ADB:Pfordten, Ludwig Freiherr von der

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Artikel „Pfordten, Ludwig Karl Heinrich Freiherr v. d.“ von Karl Wippermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 695–701, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pfordten,_Ludwig_Freiherr_von_der&oldid=- (Version vom 12. Oktober 2024, 10:29 Uhr UTC)
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Pfordten: Ludwig Karl Heinrich Freiherr v. d. P., gelehrter Jurist und Staatsmann, wurde geboren am 11. September 1811 in Ried, der Hauptstadt des damals bairischen Innkreises. Er war der älteste von sechs Söhnen des im J. 1828 verstorbenen bairischen Landrichters Heinrich Ludwig v. d. P. Seine Mutter war eine geborene Eder († 7. Juni 1856). Den ersten Unterricht erhielt er in Burgebrach in Oberfranken, wohin der Vater versetzt worden, nachdem das Innviertel 1816 wieder an Oesterreich gefallen war. Vom freisinnigen Dekan Clarus im nahen Bamberg weiter erzogen, studirte er, nach dem Besuche des Gymnasiums in Nürnberg, 1827–1830 in Erlangen die Rechte. Sodann siedelte er nach Heidelberg über, wo er, von Thibaut und Mittermaier zur Ergreifung des akademischen Lehrfachs aufgefordert, mit der in allen juristischen Kreisen wohlbekannten Dissertation „De praelegatis“ (Erlangen 1832) promovirte. Im Begriff sich in München als Privatdocent niederzulassen, zog er ihm die angebotene Stellung eines Referenten in der Ministerialcommission zur Berathung der materiellen Interessen des Landes vor, gab sie aber als nicht einträglich genug schon im Herbst 1833 wieder auf und ließ sich, dem Lieblingswunsche folgend, in Würzburg als Privatdocent für römisches Recht nieder, nachdem er die Erlaubniß hierzu für München nicht hatte erlangen können. In Würzburg machte er sich durch Aufsätze in juristischen Zeitschriften in der gelehrten Welt weiter bekannt und wurde, dank seiner rasch bewährten ausgezeichneten Lehrgabe, bereits im December 1834 zum außerordentlichen Professor für römisches Recht und bairisches Civilrecht, 1834 zum ordentlichen Professor ernannt. 1837 wurde er Mitglied des akademischen Senats, 1839 war er Dekan, 1840 ward er Mitglied des Verwaltungsraths der Universität. Sein Ansehn als juristischer Schriftsteller stieg besonders durch seine „Abhandlungen aus dem Pandektenrecht“ (Erl. 1840). Als Lehrer zeichnete er sich durch anregenden Vortrag, freundliches Wesen, in kirchlichen Dingen – er gehörte der evangelischen Kirche an – durch eine freisinnige Richtung aus. Wegen dieser wurde er 1841 vom Ministerium Abel der Wirksamkeit, in welcher er seine ganze Befriedigung fand, plötzlich entzogen und als Appellationsgerichtsrath nach Aschaffenburg versetzt. Der ersteren ward er jedoch schon 1843 wieder zurückgegeben, indem er auf Empfehlung des nach Berlin berufenen Puchta, als dessen Nachfolger auf den Lehrstuhl für römisches Recht nach Leipzig berufen wurde. Bei den am 12. August 1845 hier stattgehabten Unruhen als Rector der Universität zu strengen Maßregeln gegen die Studirenden mitberufen, verstand er doch, sich deren Vertrauen und den Ruf liberaler Gesinnung zu erhalten. Er wurde Mitarbeiter der 1847 von Gervinus gegründeten „Deutschen Zeitung“ und neben den Führern der Kammeropposition, trotz seines Hofrathstitels, eines der hervorragendsten Mitglieder der liberalen Partei Sachsens. Die Petition der Universität, durch welche die im März 1848 gestellten Forderungen der Stadt Leipzig so kräftig unterstützt wurden, war vom Universitätsrector P. verfaßt. Es waren darin Reformen der Verwaltung, der Presse, Rechtspflege sowie Regeneration des deutschen Bundes gefordert. Noch im März 1848 wurde er für mehrere Stellungen in Aussicht