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Artikel „Ludwig IV. der Baier“ von Sigmund Ritter von Riezler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 457–476, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ludwig_der_Bayer&oldid=- (Version vom 3. November 2024, 16:42 Uhr UTC)
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Ludwig IV. der Baier († am 11. October 1347), Herzog von Baiern 1294–1347, römischer König 1314–47. Die äußeren Vorzüge seiner Persönlichkeit entlockten einem Zeitgenossen den Vergleich, die Natur habe nicht minder, als sie unter den Bienen zu thun pflege, ihn als Herrscher bezeichnet. Ein hoher, kraftvoller Körperbau, der stämmigste Nacken, auffallend weiße und blühende Gesichtsfarbe, große klare, von dichten Brauen überwölbte Augen, aus denen die Heiterkeit seines Temperamentes strahlte: dies bildete zusammen eine ebenso schöne wie würdevolle Erscheinung, wenn auch die oben etwas platte, unten überhängende Nase die Regelmäßigkeit der Gesichtszüge störte. Das Haupthaar war lockig, aber spärlich; Lippe und Kinn trug der Fürst, wie die Mode es wollte, glatt geschoren. In gutem Einklang mit den Schilderungen der Zeitgenossen steht sein Bildniß auf dem Grabdenkmale in der Münchener Frauenkirche.

Wie ihm Glück und Unglück im Leben wechselnd in Fülle beschieden waren, so lagen in seinem Charakter widerspruchsvolle Züge vereinigt. Ein weiches Gemüth dürfte man wohl als den hervorstechendsten bezeichnen; darauf weist seine Lenksamkeit gegenüber Rathgebern, wie seine Nachgiebigkeit gegen die eigenen Stimmungen und Gefühlserregungen, sein rasches Abspringen von einer Partei, von einem Angriffsziele zum anderen, seine heißblütige Ueberstürzung im Erfolge, wie der Kleinmuth, der ihn nach Mißerfolgen leicht beschlich. Mehr von der schwankenden Natur seines Großvaters, Otto’s II., wie es scheint, als von der väterlichen Energie und Sicherheit hatte er als Familienerbtheil mitbekommen; nicht als ob ihm die Fähigkeit, kühn und entschlossen zu handeln, gefehlt hätte, dankte er doch die Königskrone selber dem Ruhme kriegerischer Thatkraft; daß ihm aber entschlossenes Handeln durch andauernde Bethätigung zur zweiten Natur geworden, daß sein politisches Wirken von besonnener und ausdauernder Kraft getragen gewesen wäre, wird man nicht behaupten können. „Allewege unbeständig“, klagt mit gutem Grund der Minorit Johann v. Winterthur, „unzuverlässig, nicht zum mindesten in seinen Zusagen und Versprechungen“. Eine dem baierischen Stammescharakter sonst ganz fremde Neigung zu Schlichen und Doppelzüngigkeit tritt in seiner Politik hervor; sie ward gesteigert durch [458] die Berührung mit dem italienischen Parteitreiben und durch die Schwierigkeiten, die Widersacher und Neider während seines ganzen Lebens ihm bereiteten. Milde jedoch, leutselig, gütig gesinnt, war er ein Herrscher, dem mehr daran lag, geliebt als gefürchtet zu werden, und würde vielleicht das ungetrübte Andenken eines vortrefflichen Fürsten genießen, wäre ihm nicht der Kampf mit der Kurie auferlegt worden, der seine Schwächen enthüllte und steigerte, dem freilich auch manche festere Natur nicht gewachsen gewesen wäre. Viele diplomatischen Erfolge verdankte er seiner natürlichen Beredsamkeit und geschmeidigen Gewandtheit; für seine litterarische Bildung aber war wenig geschehen; er selbst nennt sich einen Kriegsmann, der von den Wissenschaften und gelehrten Subtilitäten nichts verstehe. Von seinem Privatleben ist nicht viel überliefert. Während er an der Tafel im Trinken mäßig war, sprach er den Speisen reichlicher zu. Den Tanz liebte er sehr und noch in seinen reiferen Mannesjahren konnte man ihn mit seiner kleinen und zierlichen zweiten Frau lustig im Saale umherwalzen sehen. Niemand genoß auch die Freuden der Jagd mit höherem Entzücken, Niemand verstand besser das feurige Jagdgespann zu lenken. Doch im behaglichen Lebensgenusse aufzugehen, hat er sich nie gegönnt. So im allgemeinen ist es ein ungerechter Vorwurf, wenn man ihm Scheu vor Anstrengungen nachsagte. Fürstliche Sorgen und Geschäfte gestalteten sein ganzes Leben zu einem mühevollen Ringen und zu einer fast ununterbrochenen Reise, sei es, daß er gegen Feinde in’s Feld rückte, sei es, daß er den Pflichten der Regierung oder diplomatischen Verhandlungen oblag.

Genützt hat Ludwigs Wirksamkeit am meisten seinem Hause, aber auch vom reichsgeschichtlichen Standpunkte aus kann man sein erfolgreiches Streben nach Vergrößerung der Hausmacht nicht tadeln, da die königliche Macht für sich allein ohne die reale Grundlage einer starken landesfürstlichen Gewalt in der That zu schwach gewesen wäre. Darum hatten auch alle seine Vorgänger im Reiche in diesem Punkte nicht anders gehandelt. Durch die Vereinigung von Ober- und Niederbaiern, den Gewinn von Brandenburg, Tirol, Holland, Seeland, Friesland hob er Wittelsbach auf eine Höhe, die es vordem nie erreicht hatte, auf der sich freilich auch seine Nachkommen nicht zu behaupten vermochten.

Beim Tode seines Vaters, Herzog Ludwig II. von Baiern, zählte er wahrscheinlich sieben Jahre. Seine Mutter, Mechtild, Tochter König Rudolfs von Habsburg, und der ältere Bruder Rudolf übernahmen die Vormundschaft. Am Wiener Hofe erzogen, von der Mutter vornehmlich beeinflußt, sog der jüngere Bruder früh habsburgische Gesinnung ein, während der ältere treu zu seinem Schwiegervater König Adolf stand. In feindlichem Widerspruche gegen den Bruder und mit der Betheiligung an einer Fürstenrevolution zu Gunsten Habsburgs begann L. seine politische Laufbahn, indem er bei der ersten widerrechtlichen Königswahl Albrechts von Oesterreich den Herzog von Sachsen beauftragte, seine Stimme als Rheinpfalzgraf zu führen. Als später Rudolf den Kampf gegen Albrecht aufnahm, machte L. im königlichen Heere den Feldzug in der Pfalz mit. Wahrscheinlich bei seiner Unterwerfung im Sommer 1301 mußte Rudolf dem Könige versprechen, den Bruder mit Ablauf des Jahres aus der über Gebühr verlängerten Vormundschaft zu entlassen und zur Mitregierung seiner Lande, Oberbaierns und der Pfalz, zu berufen. Nach der Ermordung König Albrechts, den L. auf seinem letzten böhmischen Feldzuge unterstützt hatte, traten beide oberbaierische Herzoge eine Zeit lang, doch ohne besonderen Eifer, als Throncandidaten auf. Die Wahl, der auch L. beiwohnte, fiel auf Heinrich von Lützelburg, dem sich nun Rudolf aufs engste anschloß, indem er seinen Sohn mit dessen Tochter verlobte. Da er der Braut gegen Ludwigs Willen pfälzische [459] Burgen als Witthum verschrieb, erhielt der Zwiespalt zwischen den Brüdern neue Nahrung und trieb L. zu dem Verlangen einer Landestheilung. Dieselbe wurde am 1. October 1310 in der Weise vollzogen, daß L. die nordwestliche Hälfte Oberbaierns mit Ingolstadt erhielt. Zur Theilung der Pfalz aber, die L. gleichfalls beanspruchte, ließ sich Rudolf nicht bewegen, und da auch über die Ausführung der Landestheilung in Oberbaiern Irrungen entstanden, brach im Juni 1311 ein Bruderkrieg aus, der mit Unterbrechungen zwei Jahre hindurch währte. L. selbst soll in diesen Kämpfen eines Tages den Feuerbrand in eine Ortschaft geschleudert haben und auch von einem seiner Bewunderer wird die Ansicht ausgesprochen, daß damals der ältere Bruder mehr Maß und Selbstbeherrschung bewiesen habe.

Von den Reichsangelegenheiten, von König Heinrichs Hoftagen und Feldzügen scheint sich L. gänzlich ferngehalten zu haben; auf dem italienischen Zuge Heinrichs ließ er sich durch den Bischof von Eichstädt vertreten. Umsonst versuchte auch der König in den Streitigkeiten der Brüder zu vermitteln. Zu deren Ausgleich führte endlich, was anfangs nur zu ihrer Verschärfung gedient hatte: die Entwickelung der Dinge in Niederbaiern. Dort war L. seit dem Tode Herzog Stephans (10. December 1310) neben Otto III. von Niederbaiern Vormund der Prinzen Heinrich und Otto, die Stephan hinterlassen hatte. Bald starb auch Herzog Otto (9. September 1312) und nach dessen letztem Willen übernahm nun L. auch die Pflegschaft dessen Sohnes und empfing von der niederbaierischen Landschaft die Huldigung. Aus alter Anhänglichkeit und um gegenüber dem feindlichen Bruder einen Rückhalt zu gewinnen, ließ er (13. Nov. 1312) seine Mündel zu Linz ein Bündniß mit den österreichischen Herzogen beschwören. Noch im Frühjahr darauf reiste er mit seinem ältesten Mündel nach Wien, klagte seinem Freunde, Herzog Friedrich, bitter über Rudolf und bestimmte ihn, den Brüdern zum Sühneversuche einen Tag nach Passau anzusetzen. Indessen wurden die niederbaierischen Städte, zumal Landshut und Straubing, durch den wachsenden Einfluß Oesterreichs und den Steuerdruck der Adelsregierung bewogen, ihrerseits bei Rudolf Schutz zu suchen und schlossen mit diesem (15. Mai 1313) einen Schirm- und Bundesvertrag. Durch diesen Schritt ward L. auf das Mißliebige und Gefährliche seiner habsburgischen Politik aufmerksam und rasch entschlossen, vollzog er eine Schwenkung, die seine österreichischen Freunde aufs übelste aufnehmen mußten, indem er bei einer Zusammenkunft zu München mit dem Bruder (21. Juni 1313) Frieden schloß, Aufhebung der Landestheilung und wiederum gemeinsame Regierung vereinbarte. Nochmals kam er zwar mit Friedrich in Landau zusammen, aber diese Besprechung der Vettern konnte den Krieg um so weniger verhüten, als der Adel und die Herzoginwittwen in Niederbaiern habsburgisch gesinnt waren und Herzog Friedrich zu Hülfe herbeiriefen. Während Rudolf unthätig blieb, rüstete L. mit großem Aufwand und aufs rührigste zum Krieg, und als ein österreichisch-niederbaierisches Heer durch Baiern zog, um sich mit den in den schwäbischen Landen gesammelten habsburgischen Truppen zu vereinigen, kam L. dieser Vereinigung zuvor, überfiel das Ostheer am 9. November bei Gammelsdorf, nördlich von Moosburg, und brachte ihm eine entscheidende Niederlage bei, welche den Kern der österreichischen und niederbaierischen Ritterschaft als Gefangene in seine Hände gab. Von diesem Tage an ward Ludwigs Name weitum in deutschen Landen berühmt und sein Uebergewicht über den älteren Bruder entschieden. Unter der Vermittelung des Erzbischofs von Salzburg kam dann in dessen Hauptstadt eine Zusammenkunft zwischen L. und Friedrich und der Frieden (17. April 1314) zu Stande. Friedrich hatte die Zeit seit seiner Niederlage wohl genutzt und seine Stellung durch Bündnisse bedeutend verbessert. Dieser [460] Umstand, vielleicht aber auch ein Hervorbrechen des alten Freundesgefühles bei L. mag die große Nachgiebigkeit erklären, welche dieser durch unentgeltliche Freilassung aller Gefangenen bewies. Nach allen Nachrichten war die Zusammenkunft von dem innigsten Einverständnisse der beiden Fürsten begleitet und so ist sehr wahrscheinlich, daß die Wiederversöhnten auch die bevorstehende Königswahl besprachen, die seit dem Tode Kaiser Heinrichs (24. August 1313) die Gemüther in Spannung versetzte. Johann v. Viktring will wissen, daß anfangs Friedrich den Freund zur Bewerbung aufgefordert, dieser aber unter Hinweis auf seine unzulänglichen Mittel abgelehnt, seinerseits den Habsburger zur Bewerbung ermuntert und ihm seine Unterstützung angeboten habe. Vielleicht in Zusammenhang mit den Salzburger Abmachungen ward Rudolf von Baiern, der anfangs selbst als Kandidat aufgetreten war, für die habsburgische Sache gewonnen.

