Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Tierart
Band S III (1918) S. 471479
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Falkenvögel (ἱέρακες, accipitres).

Allgemeines.

a) Name.

Das Wort ἱέραξ erklären Etym. M. und Eustath. Il. p. 87, 6 ἀπὸ τοῦ ἵεσθαι ῥᾷον. Serv. Aen. XI 721 setzt es gleich sacer, Gloss. II 112, 57 das lat. accipiter gleich δοχεύς und III 257, 43 gleich ὀξυπτέριον. Isid. or. XII 7, 55 erklärt ab accipiendo, id est a capiendo nomen sumpsit. In Wirklichkeit ist es verwandt mit griech. ὠκύπτερος und sanskr. घज़पऩ, d. h. Schnellflügel. Bei Homer heißen die Vögel ἵρηκες, bei Lucil. 1130 acceptores mit deutlicher Anlehnung an das Verbum accipere. Falco kommt nur bei Serv. Aen. X 145 vor. Das Junge heißt bei Eustath. Il. p. 753, 56 ἰερακιδεύς, bei Arist. Av. 1112 ἱερακίσκος. Im Hebräischen werden zwei Arten אַיִה‎ und זֵצ‎ unterschieden.

b) Gestalt und Lebensweise.

Die F. gehören zu den Vögeln (Arist. hist. an. I 5 p. 490 a 6), die krumme Fänge haben und auf Raub ausgehen (VIII 3 p. 592 a 29). Ihre Gallenblase sitzt an der Leber und am Darm zugleich, II 15 p. 506 b 24. Plin. n. h. XI 194. Sie sind sehr geil, Aelian. hist. an. X 14. Die Brutzeit beträgt 20 Tage, Arist. hist. an. VI 6 p. 563 a 27. Plin. n. h. X 164. Einer alten Sage, der Kuckuck entstehe aus einem F. (Aesop. 198. Plut. Arat. 30. Plin. n. h. X 25), weil diejenige Art, dem jener ähnlich sehe, um diese Zeit verschwinde, tritt Arist. hist. an. VI 7 p. 563 b 12 mit folgender Begründung entgegen: der Kuckuck hat keine krummen Klauen; der Kopf sieht ganz anders aus; der Kuckuck wird von den F. gefressen. Körner und Obst können sie nicht verschlingen, selbst wenn man dies ihnen in den Schnabel steckt, VIII 3 p. 592 a 30. Aelian. hist. an. X 14. Desto gieriger sind sie nach rohem Fleisch, aber das Herz der erbeuteten Vögel fressen sie nicht, II 42. [Arist.] hist. an. IX 11 p. 615 a 4. Sie nisten gern auf hohen Felsen, ebd. Die verschiedenen Arten kreuzen sich, gen. an. II 7 p. 746 b 2; am kleinsten sind die ägyptischen, hist. an. VIII 8 p. 606 a 27. Die Stimme wird von Suet. gramm. 161 und PLM V 367, 6 als plipiare, 363, 24 als pipare bezeichnet. Daß sie ihre Stimme ändern können, erzählt Lucr. V 1079. Wenn sie blind werden, sollen sie sich nach Plin. n. h. XX 60 den Saft vom Habichtskraut auf die Augen schmieren, nach Aelian. hist. an. II 43 Lattich. Die kraftlosen Jungen werfen sie aus [472] dem Neste, Cassiod. var. I 24, 3. Sie allein von allen Vögeln sind nach Aelian. hist. an. X 14 im stande, in die Sonne zu blicken; ihre Altersgrenze sei 50 Jahre, was Aelian aber nicht glaubt (in Wahrheit beträgt sie 162 Jahre, Hesse-Doflein Tierbau und Tierleben 590).

Schon Homer ist mit dem Leben der F. aufs innigste vertraut und zieht sie oft zu schönen Vergleichen heran. Wenn von den Pferden gerühmt werden soll, daß sie an Schnelligkeit unübertroffen seien, dann heißt es Il. XIII 819 θάσσονας ἰρήκων ἔμεναι. Daß der F. Dohlen und Stare in Schrecken setzt, wie Patroklos die Feinde, singt der Dichter XVI 583. Und dann das prächtige Bild XIII 62:

So stößt der Falk von windumtostem Horst
Auf steilem Fels mit seinen schnellen Schwingen
Hinab ins Tal, um jachen Tod zu bringen
Dem kleineren Gevögel in dem Forst.