genommen. Während Leipzig ihn zum Bürgermeister, die Universität ihn zu ihrem Vertreter in den Landtag wünschte, wurde er am 13. März vom König Friedrich August II. von Sachsen zum Minister des Innern und vorläufig auch des Aeußern im liberalen Ministerium Braun ernannt. Nach Oberländers Eintritt in dasselbe übernahm P. statt des Aeußern noch das Ministerium des Cultus und Unterrichts. Zur Bezeichnung von Pfordten’s damaliger Richtung dient, daß dieses Ministerium seine erste Sorge sein ließ, die in seinem Programm verheißene Vereidigung des Militärs auf die Verfassung durchzuführen. Vergeblich erwarteten die gemäßigteren Elemente [696] Sachsens, daß P., die bedeutendste Persönlichkeit des Ministeriums, in demselben den weitgehenden Forderungen der Radicalen bezüglich der inneren Verhältnisse entgegentrete. Freilich stand er mit dem Minister Georgi dem demokratischer gesinnten Collegen Oberländer gegenüber; aber er zeigte sich von der Befürchtung erfüllt, im Sinne der radicaler werdenden Oberströmung den Ruf der Freisinnigkeit einzubüßen. So gab er im April 1848 dem Verlangen der demokratischen Presse nach Bildung einer Communalgarde in jeder Gemeinde als Vorbereitung einer allgemeinen Volksbewaffnung nach und in der deutschen Frage protestirte er im Juni 1848 gegen die in der Nationalversammlung aufgetauchte Forderung, daß die deutsche Verfassung den Landtagen der Einzelstaaten zur Beschlußfassung vorgelegt werden müsse. Noch in seiner Betheiligung an der kirchlichen Todtenfeier für Robert Blum in Dresden (19. Nov.) glaubte man sich berechtigt, ein Zeichen seiner fortdauernd freieren Richtung zu erblicken. Der Zwiespalt, in welchen das Märzministerium, nachdem ihm im übrigen die Vereinbarung zeitgemäßer Gesetze mit dem Landtage gelungen war, im Januar und Februar 1849 mit der neuen demokratisch gesinnten 2. Kammer gerieth, wurde besonders durch Pfordten’s föderalistischen Standpunkt verschärft, wegen dessen er schon im Mai 1848 von den Mittelstaaten als Mitglied des damals am Bundestage beantragten Triumvirats in Aussicht genommen war. Den heftigsten Kämpfen in der 2. Kammer ausgesetzt, bekämpfte er hier mit großer Ruhe und Geduld, das Verlangen nach Uebertragung der völkerrechtlichen Vertretung in die Hände der Reichsgewalt und nach Verkündigung der „Grundrechte“. In dem neuen Kampfe jedoch, welcher nach Ablehnung des Entlassungsgesuchs des Ministeriums (26. Januar 1849) mit der 2. Kammer begann, erwies sich P. unentschieden. Zur Rettung Blums hatte P. Energie entwickelt; aber gegenüber der Erregung der 2. Kammer wagte er weder den Gesandten von Könneritz in Wien gegen den Vorwurf, daß zu diesem Zweck Nöthige unterlassen zu haben, in Schutz zu nehmen, noch auch dem Verlangen nach dessen Abberufung Folge zu geben. Der föderalistische Standpunkt Pfordten’s begann allmählich ihn vom Liberalismus loszulösen. Sein kühnes Eintreten für diesen Gesichtspunkt hatte den Blick des Königs Max II. von Baiern auf ihn gelenkt. Denn nach dem Scheitern des Werks der Nationalversammlung war dieser König auf eine Fortsetzung der Versuche zu einer deutschen Reform, jedoch ohne Preußens Berufung an die Spitze und womöglich unter Schaffung einer selbständigeren Stellung Baierns im Bunde bedacht. Vielleicht ließ sich in dieser Beziehung von einem geborenen Baier etwas erwarten, welcher, noch im Rufe des Freisinns, jene Richtung mehr als ein anderer Staatsmann jener Zeit vertrat. Dem Könige seit 1840 persönlich bekannt, folgte P. schon bald nachdem er mit den übrigen sächsischen Ministern (25. Februar 1849) zurückgetreten war, einer Einladung desselben nach Nymphenburg zu vertraulichen Berathungen. Nachdem auf Pfordten’s Rath am 10. April die Vertagung des