Schien aber anfangs die Entscheidung bei der Königswahl nur um Friedrich von Oesterreich und Johann von Böhmen, den Sohn des verstorbenen Kaisers, sich zu drehen, so trat bald die bedeutsame Wendung ein, daß die Führer der lützelburgischen Partei, die Erzbischöfe Peter von Mainz und Balduin von Trier, die Unmöglichkeit erkannten, mit ihrem jugendlichen Kandidaten Johann durchzudringen und daß auf der Suche nach einem nicht allzu mächtigen Fürsten, der gleichwohl im Stande wäre, Habsburg die Spitze zu bieten, ihre Augen auf den Sieger von Gammelsdorf fielen. In ihrem Auftrage reiste Graf Berthold von Henneberg zu L. Und der Enkel Rudolfs von Habsburg, der Sohn jenes Wittelsbachers, der Habsburg zu Liebe von seinem Werben um das Reich abgestanden war, hielt sich berechtigt, dem Rufe der angesehensten geistlichen Kurfürsten zu folgen und seinem Hause die höchste Ehre zu erringen, die demselben wiederholt schon nahe gewinkt hatte. Im September ging er an den Rhein und begann seine Vorbereitungen zu treffen. Am 19. und 20. October kam es in Frankfurt zur unseligsten Doppelwahl: ein Theil der Wähler, darunter Ludwigs Bruder, wählte den Habsburger, während Peter von Mainz, Balduin von Trier, Johann von Böhmen, Waldemar von Brandenburg und Johann von Sachsen ihre Stimme L. gaben. Dieser zog am 23. October in Frankfurt ein und empfing die Huldigung seiner Wähler. Er hatte unbestreitbar vier, sein Gegner nur zwei giltige Stimmen, überdies war bei seiner Wahl das übliche Ceremoniell, dem man fast die Kraft eines Rechtstitels beilegte, vollständig eingehalten worden, während es Friedrich auch hierin an allen Erfordernissen gebrach. Dagegen hatte der Habsburger den Besitz der Reichskleinode voraus, auch konnte die Krönung Ludwigs am 25. November wohl an der althergebrachten Stelle, im Dome zu Aachen, aber nicht durch den hierzu berechtigten Erzbischof von Köln, an dessen Stelle der Mainzer eintrat, vollzogen werden.

Uebersieht man Ludwigs königliche Regierung, so kann man sich dem Eindrucke nicht verschließen, daß kein deutscher Herrscher mehr als er unter den Gebrechen der Reichsverfassung gelitten hat. Seine Thätigkeit wurde zum großen Theile durch ununterbrochene Kämpfe beansprucht, deren innerste Gründe in Einrichtungen der deutschen Verfassung lagen: den schweren Kampf mit Habsburg verschuldete die Wahlverfassung und der Mangel eines Wahlgesetzes; während der nicht minder schwere und noch langwierigere mit der päpstlichen Curie aus der Verquickung des deutschen Königthums mit dem Kaiserthum und aus der politischen Verbindung Deutschlands mit Italien entsprang.

Acht Jahre lang zog sich der Kampf der Gegenkönige hin, in dem Habsburg durch Familienbesitz weit überlegen war, Wittelsbach dagegen zahlreichere und mächtigere Bundesgenossen aus dem Reiche, insbesondere die Mehrzahl der Reichsstädte auf seiner Seite hatte. Vier Mal im Verlauf dieses Kampfes lagen sich die Heere gegenüber, ohne daß ihre Führer gewagt hätten, die Entscheidung [461] der Waffen anzurufen. Zuerst im März 1315 bei Speier, als L. einen Angriff auf das Elsaß plante, durch das Ausbleiben einiger Bundesgenossen aber bald veranlaßt wurde, sein Lager abzubrechen und nach München zurückzukehren. Im August dieses Jahres wurden hingegen die Habsburger, als sie die Offensive ergriffen und über den Lech bis Buchlohe in Baiern eindrangen, durch Ludwigs bloßes Erscheinen im Felde zum Rückzuge bestimmt. Ludwigs Stellung war damals noch erschwert durch das seit der Königswahl nur verschärfte Zerwürfniß mit dem Bruder. Auch nachdem Rudolf aus der Hauptstadt München auf seine Burgen in und vor den Alpen sich zurückgezogen hatte, kehrte der Familienfrieden nicht zurück und ebenso wie der habsburgische Angriff konnte die Vermittellung der Münchener Bürgerschaft und später des Adels den Ausbruch eines neuen Bruderkrieges nur kurze Zeit verzögern. Im Herbste 1315 rückte L. mit Heeresmacht gegen Rudolf, erstürmte seine und seiner Anhänger Burgen und zwang ihn zur Flucht nach Worms. Seitdem war nicht der Groll, aber die Widerstandskraft des körperlich Leidenden gebrochen: am 26. Februar 1317 verstand er sich zum Verzicht auf die Regierung, im Sommer darauf siedelte er an den österreichischen Hof über. Zuletzt erscheint er in Heidelberg und am 13. August 1319 starb er so unbeachtet, daß nicht einmal der Ort seines Todes überliefert ist. Nach der Besiegung des Bruders unterwarf L. im Frühjahr 1316 einen Verbündeten Friedrichs, Kraft von Hohenlohe (s. Bd. XII. S. 692). Im September zog er mit Balduin von Trier und dem Böhmenkönige vor das von Friedrich belagerte Eßlingen. Dort kam es zuerst zum Schlagen; doch ohne daß es die Führer beabsichtigt und ohne daß das viele Blut, das vergossen ward, eine Entscheidung gebracht hätte. Dagegen errang L. diplomatische Erfolge in Böhmen und in Niederbaiern. Dort vermittelte er, als König Johann durch einen Aufstand seiner Barone schwer bedroht war, im Frühjahr 1318 die Ausöhnung der Parteien und sicherte sich dadurch einen mächtigen und damals noch zuverlässigen Bundesgenossen. In Niederbaiern gelang es ihm, auch als Herzog Heinrich der ältere aus seiner Vormundschaft entlassen wurde, diesen und die jüngeren Herzoge in seinem engen Bunde zu erhalten. Da die Niederbaiern ihrerseits mit Kärnten-Tirol verbündet waren, lag die breite Ländermasse von Schlesien bis Südtirol wie ein breiter Keil zwischen die beiden Hauptsitze der habsburgischen Macht, Schwaben und Oesterreich, eingesprengt. Auf einer Zusammenkunft zu Eger mit König Johann (April 1321) suchte L. auch das Zerwürfniß zwischen diesem und Heinrich von Kärnten zu heben. Dies gelang jedoch nicht und die damals verabredete Heirath von Johanns Tochter mit Heinrich von Niederbaiern erwies sich später als eine für L. sehr schädliche Verbindung.

Im September 1319 erfolgte ein zweiter habsburgischer Angriff auf Baiern. L. erwartete den von Osten heranrückenden, auch die Salzburger mit sich führenden Gegenkönig auf den Höhen bei Mühldorf; als aber die Nachricht einlief, Friedrichs Bruder Leopold, der von Westen her in Baiern eingebrochen war, stehe nahe in seinem Rücken, und als zugleich das Gerücht sich verbreitete, sein eigenes Lager beherberge bestochene Verräther, räumte er das Feld und ließ es geschehen, daß die Oesterreicher in unerhörter Weise das flache baierische Land verwüsteten. Die Folgen dieser moralischen Niederlage machten sich nicht nur im Abfall mancher Bundesgenossen fühlbar, auch L. selbst soll einige Zeit den Muth verloren und den Gedanken an Thronentsagung gefaßt haben, der ihm dann wahrscheinlich durch Peter von Mainz ausgeredet worden ist. Im Frühjahr 1320 zwang L. die Grafen von Sponheim nach Eroberung ihrer Burg Sprendlingen bei Kreuznach zum Frieden, im August zog er nochmals zum Angriff auf Leopold in das Elsaß. Diesmal hätte er den Vortheil gehabt, nur gegen die westlichen Streitkräfte Habsburgs kämpfen zu müssen, denn ohne Heer, [462] nur mit geringem Gefolge war Friedrich eben im Lager des Bruders eingetroffen. Die Heere standen sich an der Breusch gegenüber und schon hatte L. die Schlacht angesagt – wieder aber trat er ohne Kampf den Rückzug an, es heißt, weil seine Verbündeten keine Lust hatten, sich zu schlagen. In der Pfalz hatten indessen Rudolfs Wittwe Mechtild, deren Söhne und mächtige Bundesgenossen, den Widerstand gegen L. fortgesetzt. Schon im October 1318 war L. gegen den Grafen Gerlach von Nassau, einen Schwager seines Bruders, gezogen. Drei Wochen lag er damals ohne Erfolg vor Wiesbaden. Mit besserem Glück unternahm er im December 1321, während die Wahl des habsburgisch gesinnten Mathias von Buchegg auf den Mainzer Stuhl seiner Sache einen empfindlichen Schlag versetzte, einen Kriegszug gegen diese rheinischen Gegner und eroberte die Burg Fürstenberg bei Bacharach.

