Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Erdteil
Band VI,1 (1907) S. 12981309
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2) Europa, Name des Erdteils. Man pflegte sonst den Namen des Erdteils E. von dem semitischen Wort für Abend (לרכ‎) herzuleiten (Ukert Geogr. d. Griech. u. Röm. I 2 S. 211f. Forbiger Handb. d. alt. Geogr. III 1. Kiepert Lehrb. d. alt Geogr. I 26), man neigt sich aber mehr und mehr der Annahme griechischen Ursprungs zu. Hesiod. theog. 357. 359 nennt E. und Asia noch ohne Beziehung auf die Erdteile (Bergk Gr. Litteraturgesch. I 976) unter den Töchtern des Okeanos und der Thetys, und von diesen leitete Hippias von Elis frg. 4 (FHG II 61) die Namen der Erdteile her. Nach Andron von Halikarnassos hatte Okeanos von der Pompholyge die Töchter Libya und Asia, von der Parthenope E. und Thrake (frg. 1, FHG II 349); Hippostratos frg. 1, FHG IV 432 nannte E. eine Tochter des Nil und Gattin des Danaos, ältere Dichter [1299] des Phoinix (Otfr. Müller Orchomenos 107), Herodot. I 2. 173. IV 45. 147 und Johannes Antiochen. frg. 15, FHG IV 544. Arrian. frg. 63, FHG III 598 Tochter des Agenor, Schwester des Kadmos und Mutter des Minos und Sarpedon. Nach Pindar Pyth. IV 46 ist sie Tochter des Tityos und wird vom Poseidon Mutter des Argonauten Euphemos. Hegesippos aus Mekyberna frg. 6, FHG IV 424 versetzt sie ausdrücklich nach Thrakien. In welchem Zusammenhange der Name eines Epos des Eumelos, Europia, mit der Heroine gestanden habe, ist nicht zu ersehen (Marckscheffel Eumeli Cinaethonis Asii et carm. Naupact. frg. 216f. Wilisch Die Fragm. des Epikers Eumelos 7. Kinkel Epicor. gr. fr. 187f.). Ed. Schwartz Quaest. Ionicae, Rostoch. 1891, 3f. zeigt, daß der ursprünglich einer Erdgöttin (Busolt Gr. Gesch. I 252f.) gehörige Name auf das Festland im Gegensatz zu Halbinseln wie die Chalkidike und die Peloponnes und zu Inseln (Sophokles bei Steph. Byz. s. Εὐρώπη) übertragen worden sei, vgl. Völcker Über Homerische Geogr. und Weltkunde 103. Hymn. Hom. in Apoll. Pyth. 72f. 112, insbesondere soll er lange für Thrakien oder einen Teil Thrakiens im Gebrauche gewesen sein nach Wesseling ad Itiner. Hierosol. 602. Herod. VI 43. VII 8. Aus uralter Zeit stammt, wie die Ilias zeigt, die Vorstellung von der Trennung der Wohnsitze durch das Aegaeische Meer, und vom 8. Jhdt. an hatten die griechischen Seefahrer das Mittelmeer, die Propontis und den Pontos und die Küsten dieser Meere kennen gelernt, die Namen E., Asien und Libyen, drei verschiedene Richtungen der Fahrt angebend, waren schon zur Zeit des Hekataios aus dem kleinen Umkreise ihrer ehemaligen Geltung auf weitere Küsten und Hinterländer in jenen drei Richtungen übertragen worden, und E. insbesondere nannte man wenigstens seit dem Anfange des 6. Jhdts. alles Land, das nördlich von der großen Länderscheide des Mittelmeers lag, vom Westen her, wo die Meerenge der Säulen des Herakles in das äußere Meer führte, bis zur fernen Mündung des Phasis im Osten (Forbiger Handb. I 28. 37. II 37. III 1f.; weitere Belegstellen bei Berger Gesch. d. wiss. Erdk. d. Gr.2 77f.).

