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Artikel „Wilhelm, deutscher König“ von Pieter Lodewijk Muller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 692–697, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wilhelm_von_Holland&oldid=- (Version vom 13. Dezember 2024, 06:02 Uhr UTC)
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Wilhelm, deutscher König, als Graf von Holland W. II., wurde um das Jahr 1228 als ältester Sohn des Grafen Florens IV. von Holland und Seeland (s. A. D. B. VII, 126) und der Mathilde von Brabant geboren. Früh verwaist blieb er unter der Obhut seiner Onkel, zuerst Wilhelm’s, der als Tutor Hollandiae in Urkunden auftritt, nach dessen Tode Otto’s, des Bischofs von Utrecht. 1240 übernahm er, der Sitte gemäß, selber die Regierung. Als Landesherr hat er namentlich durch die Verleihung von Stadtrechten, an Haarlem im J. 1245, an Delft und ’sGravezande im folgenden Jahre, also durch Anschluß an die das Aufblühen der Städte fördernde Bewegung der Zeit, sich hervorgethan, während er durch sein Versäumniß, der Gräfin von Flandern den Lehnseid für Seeland zu leisten, seinen trotzigen Unabhängigkeitssinn bezeugte. Denn dadurch mußte er bald mit der mächtigen Nachbarin in Streit gerathen. Indessen war das Concil von Lyon zusammengetreten; die Excommunication und Absetzung des Kaisers Friedrich II., die Wahl und der Tod des Gegenkönigs Heinrich von Thüringen folgten rasch. Die päpstliche Partei suchte im J. 1247 einen neuen Throncandidaten, und ihre Führer, namentlich der gewaltige Erzbischof von Köln, Konrad von Hochstaden, versuchten vergeblich, einen solchen unter den Niederdeutschen zu finden. Da soll der Herzog von Brabant, der selber die Krone ausgeschlagen hatte, seinen jungen Neffen vorgeschlagen haben, der, jung und ehrsüchtig, das Angebot annahm und auf einem ziemlich unregelmäßigen und dürftig besetzten Wahltage in Woeringen als König ausgerufen wurde. Wahrscheinlich hoffte der Kölner, an dem blutjungen, ziemlich mittellosen und darum ganz von seinen Anhängern abhängigen König ein geeignetes Werkzeug seiner eigenen hochfliegenden Pläne zu finden. Sonst läßt sich kaum ersehen, warum man an ihn gedacht hat. Denn sein Land lag nicht allein weit ab an der Nordsee, an der Westküste des Reichs, sondern war auch klein an Umfang und Mitteln, bei weitem noch nicht die mächtige Grafschaft von hundert Jahren später. Und er selber hatte nichts, was ihn empfehlen konnte, außer seinen Familienverbindungen, denn damals hatte er sich noch in keinerlei Weise hervorgethan. Und wie gering seine Macht war, das zeigt sowol der demüthigende Vertrag, durch welchen er die Anerkennung der Stadt Köln erkaufen mußte, wie der lange Widerstand, den Aachen ihm bot, das erst im folgenden Jahr 1248 nach langwieriger Belagerung durch die von den Kreuzpredigern zusammengebrachten niederrheinischen und friesischen Scharen seine Thore öffnete und ihm so die Gelegenheit bot zur gesetzmäßigen Krönung durch [693] den päpstlichen Legaten und die rheinischen Erzbischöfe. Auch scheint er es namentlich deren eifrigen Bemühungen verdankt zu haben, daß er auch in Westfalen, Lothringen und am Mittel- und Niederrhein keinen Widerstand fand und im Stande war, endlich auch der Pfalz Kaiserswerth Herr zu werden, wenn auch die günstigen Bedingungen, welche der Burggraf sich zu erwirken wußte, verhinderten, daß der Besitz ihm einen Ersatz für Nimwegen bot, das er dem Grafen von Geldern zu verpfänden gezwungen war, und seitdem auf immer dem Reiche verloren ging, als sei die erste Wahl eines Niederländers zum deutschen König zugleich das Zeichen des Verschwindens der deutschen Königsgewalt in den Niederlanden. Und freilich, nichts bezeugt stärker die Hülflosigkeit Wilhelm’s, als die geringe Achtung, welche seine engeren Landsleute ihm bezeigten, seitdem er König geworden war. Und das lag keineswegs an seiner Persönlichkeit, denn so jung er war, W. erwies sich rührig und energisch genug. Aber er war vollständig auf die Unterstützung des Papstes und seiner Anhänger angewiesen und verpflichtet, stets die schon arg zusammengeschmolzenen Regalien aufs neue zu vergeben oder zu verpfänden. Der im nächsten Jahre am Mittelrhein unternommene Feldzug brachte ebenso wenig eine Entscheidung, die