Endlich fielen die Würfel des Kriegsglückes entscheidend, als die Oesterreicher im Herbst 1322 ihren dritten Angriff auf Baiern unternahmen. Von Ungarn, Salzburg, Passau, Lavant unterstützt, drang Friedrich bis Mühldorf vor, wo ihm L. an der Spitze eines vornehmlich aus Ober- und Niederbaiern, Böhmen und Schlesiern gebildeten Heeres entgegentrat. Leopold, der, wie vor drei Jahren, von Westen anrückte, hatte sich diesmal um einige Tage verspätet, aber sein Fernbleiben hinderte Friedrich nicht, die ihm von L. auf den 28. September angebotene Schlacht anzunehmen. Sie wurde auf der Fehwiese zwischen Mühldorf und Ampfing geschlagen, die letzte ohne Anwendung von Feuerwaffen gekämpfte große Ritterschlacht auf deutschem Boden, und endete mit dem glänzenden Siege der Baiern. 1300–1400 Ritter auf österreichischer Seite und der Gegenkönig selbst geriethen in Gefangenschaft. Wie bei Gammelsdorf scheint wieder das rechtzeitige Eingreifen der Reserve, die diesmal vom Burggrafen von Nürnberg befehligt wurde, die Entscheidung herbeigeführt zu haben. Während aber L. bei Gammelsdorf mitten im Schlachtgewühle mitgekämpft hatte, hielt er bei Mühldorf, wahrscheinlich um die Schlacht mit vollem Ueberblick zu leiten, ohne Abzeichen der königlichen Würde, im einfachen blauen Waffenrock mit weißen Kreuzen (Rauten?), mit 11 gleichgekleideten Begleitern auf leichten Pferden etwas abseits. „Vetter, ich sah euch nie so gern!“ rief er seinem Gegner zu, als dieser gefangen vor ihn geführt wurde. „Und ich euch nie so ungern!“ soll dieser erwidert haben.

So sehr nun auch dieser Sieg Ludwigs Macht und Ansehen im Reiche hob, die Schwierigkeiten mit Habsburg waren dadurch noch lange nicht beseitigt. Noch behauptete Leopold in Schwaben und Elsaß eine machtvolle Stellung. Unterhandlungen, die L. mit ihm anknüpfte, führten im Herbst 1323 zur Auslieferung der Reichskleinode, aber nicht weiter. Während L. im Juni 1324 schon an einen neuen Feldzug dachte, traf Leopold in Bar sur Aube mit dem französischen König zusammen und versprach dessen Königswahl in Deutschland zu betreiben. Die Unterhandlungen mit Leopold wurden dann von L. neuerdings aufgenommen, geriethen aber wieder ins Stocken, als L. im November 1324 durch die wohlgemeinte Rücksicht auf Handel und Verkehr seiner getreuen Augsburger zu einem Angriff auf die Feste Burgau zwischen Ulm und Augsburg sich bestimmen ließ. wo eine starke und übermüthige österreichische Besatzung unter Burkhard von Ellerbach lag. Doch mußte er im Januar auf die Nachricht, daß Leopold zum Entsatze heranrücke, mit seinen durch mannigfachen Abzug bereits geschwächten Truppen die Belagerung aufheben, ein Mißerfolg, der im Reiche starken Eindruck machte. Jetzt beschloß L. mit dem Gegenkönig selbst, den er auf der Burg Trausnit in der Oberpfalz gefangen hielt, Unterhandlungen anzuknüpfen. Graf Berthold von Henneberg beredete, als sein Unterhändler, mit Friedrich, daß dieser auf die Königskrone verzichten, dagegen sammt seinen Brüdern ein durch eine Heirathsverbindung der beiden Häuser [463] gestütztes Bündniß mit L. eingehen sollte (13. März 1325). Dann kam L. selbst auf die Trausnit, und, wie vor zehn Jahren in Salzburg traten sich die Jugendfreunde wieder in herzlichem Einverständniß nahe; es wird erzählt, daß sie das Abendmahl gemeinsam feierten, die Hostie theilten und den Friedenskuß tauschten. Und ihr erneuerter Freundschaftsbund hielt auch dann vor, als Friedrich daheim die Zustimmung seines Bruders Leopold zum Trausniter Abkommen nicht gewinnen und dieses darum nicht in Kraft treten konnte. Friedrich kehrte nach Baiern zurück, aber nicht als Ludwigs Gefangener auf die Trausnit, sondern als sein Freund nach München. Dort schlossen die beiden Fürsten eine vor ihren Beichtvätern eidlich beschworene, zuerst geheim gehaltene, am 5. September aber beurkundete Uebereinkunft des merkwürdigsten Inhalts. Gemeinsam wollten sie fortan das Reich besitzen, als Brüder sich nennen und behandeln, gemeinsam Glück und Unglück tragen und in allen Stücken gleiche Ehre genießen, wie auch alles, was der eine angeordnet, der andere bestätigen sollte. Es ist verfehlt, wenn man Ludwigs Verhalten an diesem Punkte aus einem zwingenden Drucke der politischen Lage erklären will, der in Wahrheit nicht bestand; seine Handlungsweise entsprang aus rein menschlichem Gefühl, aus überwallendem Edelmuth, der alle politische Berechnung bei Seite drängte. Mit besserem Grunde als Friedrichs Treue – denn als dieser nach Baiern zurückkehrte, war die Forderung, daß er dies als Gefangener thue, von L. wahrscheinlich bereits fallen gelassen – ist darum Ludwigs Hochherzigkeit in Dichtung und Sage immer gepriesen worden. Auch erscheint die Uebereinkunft der beiden Fürsten weniger phantastisch, wenn man erwägt, daß unzweifelhaft, wiewohl es der Vertrag nicht aussprach, für die nächste Zeit eine Theilung der Herrschaft in der Weise beabsichtigt war, daß L. nach Italien ziehen und die Kaiserkrone erwerben, Friedrich dagegen in Deutschland regieren sollte.

Gleichwol scheiterte die Ausführung des Münchener Vertrags, scheiterte vor allem wohl an dem Widerstande der Lützelburger, die durch eine dauernde enge Verbindung zwischen Wittelsbach und Habsburg ihre eigene Macht gefährdet sehen mußten. Schon die trauliche Freundschaft, mit der L. und Friedrich damals zusammen lebten – nach dem Königssaaler Chronisten theilten sie Mahlzeit und Schlafgemach – wird man in vielen Kreisen ungern gesehen haben. Bei einer Zusammenkunft in Ulm mit Friedrich und Leopold trat dann L. in einem Vertrage vom 7. Jan. 1326 Friedrich sogar das Königreich ab, unter der Voraussetzung, daß dieser bis zum 25. Juli d. J. die Bestätigung des Papstes erlange. Während der folgenden Monate scheint er in der That allen Regierungshandlungen entsagt zu haben. Indessen verstand sich der Papst nicht zu Friedrichs Anerkennung und so kam auch dieser Vertrag nicht zur Ausführung. Später, insbesondere seit einer Zusammenkunft um die Wende der Jahre 1326 und 1327 in Innsbruck trat wieder Verstimmung zwischen den Fürsten ein. Friedrich führte den Königstitel, ohne daß ihm jedoch L. denselben gewährte und ohne daß er auf die Reichsregierung Einfluß üben durfte.

Mittlerweile war L. ein neuer Gegner entstanden. Eng verbunden mit den Königen von Neapel und Frankreich, saß damals der Gascogner Johann XXII. in Avignon auf dem Stuhle Petri, ein Kirchenfürst, in dem die alte Tendenz des Papstthums nach weltlicher Oberhoheit aufs neue verkörpert ward. Johann betrachtete sich als Lehnsherrn des Reichs und die beiden Gegenkönige als Erwählte, denen ein Recht auf die Krone erst aus seiner Bestätigung erwachsen könnte. Schon in einer Bulle vom 31. März 1317 hatte er erklärt, daß die Verwesung des Imperiums auf ihn übergegangen sei. In welchem Sinne er sie zu führen gedachte, zeigte sich, als er einem ausgesprochenen Feinde der Deutschen, dem König Robert von Neapel, den Ludwigs Vorgänger, Kaiser Heinrich VII., in die Reichsacht erklärt hatte, die noch unter Clemens V. beschlossene [464] Ernennung zum Reichsstatthalter in Italien zustellen ließ und seinen Legaten Bertrand von Pojet dort mit der Führung des Kampfes gegen die Gibellinen betraute. Da L. ebenso wie Friedrich trotz aller Unterhandlungen sich nicht herbeiließ, dem Papste und Anjou in Italien freie Hand zu lassen, gewährte Johann keinem von ihnen seine Anerkennung. Aus dieser zuwartenden Stellung trieb den Papst nicht der Sieg von Mühldorf, wol aber Ludwigs Eingreifen in Italien: es war für Johann eine Reihe von empfindlichen Kränkungen, als L. seit dem Tage von Mühldorf voll gehobenen Siegesgefühls im Frühjahr 1323 Berthold von Neifen, Grafen von Marstetten, als Statthalter des Reiches an der Spitze eines Heeres in die Lombardei entsandte, dieser dann einem Hülfsgesuche des vom Papste geächteten, von König Robert und den Welfen schwer bedrängten Matteo Visconti Folge gab und das welfische Heer von der Belagerung Mailands abzustehen zwang. Am 8. October 1323 veröffentlichte der Papst den ersten seiner sogenannten Processe gegen L., worin er ihm wegen Anmaßung des Königstitels und der Reichsregierung und der Unterstützung des gebannten Visconti den Kirchenbann drohte, wenn er nicht binnen drei Monaten das Königthum niederlege. L. ließ um Erstreckung dieses Termins nachsuchen, legte aber, noch ehe die hiermit betrauten Boten an die Kurie kamen, in Nürnberg am 18. December gegen das „leidenschaftliche und gehässige“ Vorgehen des Papstes Protest ein und drang auf die Einberufung eines allgemeinen Concils. Griff der Papst auf das weltliche Gebiet über, so bemächtigte sich auch L. zu seiner Vertheidigung einer rein kirchlichen Frage: beeinflußt durch den weltlichen Clerus seiner Umgebung, in erster Reihe wahrscheinlich den Bischof Emicho von Speier, warf er dem Papste vor, daß er die Minoriten in ihrem Streite mit der Weltgeistlichkeit über die Ausübung der Seelsorge begünstige. Am 23. März 1324 sprach Johann die Excommunication über L. aus. Dieser antwortete durch eine zweite, am 22. April zu Sachsenhausen erlassene Appellation, worin er in heftigem Tone gegen den Papst die wohlbegründeten Anklagen erhob, er sei der deutschen Nation feindlich gesinnt, stifte Unfrieden und maße sich die Rechte der Reichsfürsten an. Ein aus dem Minoritenorden ausgestoßener Speierer Spirituale, Franz v. Lautern, der den Bischof und das Domcapitel von Speier in ihrem Kampfe gegen den dortigen Minoritenconvent unterstützte, eine Zeit lang zu den Benedictinern übergetreten war, aber auch mit diesen sich nicht vertragen konnte, hatte wahrscheinlich schon auf die Fassung der Nürnberger Appellation eingewirkt und scheint nun durchgesetzt zu haben, daß der königliche Protonotar, Meister Ulrich der Wilde – wie L. später behauptete: ohne sein Wissen und Wollen – in der Appellationsschrift auch eine im Sinne des Minoritenordens abgefaßte dogmatische Erörterung über die Armuth Christi aufnahm. Gegen den Papst erhob die Appellationsschrift wegen seines abweichenden Standpunktes in dieser Frage und wegen anderer Dinge die Klage auf Ketzerei. Wieder ward der Spruch eines allgemeinen Concils angerufen, zu dessen Versammlung es jedoch nie gekommen ist.