Die ionischen Geographen scheinen von Anfang an eine andere Begrenzung eingeführt zu haben; bei Hekataios frg. 164 ist Phanagoreia jenseits des Kimmerischen Bosporus die erste Stadt Asiens (vgl. Aischyl. Prometh. 734. 790), bei Hippokrates, der ein treuer Anhänger und Zeuge der ionischen Geographie war, bildet die Maiotis die Grenze zwischen E. und Asien (Berger Gesch.2 81f. 121f.), und Herodot (IV 45) bezeugt, daß man neben dem Phasis auch den maiotischen Tanais und die Kimmerische Meerenge als Grenze nenne. Eratostbenes hat später die alte Methode der Erdteilung verworfen (Strab. I 65), er kommt aber durch die physisch-geographische Teilung der Oikumene in die Nord- und Südhälfte durch eine natürliche Grenze, das Mittelmeer und das anschließende große Mittelgebirge Asiens (Strab. II 67f. Varro de r. r. I 2) zurück auf jene erste Teilung bis zum Phasis, ohne ihn zu berücksichtigen, und er muß den Dikaiarchos dabei zum Vorbilde gehabt haben (Agathem. geogr. inf., Geogr. gr. min. ed. C. Mueller II 472. Berger Gesch.2 378. 435; [1300] Geogr. Frgm. d. Erat. 163f. 170f.). Im Anschlusse an Ephoros nahm dann Polybios im Gegenteil die Teilung der ionischen Geographen wieder auf und verlegte das vom Tanais begrenzte E. zwischen den Westpunkt und den Nordostpunkt des Kreises der Erdscheibe (Berger Gesch.2 515), und es hat sich seitdem in der Begrenzung des Erdteils E. im Altertum nichts geändert, nur nahmen viele, vielleicht schon in älterer Zeit, Anstoß an der Teilung durch Flüsse, die ja wegen des Abstandes der Quellen von dem äußeren Meere keine vollendete Trennung bewirken könne (Strab. I 35f. 66f.), und verlegten daher die Grenze E.s gegen Asien auf den Isthmus zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meere (Strab. a. a. O. Dionys. perieg. 19f. Eustath. Geogr. gr. min. II 222. Ps.-Aristot. de mund. 3. Ptol. geogr. II 1, 6), oder auf den zwischen dem nördlichen Ozean und der Maiotis (Ptol. geogr. VII 5, 6. Anonym. geogr. exp. 3, Geogr. gr. min. II 494, vgl. Posid. bei Strab. XI 491). Poseidonios hat einmal an eine Teilung der Oikumene in zonenartige, der physikalischen Unterscheidung dienende Streifen gedacht, hat aber den Gedanken wieder aufgegeben und ist zur alten Dreiteilung zurückgekehrt (Strab. II 102). Das Schema der Teilung veränderte sich aber manchmal, und zwar nach den verschiedenen Ansichten über den Lauf des wenig bekannten (Strab. XI 493) Tanais (Strab. II 107. XI 490. XII 533. Polyb. IV 39, 1. Plin. n. h. IV 77. Ammian. Marc. XXII 8, 13). In dem Grundriß der Oikumene, den Poseidonios nach Eratosthenes durch Verbindung der größten Linien der Länge und Breite ⚟⎥⚞ formte (Strab. XI 519. Dionys. Perieg. 270f. 620f. Agathem. I 2, Geogr. gr. min. II 471. Berger Gesch.2 575), bildete E. das nordwestliche Dreieck (Dionys. Perieg. a. a. O. und 10f. Pomp. Mel. I 8. Ptol. tetrabibl. II p. 60), in der von den Römern wieder angenommenen Rundkarte den nordwestlichen Quadranten (Augustin. civ. d. XVI 17. Oros. hist. I 2, 1f.).

Die Erforschung des Erdteils steht im Zusammenhange einesteils mit dem alten Handels- und Kolonialwesen und der Ausbreitung der Römerherrschaft, andernteils mit zwei Hauptproblemen der alten Geographie, der Küstengliederung und der Zonenlehre. Nach Überwindung des Thrakischen Bosporos, dessen Gefahren die Sage von den zusammenschlagenden Felsen (Berger Erat. 329f.) hervorgerufen hatten, war das unabsehbare Schwarze Meer erreicht, doch hatte man anfangs keine Ahnung von dessen Geschlossenheit. Dort im Nordosten war Aiaia, die Insel des Aietes, das Ziel der Argonautenfahrt, und in nordwestlich gerichteter Umsegelung konnten die Argoschiffer von Westen her ihre Heimat wieder erreichen (v. Wilamowitz-Moellendorff Pbilol. Unters VII 165f.). So stellte sich noch im 7. Jhdt. Mimnermos die Fahrt vor (Strab. I 46). Aber die allseitige Erforschung der linken und rechten Seite des Meeres, d. h. der westwärts und ostwärts vom Bosporos verlaufenden Küsten, die sich im Norden, da, wo der Tanais in die seichte Maiotis mündete, wieder zusammenfügten, hatte die Geschlossenheit des Pontus dargetan, und der Eintritt dieser Erkenntnis zeigt sich darin, daß schon Herodoros, ein Zeitgenosse [1301] des Herodot, die Argonauten auf einem und demselben Wege hin- und zurückfahren ließ, während sie Pindar und später Timaios das äußere und das innere Meer durch teilweisen Landtransport des Schiffes erreichen ließen und Apollonios von Rhodus sie durch den geteilten Ister in das Mittelmeer führte (Berger Gesch.2 44). Die linke Seite führte zuerst zu der äußeren Küste des altbekannten Thrakerlandes, aus dem wohl in ältester Zeit die erste dunkle Kunde von den Skythen, den gerechten Rossemelkern, nach Griechenland gekommen war (Il. XIII 5f., vgl. Steph. Byz. s. Ἄβιοι, zu der gefährlichen Küste bei Salmydessos (Aischyl. Prom. 726. Scymn. Ch. 724f. Strab. VII 319). An der Istermündung fand man die Skythen selbst, und die Milesier gründeten, wohl auf den Spuren der Karer (Neumann Die Hell. im Skythenl. 