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Artikel „Margaretha (Maultasch), Herzogin von Kärnthen, Gräfin von Tirol“ von Alfons Huber in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 328–332, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Margarethe_Maultasch&oldid=- (Version vom 4. Oktober 2024, 05:57 Uhr UTC)
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Margaretha (Maultasch), Herzogin von Kärnthen, Gräfin von Tirol, geb. 1318, † 1369. Heinrich von Kärnthen und Tirol oder, wie er sich auch noch nach seiner Vertreibung aus Böhmen nannte, König von Böhmen, hatte keine männlichen Nachkommen, wol aber von seiner zweiten Gemahlin Adelheid von Braunschweig zwei Töchter, Adelheid, geb. 1317, und Margaretha, geb. 1318. Da nicht blos die ausgedehnten Privatgüter des görz-tirolischen Hauses, sondern auch die verschiedenen tirolischen Grafschaften, welche Lehen der Stifter Brixen und Trient waren, auch auf Töchter vererbt werden konnten, so suchte König Johann von Böhmen, dem keine Gelegenheit zur Vergrößerung der Macht seines Hauses entging, die Hand einer dieser reichen Erbinnen zuerst für seinen älteren Sohn Karl und dann für seinen zweiten Johann Heinrich zu gewinnen. Durch das Angebot, dem verwittweten Könige Heinrich eine Braut zu verschaffen und dieser eine reiche Aussteuer zu geben, erreichte er in der That sein Ziel. Schon im J. 1327 wurde der Prinz Johann nach Tirol gebracht und im September 1330 mit Heinrichs zweiter Tochter vermählt, da die ältere, Adelheid, wol schon damals kränklich war, wie sie denn 1334 wegen ihres „großen Siechthums und Krankheit“ von ihrem Vater von der Regierung ausgeschlossen und mit den Einkünften einiger Herrschaften abgefunden ward. Da Kaiser Ludwig der Baier schon im J. 1327 und neuerdings im Februar 1330 dem Könige Heinrich das Privileg ertheilt hatte, daß in Ermangelung von Söhnen seine Töchter oder Bruderstöchter auch die Reichslehen erhalten sollten, so hatten [329] M. und ihr Gemahl Hoffnung, sämmtliche Länder ihres Vaters, auch das Herzogthum Kärnthen, zu erben. Allein schon im November 1330 schloß Ludwig der Baier, welcher nach Beendigung des Krieges mit den Habsburgern die Unterstützung Johanns von Böhmen, der bisher sein wichtigster Bundesgenosse gewesen war, nicht mehr bedurfte, einen Vertrag mit den Herzogen von Oesterreich, welcher die Beraubung der Tochter des Königs Heinrich zum Ziele hatte. Der Kaiser versprach nach dem Tode Heinrichs Kärnthen den Herzogen von Oesterreich zu verleihen, wogegen diese ihm zur Erlangung Tirols Beistand leisten sollten. Als König Heinrich am 2. April 1335 aus dem Leben schied und die Herzoge Otto und Albrecht II. von Oesterreich die Ausführung dieses Vertrages forderten, ging der Kaiser bereitwillig darauf ein. Ja um an den Habsburgern um so verläßlichere Bundesgenossen zu gewinnen, belehnte er sie nicht blos mit Kärnthen, sondern auch mit Südtirol, während Nordtirol von der Finstermünz, dem Jaufen und der heutigen Franzensfeste an die Söhne des Kaisers erhalten sollten. Es hätte das Aufgebot aller Mittel der Häuser Görz-Tirol und Luxemburg bedurft, wenn die ganze Erbschaft des Königs Heinrich für seine Tochter und deren Gemahl behauptet werden sollte. Allein König Johann von Böhmen lag damals in Paris an den in einem Turniere erhaltenen Wunden darnieder. M. und ihr Gatte aber waren kaum dem Knabenalter entwachsen, sie 17, er erst 13 Jahre alt. Sein älterer Bruder Karl Markgraf von Mähren beschränkte sich zunächst auf Unterhandlungen, die natürlich erfolglos blieben. Unter solchen Verhältnissen versprachen die Kärnthner, deren Landeshauptmann Konrad von Aufenstein bereits von den Habsburgern gewonnen war, sich freiwillig der Herrschaft Oesterreichs zu unterwerfen, wenn sie innerhalb einer gewissen Frist keine Unterstützung erhielten, und da diese ausblieb, so leisteten sie Anfangs Juni dem Herzoge Otto die Huldigung. Auch nachdem König Johann Ende Juli aus Paris nach Böhmen zurückgekehrt war, wurde zunächst ein längerer Waffenstillstand geschlossen. Erst im Frühjahr 1336 brach der Krieg auf allen Seiten aus. Karl von Mähren, der die Verwaltung Tirols mit Zustimmung des dortigen Adels übernommen hatte, vertheidigte dieses Land, von den Bewohnern kräftig unterstützt, mit Erfolg gegen die von allen Seiten andringenden Feinde. Dagegen richtete König Johann, obwol er auch von den Königen von Ungarn und Polen Hülfstruppen erhielt, gegen Oesterreich und Baiern nichts aus. Im Frieden von Enns, den er am 9. October 1336 zugleich im Namen seiner Söhne mit Oesterreich schloß, verzichtete er auf Kärnthen und das einst dem