Im Widerspruche mit früheren päpstlichen Erklärungen hatte Papst Johann die Anschauungen der Minoriten, daß Christus und die Apostel kein Eigenthum besessen hätten und daß ihr Orden diesem Beispiele nachfolgen müsse, als häretisch verdammt. Schon länger mit den extremen Gruppen der Minoriten, den Spiritualen und Fraticellen, verfeindet, drängte er hierdurch auch die herrschende Partei der Minoriten, des zahlreichsten und populärsten Ordens, allmählich in die Opposition. Bald gestaltete sich Ludwigs Hoflager zum Sammelpunkt aller gelehrten Gegner des Papstes. Hier erschienen der Genueser Ubertino di Casale und andere unzufriedene Minoriten; hier auch, wahrscheinlich im Sommer 1326, mit ihrem eben vollendeten großen Werke, dem Defensor pacis, die Pariser Professoren Marsiglio von Padua und Johann von Jandun. L. war um so [465] eher geneigt, gelehrte Bundesgenossen im Kampfe gegen die Kurie mit offenen Armen aufzunehmen, je weniger er bei seiner ausschließlich ritterlichen Erziehung auf eigenes Wissen und eigenes Urtheil in kirchenrechtlichen und historisch-politischen Fragen sich verlassen konnte. Der radicalste unter seinen gelehrten Berathern war Marsiglio, der staatsrechtlich nach antikem Muster das Volk als die Quelle aller öffentlichen Gewalt erklärte und in kirchlicher Beziehung nichts geringeres forderte, als Abschaffung des päpstlichen Primates, der Hierarchie und aller weltlichen Gewalt des Priesterthums. Begünstigt durch den lenksamen Charakter ihres Schutzherrn und ein Zusammentreffen von Umständen, vermochten die fremden Räthe trotz einigen Widerstrebens in einheimischen Kreisen ihre vorgeschrittenen Ideen bei L. zur Geltung zu bringen und ihn in Italien zu einer revolutionären Politik hinzureißen, welche die übelsten Früchte trug und ihm insbesondere die conservativen Autoritäten im Reiche auf lange entfremdete.

Seit dem Herbste 1324 hatte L. die oberitalienischen Gibellinen auf sein Erscheinen vertröstet und durch ein eventuelles Bündniß mit dem sicilischen Hof sich die Wege geebnet. In dem Augenblick, da durch Herzog Leopolds Tod und seine Sühne mit Friedrich seine Stellung in Deutschland einigermaßen gesichert war, traf ihn durch Vermittelung eines Minoriten eine neue Aufforderung der Gibellinen, über die Alpen zu ziehen und nun beschloß er, ihr Folge zu leisten, die deutsche Herrschaft in Italien aufzufrischen und zu befestigen und sich selbst die Kaiserkrone zu holen. Keinem der deutschen Herrscher sind diese Ziele höher gestanden, keinen hat der Süden mächtiger gereizt als ihn. „Lieber den Tod“, schrieb er an seinen Schwiegervater, „als daß ich das durch so viel deutsches Blut erworbene Weltreich in fremde und räuberische Hände kommen ließe“. Und in der That lag die praktische Frage damals nicht darin, ob das Kaiserthum fortbestehen oder aufhören, sondern nur darin, welche Nation es besitzen solle, wie ja auch litterarisch erst damals, erst zu einer Zeit, da die Wurzeln kaiserlicher Macht bereits untergraben waren, in Dante’s Monarchie die glänzendste Verherrlichung des Kaiserthums aufgetreten ist. Es läßt sich nicht nachweisen, daß L. dieses Buch kannte; aber er lebte in ähnlichen Ideen, wie sie dort ausgesprochen waren; in seiner Umgebung, wahrscheinlich auf seinen Wunsch verfaßte Marsiglio seine Schrift von der Uebertragung des römischen Kaiserthums, worin der Anspruch des Papstes auf Suprematie bekämpft wird.

Von der Innsbrucker Versammlung weg begab sich L. zu einer Zusammenkunft mit den oberitalienischen Gibellinen nach Trient und da diese die Lage im rosigsten Lichte schilderten und ungestüm auf seinen Einzug drängten, brach er, wiewol ganz ungenügend gerüstet, gleich von Trient aus im März 1327 nach der Lombardei auf. Wie im Triumph durchzog er das Land, empfing in Mailand aus den Händen excommunicirter Bischöfe die eiserne Krone und setzte, nachdem Galeazzo Visconti auf die Beschwerden der Mailänder zur Haft gebracht war, den Grafen Wilhelm von Montfort in Mailand als Reichsverweser ein. Daß er sich für die radicale Bahn, die er dann in Rom betreten, immerhin nicht leicht entschlossen hat, sieht man aus der Nachricht, daß er trotz allem, was vorgefallen, nach der Mailänder Krönung den Papst Johann noch wiederholt, natürlich fruchtlos, um die Kaiserkrönung ersuchte. Und doch hatte ihm dieser, gegen den in Trient Ludwigs theologische Begleiter als gegen einen Ketzer predigten, mittlerweile (3. April) alle Kirchen- und Reichslehen, insbesondere das Herzogthum Baiern abgesprochen. Am 22. October verkündete er auch Ludwigs Absetzung von der Pfalzgrafschaft und der Kurwürde, ja die Einziehung aller seiner beweglichen und unbeweglichen Güter. In seinem Munde führte L. statt aller Titel fortan nur den Beinamen: der Baier, der ihm geblieben ist, ohne daß man an den Ursprung des Wortes denkt.

[466] Im Laufe der nächsten Monate trafen bei L. auf seine Aufforderung so starke Zuzüge aus Deutschland ein, daß sein Heer auf 4000–5000 Ritter gebracht und eine stattliche Romfahrt ermöglicht wurde. Er eroberte Pisa und zog am 7. Januar 1328 in Rom ein, wo ihn die demokratische Partei mit Jubel empfing. Durch deren Führer, Sciarra Colonna, als den Vertreter des römischen Volkes, ließ er sich zum Staunen der Welt und zum Entsetzen aller streng kirchlich und conservativ Gesinnten am 17. Januar in der Peterskirche die Kaiserkrone aufsetzen. Während Papst Johann gegen ihn das Kreuz predigte und immer neue Verurtheilungen schleuderte, ließ er in einer Volksversammlung auf dem Capitol dessen Absetzung erklären und nach Erlaß eines Gesetzes, wonach der Papst nur in Rom wohnen und ohne Erlaubniß der Römer nicht über zwei Tagereisen von der Stadt sich entfernen dürfe, durch dasselbe Volk einen neuen Papst wählen. Es war ein Minorit, der den Namen Nicolaus V. annahm und um den sich allmählich die Anfänge, aber auch nur diese, einer neuen kaiserlich gesinnten Hierarchie bildeten. Gegen die neapolitanischen Streitkräfte rückte L. erst im Juli, wie von mehr als einer Seite geurtheilt wurde, nach Versäumung des günstigen Zeitpunktes ins Feld. Er eroberte einige Burgen, errang aber nichts Bedeutendes und kehrte bald nach der Stadt zurück. Seit dem Falle Pistojas, der seinen mächtigsten italienischen Bundesgenossen Castruccio zur Heimkehr veranlaßte, traf ihn Schlag auf Schlag: der König von Sicilien ward umsonst erwartet, zwischen Deutschen und Römern und in Ludwigs eigenem Heere zwischen Nord- und Süddeutschen brachen Streitigkeiten aus, am empfindlichsten wirkte die Geldnoth, die trotz der in Rom eingetriebenen Steuern auf die Dauer nicht fernzuhalten war. Am 4. August sah sich der Kaiser genöthigt, unter den Verwünschungen und Steinwürfen des Volkes, das er als Träger der Souveränetät anerkannt hatte, die Stadt zu räumen. Auf dem Marsche gegen Norden ließ er einen Sturm auf Bolsena ausführen, der abgeschlagen ward, und hatte in Corneto eine verspätete Zusammenkunft mit König Peter von Sicilien.

In Pisa, wo L. dann fast ein halbes Jahr verweilte, stießen zu ihm die aus Avignon entflohenen Häupter des Minoritenordens, der General Michael von Cesena und die streitbaren Gelehrten Wilhelm von Occam und Bonagratia von Bergamo. Sie veranlaßten ihn, ein neues Absetzungsurtheil gegen Papst Johann zu proclamiren, nunmehr mit einer Begründung, wie sie dem Standpunkte der Minoriten entsprach. Zugleich verhängte der Gegenpapst über Johann und seine Anhänger den Kirchenbann. Auch auf den Gedanken eines allgemeinen Concils kam man damals zurück. Dasselbe ward nach Mailand berufen, trat jedoch nicht zusammen und wie dieser Plan, scheiterte fast alles, was L. in der letzten Zeit seines italienischen Aufenthaltes unternahm. Insbesondere blieb die im Mai 1329 begonnene Belagerung Mailands, wo Azzo Visconti sich empört hatte, ohne Erfolg. Mittlerweile aber wirkten Tod und Abfall zusammen, die Reihen der italienischen Bundesgenossen zu lichten.

Während eines langen Aufenthaltes in Pavia vollzog L. die unvermeidliche Abfindung mit seinen pfälzischen Neffen, die schon 1326 unter Vermittelung der Habsburger geplant, damals aber nicht zu Stande gekommen war: der am 4. August 1329 mit zwei Söhnen und einem Enkel seines Bruders Rudolf geschlossene Hausvertrag räumte diesen die Pfalz und den später als Oberpfalz bezeichneten Theil des baierischen Nordgaues ein und entschied auf 448 Jahre über die Trennung der Pfalz von Baiern. Das Abkommen ward dadurch erleichtert, daß sich besonders einer der Neffen, Rudolf, schon seit einiger Zeit L. genähert, seinen Romzug mitgemacht hatte und das Jahr vorher von ihm sogar mit der Regierung Oberbaierns betraut worden war. Ludwigs letzte politische That in Italien war ein Bundesvertrag, den er am 11. Januar 1330 in [467] Trient mit Heinrich von Kärnten und Tirol gegen die Söhne Cans della Scala schloß. Ehe der gegen diesen Feind geplante Feldzug ausgeführt werden konnte, bestimmte die Nachricht vom Tode Friedrichs von Oesterreich (13. Jan. 1330) den Kaiser zur Rückkehr nach Deutschland.