Vgl. auch Alkman. frg. 28 B4. Seine räuberische Natur kennzeichnet auch Plat. Phaed. 82 A. Lucr. II 1009. Ov. a. a. II 147: Odimus accipitrem, quia vivit semper in armis. Und zwar sind es hauptsächlich Vögel, wie in den angeführten Versen Homer richtig gesehen hat, die den F. zum Opfer fallen, Varr. Men. 289. ,Sie wüten gegen alle Vögel‘, sagt Ovid. met. XI 314. Vgl. Sen. Oed. 903. Mart. XIV 216. Apul. met. VI 6, wo sie rapaces heißen. Hieron. adv. Iov. II 36 bespöttelt den Epikur, weil er Fleisch aß, und vergleicht ihn mit F. Nach Iustin. XXVII 2, 8 erhielt Antiochos Hierax seinen Beinamen deshalb, weil er das Leben eines F. führte. Von allen Vögeln munden den F. die Tauben am besten, Hom. Il. XVI 238. Eur. Andr. 1141. Varro r. r. III 7, 6. Einen Vergleich, der von selbständiger Beobachtung zeugt, wie ein F. auf eine Taube stößt und sie zerfleischt, hat Verg. Aen. XI 721–724. Vielen geläufig ist die Horazische Stelle carm. I 37, 16. Selbst Ovid, der ausgeführte Gleichnisse nicht liebt, zieht met. V 605f. die beiden Vögel zu einem solchen heran; vgl. trist. I 1, 75f. Wie man die Tauben vor dem gefährlichen Räuber schützen könne, erfahren wir aus Colum. VIII 8f.: Da die F. die weiße Farbe besonders leicht erspähen könnten, müsse an der Tür des Taubenschlages ein Netz befestigt sein, in dem sich die Raubvögel fangen würden. Aber nicht nur Tauben, sondern auch anderes Hausgeflügel suchen die F. heim, so in zweiter Linie die Hühner, Sen. ep. CXXI 19, der daran eine Bemerkung über den Instinkt knüpft. Varro r. r. III 9, 15 und Colum. VIII 2, 7. 4, 6 empfehlen denselben Schutz wie am Taubenschlag. Auch den Enten setzen die F. zu, Ovid. met. XI 713. Colum. VIII 15, 1; ferner dem Sperling (Phaedr. I 9, 6), dem Raben (Arist. Equ. 1052) und dem Kuckuck (Arist. hist. an. VI 7 p. 563b 16. Plin. n. h. X 25). Auch kleine Raubtiere, Schlangen, Skorpione καὶ πονηρᾶς ὕλης ἄλλο τὶ ἔκτοκον jagen sie, Aelian. hist. an. X 14. Den Eulen helfen sie, Plin. n. h. X 39. Die einzelnen F.-Arten bekämpfen sich untereinander, so Habicht und Bussard, Paul. ex Festo 32; Feinde aller Falken sind die Geier, Cassiod. var. II 19. Nach Aelian. hist. an. II 42 kämpfen jene außerdem mit Füchsen und Adlern. ,Wenn ein F.‘, so fährt Aelian fort, ,einen menschlichen Leichnam sieht, bedeckt [473] er den unbestatteten, wie man sagt, ganz mit Erde (und doch hat es ihm kein Solon befohlen!); niemals wird er einen toten Körper anrühren. Er trinkt auch nicht, wenn ein einzelner Mensch eine Furche bewässert; denn er ist überzeugt, daß er jenem, der vielleicht arm ist, einen Schaden tut, wenn er etwas von seinem Wasser entwendet; bewässern jedoch mehrere das Land und merkt er, daß das Wasser reichlich fließt, dann glaubt er, man trinke ihm zu, und er erwidert es freundlich‘.

c) Die F. im Dienste der Menschen.

α) Fang. Man fing die Vögel in Netzen (Ter. Phorm. 330. Hor. epist. I 16, 50. Colum. VIII 2, 7. 4, 6. 8f.), oder indem man zwei überkreuz gebogene Leimruten in die Erde steckte, Varro r. r. III 7. Nach August. mor. Man. II 12 tötet Brot die F., nach Plin. n. h. XXIII 28 die schwarze Zaunrübe.