bairischen Landtags bis zum 15. Mai verlängert war, wurde er an Stelle des Grafen Bray am 19. April zum Minister des königl. Hauses, des Aeußern und des Handels ernannt; thatsächlich war er jedoch Leiter des ganzen Ministeriums, wenn auch die Präsidentschaft desselben, deren Herstellung von ihm zur Bedingung des Eintritts gemacht war, aus formellen Gründen ihm erst am 22. December 1849 übertragen werden konnte. Als Protestant und Liberaler der ultramontanen Hofpartei nicht genehm, ließ sich diese ihn doch gefallen, weil sie in ihm die geeignete Persönlichkeit erkannte, um Preußen entgegen zu treten. P. war in der That zu dieser Aufgabe wie geschaffen. Die Vorliebe für sein Heimathland und der Wunsch, dessen Stellung in Deutschland mehr gehoben zu sehen, bestärkten seine Vorstellung, daß das schwierige Problem der Einheit Deutschlands in möglichster Vertheilung [697] der Macht an die deutschen Volksstämme zu finden und deshalb das Streben nach Beschränkung der Souverainität der Bundesstaaten, sowie das Uebergewicht eines derselben zu bekämpfen sei. Der Abneigung weiter Kreise Süddeutschlands gegen Preußen sich bewußt, gedachte er den Gegensatz zwischen dieser Macht und Oesterreich zu benutzen um Baiern an die Spitze des übrigen Deutschland zu stellen und ihm so eine entscheidende Rolle zuzutheilen oder ihm wenigstens die Führerschaft von Südwestdeutschland zu verschaffen. In dieser Politik hat P. das Möglichste geleistet und war insofern der angesehenste Vertreter des deutschen Particularismus. Die von ihm erfundene Triasidee hat er unverdrossen zu verschiedenen Zeiten praktisch geltend zu machen gesucht, bis er sie nach Erlangung seines größten Erfolgs für immer begraben sehen mußte. Sein erster Schritt in dieser Richtung war die gegen das Werk der deutschen Nationalversammlung gerichtete Note vom 23. April, in welcher Baierns tausendjährige Geschichte, seine Größe, seine eigenthümlichen Zustände hervorgehoben waren. Er konnte sich hierbei auf die Kammern stützen, welche sich noch kurz zuvor gegen Trennung von Oesterreich und gegen Gründung eines Erbkaiserthums ausgesprochen hatten. Bezüglich des die Fortführung der Reformfrage betreffenden Aufrufes des Königs von Preußen vom 15. Mai, suchte P. zunächst eine Stütze in Wien; hier wollte man jedoch von seinen Vorschlägen im Sinne einer Trias nichts wissen. Dagegen gelang es ihm, in das Dreikönigsbündniß von vornherein den Keim des Verfalls zu legen. Nicht nur daß er Baiern fern hielt, sondern er bewirkte auch, daß Sachsen und Hannover ihr Verbleiben beim Bündnisse von Baierns Eintritt abhängig machten. In gehobener Stimmung hielt er daher am 4. Juni 1849 in der zweiten Kammer eine Rede gegen dieses Bündniß und gegen das Uebergewicht des Nordens über den Süden. Dieser Ausspruch in Verbindung mit seiner programmartigen Erklärung, daß Baiern vorzugsweise die Aufgabe habe, als dritter Staat Deutschlands zwischen den ersten beiden zu vermitteln, blieb nicht ohne bestechenden Eindruck im Lande. Daher wagte er auch, die Auflösung der zweiten Kammer am 10. Juni damit zu begründen, daß sie in ihrem Beschluße über die unbedingte Geltung der Reichsverfassung und der Grundrechte die Selbständigkeit Baierns den Beschlüssen der Nationalversammlung untergeordnet habe. Die Verhandlungen, welche P. um Mitte Juni 1849 in Berlin über eine neue provisorische Centralgewalt und Baierns Anschluß an die preußischen Reformbestrebungen pflog, ergaben zwar einen grundsätzlichen Gegensatz, sollten jedoch auch nach Pfordten’s Abreise (4. Juli) fortgesetzt werden. Als aber kurz darauf Oesterreich durch Niederwerfung Ungarns freiere Hand erhielt, trat P. mittelst Note vom 12. Juli offen als Gegner Preußens auf, dem