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Artikel „Kluckhohn, August“ von Adolf Wrede in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 241–244, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kluckhohn,_August_von&oldid=- (Version vom 16. Oktober 2024, 07:34 Uhr UTC)
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Kluckhohn: August K., Historiker, wurde am 6. Juli 1832 zu Bavenhausen im Fürstenthum Lippe geboren. Er entstammte kleinen ländlichen Verhältnissen, sein Vater war Schmiedemeister und später Landwirth; erst von seinem 16. Jahre an besuchte er das Gymnasium zu Lemgo, auf dem er sich durch Fleiß und Begabung so auszeichnete, daß es ihm nach Beendigung der Schulzeit (1853) durch ein von der Wittwe des Dichters Grabbe gestiftetes Stipendium möglich gemacht wurde, die Universität Heidelberg zu besuchen, um sich juristischen und historischen Studien zu widmen. Sehr bald hat hier Ludwig Häusser, der damals auf der Höhe seines Schaffens stand, einen entscheidenden Einfluß auf den jungen Studenten gewonnen; er hat ihn ganz zur Geschichte herübergezogen. Häusser selbst wußte aber auch, was er nicht geben konnte und er schickte daher seinen Schüler, als er seine Heidelberger Studien durch seine Promotion abgeschlossen hatte, nach Göttingen (Herbst 1856), um sich dort durch Waitz in das Studium der mittelalterlichen Quellen und die strenge historische Methode einführen zu lassen. Beiden, Häusser wie Waitz, hat K. stets ein treues, dankbares Andenken bewahrt und hat dem auch öffentlich Ausdruck gegeben (Häusser in der Allgemeinen Deutschen Biographie, Waitz in der Allgemeinen Zeitung 1886); von Beiden hat er viel gelernt, und es würde schwer halten zu sagen, wessen Einfluß schließlich der größere gewesen ist; seiner ganzen Art nach stand er allerdings wol Häusser näher als Waitz. K. blieb 11/2 Jahre in Göttingen; auf Anregung von Waitz entstand hier (1857) seine erste Schrift: die „Geschichte des Gottesfriedens“, die unter den Fachgenossen eine sehr günstige Aufnahme fand; dadurch wurden K. [242] weiterhin die Wege geebnet und er wurde ermuthigt sich Ostern 1858 in Heidelberg zu habilitiren. Aber schon im Herbst desselben Jahres siedelte er nach München über, um auf die Aufforderung Sybel’s in die Redaction der neu zu gründenden „Historischen Zeitschrift“ einzutreten. Als dann im folgenden Jahre auf Veranlassung von König Max die „Historische Commission“ in Wirsamkeit trat, hat K. von Anfang an sich an ihren Arbeiten betheiligt, zuerst bei den Vorarbeiten für die Herausgabe der deutschen Reichstagsacten neben J. Weizsäcker, mit dem ihn seit dieser Zeit eine treue Freundschaft verband (warme Erinnerungsworte widmete er dem Freunde in der Allgem. Zeitung 1890). Mit dem Fortgang Sybel’s von München nach Bonn (1861) fand Kluckhohn’s Thätigkeit als Redacteur der Historischen Zeitschrift ihr Ende; er blieb in München, wo er sich schon 1860 wieder habilitirt hatte. Auch mit seinen Studien wandte er sich jetzt ganz der bairischen Geschichte zu und veröffentlichte 1862 als erste Frucht derselben in den Forschungen zur deutschen Geschichte einen Aufsatz über „Herzog Wilhelm von Baiern-München als Protektor des Basler Konzils“, dem 1865 eine von der Münchener Akademie mit einem Preise ausgezeichnete Monographie: „Ludwig der Reiche von Baiern-Landhut“ folgte; auch die etwas später erschienene (1867 in den Forschungen) Arbeit über die bairischen Geschichtsschreiber Hans Ebran von Wildenfels und Ulrich Fütrer gehört noch diesem Studienkreise an. Wichtiger aber für seine weitere wissenschaftliche Thätigkeit war der Auftrag, den die Historische Commission ihm 1862 auf Veranlassung von Sybel ertheilt hatte: die Herausgabe einer Abtheilung der Wittelsbacher Correspondenzen und zwar Briefe des Kurfürsten Friedrich’s III. von der Pfalz. Nach längeren sorgsamen Forschungen in bairischen, sächsischen und hessischen Archiven konnte K. der Commission 1868 den ersten und 1872 den abschließenden zweiten Band seiner Ausgabe vorlegen. Eine Reihe kleiner darstellender Arbeiten gingen daneben aus diesen Studien hervor oder standen damit in Zusammenhang, so die Abhandlungen: „Wie ist Kurfürst Friedrich Calvinist geworden“ (1866), „Der Sturz der Crypto-Calvinisten in Sachsen 1574“ (Hist. Zeitschr. 