341. Plin. n. h VI 20), an ihren Küsten zahlreiche Kolonien (L. Bürchner Die Besiedelung des Pont. Eux. durch die Milesier, Programm Kempten 1885. Rambach De Milet. eiusq. col. 41f. 52f. R. Rochette Hist. crit. de l'établ. des col. Gr. III 169f. 300f.), unter denen sich Istros, Borysthenes, Pantikapaion, Tanais, Hermonassa, Dioskurias auszeichneten. Zwischen den Skythen wohnten die Taurer, deren Land, wie Herodot (IV 99) sehr wohl wußte, sich weit südlich vorschob in das Meer, dessen Gestaltung man vielleicht schon zur Zeit Herodors (frg. 5, FHG II 29. Ammian. Marc. XXII 8, 10) mit einem skythischen Bogen verglich (Berger Erat. 331f.; man verzeihe mir den Fehler 332). Durch den Handel (Herod. IV 17f. Strab. XI 493f. 498. 506) war ein lebendiger Verkehr zwischen Barbaren und Griechen eingetreten und eröffnete für diese den Blick in eine ganz neue Welt. Zwei Männer des ausgehenden 5. Jhdts. haben uns je nach dem Interesse, das bei ihnen vorwaltete, das merkwürdige Nomadenvolk der Skythen beschrieben, der Geschichtschreiber Herodot (IV 58f.) und der Arzt Hippokrates (de aere aquis locis ed. Kühn I 552f.), jener ihre Sage, Geschichte und ihre sozialen Einrichtungen, dieser ihre Körperbeschaffenheit und Lebensweise. Wo sie sich berühren, stimmen sie überein, so besonders in den Angaben über den Einfluß, den der harte und lange Winter der nördlichen Steppe auf Menschen und Tiere ausüben mußte (Herod. IV 28. Hipp. a. a. O. 556f.), in einem Lande, wo die Kälte die Gefässe sprengte (Eratosth. bei Strab. II 74) und wo nicht ausgegossenes Wasser, wohl aber ein angezündetes Feuer den Boden naß machte (Herod. IV 28). Der Erkundigung bei den Skythen und weiten Reisen der Kolonisten standen nach Herod. IV 24 keine großen Hindernisse im Wege, und so kam von dieser Seite die Kunde von der alten, weit in das heutige Asien hineinführenden Karawanenstraße, die Aristeas von Prokonnesos in seinem Epos Arimaspeia beschrieben hatte (Herod. IV 13f. Tournier De Aristea Proconnesio et Arimasp. poem., Paris 1863. Tomaschek S.-Ber. Akad. Wien CXVI 1888, 15). Herodot war auch davon unterrichtet, daß jenseits der Skythen Völker wohnten, die nicht zu jenen gehörten (IV 18. 20. 21), und noch weiter nach Norden hin sollten große Seen liegen. Aus diesen ließ er die großen Ströme fließen (IV 20. 51f. 54f.), deren massenhafte Sedimente das Schwarze Meer nach [1302] und nach abdämmen sollten (Aristot. meteor. I 14, 29f. Polyb. IV 39f. Strab. I 49. Berger Erat. 60f.), zugleich sollte aber dort die Zugänglichkeit des Landes durch Schnee und Kälte abgeschnitten sein (Herod. IV 7. 28f.). Nach älteren Historikern (Strab. VII 299) war dort, wahrscheinlich als Quellbezirk der großen Ströme gedacht (Aristot. meteor. I 13, 20f.), das fabelhafte Rhipäengebirge (Forbiger Handb. III 763, 25), auch der geographisch bestimmte Wohnsitz der mit den Apollonmythen verwachsenen Hyperboreer (Pind. Ol. III 16. 31; Pyth. X 30; Isthm. VI 23f. Herod. IV 32f. Strab. I 62. XI 507. Max. Mayer in Roschers Lex. s. Hyperboreer).

Für die Zonenlehre wurde dieser Teil E.s, wie andererseits die libysche Wüste, von ausschlaggebender Bedeutung. Je weiter die griechischen Reisenden vordrangen, desto unerträglicher fanden sie dort die Hitze, hier die Kälte; sie glaubten die Grenze der Bewohnbarkeit erreicht zu haben (Xen. anab. I 7, 6. Aristot. meteor. II 5, 15). Darauf gründeten die ionischen Geographen ihre klimatische Teilung der Erdscheibe (Berger Gesch2 81f. 121f.), in Unteritalien aber, wo man seit Pythagoras die Lehre von der Kugelgestalt der Erde angenommen hatte (Forbiger Handb. I 46. Gomperz Gr. Denker I 90), entwickelte der Eleate Parmenides die Lehre von den physisch-geographischen Zonen der Erdkugel (Posid. bei Strab. II 94. Berger Die Zonenlehre des Parmenides, Berichte Sächs. Ges. d. Wiss. 1895, 57ff.), zu deren Vollendung die Kenntnis des Skythenlandes einen wesentlichen Beitrag geliefert hatte. Schon in der Odyssee (X 82; vgl. v. Wilamowitz-Moellendorff Phil. Unters. VII 166f. Müllenhoff Deutsche Alt.