Die schwierigsten Verhältnisse erwarteten ihn hier. Wiewol er auch in kirchlichen Kreisen Freunde und Bundesgenossen hatte und besonders die Mehrzahl der Domcapitel, die ihr Wahlrecht durch den Papst beseitigt sahen, die Bettelorden der Minoriten und Augustiner-Eremiten und die beiden Ritterorden ihm wohlgesinnt waren, so konnte es nicht fehlen, daß die päpstlichen Processe an vielen Orten Befolgung fanden und das Interdict gewaltigen Eindruck machte. L. versuchte es dagegen anfangs mit Strenge; er befahl alle widerstrebenden Kleriker abzusetzen und ihre Güter einzuziehen. Anderseits sollte alle Welt in einer Fülle von Gunstbeweisen, die er dem Clerus und den Klöstern seiner baierischen Lande zuwandte, seine kirchliche Gesinnung erkennen. An der Stelle, wo er sein Baiern zuerst wieder betrat, gründete er das Kloster Ettal für Benedictinermönche und 13 invalide Ritter sammt deren Frauen; wie für den Bau der Klosterkirche der Gralstempel, scheint ihm für die letztere Einrichtung die Tafelrunde der Gralsritter als Muster vorgeschwebt zu haben. Indessen bot der Papst alles auf, die Wirksamkeit des gebannten Fürsten lahm zu legen und griff selbst in die Regierung des Reiches ein, indem er Belehnungen vornahm und Reichstage ausschrieb. Sein Verbot, die von L. angesagten zu besuchen, hinderte jedoch nicht, daß L. im Mai oder Juni 1330 die Fürsten auf einem Tage in Speier um sich versammeln konnte. Einen gefährlichen Bund, der sich unter päpstlicher Förderung gegen ihn gebildet hatte und der die Herzoge von Oesterreich, Heinrich den älteren von Niederbaiern, die Bischöfe von Straßburg, Basel und Constanz umfaßte, vermochte L. bald zu sprengen. Am 20. März 1330 trat sein Vetter Heinrich in Augsburg mit ihm in ein Bündniß; gegen Ende Mai kam Otto von Oesterreich mit ihm in Worms zusammen, wo auch der Böhmenkönig und dessen Bruder Balduin sich einfanden. Das wichtigste Ergebniß der Zusammenkunft war ein Versuch, L. mit der Curie auszusöhnen; aber wiewol sich dieser zu Reue- und Unterwerfungserklärungen und zum Widerruf aller seiner Schritte gegen Papst Johann verstand, erfolgte eine schroffe Abweisung. Der klägliche Ausgang der von L. aufgestellten Gegenhierarchie war längst entschieden, als sich im August 1330 ihr Haupt, der Gegenpapst Nicolaus V., mit einem Stricke um den Hals dem Papst Johann zu Füßen warf, und dieser Erfolg rief bei der Curie ein triumphirende Siegesgefühl hervor. Die Aussöhnung Ludwigs mit Oesterreich wurde durch einen Streit um Colmar nochmals verzögert, kam aber, nachdem L. mit starker Macht in das Elsaß gezogen war, am 6. August zu Hagenau unter Vermittelung Johanns von Böhmen zu Stande. Das Jahr darauf gelang es L., das Werk der inneren Einigung durch einen Ausgleich mit der Stadt Regensburg und einen Landfrieden für Baiern und Ostschwaben weiter fortzusetzen.

Für den Landfrieden in Oberdeutschland hat L. auch später unermüdlich und erfolgreich gewirkt, wobei er im Anschlusse an die Landfriedensbündnisse seinem zweiten Sohne Stephan in Schwaben eine feste Stellung zu gründen verstand. Ueberhaupt gewährt der Blick auf seine Thätigkeit im Innern erfreulichere Bilder als die Betrachtung seiner äußeren Politik. Es zeugt von seiner Einsicht, daß er im Reiche wie in seinen Erblanden als Freund der Städte sich erwies und städtisches Wesen überall zu heben suchte. München insbesondere verdankte ihm einen neuen Aufschwung seines Salzhandels, ersprießliche baupolizeiliche Vorschriften und in dem jetzt sogenannten Altenhof mit dem berühmten vorspringenden Erker und der anstoßenden Lorenzkirche stattliche Neubauten. [468] Hinsichtlich der Juden theilte L. die grausamen Rechtsanschauungen seiner Vorgänger im Reiche, wie er denn in einer seiner Urkunden aussprach, er dürfe mit ihrem Leib und Gut thun und schaffen, was ihm gutdünke. In der Praxis erwies er ihnen gleichwohl ein Wohlwollen wie wenige Fürsten des Mittelalters, geleitet wahrscheinlich nicht nur von der Sorge für eine ergiebige Finanzquelle, sondern auch von einsichtsvoller Verachtung des wüsten Pöbelgeschreis. In Würzburg, Ueberlingen, Elsaß schützte er die Juden bei ausgebrochenen Verfolgungen, in seiner eigenen Hauptstadt erstickte er (1346) die der Judenschaft durch eine Volksbewegung drohende Gefahr im Keime. Handel, Verkehr und Landwirthschaft dankten ihm manche glückliche Anordnung. Er erließ wiederholt Befehle gegen den immer noch nicht ausgerotteten Unfug der Grundruhr, d. i. des Strandrechtes, wies das Kloster Oberaltaich an, der Donau zur Sicherung der Anwohner ein neues Bett zu graben und fand Zeit, der Bewirthschaftung seiner eigenen Güter eine gewisse Aufmerksamkeit zu widmen. Am ruhmvollsten erscheint er als Gesetzgeber in seinen baierischen Landen. Ohne Mitwirkung der Landstände, die unter seiner Regierung überhaupt nicht mehr die frühere Rolle spielten, gab er seinen Landen, zum ersten Male seit dem alten Volksrechte, eine organische Gesetzgebung in dem Stadtrechtbuche (wahrscheinlich 1334) und dem Landrechte für Oberbaiern, das 1336 schon in Kraft stand, das er dann 1346 umarbeiten und durch seine Söhne publiciren ließ. Der territoriale Charakter dieser Gesetzgebung, die von der Einwirkung römischen Rechts nur schwache Spuren zeigt, sicherte ihr große Beliebtheit und ihr dankte Baiern, daß dort länger als anderwärts das einheimische Recht dem römischen Widerstand leistete. Auch den Gebrechen der Rechtspflege an den königl. Hofgerichten suchte er abzuhelfen, indem er diese 1342 anwies, nur nach den Reichsgesetzen und nach den deutschen Rechten, soweit sie niedergeschrieben waren, zu richten. Unter ihm zuerst hat die deutsche Sprache die lateinische als Ausdrucksmittel der königlichen Kanzlei in allen deutschen und weltlichen Angelegenheiten fast völlig verdrängt; indem er so der erste deutsche Herrscher war, von dem deutsche Urkunden in großer Menge ausgingen, hat er der baierischen Mundart einen entscheidenden Einfluß auf die spätere Ausbildung einer allgemeinen deutschen Schriftsprache verschafft. Für die Entwickelung des geistigen Lebens aber ist es nicht ohne Bedeutung geblieben, daß unter seinem Schutze Gelehrte, wie Marsiglio und Occam, ihre kühnen kirchenpolitischen, reformatorischen und staatsrechtlichen Schriften ausgehen lassen durften.

Italien hatte L. nur mit dem Gedanken verlassen, bald dahin zurückzukehren; drei Mal setzte er schon während des J. 1330 einen Termin dafür an. Da kam ihm Johann von Böhmen zuvor, rückte über die Alpen, unterwarf sich viele Städte und Burgen und schloß mit einem päpstlichen Legaten (17. April 1331) zu Piumaccio einen Vertrag, wonach er einige italienische Herrschaften vom Papste zu Lehen zu nehmen und L. nicht mehr als König und Kaiser anzuerkennen versprach. Der ehrgeizige Lützelburger hat es sein Leben lang nicht vergessen, daß sein Vater die Kaiserkrone getragen und daß es nur an seinem jugendlichen Alter gelegen, wenn nicht er, sondern L. gegen Habsburg als Kandidat aufgestellt worden war. Schon 1323 hatte er am französischen Hofe Verhandlungen geführt, die ihm die Kaiserkrone verschaffen sollten. Seine Verstimmung gegen L. war gewachsen, seit dieser den ersten und wichtigsten Schritt zur Erwerbung der wittelsbachischen Hausmacht gewagt und seinen ältesten Sohn Ludwig (1324) mit der erledigten Mark Brandenburg belehnt hatte. Auf einem Reichstage zu Nürnberg im Frühjahr 1331 klagte jetzt L. bitter über Johann, ernannte Otto von Oesterreich für den Fall seiner Abwesenheit zu seinem Statthalter in Deutschland und brachte ein gegen Böhmen gerichtetes Bündniß zu Stande. König Johann ward hierdurch und durch den Einfall von Polen und [469] Ungarn in sein Land zur Rückkehr aus Italien veranlaßt. Er war noch nicht geneigt, die Dinge bis zum völligen Bruch mit dem Kaiser zu treiben und eine Zusammenkunft der beiden Herrscher auf einer Donauinsel bei Regensburg endete mit ihrer Aussöhnung und mit dem Beschlusse, bei der Curie einen neuen Aussöhnungsversuch zu machen, der jedoch wiederum scheiterte. Im December 1331 wurden in Frankfurt wichtige Berathungen zwischen L., Johann, Balduin und anderen Fürsten abgehalten und der mittlerweile wieder gefährdete Frieden zwischen L. und Johann befestigt. In Niederbaiern hatten L. und Johann eine Landestheilung zwischen den drei Herzogen, dadurch aber keinen dauerhaften Frieden vermittelt. Im Sommer 1332 kam es zum Kriege. Der Kaiser unterstützte Otto und Heinrich den jüngeren gegen Heinrich den älteren und belagerte Straubing, bis Erzbischof Balduin in Nürnberg den Frieden vermittelte.

