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Artikel „Ulrich der Wilde“ von Sigmund Ritter von Riezler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 245–246, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ulrich_der_Wilde&oldid=- (Version vom 27. Dezember 2024, 15:13 Uhr UTC)
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Ulrich der Wilde, Protonotar Kaiser Ludwig’s des Baiern, † im Sommer 1328 in Rom oder dessen Nähe. „Der Wilde“, latinisirt in Wildo, Guildo, ist als Familienname aufzufassen: U. entstammte dem oberpfälzischen Rittergeschlechte der Wild von Pressat. Als Kaiser Ludwig 1336 den Versuch machte, sich mit Papst Benedict XII. auszusöhnen, gab er seinen Gesandten an die Curie, dem Pfalzgrafen Rupert und dem Grafen Wilhelm von Jülich, ein ausführliches Entschuldigungsschreiben mit, worin sich unter anderem folgende Erklärung findet. Als es sich um die Redaction der Sachsenhäuser Appellation (A. D. B. XIX, 464) handelte, habe der Kaiser ausdrücklich erklärt, in den rein religiösen Streit, welcher zwischen dem Papste und den Minoriten über die Armuth Christi geführt wurde, sich nicht mengen zu wollen. Trotzdem habe sein Notar Ulrich „Guildonis“ (d. h. der Sohn Wild’s), wie er nach mehrseitiger Versicherung auf dem Sterbebette bekannte, um eine vermeintliche Beleidigung zu rächen, und verführt durch die Einflüsterungen gewisser Leute, welche den Zwist zwischen Kaiser und Papst unheilbar machen wollten, diesen Punkt in die Appellationsurkunde aufgenommsn. Da der Kaiser später in wiederholten officiellen Erklärungen die dogmatische Opposition der Minoriten doch auf seine eigene Rechnung genommen hat, konnte es ihn gegenüber der Curie nicht wesentlich entlasten, wenn sein erster Uebergriff in dieser Richtung als das Werk eines Fälschers hingestellt wurde. Aus diesem und anderen Gründen wird man der Erklärung des Kaisers kaum Glauben versagen können. Dagegen sind weitere Angaben der 1372 verfaßten bairischen Herzogschronik theils unerweislich, theils unverkennbar sagenhaft. Nach dieser Quelle sei U. beim Könige von einigen Vornehmen, denen es Ludwig nicht abschlagen konnte, dem Rechte freien Lauf zu lassen, eines ehrlosen Verbrechens bezichtigt worden. Der König habe einige Tagsatzungen in der Sache abgehalten, und U. sei zu Nürnberg genöthigt worden, sich durch die Zeugnisse von fünfzig (!) Prälaten von der Anschuldigung zu reinigen. Hernach sei er zwar wieder in seine Würden und Aemter eingesetzt worden, aber in seinem Herzen sei Groll gegen seinen Herrn zurückgeblieben und habe ihn zu der erwähnten treulosen Handlungsweise getrieben. Auf dem Sterbebette habe er dem Kaiser persönlich gestanden, daß er so gehandelt habe, weil der Kaiser seine Ankläger nicht sofort zurückwies, sondern es zu gerichtlicher Verhandlung kommen ließ. Da Ludwig von den Aerzten erfuhr, daß dem Schwerkranken nur mehr wenige Lebenstage beschieden seien, habe er, wiewol durch das Geständniß aufs höchste erregt, die Sühne Gott überlassen.

Ulrich’s Name tritt zuerst bei dem Bamberger Bisthumsstreite von 1319 hervor. Damals wurden nach dem Tode des Bischofs Wülfing vom Capitel in zwiespältiger Wahl U., der die Würde des Propstes von St. Stephan in Bamberg [246] bekleidete, und der Bamberger Dompropst Konrad gewählt. Beide Erwählte reisten an die Curie, um ihre Bestätigung zu betreiben, doch keiner vermochte sie durchzusetzen. Konrad starb nach einigen Processen, und U. ließ sich, wie Papst Johann XXII. am 16. Juni 1322 beurkundet, zum Verzicht bewegen. In der vom Papste am 24. August 1322 ausgesprochenen Verleihung eines Canonicats am Dome von Bamberg an U., der nebenbei die Propstei bei St. Stephan behielt, wird man eine Entschädigung für diesen Verzicht zu suchen haben. Die neue Verleihung erfolgte, wiewol U. damals auch schon ein Canonicat an der Alten Capelle in Regensburg und die Pfarrei Eugenbach im Regensburger Sprengel, auch die Anwartschaft auf die Kirche Komberg inne hatte. U. weilte damals in Avignon als Mitglied einer Gesandtschaft König Ludwig’s des Baiern, welche dessen Bestätigung betreiben und wegen der Besetzung einiger Bischofsstühle unterhandeln sollte, und wird als Ludwig’s „familiaris“ bezeichnet. Als Meister, d. i. Magister Ulrich der Wilde, oberster Schreiber oder Protonotar des Königs, redigirte und unterzeichnete er die Sachsenhauser Appellation (22. Januar 1324) und war Zeuge des Münchener Vertrages vom 5. September 1325 zwischen Ludwig und dem Gegenkönige Friedrich. 1327 begleitete er seinen Herrn nach Italien, einer der wenigen litterarisch gebildeten einheimischen Diener, die dem Wittelsbacher zur Verfügung standen. Während Papst Johann U. als Anhänger des gebannten Kaisers aller seiner kirchlichen Pfründen verlustig erklärte, überhäufte ihn in Rom, wie wir annehmen dürfen, infolge kaiserlicher Empfehlung, der Gegenpapst Nikolaus V. (24., 25., 28. Mai 1328) mit Gnaden. Aus dem ersten von Nikolaus’ Breven, worin Ulrich’s litterarische Bildung und Sitten gerühmt worden, erfahren wir, daß U. die Pfarrei in seiner Heimath Pressat viele Jahre als Subdiacon inne hatte, ohne an die höheren Weihen zu denken, daß er dann auch eine Reihe von anderen Pfarreien und Canonicaten erlangte, ohne die höheren Weihen zu erwerben. Da er seine Pfründen deshalb von Rechts wegen verwirkt hatte, ließ er sich dieselben nun von Papst Nikolaus neuerdings übertragen und Dispens ertheilen. Ueberdies verlieh ihm Nikolaus ein Canonicat und drei Tage darauf die Propstei am Freisinger Dom. Wolfhard und Eberhard „Wildonis“ von Pressat, Söhne des Ritters Wolfhard Wildo von Pressat, denen gleichzeitig vom Gegenpapste Domherrenstellen in Regensburg und Bamberg verliehen wurden, waren wahrscheinlich Brüder, jedenfalls nahe Verwandte Ulrich’s. U. scheint zu den damals wie im Mittelalter unter Deutschen stets zahlreichen Opfern des römischen Klimas gehört zu haben: am 23. August 1328 erwähnt eine Urkunde seinen kurz vorher erfolgten Tod. Sein Andenken war schon nach fünfzig Jahren so gut wie ausgelöscht, da seine Persönlichkeit mit der seines Namenvetters und Amtsnachfolgers, Meister Ulrich des Hofmaiers von Augsburg, vermengt wurde.

Riezler, K. Ludwig d. Baier, Meister Ulrich d. Wilde u. Meister Ulrich der Hofmaier v. Augsburg (Forschungen zur deutschen Geschichte XIV, 1 ff.). – Vatikanische Akten z. Gesch. K. Ludwigs d. Baiern, s. die auf S. 924 verzeichneten Stellen.