er den Bruch des Vertrags von 1815 vorwarf. In einer Note Schleinitz’s vom 30. Juli wurde diese Beschuldigung und Baierns Angebot einer Vermittlung zwischen Preußen und Oesterreich in herben Ausdrücken zurückgewiesen. Eine nochmalige und entgegenkommende Aufforderung Preußens, dem Maibündnisse beizutreten, wies P. am 8. September unter Berufung auf Baierns Selbständigkeit zurück. Im Bestreben, diese auch Oesterreich gegenüber an den Tag zu legen, verzögerte er die Zustimmung zu dem in Folge davon ohne Baiern am 30. September geschlossenen Interim. Begreiflich wirkte es sehr ermuthigend auf P., als im Herbst 1849 die Haltung der Kammern zeigte, daß seine Politik weit entschiedener als früher auf die Unterstützung des Landes rechnen könne, und mit Selbstbewußtsein erklärte er am 7. November in der zweiten Kammer: „Das Ziel der baierischen Politik darf ganz allein die Ausbildung der baierischen Souverainität sein.“ Am 28. November 1849 wurde ihm das Großkreuz des Verdienstordens der baierischen Krone verliehen. Um Angesichts des Zerfalls [698] der Union dem in Baiern laut gewordenen Bedenken zu begegnen, daß in der deutschen Sache nichts zu Stande kommen werde, regte er den unter dem Namen des Vierkönigsentwurfs vom 27. Februar 1850 bekannten Plan an. Nach dessen Scheitern unterstützte er aufs lebhafteste Oesterreichs Bestreben, die Initiative in der deutschen Frage Preußens Händen zu entwinden. Er wohnte am 11. October der gegen Preußen gerichteten Monarchen-Zusammenkunft in Bregenz bei, förderte alle Schritte Oesterreichs zur Wiederbelebung des Bundestags und ließ bei dem als Probe für dessen Lebensfähigkeit dienenden Einrücken in Kurhessen bairische Truppen sich betheiligen. Seine Bemühungen auf den Dresdener Conferenzen wegen Aenderung der Bundesverfassung im Sinne der Triasidee waren erfolglos. Ebenso mißlang sein Versuch, bei den Zollvereinsverhandlungen von 1852 durch Aufnahme Oesterreichs in den Zollverein die handelspolitische Führerschaft Preußens zu beseitigen und bei dem dadurch entstehenden Dualismus den Mittelstaaten ein größeres Gewicht zu verleihen. Einen weiteren Anlaß hierzu ergriff er, als es während des orientalischen Kriegs im März 1854 für Oesterreich vorübergehend gelegen war, den deutschen Bund an seine Seite zu ziehen; doch hatte er hierbei keinen Erfolg, da die von den Mittelstaaten am 25. Juni 1854 in Bamberg aufgestellten weitgehenden Forderungen auf Friedrich Wilhelm IV. Zusammenkunft mit dem Kaiser von Oesterreich in Teschen zurückgewiesen wurden; die Kammern freilich bewilligten P., nach Stellung der Vertrauensfrage, den Credit für Kriegsrüstungen, und König Max erhob ihn am 11. August 1854 „unter Erneuerung und Bestätigung des von seinen Voreltern inne gehabten alten Geschlechtsadels, zum Merkmale seines Wohlwollens und in Anerkennung seiner Verdienste für sich und seine ehelichen Nachkommen in den erblichen Freiherrnstand“. Vergeblich suchte er im October 1854 in Berlin eine Verständigung aller deutschen Staaten in der Orientfrage zu erzielen und erfolglos waren auch im October 1855 seine Bemühungen, im wittelsbach’schen Interesse Napoleon III. für die Angelegenheiten Griechenlands günstig zu stimmen. Auf der Rückreise vor Paris gab er bei Bismarck in Frankfurt a. M. dem Unwillen über die geringe Beachtung, welche Baiern als Großmacht gefunden, durch Anklagen gegen den Bund Ausdruck und zeigte sich von Baierns Bedeutung doch noch so sehr erfüllt, daß er seiner Voraussagung vom Untergange des deutschen Bundes hinzufügte: „Mögen dann diejenigen, welche auf eigenen Füßen nicht stehen können, sehen wo sie bleiben; Baiern wird sich schon durchhelfen.