von Anderen geschrieben wär, unterschreiben.“ Warum, fragt er in einem Brief an Calvin, haben sie nicht den Consensus (Tigurinus) überreicht? „Man sollte doch über einen schon solange streitigen Punkt nicht solche Redeweisen brauchen, durch welche die Einfältigen gestossen werden können ... Sieh’ in welche Verlegenheit sie uns gebracht haben, auf den Fall, dass es zum Colloquium kommen sollte. Denn ich kann vor Gott und vor der Kirche eine solche Confession nicht anerkennen. Wird ihr aber von mir und Anderen widersprochen, so wird Westphal alsbald schreien: „habe ich’s nicht gesagt, dass sie selbst untereinander uneins sind.“
     Wir können aus diesen Aeusserungen schliessen, dass das Bekenntniss, das Beza abgegeben, in Ausdrücken abgefasst war, welche in lutherischem und reformirtem Sinn gedeutet werden konnten, ein solches widerstrebte aber dem ehrlichen Bullinger und es genügte ihm die Entschuldigung Calvins nicht, dass Beza es „zur Besänftigung der leidenschaftlichen Leute in Deutschland gethan habe.“
     Das zweite Bekenntniss, das Beza zur Zeit des Wormser Colloquiums überreichte, war dann allerdings anderer Art. Beza erklärte da Namens der französischen Kirchen, dass sie der Augsburgischen Confession in Allem beistimmten, einzig den Artikel vom Abendmahl ausgenommen. (Auch darüber aber erklärten sie sich dahin, dass ihnen das Abendmahl durchaus nicht nur ein signum professionis oder absentis Christi sei, sie hielten es vielmehr mit den Worten Pauli: panis est κοινωνία corporis. Das Bekenntnis in corp. Ref. [302] IX, 332). Bullinger knüpfte aber auch an dieses Bekenntniss keine Hoffnungen, wie er sich auch nicht viel von einem Colloquium zwischen Lutheranern und Reformirten versprach, auf das jetzt Beza grosse Hoffnungen baute. Er schreibt an Beza (am 15. Decbr. 1557) ... „Wir können uns allerdings noch nicht überzeugen, dass man durch Religionsgespräche zur Eintracht komme mit den Lutheranern, oder dass diess der einzige Weg sei, die Zwietracht los zu werden, es wäre denn, dass wir noch vor Beginn des Gespräches uns entschliessen würden, nur einfach die Augsburgische Confession zu unterschreiben .. Seit dem Erscheinen dieses Bekenntnisses sind nicht wenige Colloquien gehalten worden: in diesen allen ist dasselbe beinahe mehr beachtet worden als das hochheilige Evangelium Jesu Christi selbst, so sehr, dass wer es nicht in allen Stücken annimmt und anerkennt, auch wenn er den evangelischen Glauben und die apostolische Lehre vollständig und lauter bekennt, angesehen wird, als ob er kein Jota der reinen Lehre erkannt hätte oder annähme ... Diesen Menschen (er denkt vor allem an Westphal) ists bei Weitem nicht genug, wenn man sagt, man wolle jene Confession willig nehmen, aber nur im rechten Sinn und Verstand. Es zeigt sich also, sie begehren nichts Anderes, als dass wir einmal unsere Redeweise und die Lehre unserer Kirche lassen und nur einfach die A. C. unterschreiben.“ „Und wie kommt es,“ schliesst er seinen Brief, „dass Du bei Deinen wiederholten Zusammenkünften, nicht mit den wüthenden, sondern mit den insgemein gemässigten Männern, von denen man einige Hoffnung hegt, dass sie sich zu einer Vereinigung verstehen möchten, nicht ein einziges Mal unseren Consensus bei ihnen vorgebracht hast? Du merktest ohne Zweifel, dass auch bei ihnen nicht diese Vereinigung, sondern etwas Anderes, Mehreres verlangt werde?“
     Hätten alle Reformirten und alle Lutheraner so klar gesehen wie Bullinger, wie viele gegenseitige Täuschungen hätte man sich erspart!