Pfalz Ingelheim war die einzige Beute, welche W. davontrug. Daß dieser dagegen im Lager vor derselben dem Papste den Eid leistete, die Besitzungen, Ehren und Gerechtsame der römischen Kirche zu schützen und zu erhalten und ihr den ungestörten Besitz derselben zu überlassen, braucht keineswegs als eine Beeinträchtigung der königlichen Majestät angesehen zu werden. Zwar war W. ein bloßer Pfaffenkönig, doch hatten auch Otto von Braunschweig, ja Friedrich II. selber dasselbe geschworen. Für ihn steckte darin keine Erniedrigung, und allein der Papst konnte ihn gegen die Uebermacht seiner erzbischöflichen Gönner in Schutz nehmen. Das empfand er am wirksamsten, als derselbe den kühnen Plan Konrad’s von Köln vereitelte, nach dem Tode Siegfried’s von Mainz dessen Erzbisthum dem seinigen zuzufügen, was W. vollständig von ihm abhängig gemacht hätte. Doch auch der päpstliche Schutz sollte ihm theuer zu stehen kommen. Denn die päpstliche Vermittelung in dem Streit mit Flandern über Seeland, oder besser gesagt über die Insel Walcheren und die übrigen Länder in dem Scheldedelta, verschaffte ihm zwar im nächsten Jahre (1250) einen gewiß nothwendigen Frieden, allein unter äußerst ungünstigen Bedingungen, welchen er nicht umhin konnte, sich zu unterwerfen. Auch der persönliche Verkehr mit Innocenz, den er in Lyon besuchte, scheint ihm wenig Früchte getragen zu haben. Denn wenn er auch im Sommer dieses Jahres dem Gegner, dem Stauferkönig Konrad, mit ansehnlichen Streitkräften entgegentrat und bei Oppenheim gegenüberlag, es gelang nicht, ihn zur Schlacht zu zwingen oder zu vertreiben, und noch immer hielten Boppard, so oft er es schon belagert hatte, und Frankfurt an dessen Seite fest. Erst im nächsten Jahre fiel die letzte rheinische Festung der Stauferpartei, und erst als auf die Nachricht des Todes seines Vaters König Konrad sich vom Rhein abwendete und sich anschickte, zur Rettung seines italienischen Erbes über die Alpen zu gehen, trat ein Umschwung zu Wilhelm’s Gunsten ein. Denselben hat er aber gewiß beschleunigt durch die Verbindung, in welche er Ende 1251 mit dem Welfenhause trat, als er sich mit Elisabeth, der Tochter des Herzogs von Braunschweig verlobte und dieselbe im nächsten Januar heirathete. Die norddeutschen Fürsten, welche sich bis jetzt neutral gehalten hatte, traten jetzt auf seine Seite. In einer großen Versammlung in Braunschweig am Palmsonntag des Jahres wurde er von ihnen, unter Vortritt des Herzogs von Sachsen und der beiden Markgrafen von Braunschweig, förmlich als König anerkannt. Es ist hier nicht der Ort, über den Charakter diese merkwürdigen Vorgangs, der von einigen Historikern als eine Art Nachwahl bezeichnet wird und dessen [694] Bedeutung für die staatsrechtliche Entwicklung des deutschen Reiches und namentlich für die des Kurfürstencollegs wol nicht gering gewesen ist, Betrachtungen anzustellen. Nur kann nicht verschwiegen werden, daß Wilhelm’s Stellung von jetzt an eine andere war, er war nicht mehr der Pfaffenkönig, die Creatur der rheinischen Erzbischöfe, sondern der Erwählte der Mehrheit jener deutschen Fürsten, welche schon zwei Decennien früher als die „Ersten an der Kur“ bezeichnet worden waren. Freilich im eigenen Lande reichte auch dies nicht aus, um ihm das Uebergewicht über Flandern zu verschaffen. Zwar hielt er im Juli zu Frankfurt einen stark besuchten Hoftag, auf welchem der Spruch fiel, Margarethe habe ihre Reichslehen nicht rechtzeitig von ihm aufgehoben und dieselben darum verloren, welche dann vom Könige ihrem Sohne, seinem Schwager Johann von Avesnes, zugewiesen wurden. Aber damit war freilich wol die Wiedereröffnung des Kampfes um Seeland und zugleich des Streites zwischen Margaretha und den Dampierres einerseits und den Avesnes andrerseits eingeleitet und die königliche Macht zur Hebung seiner Hausmacht angewendet, allein der Erfolg dieses Strebens keineswegs gesichert. Im Gegentheil, der Papst war in keiner Hinsicht mit dieser Aufhebung des durch seine Vermittelung durchgesetzten Vertrags von Brüssel zufrieden und scheint von jetzt an gewissermaßen gegen den Schützling der Kirche erkaltet, wenn er auch, wahrscheinlich weil derselbe jetzt von fast allen deutschen Bischöfen und Fürsten, mit Ausnahme Baierns und einiger süddeutscher