“ Diesem Unwillen ließ er auch am Bundestage bezüglich der Behandlung des Pariser Friedensvertrags von 1856 Ausdruck geben, nachdem dieser an Baiern nicht zuvor mitgetheilt war. Auch in der neuenburger Frage bewirkte P., nach Bismarcks Bericht vom 31. October 1856, am Bunde eine mißliche Verzögerung durch die Hartnäckigkeit des Verlangens, daß der Bund die Freigebung der Gefangenen fordern solle. Im Innern folgte P. ganz dem Zuge der Reactionszeit. 1855 gerieth er mit der zweiten Kammer in welcher er Nürnberg vertrat, in Streit über Verfassungsfragen und über das infolge seiner äußeren Politik gestiegene Budget. Auf die Streitigkeiten mit den Kammern von 1858 folgte am 19. März 1859 die Adresse der zweiten Kammer an den König mit der Beschuldigung gegen P., in Bezug auf die schleswig-holstein’sche Frage ein Werkzeug der russischen Politik zu sein und im Streite Oesterreichs mit Frankreich auf des letztern Seite zu stehen. In seiner Rechtfertigung wies P. zwar nach, daß er die dänische Politik in den Herzogthümern stets bekämpft, Baierns Beitritt zum Londoner Tractat von 1852 verhindert und Preußen zum Einstehen für Oesterreichs Interessen in Italien aufgefordert habe; dies genügte jedoch der zweiten Kammer nicht. Die Mittelstaaten wollten [699] sich die gegen Preußen mißtrauisch gewordene liberale Partei in Deutschland nicht verfeinden. König Max erklärte, er wolle Frieden haben mit seinem Volke, und so trat P. am 26. März 1859 zurück. Am 1. Mai zum Gesandten am Bundestage ernannt, fuhr er hier unter seinem Nachfolger v. Schrenck fort, im Sinne seiner bisherigen deutschen Politik zu wirken. 1861–63 wohnte er den Conferenzen bei, auf welchen die leitenden Minister von Baiern, Würtemberg und Sachsen gegenüber Preußen in verschiedenen Bundesreformfragen Stellung nahmen, und im Bundestage entfaltete er 1863 eine rege Thätigkeit als Referent, namentlich über den Darmstädt’schen Antrag bezüglich des Nationalvereins und für die schleswig-holsteinsche Sache. Vgl. Pfordten’s „Votum über die Erbfolge in Schleswig-Holstein“ (Braunschweig 1864). Auf dem Fürstentage in Frankfurt stand er dem König Max im Studium der Fragen des Bundesrechts bei und trat hier zur Wahrung des letztern gegenüber österreichischen Projecten entschieden auf. Auch betheiligte er sich im Februar 1864 an den Conferenzen in Würzburg, auf welchen die Mittelstaaten ohnmächtige Beschlüsse für das alleinige Recht des Bundes in der Frage der Herzogthümer faßten. Durch das gemeinsame Vorgehen der deutschen Großmächte in dieser Sache erlitt die durch P. vertretene Politik der Mittelstaaten vollends die größte Niederlage. Dennoch gelang es ihm, nachdem er am 4. December 1864 vom König Ludwig II. wiederum an die Spitze des Ministeriums gestellt war, eine gewisse formelle Einigung der Mittelstaaten zu Stande zu bringen, sodaß sie die Abstimmungen im Bundestage beherrschten. Dies scheint ihn ermuthigt zu haben, auch beim Herannahen des Zerwürfnisses zwischen Preußen und Oesterreich eine besondere Rolle für Baiern aufzubewahren. Aus lebhaftem Mißtrauen gegen Oesterreichs Absichten für Deutschland und Baiern lehnte er im Mai 1865 von Beust’s Vorschlag ab, gemeinsam in Wien anzurathen, mit einem populären Plane zur deutschen Reform Preußen zuvorzukommen; vielmehr hielt er, nach v. Könneritz’ Bericht vom 12. Juni 1865, die Herstellung eines bestimmten Verhältnisses Schleswig-Holsteins zu Preußen für billig und unbedenklich. Die Unterredung, welche P. am 23. Juli 1865 mit Bismarck in Salzburg über die Frage der Neutralität der deutschen Bundesstaaten in einem bevorstehenden preußisch-österreichischen Kriege hatte, faßte er als Einladung zu einer Vermittlung auf, was sich bald als Täuschung erwies. Aus den vom sächsischen Minister v. Friesen