     Auch viel heller als Calvin sah da Bullinger. Calvin gab die Hoffnung auf das Zustandekommen eines Colloquiums zwischen Lutheranern und Reformirten nicht sobald auf, und setzte sie auf Melanchthon, stellte darum auch in Aussicht, dass er zu einem künftigen Colloquium sich einfinden werde. Bullinger aber erwiderte ihm (am 10. Septbr. 1557): „Es gefällt mir gar nicht, dass Du Deine ganze Hoffnung auf Melanchthon bauest und alle Deine Pläne auf ihn stützest. Das gebe ich zwar zu, Melanchthon ist ein redlicher Mann, aber ein Mensch, und zwar ein furchtsamer. Würde man auch hundert Mal zusammenkommen, und sich in Besprechungen einlassen, so würde er seinerseits für unsere Kirchen doch lang nicht so viel Heil bringen, als Schnepf, Brenz und andere Wuthentbrannte, mit denen wir’s da eigentlich zu thun [303] hätten, Unheil. Ich hab’s durchgemacht, ich spreche aus Erfahrung. Als der selige Butzer ehedem so zuversichtlich eine Vereinigung zwischen Luther und unsern Kirchen versprach und dabei sehr auf Melanchthons Mässigung baute, wie sehr hatte er sich geirrt...“
     Man könnte diese Worte prophetische nennen, denn am 21. October unterschrieb Melanchthon mit den anderen Theologen jene Protestation, in welcher erklärt wurde, dass man in nichts von der 1530 in Augsburg übergebenen Confession weichen, in der Lehre nichts darin ändern und alle damit streitenden Lehren verwerfen werde. Und ausdrücklich war darin Zwinglis Lehre genannt und verworfen. (Corp. Ref. IX, 350). Calvin, ob er gleich den Gedanken an ein Colloquium mit den Lutheranern noch festhielt, musste jetzt bekennen, dass er sich getäuscht habe, sowohl in Melanchthon als in Brenz. „In starken Ausdrücken äussert er sich über Melanchthons Schlaffheit und Schweigsamkeit; wiewohl diese ihm nicht unbekannt geblieben, sei Melanchthon doch weiter ausgeglitten, als er je von ihm vermuthete; auch von Brenz hätte er nicht gedacht, dass er so feindselig verfahren würde..“ (Bulling. p. 409).
  14. Sattler, IV, 117.
  15. Nach Salig war auch der Landgraf Philipp von Hessen zugegen, Heppe stellt das (p. 269) in Abrede. Nicht ohne Absicht scheint der Herzog die Einladung auf einen engeren Kreis beschränkt zu haben.
  16. dd. 4. März. C. R. IX, 462.
  17. Sattler IV, 125.
  18. Der Recess bei Sattler. IV. Beil. N. 44. p. 129.
  19. Mel. an den Landgrafen Philipp von Hessen dd. 16. Mai, C. R. IX, 556.
  20. II, 277.
  21. Ueber die Aufnahme des Recesses bei den genannten Fürsten und Ständen: Historie des Sacramentstreits. p. 575–579.
  22. Bei Salig III, 369.
  23. Ibid. 371 sq.
  24. Die Schrift von Flacius ist nicht gedruckt worden, ich kenne ihren Inhalt nur aus Preger M. Fl. III. II, 74.
  25. Diese kennt auch Salig (III, 383) nur aus der Wittenberger Beantwortung. Die Erklärung an die Fürsten bei Heppe. I. Beil. XXVIII. p. 86.
  26. Salig III, 391.
  27. Ueber das Confutationsbuch Salig I, 477.
  28. Das Gutachten Melanchthons C. R. IX. 763. Das des Landgrafen von Hessen C. R. IX, 753.
  29. Die Antwort des Flacius kenne ich nur aus Preger II, 87.
  30. Die Geschichte des A. Reichstags bei Heppe I, 325 sq.
  31. Das Bedenken des Brenz dd. 18. Mai 1559, bei Sattler IV. Beil. 54.
  32. Supplicatio quorundam theologorum, qui post obitum Lutheri p. m. corruptelis et sectis voce aut scriptis contradixerunt pro libera christiana et legitima synodo. Salig III, 568. Nach Preger (II, 86) noch im Jahr 1559, nach Struve (112) im Jahr 1560.
  33. Die namhaftesten Theologen waren: Amsdorf, Musäus, Joachim Mörlin, Tilemann Heshusius, Gallus, Wigand, Iudex, Joachim Westphal, Flacius, Joh. Stössel.
  34. Die Supplik bei Heppe I. Beil. XXXIV. Sie trägt das Datum 21. April 1560, Preger aber (II, 90) meint, zu dieser Zeit sei sie gedruckt worden.