-K. I 5. Ukert Geogr. d. Griech. u. Römer I 1, 25 Neumann Die Hell. im Skyth. 337) findet man die Bemerkung, ein schlafloser Mann könne im Lästrygonenlande doppelten Lohn verdienen wegen der geringen Unterbrechung des Tages durch die Nacht. Man wird die Tatsache nicht, wie Völcker tut (S. 116), aus der hohen Lage der Stadt und der Nähe des Sonnenunterganges erklären können. Vgl. Klausen Die Abenteuer d. Od. aus Hesiod erklärt 16f. Sie ist noch unverstanden und vielleicht durch Erinnerung an den bei Hesiod. theog. 748 ausgesprochenen Gedanken an die Schwelle, wo Tag und Nacht sich ablösen, erst recht unverständlich geworden. Die zu Grunde liegende empirische Erfahrung von der Zunahme des längsten Tages nach Norden hin, die aus dem frühesten Verkehr der Griechen mit den Skythen herstammen kann, wurde bei den mathematisch tätigen Pythagoreern, den Bearbeitern der Erdkugelgeographie, zu einem sichtbaren Beweise für die theoretische Entwicklung der Lehre von der Beleuchtung der Erdkugel durch die Sonne nach ihren wechselnden Stellungen. Man kam zu der Erkenntnis, daß an einem gewissen Punkte im höheren Norden der längste Tag und die längste Nacht von 24 Standen eintreten müsse und daß dieses Verhältnis weiter nach Norden hin immer zunehmend am Pole zu halbjähriger Nacht mit halbjährigem Tage wechselnd führen müsse. Eine Bemerkung in diesem Sinne, die nur dem astronomisch Gebildeten verständlich war, kann Herodot. IV 25 zu der spottenden Bemerkung getrieben haben, er glaube [1303] nicht, daß es Menschen gebe, die sechs Monate schliefen. So lange man aber nur das unwirtliche Kontinentalklima Skythiens im Auge hatte, ist die Grenze der Bewohnbarkeit nach empirischen Erwägungen noch ziemlich südlich angesetzt worden. Das zeigen die Bemerkungen Herodots (IV 7. 17f. 28f.) und die des Aristoteles (meteor. II 5), der sie ungefähr in der Gegend gesucht hat, die der nördlichen Breite von 53° entsprechen würde (Müllenhoff Deutsche Alt.-K. I 235 Anm.).

Die Lage der milesischen Kolonieen war nicht immer glänzend, denn ringsum wohnten neben und unter den Skythen unruhige Völkerschaften. Das bosporanische Reich an der Kimmerischen Meerenge, das seit dem Ende des 5. Jhdts. bestand (Curtius Gr. Gesch. III 482f. 551), kam zu hoher Blüte, aber schon um den Anfang des 1. Jhdts. v. Chr. mußte sich Mithridates der Bewohner von Chersonnes annehmen (Strab. VII 309. 311), und die einst mächtige Stadt Olbia (Borysthenos) war nach dem Zeugnis der Protogenesinschrift Dittenberger Syll.2 226 und des Dio Chrysostomos (or. 36 ed. Dindorf II 49) oft bedrängt, erobert und geplündert worden, am gründlichsten von den Geten im 1. Jhdt. v. Chr. Nur die Gewohnheit der Skythen, mit Griechen in Handelsverkehr zu stehen, half zu neuer Besiedelung. Seitdem Mithridates den Plan gefaßt hatte, mit Hülfe der nordpontischen Völker, unter denen schon die germanischen Bastarner sich auszeichneten, in Italien einzufallen (Appian. Mithr. 15. 69. 71. 101 u. ö.), waren die Römer auf das Land aufmerksam geworden, und zu Strabons Zeit setzten sie schon die bosporanischen Herrscher ein (Strab. VII 312). Diese Verhältnisse führten unter dem Kaiser Claudius ein römisches Heer bis über den Tanais zu den Aorsern und Siraken (Tac. ann. XII 15f.), was man aber hier und aus dem Munde der Ostgermanen kennen lernte, beschränkte sich auf leere Völkernamen, mit denen Marinus-Ptolemaios (geogr. III 5) eines ihrer Kapitel füllen konnten. Die hypothetische Annahme eines Nordmeeres dieser Gegend hing ab von der Stellung zu der Partei, die den Zusammenhang des äußeren Meeres vertrat, oder der anderen, die ihn leugnete. Für die ionischen Geographen (Damastes bei Steph. Byz. s. Ὑπερβόρειοι lag dort der nördliche Teil des Okeanos (Herod. IV 8. 36); Herodot leugnete seine Bekanntheit (III 115. IV 45), wie Polybios (III 38). Die Stoiker und die an Aristoteles anschließende Eratosthenische Schule mit Poseidonios und Strabon nahmen sie wieder für erwiesen an (Berger Die Grundlagen des marinisch-ptolemaeischen Erdbildes. Ber. d. Sächs. Ges. d. Wiss. 1898. 121f.). Poseidonios setzte einen Isthmus zwischen der Maiotis und dem nördlichen Ozean an, der nur 1500 Stadien breit sein sollte (Strab. XI 491). Bei Marinus-Ptolemaios wendet sich die Küste von Sarmatien nach Norden und verliert sich in unbekanntem Lande (Ptol. geogr. II 11, 2. III 5, 1f. VII 5, 2).

