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Artikel „Blum, Robert“ von Max von Eelking in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 739–741, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Blum,_Robert&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 05:12 Uhr UTC)
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Blum: Robert B., Schriftsteller und politischer Agitator, wurde 10. Nov. 1804 in Köln unter ärmlichen Verhältnissen geboren, † 1848. Der Vater, erst verfehlter Theologe, dann Böttcher, konnte kaum das Nöthigste zum Unterhalt seiner Familie beschaffen, so daß diese häufig dem bittersten Mangel preisgegeben war. Robert, bereits 10 Jahre alt, hatte noch keinen Schulunterricht genossen, da die Eltern diesen nicht bezahlen konnten, dagegen wurde er von ihnen wiederholt zum Betteln angehalten, wogegen sich aber sein Gefühl stets sträubte. Erst jetzt nahm sich die Schwester des längst verstorbenen Vaters des verwahrlosten Knaben an und schickte ihn in die sogenannte Jesuitenschule. Der geistigen Richtung Blum’s wird in seiner Jugend eine mystisch-pietistische Lügenhaftigkeit, als Ausgeburt seiner reichen Phantasie, nachgesagt; doch bald verdrängte diese Gebilde der nüchterne Verstand. Als Meßdiener an der katholischen Kirche Groß-Martin erhielt er den ersten bescheidenen Verdienst, womit er die Seinen unterstützte. Dabei genoß er auch den freien Schulunterricht der Pfarrkirche. B. besuchte darauf das Jesuitengymnasium, da er aber die weiteren Mittel zum Studiren nicht erschwingen konnte, so mußte er zum Handwerk greifen und wählte das eines Goldschmiedes, dann wurde er, als ungeschickt vom Meister abgewiesen, Gärtnerlehrling. Nach der Lehrzeit ging B. auf die Wanderschaft, kehrte dann wieder nach Köln zurück, wo er in einer Laternenfabrik Arbeit fand. Der Besitzer beschäftigte ihn, als guten Rechner besonders, bald auf dem Comptoir, dann schickte er ihn auf Reisen. Später übersiedelte B. mit seinem Chef nach Berlin, wo er Gelegenheit hatte, sich geistig mehr auszubilden. Diese benutzte er bei seinem 16monatlichen Aufenthalt (1829–1830) in bester Weise und so legte er den Grund zu seinem späteren Wissen. Durch die Militärpflicht eine Zeit lang in seiner bisherigen Thätigkeit unterbrochen, befand sich B. bald wieder so mittellos, daß er genöthigt war, in seine Vaterstadt Köln zurückzukehren und hier die bescheidene Stelle eines Theaterdieners anzunehmen. B. hatte bereits die Schriftstellerbahn betreten und schon in Berlin Beiträge, meist Gedichte, zu [740] der damals von Saphir redigirten „Schnellpost“ geliefert. Auch in Köln setzte er sein Schreiben und Selbststudium fort, so wenig ihm auch in seiner Stellung Zeit übrig blieb. Die im J. 1830 in Deutschland eingetretene politische Bewegung hatte auf Blum’s Feuerseele einen gewaltigen Einfluß, durch den er mehr zur Politik hingedrängt wurde. Seine Schwärmerei für die Freiheitsidee gab er vorzugsweise in seiner Gedichten kund. Dabei wagte er sich auf das Gebiet der Dramatik. Als in den Sommermonaten das Theater eingestellt wurde, verdingte sich B. bei einem Gerichtsvollzieher als Schreiber, mit monatlich 6 Thaler Gehalt, worauf er bei wieder beginnender Theatersaison abermals als Theaterdiener fungirte. Mit der Truppe ging B. später nach Leipzig, wo er nun einen anderen Wirkungskreis finden sollte. Der Theaterdirector ernannte ihn zum Secretair, Hülfscassirer und Bibliothekar bei seiner Truppe, worauf er 1840 Cassirer am Leipziger Stadttheater wurde, in welcher Stellung er bis 1847 verblieb. Hier setzte er seine schriftstellerische Thätigkeit nach mancher Richtung hin fort und stand auch mit der sehr gelesenen „Abend-Zeitung“ in näheren Beziehungen, die damals von Karl Winkler (Theodor Hell) redigirt wurde. Dann lieferte er auch Beiträge zu anderen beliebten Blättern, besonders zum „Kometen“ und zur „Zeitung für die elegante Welt“. Als Dramatiker war er bereits 1835 mit seinem Schauspiel „Die Befreiung von Candia“ vor die Oeffentlichkeit getreten. Auch schrieb er noch mehrere Novellen. Dann gab er ein „Theater-Lexikon“ heraus, das vielen Anklang fand und woran sich die Schriftsteller Marggraf und Herloßsohn mit betheiligten. Mit gleichem Eifer legte sich B. auch auf die Politik. Die in der zweiten Kammer mehr und mehr hervortretenden liberalen Kundgebungen übten auf ihn einen mächtigen Eindruck. Als öffentlicher Sprecher trat B. auf, als den Führern der Linken von der Menge öffentliche Huldigungen dargebracht wurden. B. strebte zugleich, das politische Leben auf die unteren Volksschichten mehr auszudehnen und diese dazu besser heran zu bilden, wozu eine faßliche Lectüre das meiste beitragen sollte. Er verband sich zu diesem Zwecke