In Norddeutschland, zu dessen Besuche L. nie gekommen ist, hat er auch wenig eingegriffen, doch war sein königlicher Einfluß auch dort durch persönliche Verbindungen gedeckt und erweitert, da sein ältester Sohn, dem eine dänische Heirath Rückhalt bot, mit Brandenburg belehnt, seine Tochter Mechtild mit dem Markgrafen Friedrich von Meißen vermählt war. Durch ein Abkommen mit Otto von Braunschweig hatte er Brandenburg den Rückerwerb der Altmark gesichert, später die Stellung seines Sohnes durch eine Erbverbrüderung desselben mit den Wettinern in Meißen befestigt. Das Fürstenthum Rügen erklärte er 1327 von Trient aus ohne Rücksicht auf die dänischen Ansprüche für ein Reichslehen und belehnte damit seinen getreuen Berthold von Henneberg.

Eine jener überraschenden Wandlungen, an denen Ludwigs Politik so reich ist, bezeichnete es, daß L. im November 1333 zu Rothenburg an der Tauber zu Gunsten Heinrichs des älteren von Niederbaiern auf das Reich verzichten zu wollen erklärte, sobald zwischen ihm und dem Papste eine Aussöhnung erzielt wäre. Ein Theil der Kurfürsten war für den Plan gewonnen, den Johann von Böhmen ausgeheckt und mit König Philipp von Frankreich besprochen hatte. L. sollte hiernach zum Verzicht auf die deutsche Krone bestimmt werden, diese an Niederbaiern, Arelat dafür an Frankreich fallen, König Philipp aber um diesen Preis Johanns Herrschaft in Oberitalien anerkennen. Indeß gewann bei L. bald eine andere Stimmung die Oberhand. Während ihn Heinrichs Voreiligkeit, der bereits von Reichsstädten die Huldigung verlangte, reizte, sah er sich zugleich in der Opposition gegen den Papst weniger isolirt, als dieser durch eine zweite dogmatische Neuerung neuen theologischen Widerspruch gegen sich hervorrief, der sogar von einer Spaltung im Cardinalscollegium begleitet war. L. ließ jetzt den Plan der Thronentsagung fallen, den er in einem Rundschreiben an die Städte geradezu ableugnete, und knüpfte durch einen Minoriten mit Napoleon Orsini, dem Führer der Johann widerstrebenden Cardinalspartei, Unterhandlungen an. Ehe diese jedoch zur Reife gediehen, trat mit dem Tode Papst Johanns (4. December 1334) und der Wahl Benedicts XII. an der Curie eine veränderte Constellation ein. Im Reiche hatte L. mittlerweile einen entschiedenen militärischen Mißerfolg erlitten, da er auf einem Feldzuge gegen den päpstlich gesinnten Bischof Nicolaus von Constanz dessen Feste Meersburg am Bodensee in langer Belagerung (Mai bis Ende August 1334) nicht bezwingen konnte.

Mit dem neuen Papste nahm L. hoffnungsvoll die Unterhandlungen wieder auf. Benedict verlangte von ihm ein Bekenntniß der Reue über alle seine Schritte gegen die Kirche und zur Sühne dieser Vergehungen die Gelöbnisse eines Kreuzzuges, von Kirchen- und Klostergründungen, Almosen und Wallfahrten. Die theologischen Gegner Papst Johanns, die noch an Ludwigs Hofe weilten und unter seinem Schutze zum Theil eine eifrige litterarische Thätigkeit [470] entfalteten, sollte er, falls sie nicht mit ihm der Curie sich unterwürfen, ausrotten. Daß seine Kaiserkrönung als ungültig betrachtet und ihm eine neue auferlegt wurde, war demüthigend, indessen selbstverständlich; eine noch tiefere Demüthigung aber lag darin, daß er versprechen sollte, Rom noch am Krönungstage selbst zu verlassen. Alles, was frühere römische Könige der Curie gelobt, sollte er neuerdings beschwören, alle Urtheile gegen Robert von Neapel dagegen widerrufen, ja mit diesem Reichsfeinde ein Bündniß und einen Ländertausch eingehen, endlich geloben, den Kirchenstaat in dem vom Papste beanspruchten Umfange unangetastet zu lassen. So hart dies alles war, stellte doch L. seinen Gesandten Vollmachten dieses Inhalts aus. Schon erwartete man, daß die päpstliche Absolution ausgesprochen würde, aber im letzten Augenblick gelang es dem Einflusse des Königs von Frankreich, sie zu hintertreiben. Auch der Böhmenkönig und dessen niederbaierischer Schwiegersohn arbeiteten in Avignon, wie es scheint, in dieser Richtung. Heinrich der ältere von Niederbaiern war gegen den Kaiser erbittert, da dieser nach dem Tode Otto’s von Niederbaiern auf Grund eines Vermächtnisses dieses Fürsten dessen Laudesantheil besetzt hatte. Ebenso sah Johann von Böhmen durch den Kaiser seine Hoffnung auf ein reiches Erbe durchkreuzt. Nach dem Tode Heinrichs von Kärnten-Tirol forderte er, daß dessen Länder an seinen Sohn Johann Heinrich fielen, der mit der Tochter des verstorbenen Fürsten vermählt war. L. aber mochte den Lützelburgern eine Landerwerbung nicht gönnen, die zur Folge gehabt hätte, daß ihre Macht Baiern im Nordosten und Süden umklammerte. Da er Heinrichs Lande als Reichslehen betrachtete, hatte er schon im November 1330 ein Abkommen über ihre Theilung mit den Habsburgern getroffen und einigte sich jetzt in Linz mit diesen dahin, daß sie Kärnten und Südtirol, seine Söhne dagegen Nordtirol erhalten sollten. Hatte der Böhmenkönig bisher L. gegenüber immer wieder eingelenkt, so fand er jetzt den Kelch der Kränkungen gefüllt bis zum Ueberlaufen. Während sein Sohn, Markgraf Karl von Mähren, den Wittelsbachern zuvorkommend, sich in Tirol festsetzte, griff er selbst im Februar 1336 die österreichischen Herzoge an. Im Juli rückte auch L. an der Spitze eines der stärksten Heere, die er je befehligt hatte, ins Feld. Er vollzog seine Verbindung mit Otto von Oesterreich und lagerte mit diesem bei Landau an der Isar den Böhmen und Niederbaiern gegenüber. Ein Versuch Karls von Mähren, von Tirol aus ebenfalls dahin durchzudringen, ward durch den Widerstand Ludwig des Brandenburgers bei Kufstein vereitelt. Bei Landau aber kam es nicht zum Schlagen, zu Anfang September brach der Kaiser sein Lager ab und rückte über Passau nach Linz, um in Böhmen einzufallen. Dorthin zog sich zum Schirme seines Landes auch Johann zurück. Da aber der Kaiser, um doch auch einen Vortheil davonzutragen, von den Habsburgern, die Kärnten ohne Schwierigkeit in ihren Besitz gebracht hatten, die Abtretung von vier Burgen im Donau- und Ennsthale begehrte und die Herzoge dieses Ansinnen entschieden zurückwiesen, trat eine Verstimmung zwischen den Verbündeten ein, die den Kaiser zum Rückzuge bestimmte, anderseits eine Annäherung Johanns an die Oesterreicher erleichterte: am 9. October kam zu Enns ein Bündniß zwischen diesen Mächten zu Stande. Während so L. ohne Nutzen mit allen Mächten im Osten sich überworfen hatte, mußte er nach der Rückkehr seiner Gesandten von Avignon auch seinen Aussöhnungsversuch bei Papst Benedict definitiv als gescheitert betrachten.

Unter dem Eindrucke dieses doppelten Mißlingens näherte er sich Frankreich und ließ durch seinen Schwager Wilhelm von Jülich in Paris geloben, daß er dem König Philipp nie zu Schaden handeln wolle. In Verbindung damit ward ein neuer Versuch bei der Curie unternommen. Doch König Philipp wie der Papst zweifelten an Ludwigs Aufrichtigkeit und bald erkannte dieser, daß auch sein Entgegenkommen gegen Frankreich ihn dem Ziele seiner Wünsche nicht [471] näher brachte. Eine vollständige Schwenkung in seiner Politik trat jetzt ein, König Eduard III. von England, der mit einer Schwester der Kaiserin vermählt war, erhob Ansprüche auf den französischen Thron und drohte Frankreich den Krieg. Durch englische Gold gewonnen, hatten sich ihm mehrere deutsche Herren bereits verbündet und am 23. Juli 1337 schloß auch L. mit englischen Bevollmächtigten einen Vertrag, worin er sich verpflichtete, gegen eine Anweisung von 300 000 Goldgulden binnen zweier Monate 2000 Helme zu stellen. Er sprach die Absicht aus, zurückzuerobern, was die französischen Könige dem Reiche abgedrungen, und rüstete mit Macht gegen Frankreich. Immerhin brach er die Unterhandlungen mit diesem, die auch König Eduard noch längere Zeit fortsetzte, noch nicht so bald ab, faßte auch dazwischen, im Winter 1337 auf 38, wieder einmal einen italienischen Feldzug ins Auge. In den Kreisen der Reichsstände vollzog sich mittlerweile für ihn die günstigste Wendung. Nachdem er nämlich mit den Bischöfen des Reichs in Speier getagt und sie durch seine Erklärungen über den Kirchenstreit zufrieden gestellt hatte, legten diese ebenso wie die Reichsstädte, bei der Curie Fürbitten für ihn ein. Sie wurden ungnädig abgewiesen und nun traten, auf Versammlungen zu Lahnstein und Rense, die Kurfürsten zum ersten Male für ihren bedrängten Kaiser ein, indem sie die Erklärung erließen, nach Recht und Herkommen berechtige die Wahl, auch wenn sie nur von einer Mehrheit ausgegangen sei, den Gewählten, auch ohne Zustimmung und Bestätigung des Papstes, ohne weiteres zur Verwaltung des Imperiums (15. und 16. Juli 1338). Auf einem Reichstage zu Frankfurt berichtete L. den Ständen über seine Unterhandlungen mit der Curie und erließ Gesetze, worin die Ansprüche des Papstthums zurückgewiesen und die Rechte des von den Kurfürsten Gewählten festgesetzt wurden. Am 31. August traf L. in Koblenz mit König Eduard zusammen. In feierlicher Gerichtsversammlung sprach er dem Engländer das französische Königreich zu, zugleich ernannte er ihn zum Reichsverweser in Deutschland und empfing dafür seine Huldigung.