Ein anderer Strom der griechischen Kolonisten wandte sich, den Spuren der Phoinikier folgend, nach Westen (Busolt Gr. Gesch. I 370f.). Das Adriatische Meer war bald, besonders durch die seetüchtigen Phokaier (Herod. I 163. Busolt I 410. 433), [1304] als Meerbusen bekannt geworden, doch setzte man sich an seinen Küsten erst im 4. Jhdt. fest (Holm Gesch. Sic. II 134). Im allgemeinen vermied man es und nahm den Weg gleich von Korkyra, das die Korinther besetzten (Busolt I 387), quer über das Meer zum Iapygischen Vorgebirge (Busolt I 384, vgl. Völcker 107). Die Insel Sizilien, auf der man aus Italien vertriebene Sikeler, dann die Sikaner und Elymer fand (Busolt 375f.), war das erste Ziel. In schneller Folge entstanden an allen drei Küsten, zuerst im Osten, die bald zu Macht und Reichtum gelangenden Kolonialstädte, ebenso an den Küsten Unteritaliens, dem Lande der von Osten eingewanderten Iapygier, Oinotrer und Messapier, dessen Südspitze zuerst den Namen Italien erhielt (Busolt 382f.). Manche Örtlichkeiten erweckten bei den griechischen Seefahrern Erinnerungen an Homerische Schilderungen und wurden mit Homerischen Namen belegt (Lehrs Aristarch. 244f.), so daß später eine starke Partei, zu der sich Polybios hielt, behauptete, der Dichter habe die Irrfahrten des Odysseus in die Gewässer Italiens verlegt (Strab. I 20f.). Die Neuangekommenen traten in enge Beziehungen mit den Landesbewohnern (Busolt 394. 400), und das rasche Emporblühen der Städte Großgriechenlands zeigt am besten der Umstand, daß hier schon vor dem 5. Jhdt. im Gefolge der Pythagoreischen und Eleatischen Philosophie die Wissenschaften gewaltige Fortschritte machten, so die Medizin in Kroton (Herod. III 131. Wächtler De Alcmaeone Crot. 90f.). Auch hat die kühne Lehre von der Kugelgestalt der Erde und von den Antipoden, die im östlichen Griechenland noch von Demokrit verworfen wurde (Aristot. de cael. II 13, 10), hier zuerst Wurzel gefaßt (Gomperz Gr. Denker I 90. Diog. Laert. IX 21). Die Phokäer fuhren weiter nach Korsika (Herod. I 165) und an die Ligyerküsten, wo sie östlich von der Rhone Massilia gründeten (Busolt 433), nachdem der Samier Kolaios (Busolt 432) die Säulen des Herakles erreicht und die alten Sagen von dem fabelhaften Reichtum jener westlichen Gegenden, sowie den Grundsatz, daß die äußersten Enden der Oikumene die kostbarsten Produkte hervorbrächten (Herd. III 106f. 115f.), bestätigt hatte. Die Massilier waren bald so mächtig, daß sie die östlich und westlich von ihnen ausgedehnten Küsten zunächst der Ligyer, dann der Iberer bis in die Nähe der Meerenge der Säulen mit neuen Pflanzstädten besetzen konnten. Man erwarb hier nicht nur eine genaue Kenntnis der Küsten, wie ein Fragment des Atheners Phileas erkennen läßt (Berger Gesch.2 239), man erfuhr auch wichtige Dinge über die Hinterländer mit ihren Bewohnern, den Kelten, die die Ligyer nach Süden gedrängt hatten (Avien. or. mar. 129f.), den verschiedenen Stämmen der Iberer, die mit Kelten untermischt waren (Strab. III 139. 153. Plin. III 13), und bald stellte sich noch weitere Kunde ein. Man hörte von den westlichen und nördlichen Küsten des äußeren Meeres mit seinen Inseln, wo die vielbegehrten Produkte Zinn und Bernstein herkamen, die man über Land mit Benutzung der Wasserstraßen aus dem Kanal und aus dem Biscayischen Meerbusen nach den Mittelmeerküsten brachte (Busolt 372. 439f. Timaios bei Diod. V 22). [1305]

Nach diesen Gegenden richteten sich nun die Blicke der Griechen, nicht nur der Kaufleute, auch der Geographen. Wohl sind die von alters her seetüchtigen Gaditaner nach dem östrymnischen Gebiete gekommen, d. h. an die Westküste Frankreichs mit ihren Inseln und Halbinseln, die Veneter an dieser Küste bis nach Britannien (Berger Gesch.2 233f. 359), von den Mittelmeermächten waren es aber die im 5. Jhdt. den Westen beherrschenden Karthager, die zuerst zur See diese Nordländer zu erreichen suchten. Zur Zeit als Hanno die Westküste Afrikas befuhr, also in der Mitte des 5. Jhdts. (Fischer Hannonis Carth. peripl. 81f.), wandte sich der gleichfalls von Karthago ausgesandte Himilko nach Norden (Berger Gesch.2 232f.: vgl. noch Georg Mair Jenseits der Rhipäen, Progr. v. Villach 1893. 