mit dem Litteraten Dr. Fr. Steger, mit dem er den „Verfassungsfreund“ herausgab, der aber von der Censur bald niedergehalten wurde. Darauf gaben Beide das Taschenbuch „Vorwärts“ heraus, von dem vier Jahrgänge mit einzelner Unterbrechung, veranlaßt durch die Censur, erschienen. Als im J. 1840 das Schillerfest in Leipzig gefeiert wurde, gründete man hier einen „Schillerverein“, bei dem B. Vorsitzender wurde. Ebenso betheiligte er sich an der Bewegung auf dem religiösen Gebiet, die aus Ronge’s bekanntem Auftreten hervorging, in Wort und Schrift. Es erschienen in Bezug darauf seine Schriften: „Der Kampf zwischen Licht und Finsterniß“, „Die Wunder des heiligen Rockes“, „Rede bei der ersten Versammlung der Deutsch-Katholiken“. Auch gab er die Zeitschrift „Blätter für die Interessen der deutsch-katholischen Kirche“ heraus. B. wurde Deutschkatholik. Als im J. 1845 jener bedauerliche Vorfall vom 13. Aug. eintrat, indem bei der Anwesenheit des Prinzen Johann von Sachsen in der Weise Ruhestörungen vorkamen, daß vom Militair auf die Massen gefeuert wurde, gelang es B., diese zu beruhigen und auf dem Boden des Gesetzes zu erhalten. Darauf erhielt er von Leipzigern eine Dankadresse und wurde auch zum Stadtverordneten erwählt. Auf politischem Gebiete arbeitete er an der „Constitutionellen Staatsbürger-Zeitung“ und als er die Stelle eines Theatercassirers 1844 aufgegeben hatte, gründete er eine Buchhandlung, aus der das „Staatslexikon für das deutsche Volk“ hervorging. Mit Gleichgesinnten gründete er den „Redeübungsverein“. Der bedeutendste Wendepunkt in Blum’s Leben sollte im J. 1848 eintreten: er warf sich der so gewaltig hervorbrechenden Bewegung völlig in die Arme. Um seiner Partei mehr Halt zu geben, bildete er den „Vaterlandsverein“, der bald zu 40000 Mitgliedern anwuchs, und ließ [741] dabei die unterdrückten „Vaterlandsblätter“ wieder erstehen. Von der Stadt Zwickau in das Vorparlament entsandt und zu einem der Präsidenten gewählt, beherrschte er durch sein energisches Auftreten, seine imponirende Gestalt besonders aber seine kernigen Reden fast die ganze Versammlung. Weiterhin auch in das deutsche Parlament gewählt, suchte er als Führer der Linken die Aufgeregtesten in Schranken zu halten, wobei er mannigfach anstieß. Ein weiteres Zerwürfniß mit der äußersten Linken brachte ihn in eine noch schiefere Lage. Ruge behauptete nämlich, B. sei zu seiner Partei übergetreten, dem dieser vor einer zahlreichen Volksversammlung widersprach. Als sich nun doch herausstellte, daß B. mit der äußersten Linken in näheren Beziehungen gestanden und er dieses selbst schließlich zugeben mußte, so wurde das Vertrauen zu ihm noch mehr erschüttert und man zweifelte sogar an seiner politischen Redlichkeit. Auch gab sich bei ihm nicht selten ein Schwanken kund, und weiter wurde ihm zum Vorwurf gemacht, daß er nach verschiedenen Seiten hin, vielleicht durch Eitelkeit verleitet, geliebäugelt habe. Als die Nachricht von den Wiener Octobervorgängen in Frankfurt eintraf, beantragte B. mit einigen Anderen eine Adresse an die Wiener. Linke und äußerste Linke waren hierbei zusammengetreten und B. und Fröbel gewählt worden, die Adresse nach Wien zu überbringen, und beide trafen daselbst am 17. October ein. B. schloß sich der Aula an und nahm an den Kämpfen derselben Theil, als die bewaffnete Macht gegen Wien vorrückte und den Aufstand niederwarf. B., der die Mannschaften einer Batterie befehligt und diese mit vielem Muth vertheidigt hatte, wurde, als er sich wieder in sein Gasthaus begeben, daselbst verhaftet, vor ein Kriegsgericht gestellt und von diesem zum Strang verurtheilt. Nachdem aber dieses Urtheil gemildert worden war, wurde B. am Morgen des 9. November in der Brigittenau erschossen. Diese Hinrichtung erregte nach allen Seiten hin eine gewaltige Sensation, zumal sich B. vergeblich auf seine Stellung als Parlamentsmitglied berufen hatte. Von seinen Genossen, die ihm als einem Märtyrer der Freiheit, ihre vollste Sympathie wieder zuwendeten, wurde für seine Hinterbliebenen eine Nationalsubscription veranstaltet, die gegen 40000 Thaler ergab. B. war unstreitig ein geistig befähigter Mann, dabei energisch und männlich muthig. Aber bei all seinem Streben, die Lücken seines Wissens möglichst auszufüllen und nachzuholen, was er in der Jugend versäumt, konnte ihm dies nicht gelingen, und so ging ihm auch die tiefere staatsmännische Kenntniß ab, die ihn in seiner hervorragenden Stellung hätte unterstützen müssen. Um so mehr stand ihm aber die Macht der Rede zu Gebote, die oft genug auch seine Gegner mit hinzureißen wußte. Der Ernst seiner Worte, verbunden mit Klarheit, Schärfe, aber auch Gemüthlichkeit, ergriff unwillkürlich das Innerste der Hörenden.