1867), „Zur Geschichte des angeblichen Bündnisses von Bayonne“ (1868), „Zwei pfälzische Gesandschaftsberichte über den französischen Hof und die Hugenotten“ (1870), „Pfalzgräfin Marie“ (Hist. Taschenbuch 1872), „Die Ehe des Pfalzgrafen Joh. Casimir mit Elisabeth von Sachsen“ (1873), „Das Testament Friedrich’s des Frommen“ (1874). Sie sind fast alle in den Abhandlungen der Münchener Akademie erschienen, die K. 1865 zum außerordentlichen und 1869 zum ordentlichen Mitgliede gewählt hatte. Auch einige Artikel der A. D. B. sind in diesem Zusammenhange zu nennen: Kurfürst August von Sachsen und Lazarus von Schwendi. Zur 300jährigen Wiederkehr des Todestags Friedrich’s III. unternahm es dann K. selbst vornehmlich auf Grund der Briefe ein Lebensbild des Kurfürsten zu zeichnen: „Friedrich der Fromme, der Schützer der reformirten Kirche“ (1876–1879); es ist das größte darstellende Werk, das er geschaffen hat. Seine Auffassung des Kurfürsten ist nicht ohne Widerspruch geblieben und es mag sein, „daß er von der Schwäche der Biographen, ihre Helden zu verherrlichen, nicht ganz frei geblieben“ ist; es war ihm leider nicht vergönnt, eine eingehende Vertheidigung seiner Ansichten zu vollenden (s. Hist. Zeitschr. Bd. 72). Im J. 1865 wurde K. zum außerordentlichen Professor an der Universität und wenige Jahre später (1869) zum ordentlichen Professor an der neubegründeten technischen Hochschule in München ernannt. Dieser veränderte Wirkungskreis war nicht ohne Einfluß auf die Richtung seiner Studien, er verstärkte in ihm die bereits vorhandene Neigung, sich eingehender mit dem Unterrichtswesen in Baiern in der neueren [243] Zeit zu beschäftigen. Schon 1868 hatte er in einem akademischen Vortrage den Freiherrn v. Ickstadt und das Unterrichtswesen in Baiern unter Max Josef behandelt, es folgten 1873: Die Jesuiten in Baiern mit besonderer Berücksichtigung ihrer Lehrthätigkeit, Baiern unter dem Ministerium Montgelas; 1874: Die Illuminaten und die Aufklärung in Baiern unter Karl Theodor; 1875: Beiträge zur Geschichte des Schulwesens in Baiern vom 16.–18.Jahrhundert. Auch die Rede, mit der er 1877 seine Amtsführung als Director der technischen Hochschule eröffnete (über das technische Unterrichtswesen in Baiern bis zur Gründung der polytechnischen Centralschule 1827) gehört diesem Studiengebiete an, ebenso später die Herausgabe der Briefe und Denkwürdigkeiten Lorenz Westenrieder’s (1882), sowie die populäre Biographie Westenrieder’s (1890, Baierische Bibliothek Bd. 12).

Aber nicht nur im engen Kreise der Berufsthätigkeit hat K. in München gewirkt: in den Parteikämpfen der 60er und 70er Jahre trat er entschieden für die liberale Sache ein, als eifriges Mitglied gehörte er der nationalliberalen Partei an, candidirte auch einmal für den bairischen Landtag und war Gemeindebevollmächtigter. In Gemeinschaft mit gleichgesinnten Freunden gründete er den „Volksbildungsverein“, in dem er in populären Vorträgen, die sich durch schöne abgerundete Form auszeichnen, die Erinnerung an große Gestalten aus der Zeit der Freiheitskriege wachrief. So sprach er über Stein, Scharnhorst und Blücher; am bekanntesten ist der später erweiterte und als selbständige Schrift erschienene Vortrag über die Königin Luise (auch ins Englische übersetzt). Auch in Göttingen kamen später noch einige Vorträge hinzu, sie sind nach Kluckhohn’s Tode mit anderen Arbeiten in einem Bande „Vorträge und Aufsätze“ (1894) vereinigt.