β) Beize. Die Kunst, F. zur Beize abzurichten, ist sehr alt. Bei Chinesen und Japanern soll sie schon in vorhistorischer Zeit betrieben sein, sehr früh nach Ktes. frg. 11 ebenfalls bei den Indern. Aber auch die Griechen benutzten Tagraubvögel dazu, kleineres Wild zu fangen. So erzählt [Arist.] hist. an. IX 36 p. 620a 30: ,In derjenigen Gegend Thrakiens, die früher den Namen Κεδρείπολις hatte, werden in einem Sumpfe die kleinen Vögel von den Menschen in Gemeinschaft mit den F. gejagt; die Menschen schlagen nämlich mit Stöcken an das Rohr und Buschwerk, damit die Vögel auffliegen; die F. aber kommen von oben her und verfolgen sie; die Vögel, dadurch erschreckt, fliegen wieder zur Erde hinunter, worauf die Menschen sie mit den Stöcken schlagen und ergreifen und den F. einen Anteil an der Beute gewähren‘. Etwas anders stellt Aelian. hist. an. II 42 die Sache dar. Er sagt: ,Zur Jagd sehr geeignet, und zwar in nicht geringerem Grade als die Adler, sind die F., die zahmsten und menschenfreundlichsten Vögel, die an Größe nicht viel hinter jenen zurückstehen. Wie ich höre, jagen sie in den Sümpfen Thrakiens in Gemeinschaft mit den Menschen, und zwar auf folgende Art: Die Menschen breiten Netze aus und verhalten sich ruhig; die F. aber, die darüber streichen, bringen die kleinen Vögel in Unruhe und jagen sie in die Maschen des Netzes hinein. Von der Beute geben die Thraker jenen nun einen Teil ab und erhalten sich so ihre Freunde; denn wenn sie es nicht täten, würden sie sich ihres eigenen Vorteils berauben‘.

Von römischen Schriftstellern der klassischen Zeit wird die F.-Beize selten erwähnt; als erste darauf bezügliche Stelle ist wohl Sen. Hipp. 816ff. zu nennen, der den Sport bei den Parthern voraussetzt, dann Mart. XIV 216; vgl. ferner Sidon. Apoll. ep. III 2 und IV 9, 2, der von Ecdicius, dem Sohne des Kaisers Eparchius Avitus (reg. 455–456) erzählt, er habe die Beize am Hofe eingeführt. Später wird dieser häufiger gedacht. In dem von Alarich II. 506 nach Agde berufenen Konzil wurden Jagd-F. den Geistlichen schon verboten; es half aber nichts; denn das Verbot mußte 517 zu Epaon wiederholt werden, Monum. Germ. VI 2 in den Acta concil. Epaon; ferner 585 zu Macon und in der Lex Burg. lib. const. 98. Karl der Große gab folgendes Gesetz: ,Wer einen Habicht stilet oder vahet, der den Kranich vahet, der soll im einen als gütten geben als yenen [474] was und sechs Schilling und drei Schilling um einen Valken, der die Vogel fahet in den lüfften. Wer einen Sperber oder ander Vogel, die auf der Hand treyt, wer die stilt oder schlecht, der geb einen als gütten als yenen was und einen Schilling‘ (Lex Sal. VII 1–4).

Im Mittelalter hat man sich dann sehr eingehend mit der Zähmung der F. beschäftigt. Der König Philipp II. August von Frankreich, dem bei der Belagerung von Akkon 1191 ein wunderschöner F. wegflog, bot den Türken vergeblich für dessen Rückgabe eine hohe Summe. Friedrich Barbarossa, Heinrich VI. und besonders Kaiser Friedrich II. waren große Liebhaber der Falkenkunst. Dieser hat ja bekanntlich de arte venandi cum avibus geschrieben. Die Handschrift, die mit Anmerkungen seines Sohnes Manfred versehen ist, wurde von Prätorius, Augsburg 1596 und mit zwei anderen Schriften über die Beize von J. G. Schneider, Leipzig 1788 herausgegeben. Aus dem 13. Jhdt. liegen uns ferner eine ganze Reihe ausführlicher griechischer Schriften über den Gegenstand vor. Demetrios Pepagomenos, ein Arzt aus Konstantinopel zur Zeit des Kaisers Michael VIII. Paläologus (reg. 1262–1281), schrieb ein Ἱερακοσόφιον περὶ τῆς τῶν ἱεράκων ἀνατροφῆς τε καὶ θεραπείας, das auf 184 Teubnerseiten genaue Auskunft über Jagd, Zähmung, Pflege und Behandlung in allen möglichen und unmöglichen Krankheiten der F. gibt. Über die Quellen dieser Schrift, zu denen eine vollständige Paraphrase der drei Bücher Ἰξευτικά des Dionysios (edd. E. Winding, Kopenhagen 1715. J. G. Schneider, Leipzig 1813 in seiner Oppian-Ausgabe. S. Lehrs in Poetae bucol. et didact., Paris 1846) gehört, s. E. Oder Rh. Mus. XLIII 547. Ferner gibt es ein Ὀρνεοσόφιον ἀγροικότερον, das sich auf 58 Seiten beschränkt, die Angaben über Jagd, Zähmung und Pflege wegläßt und sich nur mit der Behandlung der Krankheiten der F. abgibt. Noch kürzer ist das Ὀρνεοσόφιον κελεύσει γεγονὸς τοῦ ἀοιδίμου βασιλέως κυρίου Μιχαήλ (10 Seiten), das nur die wichtigsten Vogelkrankheiten behandelt. Herausgegeben sind diese drei Schriften von Rigaut Rei accipitrariae scriptores nunc primum editi, Paris 1612 und von Hercher im 2. Bande seiner Älian-Ausgabe S. 333–584. Vgl. noch dazu Krumbacher Gesch. d. byz. Lit. 68. Ferner schrieb ein Deutscher, Eberhard Hicfelt, ein Aucupatorium Herodiorum, das von v. Dombrowski Altdeutsches Weidwerk Bd. I (Wien 1887) veröffentlicht ist. Näheres über weitere Beschäftigung mit der Falknerei im späteren Mittelalter und s. der Neuzeit in Lenz Gemeinnützige Naturgeschichte5, Gotha 1872–1887, und bes. v. Dombrowski Gesch. d. Beizjagd, Wien 1886. Sehr genaue Literaturangaben auch bei Keller Antike Tierwelt II 24 und Hehn Kulturpflanzen und Haustiere 369ff.

