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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

dass die Theologen seine Gerechtsame nicht genugsam respectirten, und die Massregeln, die er nun im Zusammenhang damit gegen Winter traf, führten zu einem völligen Bruch zwischen ihm und der Flacianischen Partei, der auch Ursache war, dass er die Strigelsche Angelegenheit ganz fallen liess. Während die Theologen wollten, dass die oberste Aufsicht über die Thüringische Kirche dem theologischen Collegium übertragen würde, nahm der Herzog für sich als Landesfürst, dem die custodia primae et secundae tabulae von Gott befohlen sei, die oberste Inspection der Kirche in Anspruch, und wie sich die Flacianer auch wehrten, der Herzog entzog der Fakultät alles Aufsichtsrecht, und bestellte (am 8. Juli 1561) ein Consistorium unter seinem Präsidium als oberste kirchliche Behörde für ganz Thüringen, der Widerspruch aber, den die Flacianer dagegen einlegten, führte endlich zur Absetzung des Flacius und seiner Verbündeten. Sie erfolgte am 10. Decbr. 1561[1]. Nach diesen Vorgängen wird man also auch den Herzog Johann Friedrich nicht mit der Flacianischen Partei identificiren wollen. Nur ihre Abendmahlslehre und ihren Widerstand gegen die calvinische Lehre theilte er mit ihnen, schon seine gegen die Strigelsche Angelegenheit eingetretene Gleichgültigkeit deutete darauf hin, dass ihm auch das Confutationsbuch nicht mehr sehr am Herzen lag, und er für den Austrag der noch schwebenden Streitigkeiten nicht gerade die gleichen Bedingungen wie sie zu stellen gewillt war[2].



  1. Das Nähere bei Preger l. c. II, 132–173.
  2. Preger l. c. 102. „Die scharf ausgeprägte Lehrgestalt der lutherischen Kirche, die Kirche der Concordienformel hat in dieser Wendung, welche der Streit in dem Jahr des Naumburger Fürstentags nahm, ihre eigenthümliche Grundlage. Es bedarf keines Beweises mehr, dass Flacius zu diesem Resultat viel, ja das Meiste beigetragen hat.“
     „Aber hier ist auch die Grenze seines Einflusses auf die Kirchenpolitik im 16. Jahrhundert. Die Fürsten waren nicht gesonnen, nachdem sie sich einmal zu dem Zugeständniss eines scharf ausgeprägten Lehrgrundes verstanden hatten, die fortwährende Bekämpfung der Theologen unter einander wegen früherer Lehrabweichungen, und die Aufregungen, welche daraus entsprangen, zu dulden. Neben der strengen Behauptung des lutherischen Lehrbegriffs fordern sie jetzt fast überall Toleranz und Amnestie. An dieser Forderung ist das Schiff des Flacius noch im Jahr des Naumburger Fürstentags gescheitert. Er ist nie wieder in den Hafen gelangt.“
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/361&oldid=- (Version vom 1.10.2017)