  35. Preger II, 89.
  36. Sattler IV, 146 sq.
  37. Ibid. 147.
  38. Das Ausschreiben des Kurfürsten von Sachsen an den Fürsten Wolfgang zu Anhalt (ein gleichlautendes an die übrigen Fürsten, die der Kurfürst einzuladen übernommen hatte) dd. 6. Dcbr. bei Hönn p. 3. „ ... sollten sonst alle Condemnationen, darinnen ein Theil den anderen eingerissener Corruptelen und Secten auflegen wollte, gänzlich verbleiben, auch sonst in solcher Zuhauffkunft von keinen weltlichen und privat Händeln gerathschlagt werden.“
  39. Sattler IV, 153 sq.
  40. Salig III, 680.
  41. Ibid. 669.
  42. Hönn, historia des von den evangel. Ständen a. 1561 zu Naumburg wegen anderweiter Unterschreibung der umgeänderten A. C. etc. gehaltenen Convents. 1704. p. 99 sq.
  43. Salig III, 673.
  44. Hospinian (h. sacr. II, 281, a), der die Naumburger praefatio dahin deutete, dass in ihr die Ausgabe von 1540 tanquam fidei symbolum bekräftigt worden sei, sagt: hae editiones confessionis Augustanae mutatae et locupletatae atque in hoc principum conventu celeberrimo confirmatae ita comparatae sunt, ut Calvinistarum, quos ita falso vocant, sententiam et doctrinam apertissime confirment. Nihil enim in iis deest nisi quod non expresse dicatur: corpus Christi ore corporis non editur. Alias praemissas omnes, quibus ad hanc conclusionem nobis opus est, disertissime habent, nobisque tantum addendum relinquunt conclusionem necessario ex illis sequentem. Das führt er dann im Folgenden aus.
  45. Ein Brief, welchen Joh. Sturm von Strassburg auch noch während des Naumburger Convents an den Kurfürsten schrieb (in Hospinian II, 287 b) zeugt von diesem Interesse.
  46. Kluckhohn l. c. p. 50. Gallus von Regensburg scheint dem Kurfürsten zuerst diese Entgegenhaltung gemacht zu haben. Der Kurfürst antwortete ihm damals (dd. 7. Januar 1559) freilich: „dass Ihr eine neue und eine alte A. Confession meinen wolltet: das dünkt uns gleichwohl ein Ueberfluss“ (Kluckhohn p. 12). Er legte also allerdings damals noch keinen Werth auf diesen Unterschied, aber Kluckhohn erkennt selbst an, dass ihn die Sache lebhafter beschäftigen musste, nachdem eine neue Unterzeichnung der Confession in Vorschlag gebracht war.
  47. Planck (III, 226) theilt auch mit, dass die beiden Theologen, welche der Herzog mit nach Naumburg gebracht hatte, Mörlin und Stössel, ihren Herrn gewarnt hätten, dass er sich auf alle Fälle wegen der Aenderungen, welche Melanchthon mit der Confession vorgenommen habe, sorgfältig verwahren möge. Gewiss stimmten diese Theologen mit Chyträus überein. Auch die anderen auf diesem Convent anwesenden Theologen, Paul von Eitzen und Sagittarius haben gewiss den Herzog in gleichem Sinn berathen.
  48. Bei Salig III, 670 sq.
  49. Der Naumburger Präfation hat Heppe (die confessionelle Entwickelung p. 166) die Deutung gegeben, dass die A. C. von 1530 im Sinne der Augustana von 1540 und 1542 aufzufassen und festzustellen sei, und auch Preger (II, 97) fasst sie so, dass ausdrücklich die veränderte A. C. vom Jahre 1540 als Interpretation der älteren Ausgabe anerkannt sei. Dieser Auffassung müssen wir entschieden entgegen treten. Sie ist durch den Wortlaut der Präfation durchaus nicht gerechtfertigt. Darin ist über die confessio variata nichts ausgesagt, als dass man durch Unterschreibung der invariata, als von der, welche bei den meisten Kirchen und Schulen im Gebrauch und in etlichen Artikeln ausführlicher gestellt sei, nicht abweichen wolle. Damit war allerdings die Möglichkeit gegeben, dass der Eine oder der Andere die confessio invariata nach der variata auslegte, aber die Absicht der Verfasser ging nicht dahin, der variata diese Stelle zuzuerkennen. Am wenigsten aber dachten sie daran, von einer solchen Stellung der variata die Anwendung zu machen, welche Heppe ihr geben will, die nemlich, dass darnach die Melanchthonische Fassung der Abendmahlslehre gegenüber der Luthers anerkannt wäre. Denn in diesem Fall wären die Fürsten geradezu der Auffassung vom Abendmahl zugefallen, welche, wie sich bald zeigte, der Kurfürst von der Pfalz hatte. Das widerspricht aber allen ihren Aeusserungen, wie auch ihrem nachmaligen Verhalten, als es zu Tag kam, dass der Kurfürst die Präfation anders verstehe. Sie deuteten nicht nur immer die Präfation