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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

von ihnen als vorhanden anerkannten Zwiespalts auf eine spätere Zeit auszusetzen und zuvor auf die unwahre Voraussetzung einer Glaubenseinheit hin den Gang mit den Katholiken anzutreten? Hätten auch die Flacianer den Zwiespalt nicht aufgedeckt, die Katholiken hätten ihn gewiss zur Sprache gebracht Den Flacianern aber durfte man nicht zumuthen, eine Einigkeit zu fingiren, die nicht vorhanden war. Entweder also hätte man auf den Antrag der Flacianer, vor dem Beginn des Colloquiums eine Ausgleichung zu versuchen, eingehen oder, wenn man voraus sah, dass eine solche nicht zu erzielen sei, mit allen Mitteln das Zustandekommen eines Colloquiums verhindern sollen[1]. –

 Das Colloquium war gescheitert. Die evangelischen Fürsten wagten keinen neuen Versuch mehr, den Riss zwischen Katholiken und Protestanten zu heilen.


  1. In Worms war während des Colloquiums auch Beza mit noch einigen Deputirten der evangelischen Kirche Frankreichs erschienen, um die Theologen, die man dort versammelt wusste, zum Beistand für die Reformirten Frankreichs anzugehen. Die darauf bezüglichen Vorgänge gehören nicht in den Text unserer Geschichte, in einer Note wird es aber verstattet sein, ihrer zu erwähnen, da sie ein Licht auf die noch immer fortgehenden Bestrebungen der Reformirten um Anerkenntniss von Seite der Lutheraner werfen.
     Wir entnehmen das Nähere darüber dem Leben Bullingers von Pestalozzi.
     Schon im Jahr 1557 waren Beza und Farel in Deutschland gewesen, um Schutz wider die Verfolgungen, denen die unter französischer Hoheit stehenden Waldenser Piemonts ausgesetzt waren, zu erwirken, und damals hatte man sie in Deutschland aufgefordert, die Stellung dieser Waldenser und ihre eigene zu der Augsburgischen Confession darzulegen. Sie setzten zu diesem Behuf ein „Bekenntniss der in der schweizerischen und savoyischen Kirche geltenden Lehre“ auf, mit dem man in Deutschland sehr zufrieden war. Voll Freude darüber kehrte Beza nach der Schweiz zurück, sagte in Zürich dem Bullinger aber nichts von dem Bekenntniss, das er übergeben, theilte ihm aber mit, dass man in Deutschland mit dem Gedanken umgehe, einen Congress von Fürsten und Theologen zum Behuf der Erzielung der Einigung der lutherischen Theologen unter einander ins Werk zu setzen, und zugleich ein Religionsgespräch zwischen Katholiken und Protestanten vorzubereiten, und suchte Bullingern für Beschickung solcher Versammlungen von Seite der Schweiz günstig zu stimmen. Kunde von dem in Deutschland von Beza übergebenen Glaubensbekenntniss erhielt Bullinger zuerst aus Deutschland und äusserte sich sofort sehr ungehalten darüber in Briefen an Beza und Calvin. [301]
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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 300. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/324&oldid=- (Version vom 1.10.2017)