γ) Speise. Weder der זֵצ‎ noch der אַיִה‎ durfte von den Juden gegessen werden: Deut. XII 13. 15 = Lev. XI 14. 16. Arnob. nat. VII 16.

δ) Heilmittel. Ein F., in Rosenöl eingelegt oder nur die Asche seines Mistes in attischem Honig diente als Salbe zum Einreiben gegen alle Krankheiten, Plin. n. h. XXIX 125; Staub, in dem sich ein F. gewälzt, ist gut gegen Quartanfieber, XXX 98: Mist, in Met getrunken, gibt [475] Fruchtbarkeit, 130; in Lilienöl abgekocht, vertreibt er Augenschwäche, Marc. med. VIII 66; auch das Blut wurde als Medizin benutzt, Hieron. adv. Iov. II 6.

d) Volksmund.

Übertragen nannte man einen gierigen Menschen ἱέραξ oder accipiter, Iustin. XXVII 2, 8. Plaut. Pers. 406. August. in psalm. 88 (Migne XXXVII 1140). Accipitrare bei Laevius ap. Gell. N.A. XIX 7, 11 ist gleich lacerare. Sprichwörtlich wird der F. oft in Gegensatz zur Taube gestellt, Lucr. III 752. Ovid. a. a. II 363; fast. II 90. Lact. ep. II 67.

Die Ägypter verehrten die F. als heilige Vögel; ihre Hieroglyphe ḥr = Horus wird mit einer ganzen Reihe verschiedener Attribute versehen und bedeutet als Determinativum Gott oder König. Daß sie nur ein Symbol des Sonnengottes seien, sagt bereits Hekataios ἐν τῇ πρώτῃ περὶ τῇς Αἰγυπτίων φιλοσοφίας (frg. 6 Diels), dann Aelian. hist. an. X 14 und Cic. nat. d. III 47. ,Wer einen Habicht tötet, aus Vorsatz oder nicht, der muß ohne Gnade sterben‘, sagt Herodot II 65; daß die Vögel auch gezähmt wurden und nach ihrem Alter verschiedene Nahrung erhielten, erzählt Aelian. hist. an. VII 9; die gestorbenen Tiere wurden in Buto begraben, Herodot. II 67. Als Grund der Verehrung führt Diod. I 87 dreierlei an: erstens die Vernichtung von Skorpionen, Hornvipern und anderen giftigen Tieren; zweitens die Fähigkeit, die Zukunft vorauszuverkünden; drittens weil in alten Zeiten ein solcher Vogel den Priestern ein mit einem Purpurfaden umwickeltes Buch mit Vorschriften über die Verehrung der Götter gebracht habe. Als Herold für die Menschen dient der F. dem Apoll nach Porphyr. abstin. III 5.