1894 und von Pola 1899 und Hergt Die Nordlandfahrt des Pytheas, Halle a. S. 1893), und nach wenigen Bruchstücken zu schließen muß er eine gute Beschreibung jener nordwestlichen Meeresteile hinterlassen haben (Avien. or. mar. 117f. 380f. 406f.). Diese oder ähnliche Nachrichten mögen es gewesen sein, die Herodot. III 115 für unverbürgt erklärt und abweist, deren Richtigkeit sich aber bald herausstellte. Als größten Strom E.s kennt Herodot den Ister (II 33. IV 48). Seine Quelle dachte man sich in alter Zeit im Norden (Pind. Ol. III 13f. 31. Aischyl. in Schol. Apoll. Rhod. IV 284). Herodot a. a. O. verlegte sie in die Nähe der Stadt Pyrene im Keltenlande, das dem äußersten Westvolke, den Kynesiern, jenseits der Meerenge der Säulen, benachbart war. Er ließ ihn von Westen her das ganze E. durchlaufen und weiß eine große Anzahl seiner Nebenflüsse aufzuzählen (IV 48f.), deren letztgenannte, Karpis und Alpis, über dem Lande der Ombriker nach Norden flossen. Aristoteles (meteor. I 13, 19) ließ den Ister vom Gebirge Pyrene im Keltenlande nach Osten, den Tartessus nach Westen fließen, und Ephoros scheint die Quelle des Ister im Nordwesten gesucht zu haben (Berger Gesch.2 234f.). Durch die Bekanntschaft mit dem Volke der Istrer am Nordende des Adria kam man im 4. Jhdt. auch auf den Gedanken, der Ister entsende einen Arm in dieses Meer (Theopomp. bei Strab. VII 317. Aristot. hist. an. VIII 15. 4. Scyl. Car. 20), und diese und eine ähnliche Bifurkation, nach der Po, Rhone und Rhein zusammenhängen sollten, galt noch im 3. Jhdt. (Apoll. Rhod. IV 323f. 596f. 627. 637). Später wußte Strabon (IV 207. VII 289. 292) die Lage der Isterquelle in Südwestdeutschland ganz genau. Aristoteles und Ephoros hatten aber auch schon sehr gute Nachrichten von den Bewohnern der nordwestlichen Keltenküsten, die durch die Gewässer des Ozeans mehr Verlust erleiden sollten, als durch Krieg, und jener kannte wohl aus derselben Quelle das arkynische Gebirge, das seine Flüsse nach Norden entsandte (Strab. VII 293. Müllenhoff Deutsche Alt.-K. 232. Berger Gesch.2 237).

In der Zeit Alexanders d. Gr., die einen bedeutenden Umschwung in der Erdkunde herbeiführte, unternahm der Astronom Pytheas aus Massilia seine berühmte Nordfahrt. Als jüngste der überaus zahlreichen Bearbeitungen dieser Fahrt sehe man Müllenhoff Deutsche Alt.-K. I 211f. [1306] A. Schmitt zu Pyth. von Mass., Landau 1876. Berger Gesch.2 332ff. und die oben S. 1305 erwähnten Programme. Sein Interesse war nicht das des Kaufmanns, sondern das des astronomischen Geographen. Müllenhoff (312) sagt sehr richtig, daß er sich von dem Eintritt der Phänomene hoher Breiten, wie sie die astronomisch-geographische Theorie mit Notwendigkeit forderte, habe überzeugen wollen. Wie er seine Reise ermöglichte, ist nicht zu sagen, er umsegelte aber, wie Polybios (Strab. II 104) spöttisch bemerkt, die ganze europäische Küste von Gades bis zum Tanais (als innere Grenzmarke), fuhr nach Britannien hinüber und hinterließ Angaben über diese Insel, nach denen Eratosthenes ihre drei Hauptvorgebirge kannte und ihr das Schema eines mit der Spitze nach Nordost gerichteten, allerdings sehr großen Dreiecks gab, dessen Überschätzung (40 000 Stadien Umfang) Müllenhoff aus den mutmaßlichen Umständen der Fahrt begreiflich findet (380f.). Nach andern Angaben des Massiliers konnte Eratosthoncs die Küsten Spaniens und Frankreichs, vielleicht noch später Marinus und Ptolemaios die südlichen Küsten Britanniens und die der Niederlande so richtig zeichnen, wie keinen andern Teil der ganzen Weltkarte (Berger Gesch.2 359f. 404. 630f.). Das Zinnland des Pytheas war in Cornwall, da, wo es ein Legat Caesars, von der Veneterküste ausfahrend, wiederfand (Strab. III 176. Berger Gesch.2 361), die Bernsteininsel aber lag nach des Massiliers Angaben weit im Osten, in dem großen Meerbusen Mentonomon, der sich hinter den zuletzt von ihm besuchten Süd- und Ostküsten der Nordsee weithin erstreckte. Überall, wo der Astronom hinkam, stellte er Untersuchungen an, die zur Bestimmung der Breite des Ortes dienen konnten. Von Hipparch, der sie in seine Breitentabellen aufnahm, haben wir mehrere erhalten. Es waren Messungen der Mittagshöhe der Sonne, nach denen das südliche Britannien auf 48° n Br. lag, gewisse Punkte, die wir an den Nordseeküsten zu suchen haben, deuteten aber auf 52, 54, 58 und 61° (Berger Gesch.2 341). Pytheas gab gute Nachricht von der Abnahme der Vegetation nach Norden hin (a. a. O. 346. Strab. IV 201) und erzählte von den außerordentlichen Fluten an der brittischen Küste (Plin. II 217). Er kam in Britannien bis zu dem Punkte, wo der längste Tag ungefähr 18 Stunden hatte (Gemin. isag. VI 9 p. 70 Manit.), und erfuhr daselbst von einer weit im Norden gelegenen, also noch bewohnten Insel Thule, wo der Wendekreis mit dem arktischen Kreise zusammenfiele, wo also der längste Tag von 24 Stunden eintrete (Strab. II 114. Cleomed. cycl. theor. met. I 7 p. 68f. Ziegler). Die Insel, die Pytheas