Fürsten und vieler Städte, anerkannt war, nicht umhin konnte, den Frankfurter Spruch zu bestätigen. Aber gewiß ist es, daß weder der Papst, noch die rheinischen Erzbischöfe von jetzt an den König mehr als ihren Schützling betrachten konnten, und daß letztere dieses kaum verschmerzten. Ihre Haltung trieb unwillkürlich den König in neue Bahnen. Indessen hatte Margaretha, welche nach der päpstlichen Bestätigung des Frankfurter Spruches an einer friedlichen Schlichtung ihres Kampfes mit dem König und den Avesnes verzweifelte (die Letzteren hatten sich jetzt auch in den Besitz des Hennegaus gesetzt), eine ansehnliche Macht zusammengebracht und damit einen entscheidenden Schlag gegen Walcheren versucht. Allein bei Westkappel wurde ihr Heer von Wilhelm’s Bruder Florens (s. A. D. B. VII, 129) vollständig geschlagen (Juli 1253). Es folgten neue Unterhandlungen. W. bestand auf vollkommener Unabhängigkeit West-Seelands und Anerkennung des Frankfurter Spruchs. Daran scheiterte die Versöhnung. Margaretha warf sich in die Arme Frankreichs, ihres Lehnsherrn. König Ludwig weilte noch immer im Orient, doch sein Bruder Karl von Anjou und Provence, der nachherige König von Neapel und Sicilien, ergriff gleich die Gelegenheit, ließ sich von Margaretha den Hennegau abtreten und Theile von Reichsflandern, und eroberte fast die ganze erstgenannte Grafschaft. Diese Ereignisse hielten W. in den Niederlanden fest. Fast das ganze Jahr 1254 kämpfte er, nachdem er vorher den wol von Margaretha aufgestachelten Friesen eine schwere Niederlage beigebracht hatte, mit den Franzosen in dem Hennegau, bis er nach vergeblich angebotener Feldschlacht im Juli einen Waffenstillstand schloß, in welchem er seinem Gegner alle Vortheile überließ, welcher derselbe im Hennegau errungen, aber seitdem W. dort erschienen, theilweise wieder verloren hatte. Es scheint, der Angriff, welchen der Erzbischof von Köln, als Bundesgenosse Margaretha’s in Verbindung mit den Grafen von Jülich und anderen alten Widersachern Wilhelm’s auf dessen Anhänger begonnen hatte, und die Kunde von des Erzbischofs Vorhaben, eine Bewegung zur Aufstellung eines Gegenkönigs einzuleiten, haben ihn hierzu veranlaßt. Es war dringend nöthig, sich aus diesen zwar für einen holländischen Grafen, aber nicht für einen deutschen König bedeutenden Kämpfen loszumachen, um nicht den Beistand der beiden Mächte zu verscherzen, welche ihn als Bundesgenossen aufforderten, sich den von ihnen gestellten [695] Aufgaben zu widmen. Denn einerseits wünschte der Papst sehnlichst, ihn nach Italien zu bringen und zugleich mit Karl von Anjou, dessen Beistand er ebenso und zwar gegen die Staufer in Italien anzurufen beabsichtigte, auszusöhnen, andererseits war im Reich eine neue Macht erstanden, welche ihn von der drohenden Abhängigkeit der Fürsten befreien konnte. Der Rheinische Bund war ins Leben getreten. Zu gleicher Zeit hatte ihn der Tod von seinem Nebenbuhler befreit. Konrad IV. war im Mai 1254 gestorben. Diese Ereignisse änderten Wilhelm’s Lage vollständig. An der Spitze der Städte, denen sich die Fürsten, namentlich die Bischöfe, wenn auch nicht selten widerwillig, fürs erste anschließen mußten, wollten sie nicht von ihrer überlegenen Macht erdrückt werden, verfügte er über eine achtunggebietende Macht. Und die Städte brauchten seinen Anschluß, um ihrem sozusagen revolutionären Streben einen gesetzmäßigen Anstrich zu geben. Für den Augenblick waren König und Städte natürliche Bundesgenossen. Hatte schon der Schutz eines Theils derselben allein die staufische Macht in Deutschland aufrecht gehalten, um so mehr vermochte jetzt ihre in einem mächtigen Bündniß vereinigte Macht die königliche Autorität zu stützen. Für W. war das um so wichtiger, da die Städte bisher meistentheils auf Seiten der Gegner gestanden und auch die andern ihn mit wenigen Ausnahmen nur widerwillig anerkannt hatten. Jetzt näherten sich auch diejenigen, welche am treuesten an der staufen’schen Seite ausgeharrt hatten, dem König, der sich beeilte, die ihm dargebotene Hand zu fassen. Im Hochsommer und Herbst beurkundete derselbe den Frieden mit den alten Gegnern durch Bestätigung ihrer Privilegien. Dagegen wurde er im Bundesabschied vom 6. October des Jahres feierlich als Haupt des Reiches anerkannt.