Die älteste Fabel vom F. erzählt uns Hesiod. opp. 203ff.:

Der Falke sprach zur braunen Nachtigall,
Die hoch er trug in seinen spitzen Fängen:
,Ich frage nicht nach deinen Wundersängen,
Und ob du klagst – mir ist es ganz egal!
Als Futter wirst du bald im Neste hängen.‘
So sprach der Falk zur braunen Nachtigall.

Auch die Äsopische Fabel 9, in der der F. eine Rolle spielt, bringt ihn mit der Nachtigall zusammen. Diese sagt zu ihm, er solle sie schonen, da sie keine ausreichende Speise für ihn sei. Er aber antwortet: ,Ich wäre ja ein schöner Tor, wenn ich dich wieder fliegen ließe, um ungewisser Beute nachzujagen.‘

Bei den Römern galten F. ebenfalls als Weissagevögel. Wenn sich jemandem ein Habicht auf den Kopf setzte, wurde es als Wunderzeichen registriert, Iul. Obs. 58. ,Ein Zeichen ließ aller Augen gen Himmel blicken: ein F. beunruhigte die der Venus geheiligten Vögel‘, Sil. It. IV 104; vgl. Stat. Theb. III 503. Von der geheimen Botschaft eines heiligen F. berichtet Iul. Val. I 4. Wenn die Hühner beim Brüten einen Habicht hören, gehen die Eier zugrunde; man half sich dagegen, indem man einen eisernen Nagel unter das Nest legte oder die Hühner auf umgepflügter Erde brüten ließ, Plin. n. h. X 152. Der Unterschenkel sollte die Kraft haben, Gold anzuziehen, Aelian. hist. an. X 14.

Über den Raubfisch Acipenser stellatus s. den Art. Ἱέραξ nr. 14 o. Bd. VIII S. 1411, wo zu der Athenaiosstelle noch Apul. apol. 34 und Aelian. hist. an. VI 45 und IX 52 hinzuzufügen sind. [476]

Die einzelnen Arten.

Es ist fast unmöglich, nach den ungenauen Angaben der Alten die verschiedenen Namen der F. mit modernen gleichzusetzen. Das Folgende soll daher nur als Versuch angesehen werden. In der Art des Fanges, so lesen wir bei [Arist.] hist. an. IX 36 p. 620a 24 und Plin. n. h. X 21, unterscheiden sich die einzelnen Arten dadurch, daß die eine Gruppe die Vögel nur im Fluge, die andere, wenn sie auf Bäumen sitzen, die dritte nur auf der Erde ergreift; wie sie aber auf diese Gruppen zu verteilen sind, wird nicht gesagt. Die Tauben übrigens sollen mit jenen Gewohnheiten genau Bescheid wissen.

1. αἰσάλων, die zweitstärkste Art [Arist.] hist. an. IX 36 p. 620 a 19, ein gewaltiger Vogel, der mit dem Fuchs kämpft, aber wegen der Verfolgung von Seiten der Raben oft von seiner Beute ablassen muß, Aelian. hist. an. II 51. Vielleicht, schon weil er so selten erwähnt wird, der in Nordeuropa häufige, aber schon im Balkan seltene Rauhfußbussard (Archibuteo lagopus Brünn).

2. ἀνόπαια bei Hom. Od. I 320, wenn es sich hier überhaupt um einen Vogel handelt, kann der in Griechenland vorkommende Rötelfalke, der später dann offenbar mit dem Turmfalken gleichgesetzt wurde, sein (Tinnunculus Naumanni Fleischer). – ἅρπη ist der Lämmergeier. – ἀστερίας s. nr. 9 g. E.

3. ἐλειός Arist. hist. an. VIII 3 p. 592 a 32 und λεῖος [IX] 36 p. 620a 21 muß seinem Namen nach in sumpfigen Gegenden jagen, also der Rohrweihe (Circus aeruginosus L.).