Die Lehrthätigkeit an einer technischen Hochschule befriedigte K. aber doch nicht völlig; die Fülle der Arbeit erlaubte ihm nicht zugleich an der Universität, deren Honorarprofessor er geblieben war, Vorlesungen zu halten. Und wenn er auch ein Seminar für Lehrer der Geschichte an technischen Mittelschulen eingerichtet hatte, so konnte an einer technischen Hochschule doch kaum von einem wissenschaftlichen Betriebe der geschichtlichen Studien die Rede sein. So nahm denn K. gern einen von Göttingen an ihn ergehenden Ruf als Nachfolger von Reinhold Pauli an (1883). In den zehn Jahren, die er hier noch gewirkt hat, behandelte er in seinen Vorlesungen das ganze Gebiet der neueren, vornehmlich deutschen und preußischen Geschichte und hielt daneben historische Uebungen ab, in denen er mit Vorliebe größere Controversen aus der neueren Geschichte besprach. Wissenschaftlich wandte er sich besonders, vielleicht unter dem Einfluß der Gründung des Vereins für Reformationsgeschichte, dessen Vorstand er von Anfang an angehörte, den Anfängen der Reformation zu, und auch seine speciellen Schüler, deren sich hier eine ganze Reihe um ihn sammelte, wies er mit Vorliebe auf die Reformationsgeschichte und zwar der engeren Heimath hin, und eine Anzahl von Schriften zur Reformationsgeschichte des Hannoverlandes verdanken ihr Entstehen seiner Anregung und seiner stets hülfsbereiten Förderung. Er selbst hat zuerst 1886 zwei Aufsätze über diese Zeit veröffentlicht: „Der Reichstag zu Speier 1526“ (Hist. Zeitschr.) und „Zur Geschichte der Handelsgesellschaften und Monopole im Zeitalter der Reformation“ (Hist. Aufsätze zur Erinnerung an G. Waitz), dazu kam später noch die Abhandlung über das Project eines Bauernparlaments in Heilbronn (Nachr. d. Gött. Gesellsch. d. Wiss. 1893). Größere darstellende Werke hat er in Göttingen nicht mehr geschaffen; sein Plan, eine Geschichte des großen Bauernkriegs oder der Anfänge der Reformation in den [244] Jahren 1520–1530 zu schreiben, ist nicht zur Ausführung gekommen. Zeit und Arbeitskraft, die in den letzten Jahren schon mehrfach durch Krankheit gehemmt war, beanspruchte die Aufgabe, die ihm die Historische Commission, deren ordentliches Mitglied er seit 1878 war, 1886 übertragen hatte: die Herausgabe der Deutschen Reichstagsacten der Reformationszeit. Er ist dabei wesentlich für die Aufsuchung und Zusammenbringung eines großen archivalischen Materials thätig gewesen, seine Ferien waren eigentlich stets den Archivreisen gewidmet; die eigentliche Bearbeitung der Acten erfolgte dann zum größten Theil durch jüngere Mitarbeiter unter seiner Leitung. Neben den Reichtagsacten forschte er in den Archiven nach Arten der Geschichte des Bauernkriegs in Nord- und Mitteldeutschland und fand dafür ein so reiches unbekanntes Material, daß er beschloß, dasselbe als besondere Publication herauszugeben. Aber der Tod hat auch diesen Plänen ein Ziel gesetzt; er starb nach kurzer Krankheit am 19. Mai 1893 in München, wohin er sich begeben hatte, um der Plenarversammlung der Historischen Commission den fast vollendeten ersten Band der Deutschen Reichstagsacten unter Kaiser Karl V. vorzulegen.

Nachrichten der Familie. – F. Stieve in der Allgemeinen Zeitung 1893, Nr. 189. – F. Frensdorff in den Nachrichten der Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen 1894.