Es war die höchste Zeit. Denn die Pläne Konrad’s von Hochstaden, an Wilhelm’s Statt dem mächtigen Böhmenkönig die Krone zu verschaffen, scheinen ihrer Verwirklichung nahe gewesen zu sein; selbst W. soll durch die drohende Gefahr eines Abfalls aller Derer, welche bis jetzt seine Stützen gewesen waren, während er sich kaum gegen Frankreich und Flandern aufrecht halten konnte, so weit eingeschüchtert gewesen sein, daß er Ottokar versprach, unter gewissen Umständen abdanken zu wollen. Innocenz aber und sein Legat Capoccio sollen sich entschieden widersetzt haben, was Ottokar, der nicht gesonnen war, sich mit dem römischen Stuhl zu entzweien, veranlaßte, fürs erste sich zurückzuziehen. Wir sind von diesen Vorgängen aber sehr mangelhaft unterrichtet, unsere Kenntniß derselben beruht auf sehr unsicherem Grunde, die Hauptquelle ist äußerst zweifelhafter Natur. Gewiß ist nur, daß W. im Winter der Jahre 1254/5 von Konrad von Köln geradezu feindselig behandelt wurde, ohne im Stande zu sein, dafür Rache zu nehmen, und daß er erst nach dem in Worms abgehaltenen Reichstage, wo er den rheinischen Bund erneuerte und sozusagen auf seine königliche Gewalt gründete (10. März 1255), als Herrscher auftrat. Der Bund war in gewisser Hinsicht ein Organ der königlichen Gewalt geworden. Auch das Elsaß und alle oberrheinischen, früher staufisch gesinnten Gebiete und Städte hatten sich ihm unterworfen, und er konnte sogar durch Aufstellung eines Reichsjustitiarius eine Aenderung der Reichsverfassung einleiten, welche der königlichen Macht gewiß zu Gute gekommen wäre, wenn sie Bestand gehabt hätte. Gewiß ist es, daß die königliche Autorität von jetzt an in den Städten wiederum mehr geachtet und daß ihr namentlich die Justiz unterstellt wurde. Auf einem rheinischen Bundestag zu Oppenheim im October wurde die richterliche wie überhaupt die Executivgewalt des Bundes völlig dem König als Haupt des Reiches und dessen Beamten übertragen. Wäre es so fortgegangen, von der Verbindung des Königthums mit den Städten hätte eine Verjüngung des Reichs ausgehen können, welche der Zerspaltung Deutschlands in fast unabhängige [696] Territorien und in zahllose, aber meistens machtlose Reichsglieder, geistliche und weltliche Fürstenthümer, Graf- und Herrschaften sowie Städte hätte Einhalt thun können. Jetzt hatten die neuen Ordnungen nur die Wirkung, daß Städte, Reichsministerialen und Grafen sich mit vereinter Macht erhoben, als nach Wilhelm’s Abreise, der zur Vorbereitung seines Kriegszugs gegen die Friesen nach seinen Erbländern zurückgekehrt war, die Königin und der Reichsjustitiar Graf Adolf v. Waldeck vom Ritter Hermann v. Rietberg überfallen und gefangen wurden. Den Bruch des eben neu aufgerichteten Landfriedens büßte der freche Räuber mit Zerstörung seiner Burg. Die auf dem Bunde der Königsgewalt mit dem Städtebund beruhende Macht schien sich eben zu bewähren, als derselben auf einmal ein jähes Ende bereitet wurde. W. hatte beschlossen, die Westfriesen im heutigen Nordholland, denen im Sommer hinter den Seen und Sümpfen kaum beizukommen war, im Winter, als die Wasser zugefroren waren, anzugreifen, wahrscheinlich in der Hoffnung, sie für immer zu unterwerfen, so wie es später sein Sohn gethan hat. Doch im Kampf auf dem Eise zogen die schweren holländischen Ritter gegen die leicht bewaffneten Friesen entschieden den Kürzeren. Unter W. brach das Eis und er selber wurde erschlagen, sei es weil er