Eine Reihe von glücklichen Folgen knüpfte sich an die Ereignisse dieses Sommers. Nicht nur, daß sich die Lage im Innern besserte, daß fast aller Orten im Reiche der Gottesdienst wieder aufgenommen und die päpstlichen Urtheile nicht weiter beachtet wurden, auch Ludwigs Verhältniß zu den Nachbarn gestaltete sich günstiger als je. Wol nahmen am Rheine die Bischöfe von Straßburg und Basel noch eine so entschiedene Oppositionsstellung ein, daß sie L. im Sommer 1339 durch seinen Sohn Stephan und den Pfalzgrafen Rudolf bekriegen ließ, aber Niederbaiern und Böhmen versöhnten sich mit ihm, wie Habsburg schon vorher gethan hatte. Durch ein Angriffsbündniß Ludwigs mit den Oesterreichern bedroht, schloß Heinrich von Niederbaiern am 16. Februar 1339 in Ingolstadt mit L. Frieden und vermählte seinen einzigen Sohn Johann mit des Kaisers Tochter Anna. Auf Grund dieses Ehebündnisses fiel dann Niederbaiern, als Herzog Heinrich und sein Sohn bald nach einander starben (der letztere am 20. December 1340), an den Kaiser, der das neuerworbene Land im Januar 1341 bereiste und, soviel an ihm lag, Sorge trug, daß Ober- und Niederbaiern fortan ungetheilt bleiben sollten. Auch ein Theil der pfälzischen Lande kam bald darauf unter Ludwigs Verwaltung, da Kurfürst Rudolf, von Schulden bedrängt, diesem am 2. Juli 1341 zu Frankfurt sein Territorium übergab. Johann von Böhmen hatte in Frankfurt am 20. März 1339 seinen Frieden mit L. geschlossen, freilich unter Bedingungen, die für ihn günstiger waren als für den Gegner. Erst jetzt ließ er sich von L. belehnen, dafür blieb Tirol seinem Hause, auch verzichtete er nicht auf sein französisches Bündniß. Mit Habsburg befestigte der Kaiser auf einer Zusammenkunft mit Herzog Albrecht zu Reichenhall im Mai 1339 alte Bande aufs neue; dieser Bund [472] behauptete sich; so lange die beiden Fürsten lebten, und gewährte L. eine unschätzbare Stütze. Dagegen war es wohl Ludwigs Schuld, wenn die an das englische Bündniß und den Aufschwung von Koblenz geknüpften Hoffnungen sich in keiner Weise erfüllten. Als König Eduard im Sommer 1339 den Feldzug gegen Frankreich eröffnete, stieß zwar Ludwig der Brandenburger zu ihm, der Kaiser aber ward umsonst erwartet und seine Hülfstruppen, wenn er überhaupt solche stellte, blieben jedenfalls weit hinter seinem Versprechen zurück. Bei der lebhaften Kriegsstimmung gegen Frankreich ward sein Versagen im Reiche auf’s ungünstigste beurtheilt. Aber es blieb nicht bei der Unthätigkeit gegen den französischen Nachbarn. Als König Philipp nach seiner Niederlage bei Sluys dem Kaiser Entgegenkommen zeigte, ließ sich dieser für ein französisches Bündniß gewinnen, das am 24. Januar 1341 in Vilshofen beurkundet wurde, und widerrief auf einem Reichstage zu Frankfurt im Juli des englischen Königs Reichsvicariat. Entscheidend war auch für diese Wendung Ludwigs der Gedanke, der seine hohe Politik seit Jahren an erster Stelle beherrschte: die Aussöhnung mit der Curie. Doch da eben damals eine Spannung zwischen den alten Freunden, den Höfen von Paris und Avignon, eingetreten war, hatte L. sein Mittel zur Unzeit angewendet.

In den Kreisen der deutschen Fürsten waren die letzten Jahre über immer wieder Pläne einer neuen Königswahl aufgetaucht, ohne daß einer derselben für L. drohende Bedeutung gewonnen hätte. Nun aber ward von L. selbst eine große Gefahr, das letzte und tödtliche Zerwürfniß mit den Lützelburgern heraufbeschworen, als sich seinem Hause unvermuthet die zwei Mal zerronnene Aussicht auf Tirol nochmals eröffnete. Der Lützelburger Johann Heinrich hatte zugleich mit der Erbitterung der Tiroler Landherren den leidenschaftlichen Widerwillen seiner Gemahlin Margarethe Maultasche auf sich geladen. Eine erste Verschwörung gegen ihn war gescheitert, eine zweite im November 1341 hatte um so besseren Erfolg und vertrieb ihn aus dem Lande. Daß L. um den Plan der Verschworenen wußte, ist möglich, jedoch nicht zu erweisen. In München beredeten nun Vertreter des Tiroler Adels mit ihm, daß sein ältester Sohn, der verwittwete Markgraf Ludwig der Brandenburger, mit der Hand Margarethens, die ihn zum Gemahl wünschte, Tirol erhalten sollte. Als alter Bestandtheil und natürliche Ergänzung der baierischen Lande, die er schon einmal fast in Händen gehabt, als die Brücke zu Italien, wohin sein Herz zu verlangen nicht aufhörte, hatte Tirol für den Kaiser einen Werth, der es begreiflich macht, wenn er dieses Gewinns halber über viele Rücksichten sich hinwegsetzte. Ludwig der Brandenburger widerstrebte zuerst, gab aber dann dem Drängen des Vaters nach und am 10. Februar 1342 ward auf Schloß Tirol seine Vermählung mit Margarethe gefeiert. Deren erste Ehe ward als Scheinehe und darum als nichtig betrachtet, nach dem Rathe Occams, der, ebenso wie Marsiglio, dem Kaiser ein Gutachten über die Frage ausgearbeitet hatte, wie das in dieser Ehe liegende gewichtige Hinderniß beseitigt werden könnte. Ludwigs Vorgehen erregte gewaltigen Anstoß. Unter seinem Eindruck standen die Kurfürsten, als sie sich im Juni 1343 in Rense zu Berathungen versammelten, deren Eröffnung dem Kaiser sicherlich nichts Gutes verhieß. Unerwartet erschien dieser selbst in Mitte der Versammlung und nochmals gelang es seiner natürlichen Beredsamkeit und Gewandtheit, die Aufregung einigermaßen zu beschwichtigen. Als er dann im Januar 1344 bei Unterhandlungen, die er von Cham aus mit dem in Tauß weilenden Karl von Mähren führte, dem Lützelburger die Abtretung der Lausitz und andere Vortheile zur Entschädigung bot, fehlte nicht viel, daß er auch diesen Gegner umstimmte; schon stand der Ausgleich nahe, als eine Botschaft seines Vaters Karl bewog, die Unterhandlungen abzubrechen und nach Avignon zu [473] gehen, wo König Johann mit dem Papste Clemens VI. ein Bündniß gegen L. geschlossen hatte.

Von diesem neuen Oberhaupte der Kirche, dem früheren Erzieher Karls, konnte L. nichts Gutes erwarten. Nachdem er sich durch entschiedeneres Auftreten, das er ihm gegenüber anfangs versucht, nur einen neuen Proceß zugezogen hatte, entschloß er sich bald, zur früheren Nachgiebigkeit zurückzukehren und nahm unter eidlicher Bekräftigung die 28 Artikel an, die ihm Clemens VI. vorlegen ließ und die gegenüber den Bedingungen von 1335 noch einige Verschärfungen aufwiesen. Der Nachlaß, um den er in einigen wichtigen Punkten durch eine im Spätherbst 1343 nach Avignon abgeordnete Gesandtschaft nachsuchte, ward ihm um so weniger gewährt, als der Papst bereits seine Augen auf Karl als neuen römischen König geworfen hatte. Vergebens hatte L. in seinen baierischen Landen Fasten und Bittgänge angeordnet, um Gott inbrünstig um einen guten Ausgang der Verhandlungen zu bitten. Die Bedingungen des Papstes hatte er den Ständen des Reichs mitgetheilt, die darüber zu Köln und Frankfurt beriethen. Fürsten wie Städte, mit noch größerer Entschiedenheit die letzteren, erklärten sich dagegen. Nun aber erschienen die Lützelburger, Vater und Sohn, in Deutschland, warben persönlich gegen L. und erhoben gegen ihn auf einer zu Bacharach Mitte September gehaltenen Versammlung stürmische Klagen. Ludwigs Plan ging damals dahin, an seiner Statt seinen ältesten Sohn zum König wählen zu lassen, aber die Mißstimmung der Fürsten machte die Ausführung unmöglich. Auch alte Anhänger Ludwigs, wie Balduin von Trier, sein Schwiegersohn Friedrich von Meißen, sein Neffe Ruprecht von der Pfalz, fielen in diesen Tagen von ihm ab. Anderseits konnte doch die lützelburgische Partei die Neuwahl, die sie plante, jetzt noch nicht durchsetzen; L. trieb mit starker Heeresmacht seine Gegner auseinander. Bald sahen sich die Lützelburger im Osten durch einen mächtigen Bund von Feinden bedrängt, dessen Urheber wohl L. war. Besonders eng schloß sich damals an den Kaiser der junge König Ludwig von Ungarn an; er plante eine wittelsbachische Heirath für seinen Bruder Stephan. Johann war eine Zeit lang in arger Klemme und knüpfte mit L. Unterhandlungen an, die diesmal nur am Widerstreben seiner Söhne scheiterten. Mittlerweile war L. nochmals ein reicher Landgewinn zugefallen: nach dem Tode des kinderlosen Grafen Wilhelm IV. von Holland konnte er (15. Januar 1346) zu Nürnberg seine Gemahlin, des Verstorbenen Schwester, mit Holland, Seeland und der Herrschaft Friesland belehnen. Als Erben dieses Besitzes ersah er seinen vierten Sohn Wilhelm und eventuell den fünften, Albrecht.