sammt der angehängten Erklärung über das Abendmahl im lutherischen Sinne, sondern sie waren auch der Meinung, dass sie der Kurfürst von der Pfalz so deute. Man verkennt auch die ganze Intention der Präfation, wenn man ihr diese Deutung gibt. Diese ging gerade dahin, sich in den Streit der Theologen über die einzelnen Lehren gar nicht einzulassen, diesen vielmehr ganz zu ignoriren und den Theologen zu überlassen. Wir Fürsten, sagten sie, sind uns bewusst, dass wir der Augustana treu geblieben sind, wir erklären uns also aufs Neue zu derselben. Nun fanden sich aber erhebliche Unterschiede in den verschiedenen Ausgaben vom Jahr 1530 vor. Die einfache Unterschrift der Augustana [324] von 1530 war nicht wohl thunlich, da sich in Bälde das Bedenken geltend gemacht hatte, dass der X. Artikel zu Gunsten der Papisten ausgelegt werden könnte, die von 1540 oder 42, in welcher diesem Bedenken abgeholfen war, und welche auch sonst noch einige allgemein anerkannte Verbesserungen enthielt, wollte man aber doch auch nicht zur Unterschrift wählen, da das wie eine Verläugnung der von 1530 ausgesehen hätte. Darum unterzeichnete man die invariata mit der Erklärung, dass man den X. Artikel nicht in papistischem Sinn verstehe. Man wollte sich aber auch der conf. variata nicht begeben, theils weil sie so vielfach im Gebrauch war, theils weil sie anerkannte Verbesserungen enthielt. Darum in der bekannten Weise die Beziehung auch auf sie. Dass die eine gegen die andere gebraucht werden könne, daran dachte freilich wahrscheinlich der Kurfürst von der Pfalz, die übrigen Fürsten aber dachten nicht daran. Zur Ergänzung sollte die variata dienen, nicht aber zur Correctur einer in der invariata enthaltenen Lehre, am wenigsten der vom Abendmahl. Freilich lag für diejenigen, welche in der Abendmahlslehre nicht gut lutherisch waren, die Versuchung nahe, von der einmal zugelassenen variata einen Gebrauch zu machen, welcher von der strengen Abendmahlslehre entband, und eben darin liegt das Verfehlte der ganzen Uebereinkunft, dass man daran nicht dachte, und es mit dieser Weise der Einigung versuchte, aber man hat von Seite der Fürsten eben nicht daran gedacht, oder man hat im schlimmsten Fall dem Pfalzgrafen das stillschweigend concedirt.
     Die Reformirten haben freilich die Präfation von Anfang an so gedeutet, wie Heppe, aber dass sie von lutherischer Seite je so gedeutet worden wäre, ist mir nicht bekannt. Auch Salig (III, 708) deutete sie nicht so, sondern gibt folgende Deutung: „Nehmt beide Confessionen zusammen und erklärt und deutet sie nun eine aus der andern, so wird eine rechte lutherische Confession herauskommen. Die umgeänderte schliesst den Verstand der calvinischen Deutung aus und die geänderte ist dem Verstand der papistischen Deutung zuwider. Sehet, was wollt Ihr mehr? Behaltet Ihr sie nun beide, so bleibt die reine wahre lutherische Deutung auf dem Thron, und das Zanken hat also ein Ende.“
  50. Das war auch die Meinung des kurpfälzischen Kanzlers Erasmus von Venningen, der am 25. März 1561 schreibt: „was die Verrichtung des Naumburgischen Tags belangt, gedenk ich ihr nunmehr, dessen Bericht meiner Einfalt in kurze Summarien also geschaffen, dass, wie lang man solche Handlung gut lassen, so ist gar nichts ausgericht; will man’s aber verkehren und verdrehen, ut moris, mag wohl künftig nichts Guts daraus werden. Denn die Zwinglianer und Coturniter unterstanden, die göttlichen und ewig seligmachenden Worte Jesu Christi zu verkehren, und in ihren Vortheil zu deuten, sollten sie dann mit unterston, auch die Naumburgische Tractation zu ihrem Vortheil zu richten, wie deren Gesellen eines Theils die Feder führen helfen, sich nit unbillig berühmt, die Sachen stünden wohl, und seien nit so wohl zu Heidelberg gestanden ..“ (Struve l. c. p. 138.)
  51. Wolff: „ohne einig Widersprechen ist gewiss, dass der A. C. wahrer Verstand unter deren Zugethanen und Verwandten weiter nicht in dem ersten, sondern in den darauf erfolgten Bekenntnisshandlungen, Recessen und Abschieden zu suchen sei. Item: es sei statuirt und geordnet worden, dass man vermög und Inhalt der repetirten Confession, und nicht ganz nach dem papistischen Artikel halten und lehren soll.“ (Historie des Sacramentstreites p. 634.)