nicht als der König erkannt wurde oder eben deshalb (28. Januar 1256). Der Leichnam wurde unter einem Baume verscharrt und erst nach 26 Jahren von seinem Sohn entdeckt und nach der Gruft der Middelburger Abtei übergeführt. So war das jähe, klägliche und unrühmliche Ende eines Fürsten, der, wenn er länger gelebt hätte, gewiß einen berühmteren Namen hinterlassen hätte, als jetzt, da er bis vor ein paar Jahrzehnten von den deutschen Historikern fast ganz übergangen wurde, während die niederländischen seinem Wirken im Reich kaum die gehörige Beachtung schenkten. Vielleicht ist die Bedeutung seiner Persönlichkeit von einigen seiner jüngsten Historiker übertrieben. Allein gewiß ist sie, wie gesagt, größer gewesen, als man früher gemeint hat; es ist kein Vergleich möglich zwischen ihm und den beiden Ausländern, die nach seinem Tode sich die deutsche Krone streitig zu machen suchten.

Auch als Landesherr hat W. einen guten Namen hinterlassen, namentlich als Beschützer der Städte und der unteren Stände auf dem Lande. Seine Keuren sind zahlreich, viele Städte schrieben ihre Freiheiten von ihm her. Das bezeugen auch die Urkunden, denn das Zeugniß des Stoke, des Hofchronisten seines Sohnes, verdient wol nicht unbedingtes Vertrauen, und die anderen älteren niederländischen Autoren stützen sich wol meistens auf denselben. Von Wilhelm’s Charakter wird uns sonst wenig mitgetheilt, als daß er ein guter Ritter war, dem alle Eigenschaften eines solchen zugeschrieben werden. Daß er aber eine ebenso ehrsüchtige als energische Natur war, bezeugt die Kühnheit, mit welcher er die Krone annahm und behauptete, daß er als Politiker nicht unbedeutend war, das bezeugt die rasche Ausbeutung der Gelegenheit, welche ihm der rheinische Bund bot. Namentlich dadurch verdient er eine Stelle unter den besseren Fürsten, welche die deutsche Krone getragen. Nicht jeder hätte mit so geringen Mitteln noch so viel zu Stande gebracht, hätte unter solchen Schwierigkeiten eine so hohe Stellung erworben.

Außer den Urkunden, welche für Wilhelm’s Wirken als König und Landesherr in erster Reihe in Betracht kommen, sind die Chronica Regia Coloniensis, das Chronicon Erphordiense, das Chronicon Moguntinum, die Annales Wormatienses und andere rheinische Annalen, die Annales Stadenses, die Chronica major von Matthaeus Parisiensis, Melis Stoke’s Reimchronik, die Fortsetzung von Emo’s Chronik durch Abt Menco, und, wo sie Stoke nicht folgt, auch Beka’s Chronik die vornehmsten Quellen für Wilhelm’s Geschichte. Vgl. außer den die allgemeine Reichsgeschichte behandelnden [697] Werken von Raumer, Lorenz u. s. w. die Dissertationen von Hasse und Ullrich und in erster Reihe: O. Hintze, Das Königthum Wilhelm’s von Holland, dessen Schlüssen sich Kempf, Geschichte des deutschen Reiches während des großen Interregnums, meistens anschließt; Schirrmacher, Der letzte Hohenstaufen; Cardauns, Konrad von Hochstaden; Sattler, Die flandrisch-holländischen Verwickelungen unter Wilhelm von Holland; das große, freilich einigermaßen veraltete holländische Werk von Meerman, Geschiedenis van Willem II. Roomschkoning, und die bekannte holländische Geschichtslitteratur über das Mittelalter, wie die Werke von Arend, Wenzelburger und Blok. Auch Sternfeld, Karl von Anjou; Warnkönig; Kluit, namentlich dessen bekannter Excursus septimus. Dazu die Litteratur über die Königswahl des Jahres 1247, in erster Reihe Lindner’s Deutsche Königswahlen.