dem Texte nach selbst nicht besucht hat, lag sechs Tagfahrten nördlich von Britannien, und nur eine Tagfahrt hinter ihr sollte das Eismeer beginnen (Strab. I 63. Plin. IV 104). Pytheas sah sich also genötigt, die bewohnbare Zone hier im Westen viel weiter auszudehnen, als es die Berichte aus dem Skythenlande zugelassen hatten, und die Bemerkung, in Britannien herrsche mehr Nebel und Regen, als Schnee und Kälte (Strab. IV 200), muß zu seiner Zeit schon gemacht worden sein. Die Homererklärer, die wie Krates Mallotes in der Gegend des Poles die in Nacht und Nebel [1307] lebenden Kimmerier und die Eingänge zur Welt des Todes suchten (Berger Gesch.2 444f.), haben gewiß Pytheas vor Augen gehabt. Unverständliche Angaben über die Insel Thule enthält ein Pytheasfragment des Polybios (Strab. II 104); F. Kähler Forschungen zu Pytheas Nordlandsreisen, Halle 1903, will sie durch den Eindruck der Wattenküsten der Nordsee erklären; Müllenhoff 422f. hielt sie für einen keltischen Mythus, G. Gerland treffender für Eindrücke des Meerleuchtens und des Nordlichts (Beiträge zur Geophysik II 1, 184). Die Unverständlichkeit dieser Angaben und die übertriebene Ansicht von der Größe Englands gaben den Feinden des Pytheas, unter denen sich Polybios, Artemidor und Strabon hervortaten (Berger Gesch.2 332f.), Anhaltepunkte für ihren Tadel. Von den meisten wurde er als Lügner verachtet, und mit ihm ging die ganze Kenntnis des nordwestlichen E.s wieder verloren. Anstatt der richtig gezeichneten Küsten Frankreichs zog Strabon nach Polybios eine gerade Linie von den Pyrenäen bis zum Rheine (Berger Gesch.2 511f.). Das eigentliche Zinnland kam dadurch nördlich von Spanien zu liegen, und da diese falsche Zeichnung zu andern Angaben durchaus nicht paßte, erfand man eine besondere Inselgruppe der Kassiteriden und zeichnete sie nördlich von Spanien an einer Stelle, wo es schlechterdings keine gibt (Strab. III 175. Ptol. geogr. II 6, 76). Cassius Dio behauptete im 3. Jhdt. n. Chr., erst durch Agricola und Septimius Severus sei die Inselnatur Britanniens erwiesen worden, und das berühmt gebliebene Thule (Verg. georg. I 30), das nur Island gewesen sein kann, suchte man später in einer der bemerkbaren Shetlandinseln (Cass. Dio XXXIX 50. Tacit. Agr. 10). Unter den neuesten Bearbeitungen des Pytheas sind zu nennen G. Mair Progr. Pola 1899 (vgl. die Programme desselben von Villach 1893. 1894) und G. Hergt Die Nordfahrt des Pytheas, Halle a. S. 1893, deren Auffassung von Pytheas ich nicht beistimmen kann.

Eratosthenes hatte das südliche E., wie wir, nach den drei großen Halbinseln gegliedert (Hipparch. bei Strab. II 92), Polybios setzte dafür fünf an (Strab. II 108. Berger Gesch.2 522), und von einem von beiden oder von Poseidonios mag Strabon (II 121) die gute Bemerkung entlehnt haben, E. zeige, nach den inneren Küsten zu urteilen, die reichste Küstenentwicklung. Spanien verglich man mit einer Kuhhaut (Strab. II 127. III 137). Die Nordküste sollte wohl der Rücken sein, die Südküste, die Mela (II 6) gut beschreibt, die Ansätze der Beine, die Pyrenäenseite der Hals. Die Pyrenäen liefen nach Strabon III 137 nach Norden, parallel mit dem Rheine und allen gallischen Flüssen (IV 192. 199), Mela a. a. O. verbindet sie richtig mit dem cantabrisch-asturischen Gebirge. Das Meer zwischen Italien und Spanien, der ligystischen Halbinsel des Eratostbenes (Strab. II 92), war bis zu diesem ein Meerbusen von wenig Längenausdehnung, scharf und weit nach Norden gerichtet (Berger Gesch.2 105). Polybios berichtigte diesen Fehler (Strab. II 105), gab seinem Dreieck Italien die Richtung nach Südost (II 14, 4f.), streckte aber die Nordküsten und verengte die Breitenausdehnung des Meeres zu sehr. Die Alpen ließ derselbe a. a. O. aus der Nähe von Massilia in [1308] gerader Richtung bis zum Winkel des Adria im äußersten Nordwesten dieses Meeres ziehen, Strabon (V 210) kannte sie als einen Halbkreis, der Norditalien abschloß. Das Apenninengebirge schloß sich bei beiden an die Alpen an und durchzog erst östlich, dann südöstlich gerichtet, die ganze Halbinsel. Ptolemaios (III 1, 1f.) richtete unsere Westküste Italiens noch mehr nach Osten. Sardinien, auf gleicher Breite mit Sicilien (Agathem. I 5, Geogr. gr. min. II 472), wurde mit einer Fußsohle verglichen (Tim. bei Plin. III 85), Sicilien mit einem Dreieck, die Peloponnes mit einem Platanenblatt (Strab. II 83 z. E.). Die nördliche Balkanhalbinsel hielt man in der Zeit des Polybios für isthmusartig eingeengt zwischen dem Adria und dem zu weit nach Westen ausgedehnten Pontus (Berger Gesch.2 521f.).