4. ἰκτῖνος, byz. ζάγανος (Purgstall Falknerklee XVII), lat. milvus, Königsweihe (Milvus milvus L.). Dieser Vogel hat nach Arist. part. an. III 8 p. 670a 34 keine Milz (über seine Galle s. Plin. n. h. XI 195) und trinkt selten, Arist. hist. an. VIII 3 p. 594a 2. Er legt 2–3 Eier, seine Brutzeit währt 20 Tage, VI 6 p. 563a 27. Plin. n. h. X 164. Er ist ein Freund der Haubenlerche, des Schlangenbussards und des Lämmergeiers, X 207. [Arist.] hist. an. XI 1 p. 610 a 11. Aelian. hist. an. V 48. Als Mittel gegen bösen Blick verwendet er Schlehdorn, I 35. Der Raben weiß er sich zu erwehren, IV 5. Plin. n. h. X 203. In Ägypten bleibt er das ganze Jahr (Herodot. II 22), in Attika erscheint er am 15. März, Plin. n. h. X 164; dann ist es Zeit, die Schafe zu scheren, Arist. Av. 713. In Elis raubte er den Priestern niemals Fleisch, [Arist.] mir. ausc. 123 p. 842 a 35. Aelian. hist. an. II 47), störte auch die Opfernden nicht, Paus. V 14, 1; wenn er es doch tat, bedeutete es etwas Schlimmes, Arist. Pax 1100. Man fing ihn in Netzen oder mit versteckten Angelhaken, Ter. Phorm. 331. Hor. epist. I 16, 51. Die Inder richteten ihn zur Hasen-und Fuchsjagd ab, Aelian. hist. an. IV 26. – Zum ersten Male wird er von Semon, frg. 12 erwähnt: σπλάγχν' ἀμφέποντες αὐτίκ' ἰκτίνου δίκην auch bei Sophokles im Satyrspiele Amykos (frg. 108). Ich übersetze [Theogn.] 1259–1262:

,Schön zwar, Knabe, ist deine Gestalt, doch leider im Herzen
Wohnt halsstarriger Trotz, der keine Zierde dir ist.
Wahrlich dem Weihen gleichst du, dem jäh-umbiegenden Vogel: [477]
Hörst wohl auf anderer Wort, doch auf das meinige nicht!‘

Siehe ferner Ktes. bei Phot. bibl. 46, 17. Xen. hipparch. IV 18. Arist. Av. 501. 892; frg. 525 (παντόφθαλμος). Plat. Phaed. 82 A. Hier werden gierige Menschen mit den Weihen verglichen, ebenso Lukian. Tim. 54; und Aen. Gaz. 132 nennt einen solchen ἰκτινώδης ἄνθρωπος. Das lat. milvus Plaut. Poen. V 5, 13 in ähnlicher Bedeutung, ebenso milva Petron. 75, 6. Adjektivum milvinus Plin. n. h. XXXVII 167. Sprichwörtlich: quantum milvi volant Schol. Pers. IV 26; vgl. Iuv. IX 55. Petron. 37, 8. – In der Heilkunde wurde verwendet ein Reis aus seinem Nest unter das Kopfkissen gelegt gegen Kopfschmerz (Plin. n. h. XXIX 113) und Diphtherie (XXX 35); Leber zum Einreiben (XXIX 125) besonders gegen Paralyse (XXX 92) und Rückendarre (110); von veraltetem und gestampftem Fleisch, soviel drei Finger fassen können, in Wasser gegen Krampfadern (8). – Der ἰκτῖνος bei Opp. cyn. III 331 ist wohl ein Raubsäugetier, der milvus bei Plin. n. h. XXXII 15 ein Raubfisch.

5. Milvus korschun Gm. (brauner Milan),

6. Circus cyaneus L. (Kornweihe) und

7. hypargus L. (Wiesenweihe) können ebenfalls mit ἰκτῖνος gemeint sein.

8. κεγχρηΐς, κεγχρίς, κέρχνη, κερχνηΐς, lat. tinnunculus, der Turm-F. (Tinnunculus tinnunculus L.) legt vier oder mehr mennigrote Eier (Arist. h. a. VII 1 p. 588 b 29) und trinkt am häufigsten von allen F., VIII 3 p. 594 a 2; dagegen Aelian. hist. an. II 43. Ferner erwähnt von Arist. Av. 304. 1181. Kallim. bei Schol. Arist. Av. 304. Eubul. II 208 Kock. Colum. VIII 8, 7 erzählt, man könne Tauben vom Wegfliegen abhalten, wenn man in jeder Ecke des Taubenschlages ein Turm-F.-Junges in einem fest verschlossenen Tongefäß auf hänge. Nach Aelian. hist. an. II 43 sind die Tiere sehr geil und folgen den unglücklich Liebenden; sie selbst klagen, wenn sie ohne Weibchen sind. In Indien brachte man fette Turm-F. den Vornehmen zum Geschenk, XIII 25. Anwendung in der Medizin, Plin. n. h. XXIX 127.