  52. Hönn p. 35 sq.
  53. Die Gegenvorstellung bei Hönn, p. 46. Es ist ungewiss, ob dieselbe überhaupt in die Hände des Herzogs kam, oder ob sie, weil er schon abgereist war, zu den Akten gelegt wurde.
  54. Die den Gesandten mitgegebene Instruction (dd. 6. Febr.) bei Hönn p. 63. Den Gesandten wird darin aufgetragen, dem Herzog mitzutheilen, dass man in der letzten Sitzung, um dem Herzog zu genügen, eine ausführlichere Erklärung über das Abendmahl eingeschaltet habe; ihn aufmerksam zu machen, welch grosses Aergerniss der christlichen Religion daraus erwachsen und welches Frohlocken es dem Gegentheil machen würde, wenn er von der Subscription sich zurückzöge; endlich aber, wenn der Herzog bei der Verweigerung der Unterschrift verharre, ihn wenigstens zu vermögen, dass er seinen Theologen die öffentlichen Angriffe auf den Convent wehre, da sie, die Stände, sonst genöthigt wären, um ihre Unschuld an den Tag zu geben, alles, was sich vor dem Convent zugetragen, zu veröffentlichen.
  55. Das Schreiben findet sich in den im Nürnberger Archiv befindlichen Ansbacher Reformationsakten (Bd. XXVII), wo ich es nachgelesen habe.
  56. Nach Planck III, 264. n. 508 sind die wesentlichen Unterschiede dieser [329] praefatio von der Naumburger die, dass darin die Schmalkalder Artikel ausdrücklich erwähnt waren und bei Erwähnung der Ausgabe von 1540 die Clausel mit beigefügt war „wie wir denn solche einer gleichhelligen Meinung mit der ersten Ausgabe halten und verstehen.“
  57. Heppe I, 406.
  58. Preger (II, 100) verzeichnet die Fürsten und fürstlichen Gesandten, welche nicht unterschrieben.
  59. Heppe II, 406.
  60. Planck III, 285.
  61. Heppe I, 416.
  62. Planck III, 287.
  63. Salig III, 766.
  64. Die Fürsten liessen dann freilich zugleich ein Mandat ausgehen, in welchem sie mit Anschluss an den Naumburger Abschied den Predigern das unzeitige und ungebührliche Schelten auf der Kanzel und die Verdammung ganzer Universitäten oder sonderbarer Personen untersagten, aber in der Lehre erklärten sie sich doch mit ihren Theologen einverstanden, und ihr Verbot des Streitens führte nur zu weiteren Streitigkeiten mit den Theologen des niedersächsischen Kreises, welche den Fürsten gegenüber ihr Recht des Zeugnisses wider falsche Lehre sich zu wahren suchten. Diese gehören nicht hierher. Salig III, 767.
  65. Heppe I, 408 u. Anm. 2.
  66. Heppe I, 411. Anm. 1.
  67. Heppe I, 431.
  68. Heppe I, 436. Das Gutachten der Theologen nebst anderen Dokumenten bei Neudecker II.
  69. Das Nähere bei Preger l. c. II, 132–173.
  70. Preger l. c. 102. „Die scharf ausgeprägte Lehrgestalt der lutherischen Kirche, die Kirche der Concordienformel hat in dieser Wendung, welche der Streit in dem Jahr des Naumburger Fürstentags nahm, ihre eigenthümliche Grundlage. Es bedarf keines Beweises mehr, dass Flacius zu diesem Resultat viel, ja das Meiste beigetragen hat.“
     „Aber hier ist auch die Grenze seines Einflusses auf die Kirchenpolitik im 16. Jahrhundert. Die Fürsten waren nicht gesonnen, nachdem sie sich einmal zu dem Zugeständniss eines scharf ausgeprägten Lehrgrundes verstanden hatten, die fortwährende Bekämpfung der Theologen unter einander wegen früherer Lehrabweichungen, und die Aufregungen, welche daraus entsprangen, zu dulden. Neben der strengen Behauptung des lutherischen Lehrbegriffs fordern sie jetzt fast überall Toleranz und Amnestie. An dieser Forderung ist das Schiff des Flacius noch im Jahr des Naumburger Fürstentags gescheitert. Er ist nie wieder in den Hafen gelangt.“


« Das Drama in Kursachsen Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid
Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl
Schluss »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).