veröffentlichten Berichten des sächsischen Gesandten in Wien geht hervor, daß P. noch im März 1866 der Meinung war, Oesterreich sei politisch, militärisch und finanziell nicht in der Lage, einen solchen Krieg zu führen, sondern es treffe die Vorbereitungen dazu nur, um die Mittelstaaten vorzuschieben, sie im letzten Augenblicke „sitzen zu lassen“ und sich auf deren Kosten mit Preußen zu verständigen. Die Einverleibung der Herzogthümer in Preußen hielt er „immer noch für das Beste“ und meinte, Frankreich hetze in Berlin zum Kriege, um dabei die baierische Pfalz zu erwerben. Trotz dieses Standpunkts erklärte er im März 1866, Baiern werde sich zur Erfüllung seiner Bundespflichten am Kriege an der Seite Oesterreichs betheiligen müssen. Ueber dessen Armee äußerte er aber schon wieder in einer Note vom 4. April nach Dresden, dieselbe könne gegen die preußische nichts ausrichten. P. entschloß sich nun zu einem Vermittlungsvorschlag, wonach der Bund in drei große Gruppen getheilt werden und deren eine aus Süddeutschland unter baierischer Oberleitung und mit dem König von Baiern als Bundesfeldherrn stehen solle. Bevor er jedoch mit diesem Vorschlage auftrat, wurde derselbe schon infolge des von Preußen am Bunde gestellten Reformvorschlags unterdrückt. Aber noch auf der Bamberger Conferenz vom 13. und 14. Mai 1866 hielt P. an der Vermittlungsidee fest und am 17. Mai rieth er nochmals in Wien zur Verständigung. Daß der westmächtliche [700] Vorschlag, diese durch einen europäischen Congreß zu versuchen, für welchen man in Frankfurt P. bereits als Vertreter des Bundes ins Auge gefaßt hatte, von Oesterreich abgelehnt wurde, erbitterte P. so sehr, daß er es am 7. Juni für wieder fraglich bezeichnete, ob Baiern sich in einen Krieg zu Gunsten Oesterreichs einlassen dürfe. Infolge dieses Mangels an Festigkeit, über welche sich Graf Beust in seinem hinterlassenen Werke (I. S. 425) näher ausgelassen hat, ist ihm, z. B. in der Schrift „Freiherrn v. d. Pfordten’s Wirken und Wirkungen“ vorgeworfen, nicht zeitig und genügend für den Krieg gesorgt zu haben. Bevor der Bundestag auf Baierns Antrag am 14. Juni die Mobilisirung gegen Preußen beschloß, hoffte Sachsen, und nachher hoffte Oesterreich vergeblich auf militärische Hülfe Baierns. Dieses, erklärte P., könne Sachsen direct gar nichts, indirect nur durch Aufstellung eines Corps bei Coburg nützen. Eine Folge davon war der Abzug der Sachsen nach Böhmen. Der sodann von baierischen Militärs in Wien verabredete Plan einer Vereinigung des baierischen Heeres mit dem österreichischen in Böhmen wurde von P. wieder umgeworfen. Wenn Oesterreich sich Preußen gegenüber für zu schwach halte, so sei, meinte P., gerade dies ein Grund, sich ihm nicht anzuschließen; Baiern werde sich Oesterreich nicht unterordnen, welches immer glaube, über Baiern wie über eine Provinz verfügen zu können. Auch das durch Baron v. Hoffmann gestellte Verlangen, die Hälfte der baierischen Truppen nach Böhmen zu schicken, wurde von P. mit dem Bemerken abgelehnt, daß dann die andere Hälfte von den Preußen würde gefangen werden. (N. Freie Presse Nr. 7604 vom 29. October 1885; Fr. Schütz: „Aus dem Leben des Baron v. Hoffmann. Nach Aufzeichnungen desselben.