9. κίρκος, φαβοτύπος, φασσοφόνος, φασσοφόντης, l. falco, der Hühnerhabicht (Astur palumbarius L.), in Kleinasien, den Donautiefländern, Frankreich und Deutschland häufig, in Griechenland und Italien selten. Daher die öfteren Erwähnungen in ganz alten Ilias- und Odysseestellen, das fast völlige Fehlen in der sonstigen altklassischen Literatur, der keltische Name bei den Römern. Sehr interessant ist angesichts dieser Tatsachen die Bemerkung des Joh. Philop. in Bekk. Anecd. p. 1095, daß auch das Wort κίρκος kein ursprünglich griechisches sei (es ist natürlich verwandt mit lat. circus und von dem oft kreisförmigen Fluge des Vogels genommen). Der Habicht nistet in der Nähe von Häusern und Felsen (Arist. hist. an. VI 1 p. 559 a 11), ist der drittstärkste Falke und greift Wolf und Fuchs an, [IX] 1 p. 609 b 3. Plin. n. h. X 8. Stare und Dohlen jagt er nach Hom. Il. XVII 755 und Quint. Smyrn. III 360; Tauben, die zwar hier- und dorthin flüchten, die er aber schließlich doch erreicht, nach Hom. Il. XXII 139, wo er wie Od. XIII 87 ἐλαφρότατος πετεηνῶν genannt wird; vgl. auch XV 526. Auf Mäuse jagt er auch (Batrach. 49), ebenso auf Schwalben (Ach. Tat. V 3). Aischylos erwähnt [478] ihn viermal: Pers. 207, wo er ihn siegreich gegen einen Adler kämpfen läßt; Prom. 859; Suppl. 221; frg. 297, wo er weißgrau oder weißbäuchig (λέπαργος) heißt. Er haßt den Fuchs (Aelian. hist. an. V 48), die Krähe und Turteltaube (VI 45). Lycophr. 1351 nennt seine Heimat den lydischen Tmolos. Die Habichte sollen das Kraut Picridium vulgare gegen bösen Blick anwenden, Aelian. hist. an. I 35; am Granatapfel sterben sie, VI 46; Wasser saufen sie nie (Damasc. bei Phot. p. 342 b 35), wohl aber Blut, Horap. I 7. Vgl. Gloss. κίρκος · ὀξύπτερον., capus, falco, avis armata unguibus, quam nos falconem vocamus. Ähnlich Gloss. IV 341, 3. Die Seele des getöteten Geryon ist als Habicht dargestellt auf einem Vasengemälde, De Witte Descript. d. vas. peints nr. 139; vgl. ferner 38. 385. 394. 428. Über seine Bedeutung in Träumen Astramps. onir. 32 und 96. Ein Mann namens Falco = Capys soll Capua gegründet haben, Isid. or. XII 7, 57: Capys Itala lingua dicitur a capiendo; hunc nostri falconem vocant eo quod incurvis digitis est (zweifelhafte Etymologie). Sonst kommt falco noch vor in der Vulgata Lev. XI 19, bei Pol. Silv. nom. anim. chron. I p. 543, 14 und Sidon. epist. V 5, 2. Vgl. Otto Sprichwörter 131. Daß Aelian. hist. an. IV 5 und 58 ausdrücklich die κίρκη vom κίρκος scheidet (nicht nur γένει, sondern auch φύσει), ist wohl darauf zurückzuführen, daß der Habicht einsam lebt, in der Jugend anders gefärbt ist als im Alter, auch ganz weiße Exemplare vorkommen. Die κίρκη soll ein Feind des Zeisigs sein; sie kommt auch bei Eustath. 1262, 51 und 1613, 63 vor. κίρκος Anth. Pal. VI 294 ist ein gebogenes Gefäß, Opp. cyn. III 304 ein Raubsäugetier. Als Varietät, keine besondere Art sehe ich auch den von [Arist.] hist. an. IX 36 p. 620 a 20 genannten ἀστερίας an, wenn an dieser verworrenen Stelle nicht der Adler ἀστερίας (Steinadler) gemeint ist. – κύβινδις oder κύμινδις Hom. Il. XIV 291. Arist. Av. 1181, cybindis Plin. n. h. X 24 ist eine Eulenart. – κυκνίας s. Adler. – λεῖος s. nr. 3.

10. μέρμνος Aelian. hist. an. XII 4 und μέρμνης (τρίορχος Hesych.) kann, weil er der Göttermutter geheiligt war, der in Kleinasien häufige Steppenbussard (Buteo desertorum Daud.) sein. – νόθος, dem Adler ähnelnd, Aelian. h. a. II 43, vielleicht gleich πύγαργος bei Aristoteles, s. Adler.