Bei der Curie hatte L. durch alle Demüthigungen und trotz der Empfehlungen mancher Fürsten nichts erreicht. Zu Ostern 1345 ging seine letzte Gesandtschaft nach Avignon. Der Papst tadelte seine Unbeständigkeit und steigerte seine Verurtheilungen auf das äußerste in den entsetzlichen Flüchen, die er in alttestamentarischem Stile am 13. April 1346 über L. aussprach. Auf seinen Betrieb erfolgte auch am 11. Juli 1346 die Wahl Karls von Mähren zum römischen König. Fünf Wähler waren dazu mit Mühe zusammengebracht worden, die Nation aber, unbeirrt durch die päpstliche Verfluchung, stand in so überwiegender Mehrheit zu L., daß Karl anfangs gar keinen Versuch wagte, in Deutschland Fuß zu fassen, sondern gleich von der Wahl weg nach Frankreich ging. L. hatte im Frühjahr 1346 Schwaben besucht, sich dort einiger adelicher Bundesgenossen versichert und von den Reichsstädten, besonders dem rheinischen Städtebunde Hülfsversprechen erlangt. Anfangs Juni ging er nach Tirol und wollte in Trient mit dem König von Ungarn und dem Herrn von Verona über einen neuen italienischen Zug berathen, doch ward die Zusammenkunft vereitelt. Als in Bozen römische, mailändische und veronesische Gesandte bei ihm nochmals auf die Aufstellung eines neuen Gegenpapstes drangen, schien er trotz dem [474] üblen Ausgange des ersten Versuches nicht abgeneigt, ihrem Wunsche zu willfahren. Im August berieth er in Frankfurt mit den Reichsständen, in Speier mit den Städten. Im Januar 1347 besuchte er den erprobten Freund, Herzog Albrecht in Wien. Mit dem König von England wurden jetzt die Unterhandlungen wieder aufgenommen, in Deutschland aber mit Eifer und Erfolg gerüstet. Einen Versuch Karls, Tirol wieder zu gewinnen, vereitelte der rasch herbeigeeilte Markgraf Ludwig, dem sein Vater auf dem Fuße folgte, mit blutigen Schlägen. Und wie in Tirol blieben die wittelsbachisch Gesinnten auch bei den ersten Waffengängen in Schwaben und am Mittelrhein Sieger; besonders in Schwaben errang Ludwigs Sohn Stephan große Erfolge. Im October 1347, da Karl in Böhmen an der Spitze eines Heeres gegen Baiern sich in Bewegung setzte, schien der Entscheidungskampf zu nahen; da raffte L. am 11. October unerwartet der Tod hinweg. Er hatte sich des Morgens unwohl gefühlt und war, von der frischen Herbstluft Besserung hoffend, von München auf die Bärenjagd ausgeritten. In der Nähe des Klosters Fürstenfeld, beim Dorfe Puch, sank er, wahrscheinlich vom Schlage gerührt, plötzlich vom Pferde und verschied gleich darauf in den Armen seiner Begleiter. Seine letzten Worte waren ein Anruf an die Mutter Jesu, der zu Ehren er Ettal gestiftet: „Süße Künigin, unser Fraue, bis bei meiner Schidung!“ Die Todesstätte, die ein unbedeutendes neueres Denkmal bezeichnet, heißt seitdem der Kaiseranger. Später traten Vergiftungsgerüchte auf, ohne daß man ihnen Bedeutung beilegen dürfte; sie knüpfen meist an die Thatsache an, daß L. am Tage vor seinem Tode den Besuch der aus den vorderen habsburgischen Landen nach Wien zurückreisenden Herzogin Johanna von Oesterreich empfing und noch fröhlich mit ihr tafelte. L. hatte sich übrigens auf den Rath Peters von Mainz angewöhnt, als Mittel gegen Vergiftung nüchtern jeden Tag eine Arznei zu nehmen. Er hatte deren zweierlei, mit denen er Tag um Tag wechselte und die anfangs ihr Erfinder, der königl. Leibarzt Johann von Göttingen, später L. selbst sich bereitete. Nur dieser Vorsicht schrieb es Johann von Göttingen zu, daß der Kaiser aus Italien, wo er ja gewaltige Mengen von Gift verschluckt habe, heil zurückgekehrt sei. In der Frauenpfarrkirche zu München, an der Seite seiner ersten Gemahlin Beatrix, ward Ludwigs Leiche zur Ruhe bestattet.

Beatrix, eine geborene Herzogin von Schlesien, war einige Wochen vor der Mühldorfer Schlacht gestorben. Am 25. Februar 1324 hatte L. dann in Köln Margarethe von Holland als seine zweite Gattin heimgeführt. Ein voller Kreis blühender Kinder, sieben Söhne, von denen der jüngste erst nach des Vaters Tode das Licht der Welt erblickte, und 10 Töchter waren diesen beiden glücklichen Ehen erwachsen.

Als Ludwig der Brandenburger 1359 vom Kirchenbanne losgesprochen ward, regte er auch die Absolution seines verstorbenen Vaters an, ohne jedoch, wie es scheint, mit seinem Begehren durchzudringen. Wenigstens erklärte der Diöcesanbischof Paul von Freising, an den er sich deshalb wandte, zu einer solchen Maßregel nicht ermächtigt zu sein und rieth, zu diesem Zwecke eine besondere Gesandtschaft an die Curie abzuordnen; ja es wird berichtet, daß der Bischof die an geweihter Stelle ruhende Leiche des Kaisers damals ausgraben lassen wollte und nur durch den Markgrafen daran verhindert wurde. Schließlich indessen ward Ludwigs Lossprechung vom Banne durch einen seiner Nachkommen, wie es scheint, erwirkt; Zeit und Umstände dieses Ereignisses aber bedürfen noch der Aufklärung.

Der in der Münchener Frauenkirche befindliche Grabstein des Kaisers, der ihn in vollem Ornate sitzend zeigt, wurde unter Herzog Albrecht III. 1438 durch Meister Hans den Steinmeißel gemeißelt. Das schöne Erz- und Marmordenkmal, [475] das über ihm sich erhebt, brachte 1622 Kurfürst Max I., dessen Vorgänger Albrecht V. und Wilhelm V. bereits den Plan gehegt hatten, zur Ausführung, derselbe Fürst, der trotz seiner glühenden kirchlichen Gesinnung eifrig bemüht war, das Andenken seiner kaiserlichen Ahnen auch durch die Geschichtschreibung ehren zu lassen.

Urkunden: Böhmer, Regesten Kaiser Ludwigs, dazu drei Additamenta, das letzte von Ficker bearbeitet; Ergänzungen zu Ludwigs Itinerar von Häutle, Forschungen f. d. Gesch., XIII; Böhmer-Ficker, Acta imp. selecta, S. 481 bis 561, 716 ff., 800 ff.; Ficker, Urk. z. Geschichte des Römerzuges Ludwigs; Münchener Urkunden von Riezler, Forschungen, XX; vatikanische Urkunden in v. Löher’s Archiv. Zeitschrift, V, VI und bei Preger (s. unten). Eine weitere Publication vatikanischen Materials steht bevor. –
Untersuchungen und Darstellungen: Eine gleichzeitige Biographie, die Vita Ludovici IV. imp., wahrscheinlich von e. baier. Augustinerchorherrn verfaßt, ist veröffentlicht bei Böhmer, Fontes, I. Gewold, Defensio Ludovici; Herwart, Ludovicus IV. imp. defensus (wirklicher Verfasser ist der Jesuit Keller); Nic. Burgundus, Ludov. Bavarus; Baumann, Voluntar. imperii consortium inter Lud. et Frid.; Wideburg, Examen consortii imp. inter Lud. et Frid.; Lipowsky, Hist. Prüfung der Frage, ob Ludwig mit Friedrich gemeinschaftlich geherrscht habe; Olenschlager, Erläuterte Staatsgeschichte; Lang, Beytrag z. Geschichte Ludwigs des Baiern aus der Gesch. der Grafen von Oetting. Durch eine Preisaufgabe der Münchener Akademie wurden hervorgerufen die Biographien Ludwigs von Sterr (1812), Mannert (1812), Zirngiebl (1814). 1822 erschien eine von Schlett. Kopp, Geschichte der Eidgenössischen Bünde, IV, 2. In der 1882 aus dem Nachlasse Kopp’s und Lütolf’s herausgegebenen Fortsetzung bis 1334 sind die Editionen und Forschungen der letzten acht Jahre nicht berücksichtigt. S. ferner H. Holland, Ludwig der Baier und sein Stift zu Ettal; Pfannenschmid, Ueber die Vorlage der Wahldekrete Ludwigs und Friedrichs und über die Schlacht bei Mühldorf, Forschungen, I, III, IV; Fr. Weber, Ludwig der Baier in der Lombardei; v. Weech, Kaiser Ludwig der Baier und König Johann von Böhmen; Höfler, Aus Avignon; Alf. Huber, Geschichte der Vereinigung Tirols mit Oesterreich; Pauli, Die Beziehungen König Eduards III. von England zu Kaiser Ludwig in den Jahren 1338 und 1839, Quellen u. Erörterungen, VII, 413 ff.; Derselbe, Kaiser Ludwig IV. u. König Eduard III. v. England (Bilder aus Altengland, S. 118 ff.); v. Weech, K. Ludwig u. Papst Clemens VII, Hist. Zeitschrift, XII. 315 ff.; Riezler, Kaiser Ludwig d. Baier, Meister Ulrich d. Wilde u. Meister Ulrich d. Hofmaier v. Augsburg, Forschungen, XIV; Derselbe, Die literarischen Widersacher der Päpste zur Zeit K. Ludwig des Baiern; Stegmann, Vereinigung Kärntens mit Oesterreich; Marcour, Antheil der Minoriten am Kampfe zw. Ludwig u. Papst Johann bis 1328; Döbner, Auseinandersetzung zw. Ludwig u. Friedrich v. Oesterreich 1325; Friedensburg, Ludwig d. Baier u. Friedrich v. Oesterreich vom Vertrage zu Trausnitz bis zur Zusammenkunft in Innsbruck; Heidemann, Peter v. Aspelt; Schötter, Johann v. Luxemburg; Dominicus, Baldewin v. Lützelburg; Frhr. v. d. Pfordten, Studien zu K. Ludwigs oberbayerischem Stadt- und Landrechte; Rockinger, Zur äußeren Geschichte von K. Ludwigs oberbayer. Stadt- und Landrecht, Oberbayer. Archiv, XXIII, und Vorarbeiten zur Textesausgabe des Landrechtes, Abhandlungen der Münchener Akademie, III. Cl. 1868; v. Döllinger, Akadem. Rede über Ludwig d. B., Allg. Ztg., 1875, Beil. Nr. 212, 213; Preger, Der kirchenpolitische Kampf unter Ludwig d. B. u. sein Einfluß auf die öffentliche Meinung in Deutschland; Derselbe, Beiträge u. [476] Erörterungen z. Gesch. d. Deutschen Reichs in den Jahren 1330–34; Karl Müller, Kampf Ludwig des Baiern mit der Curie, 2 Bde.; Höfler, Die romanische Welt und ihr Verhältniß zu den Reformideen des Mittelalters; Preger, Ueber die Anfänge des kirchenpolitischen Kampfes unter Ludwig d. B., 1882; Derselbe, Die Verträge L. d. B. mit Friedrich d. Sch. 1325 u. 1326 (1883); Leupold, Berthold v. Buchegg, Bischof von Straßburg, 1882; Riezler, Geschichte Baierns, II, wo S. 339 u. 500 f. die Litteratur über die Schlacht bei Mühldorf (dazu neuestens Dobenecker, D. Schlacht bei Mühldorf, Mitth. d. Instituts f. österr. Gesch. 1883, 1. Ergänzungsbd.) und über Ludwigs Tod und Begräbniß; Breuer, K. L. d. B. in seinen Beziehungen z. Papst Johann XXII. bis 1327; Fischer, Aug., L. d. B. i. d. J. 1314–1338 (1882); Rohrmann, Die Procuratorien K. L’s; Mühling, Die Geschichte der Doppelwahl d. J. 1314 (1882); Weiland, Der angebliche Verzicht L. d. B. auf das Reich (Göttinger Nachrichten, 1883, Nr. 7). Ueber die Beurtheilung Ludwigs s. auch Kluckhohn, Riezler, Simonsfeld, Allg. Ztg., 1880, Beil. Nr. 363, 1881, Beil. 14, 15, Blätter f. d. bayer. Gymnasialwesen, XVII.