“) Vielmehr hielt es P. für angemessen, aus dem bevorstehenden Zusammenbruche in erster Linie für Baiern besondere Vortheile zu erhaschen: Der Umstand, daß P. dicht vor der Entscheidung in der deutschen Sache einen selbständigen süddeutschen Bund unter Leitung Baierns, mit eigenem Zollverein und einer Bundesarmee unter baierischem Oberbefehl nochmals erstrebte, erweckte im übrigen Süddeutschland Mißtrauen und trug zur Schwächung der Gegner Preußens bei. Nach dessen Siege warf P., wie v. Friesen berichtet, alle Schuld am Kriege auf v. Beust, der seine auf militärische Gutachten gestützten Abmachungen nicht beachtet habe. P. erschien noch vor Abschluß der Präliminarien mit Oesterreich in Nikolsburg, um die Betheiligung der süddeutschen Staaten am Waffenstillstand zu erwirken, wurde aber abgewiesen und am 2. August zum Abschluß für Baiern zugelassen. Ueber eine abenteuerliche Art, wie P. in Hohenschwangau die Zustimmung des Königs zur Einstellung der Feindseligkeiten erlangt habe, hat V. Erlanger in dem Neuen Wiener Tageblatt berichtet. Vergl. Frankf. Ztg. 176 vom 25. Juni 1886. Nachdem P. den Friedens- und den geheimen Bündnißvertrag unterzeichnet, suchte er am 25. August in der zweiten Kammer nachzuweisen, daß ihm gelungen sei, verhältnißmäßig günstige Bedingungen zu erhalten. Den zu Nikolsburg vorgesehenen süddeutschen Bund erklärte er für ein von Frankreich aufgenöthigtes Project, für welches in Süddeutschland wenig Neigung herrsche. Am 29. December 1866 trat P. aus dem Amt und ins Privatleben zurück. In der bald darauf erschienenen Schrift über sein Wirken wurde ihm eine Charakterlosigkeit schuld gegeben, deren Züge in der wankelmüthigen Auffassung von Rechtstheorien, in eilfertigem Haschen nach Popularität, in Unschlüssigkeit in entscheidenden Augenblicken und in plötzlichem reuevollen Erschrecken vor seinen eigenen Machwerken beständen. Bluntschli urtheilte[WS 1] über ihn: „er ist cholerisch-sanguinisch; er spielt den Staatsmann und läßt sich immer von den Wallungen und Stößen seiner Leidenschaft leiten, ohne die objectiven Verhältnisse zu erwägen.“ In die Oeffentlichkeit trat P. nur noch durch Herausgabe seiner „Studien zu Kaiser Ludwigs oberbaierischem Stadt- und [701] Landrecht (München 1875). Er starb in peinlicher Vereinsamung in München am 18. August 1880. Auf seinen Wunsch sprach Dekan Buchrucker am 21. August in der Leichenrede nicht von seiner öffentlichen Thätigkeit. Die Nekrologe in der Presse waren einstimmig in der Verurtheilung seines Abfalls vom Liberalismus, seiner Haltung in der deutschen Frage und seines Mangels an Festigkeit in entscheidenden Augenblicken. Die Wiener „Neue Freie Presse“ (5739 u. 40) hob besonders das verdiente tragische Geschick hervor, daß P. das klägliche Zerstieben des Ziels seines ganzen Strebens erlebt habe. – P. war seit 1844 vermählt mit Adelgunde Marx [geb. 1823), Tochter eines Bankiers in Leipzig, mit welcher er drei Söhne und eine Tochter hatte, und welche am 22. Juli 1873 auf dem Bahnhof in Weesen in der Schweiz tödtlich verunglückte.

Grenzboten 1849, 1 Sem., Bd. 1, S. 201 („D. Min. v. d. Pf.“); – Stegers Ergänz.-Bl. Bd. 4 (Lpz. 1849); – Gegenwart, Bd. 5 (Lpz. 1850). S. 614; – Preuß. Wochenbl. 1856, Nr. 21 („D. Min. v. d. Pf. u. d. 2. baier. Kammer“); 1859, Nr. 50–52; 1860, Nr. 42, 45, 46; – Hamb. Nachr. 1860, Nr. 77; – Nürnb. Corresp. v. Anf. April 1860 („D. Panzer d. Hrn. v. d. P.“); – Preuß. Jahrb. 1859 Bd. 1, 1865 Bd. 2; – Baier. Wochenschr. 1862 Bd. 2, S. 567; – v. d. Pf.’s Wirken (Frauenfeld 1867); – Biedermann, Beitr. z. Gesch. d. Frankf. Parl. u. Histor. Taschenb. f. 1877 S. 137; – Revue des Deux mondes 1878, S. 131; – v. Friesen, Erinn. a. m. Leben (Dresd. 1880); – Meding, Memoir. Bd. 1, S. 157; – v. Jochmus, ges. Schriften, Bd. 3 (Lpz. 1883); – Bluntschli, Denkw. a. m. Leben, Bd. 2 (Nördl. 1884) S. 112; – Biedermann, m. Leben u. e. Stück Zeitgesch. Bd. 1 (Breslau 1886) S. 260, 275–298; – Aus drei Vierteljahrhunderten. Von Fr. Ferd. Graf v. Beust. Bd. 1 (Stuttgart 1887) S. 41, 87, 141, 433, 455. – Ed. Stephani. Ein Beitr. z. Zeitgesch. von Boettcher. (Lpz. 1887) über P. in Sachsen u. auf d. Dresd. Conf.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ertheilte