In zweihundertjährigem Kampfe machten die Römer Sizilien, Sardinien und Corsika, Oberitalien, Illyrien, die Balkanhalbinsel, Gallien, Spanien und die Alpenländer zu Provinzen und brachten den Barbaren ihre Kultur (Strab. II 127). Die Länder- und Völkerkunde wurde in dieser Zeit außerordentlich gefördert (Polyb. III 58. IV 39f. Strab. I 14. II 117. 127. XI 508. Berger Gesch.2 583f.) und gab den geographischen Schriftstellern und den Historikern reichen Stoff zu verarbeiten. Strabon (III 141. 163) gibt Notizen über die Menge der bekannt gewordenen Städte und Ortschaften, und die Tabellen des Ptolemaios, die von Marinus von Tyrus und durch diesen wohl hauptsächlich aus der römischen Weltkarte des Agrippa (E. Schweder Jahrb. f. Philol. CXLV 1892, 113f.) entnommen waren, vervollständigen den Eindruck dieses Reichtums. Die Züge der Kimbern und Teutonen (Müllenhoff Deutsche Alt.-K. II 158f. 207), deren Aufbruch die meisten im Anschluß an die Nachrichten bei Ephoros und Aristoteles (s. o.) einer großen Flut zuschrieben, Poseidonios aber einer Erdbebenwelle (Strab. II 102. VII 293; vgl. Berger Gesch.2 567), hatten das Interesse für den Norden Europas wieder erregt. Caesar ging zweimal nach Britannien (bell. Gall. IV 20. V 8), richtete aber anfangs nicht viel aus, obgleich er bis über die Themse kam (V 18); die ungemein schwierige Beruhigung Galliens nahm ihn zu sehr in Anspruch. Strabon meint II 115, die Armut des Landes hätte ihn von der Unterwerfung abgehalten. Nach dem, was er gehört hatte (bell. Gall. IV 20, 4), machte er sich ein neues Bild von der Insel. Sie blieb nach seinen und Strabons Angaben (bell. Gall. V 13. Strab. IV 199) ein Dreieck, sollte aber nur gegen 16 000 Stadien Umfang haben und lag mit der kleinsten Seite Gallien vom Rheine bis zu den Pyrenäen gegenüber. Irland liegt nach Caesar westlich von Britannien, zwischen beiden die Insel Mona, nach Strabon im Norden. Caesar war schon zweimal über den Rhein gegangen (bell. Gall. IV 16f. VI 9f.), und in der Kaiserzeit verbreitete der kriegerische und friedliche Verkehr mit den Germanen Nachrichten über die Ostgermanen und deren Nachbarn, die Aisten und Slaven (Müllenhoff Deutsche Alt.-K. II 11f. 34f. Kruse Archiv für alte Geogr. I Heft 2), nicht weniger über die Ozeanküsten, an denen römische Flotten die Unternehmungen zu Lande unterstützten (Strab. VII 290f. Tac. ann. II 5. 6. 8. 23f.; Germ. 34). Die [1309] Halbinselgestalt des heutigen Dänemark hatte sich herausgestellt (Plin. II 167. Ptol. geogr. II 11, 2). Schließlich erfuhr man von der großen, nördlichen Insel Skandia, dem Sitze der seemächtigen Suionen (Tac. Germ. 44), von ihren finnischen Nachbarn und von dem Ende der Bewohnbarkeit an dem äußersten Nordmeere (Tac. Germ. 45. Müllenhoff Deutsche Alt.-K. II 6).

Zusammenhängende Beschreibungen der einzelnen Länder von Europa finden sich bei Strabon III–X. Pomp. Mel. I 3–III 3. Plin. n. h. III. IV. Ptol. geogr. II. III. Dionys. perieg. 280–476. 481–504. 517–553. 561–585. Scymn. Ch. 139–874. Anonym. geogr. comp. IV in Geogr. gr. min. I 495. Marc. Heracl. peripl. mar. ext. II Geogr. gr. min. I 543f. Von neueren Bearbeitungen der Länderkunde Europas im Altertum ist vor allen zu nennen Forbiger Handb. der alten Geogr. Bd. III 1877, dann Kiepert Lehrb. d. alten Geogr. 1878, von älteren Fr. Aug. Ukert Geogr. d. Griech. u. Röm. II. III. Konr. Mannert Geogr. der Griech. und Röm. I–IV 21, 1799. Cellarii Geogr. 1701, lib. II cap. 1–15.

[Berger. ]