11. ὀρείτης Aelian. hist. an. II 43 kann der in den Gebirgen Südost-Europas lebende Würgfalke (Falco sacer Gm.) sein. – Über πελάγιος s. Ἲέραξ nr. 14 und oben d) g. E.

12. πέρκος [Arist.] hist. an. IX 36 p. 620 a 21 neben dem Sperber genannt; das Wort hängt offenbar mit περκνός (schieferblau) zusammen (vgl. übrigens Hom. Il. XXIV 316), was vorzüglich auf den auf der Balkanhalbinsel vorkommenden Kurzfangsperber (Astur brevipes Severtz) passen würde. Aelian. hist. an. XII 4 könnte unter περδικοθήρας diesen Vogel verstehen.

13. πέρνης, πτέρνις [Arist.] hist. an. IX 36 p. 620 a 20 mag der Wander-F. (Falco peregrinus Tunst) sein, weil die übrigen Beschreibungen nicht auf ihn passen und die Griechen ihn doch gekannt haben müssen; dann wäre er dem byzan. πετρίτης gleichzusetzen.

14. σπιζίας, ὠκύπτερος, byz. ὀξυπτέριον, lat. nisus, der Sperber (Accipiter nisus L.), nach Arist. [479] hist. an. VIII 3 p. 592 a 31 vom Habicht sehr verschieden in der Größe, kämpft mit dem Fuchse (Plin. n. h. X 205), fliegt sehr hoch (Verg. Georg. I 404) und ist dem Apollon heilig (Aelian. hist. an. XII 4). Vgl. Lobeck Path. 508, 39. Auf einer Bronzemünze mit dem Kopf des Hadrian ist ein Sperber dargestellt, Keller Münzen u. Gem. V 15; ebenso auf zwei Gemmen (die Flügel ausbreitend auf einem schwarzen Jaspis IX 59, und der heilige Sperber mit der Krone des Osiris 60).

15. συγκούριον, nur den Byzantinern bekannt, Ger-F. (Falco gyrfalco L.).

16. τανυσίπτερος Aelian. hist. an. XII 4, der Hera heilig, etwa der auf der Balkanhalbinsel häufige, 1,40 m klafternde Feldeggs-F. (Falco Feldeggi Schl.).

17. τζουράκιον, nur byzant., Jagd-F. (Falco candicans Gm.),

18. τριόρχης, τρίορχος, lat. triorchis, buteo, Schlangenbussard (Circaëtus gallicus Gm.), soll der stärkste F. sein ([Arist.] hist. an. IX 36 p. 620 a 18), Kröten und Schlangen fressen, die Größe des Königsweihen haben und das ganze Jahr sichtbar sein, VIII 3 p. 592 a 31 Plin. n. h. X 21. 304. Alles dies paßt auf den Mäusebussard nicht, wie man τριόρχης und buteo vielfach übersetzt findet; denn dieser ist in Südeuropa überhaupt nicht Standvogel. Der Schlangenbussard hat nach Plin. n. h. XI 263 drei Hoden, wird auf den Balearen gegessen (X 135) und gibt Vorzeichen (Fest. p. 197 M.). Er ist der Artemis heilig, Aelian. hist. an. XII 4. Erste Erwähnung bei Semon, frg. 9 B.: ἐρωδιὸς γὰρ ἔγχελυν Μαιανδρίην τρίορχον εὑρὼν ἐσθίοντ' ἀφείλετο. Es ist sehr richtig, daß der Schlangenbussard Fischen nachstellt. S. ferner Arist. Av. 1181. 1206. Lykophr. 148. Arnob. nat. II 59.

19. ὐποτριόρχης, der Baum-F. (Falco subbuteo L.), mit breiten Flügeln, [Arist.] hist. an. IX 36 p. 620 a 20. – φαβοτύπος, φασσοφόνος und φασσοφόντης s. nr. 9. – φήνη ist der Gänsegeier.

20. φρυνολόγος, Steppenweihe (Circus macrurus Gm.), nährt sich nach [Arist.] hist. an. IX 36 p. 620 a 21 am leichtesten und fliegt am niedrigsten. Dies sowie sein Name Krötensammler paßt auf die angegebene Art. Einbalsamiert gefunden sind:

21. Buteo ferox Gm.;

22. Milvus aegyptius Gm.;

23. Pernis apivorus L., der Honigbussard;

24. Elanus caeruleus Desf., der Gleitaar;

25. Tinnunculus vespertinus L., der Rotfußfalk.

[Gossen. ]

Nachträge und Berichtigungen

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Band R (1980) S. 110
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Falkenvögel

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