Herzoge Meinhard verpfändete Krain. M. und ihr Gemahl Johann blieben auf Tirol beschränkt. Wenige Jahre vergingen, da verloren die Luxemburger auch das zweite Land aus der Erbschaft König Heinrichs. M., die wahrscheinlich wegen ihrer Mundbildung den Beinamen „Maultasch“ erhalten hat, fühlte sich gewiß verletzt, daß sie, die eigentliche Erbin Tirols, durch ihren Schwager Karl von Mähren von jedem Einflusse auf die Regierung desselben ausgeschlossen war. Fast noch mehr scheint es aber die junge, lebenslustige Frau geschmerzt zu haben, daß ihr Gemahl, den sie als Knaben von acht Jahren geheirathet hatte, sie später nicht blos roh behandelte, ja sogar, wie berichtet wird, mit Bissen tractirte, sondern sich auch körperlich sehr langsam entwickelte, so daß sie sich nach zehnjähriger Ehe zur Erklärung berechtigt glaubte, das Land werde von diesem Manne nie einen Erben erwarten dürfen. Da auch viele tirolische Adelige sich durch den großen Einfluß einiger Böhmen gekränkt fühlten, bildete sich 1340, als Karl und Johann eine Reise nach Böhmen, Polen und Ungarn unternahmen, eine Verschwörung, deren Zweck die Verjagung Johanns war, an dessen Stelle M. einen anderen Fürsten heirathen sollte. Karl und Johann erhielten indessen rechtzeitig Nachricht hiervon und kehrten nun eiligst nach Tirol zurück. Karl [330] ergriff die kräftigsten Maßregeln, um die Bewegung im Keime zu ersticken. Die Haupträdelsführer wurden streng bestraft, M. selbst auf dem Schlosse Tirol durch eine böhmische Besatzung bewacht. M. gab aber ihre Sache nicht verloren. Da Karl Ende 1346 neuerdings Tirol verließ und Herzog Johann sich nicht durch großen Scharfsinn ausgezeichnet zu haben scheint, so gingen die Unzufriedenen sogar ziemlich offen zu Werke. Wiederholt wurden Gesandte an den Kaiser geschickt, dessen ältester Sohn Markgraf Ludwig von Brandenburg zum Gemahle der M. ausersehen war. Als alles vorbereitet war, wurde dem Herzoge Johann, als er am 2. November 1341 von einer Jagd nach dem Schlosse Tirol zurückkehrte, einfach das Burgthor nicht mehr geöffnet. Da auch keiner der tirolischen Adeligen ihm Unterstützung gewährte, mußte er mit Schmach bedeckt aus dem Lande ziehen. Am Faschingsonntage (10. Februar) 1342 fand auf dem Schlosse Tirol Margaretha’s Vermählung mit Ludwig dem Brandenburger statt, ohne daß eine Ehescheidung vorgenommen worden wäre. Man betrachtete die Ehe Margarethas mit Johann von Böhmen einfach als ungültig, weil sie nicht vollzogen worden sei, eine Auffassung, welche später, als Johann ebenfalls eine Ehe eingehen wollte, auch vom Bischof von Chur als päpstlichem Bevollmächtigten getheilt worden ist. Ueber ein weiteres Ehehinderniß, die nahe Verwandtschaft Ludwigs und Margarethas, deren Großmutter die Schwester seines Großvaters gewesen war, setzte man sich stillschweigend hinweg. So skandalös die Art und Weise war, wie M. sich ihres ersten Gemahls entledigt hatte, so scheint das Verhältniß zu ihrem zweiten Gatten ein tadelloses gewesen zu sein. Sie hat ihm mehrere Söhne und Töchter geboren, die aber mit Ausnahme des Prinzen Meinhard ihnen alle in frühen Jahren entrissen wurden. Bald fand sie auch Gelegenheit von ihrem Muthe Zeugniß abzulegen. Die Luxemburger, vom Kaiser durch die Verdrängung aus Tirol tödtlich beleidigt, ruhten nicht, bis sie in Verbindung mit dem Papste, dem alten Feinde Ludwigs des Baiern, es erreichten, daß dieser im Juli 1346 von der Mehrzahl der Kurfürsten für abgesetzt erklärt und an seiner Stelle Karl von Mähren zum römischen Könige erhoben wurde. Im Frühjahr 1347 machte Karl IV. einen Versuch, den Wittelsbachern auch Tirol wieder zu entreißen, wo ein Theil des mächtigen Adels auch mit der bairischen Herrschaft bereits unzufrieden war und sich mit den Bischöfen von Trient und Chur in hochverrätherische Verbindungen gegen den Landesherrn eingelassen hatte. Als Kaufmann verkleidet und nur von wenigen Getreuen begleitet rückte Karl auf Umwegen nach Trient, wo er um die Mitte des März 1347 anlangte. Der Bischof von Trient stellte ihm seine Mannschaft zur Verfügung. Die Herren der oberitalienischen Städte, die Visconti, Gonzaga, della Scala und Carrara, die mit ihm im Bunde waren, schickten ihm ihre Hilfstruppen. Auch viele von den tirolischen Adeligen fanden sich bei ihm ein. Nicht das geringste war geschehen, um den Angriff Karls, der ganz unerwartet erfolgte, abzuwehren. Der Markgraf Ludwig hatte Tirol schon im vorigen Sommer verlassen, dann im Winter einen Zug gegen die heidnischen Nachbarn Preußens unternommen und war noch immer nicht zurückgekehrt. Der Landeshauptmann Engelmar von Villanders nahm wenigstens eine verdächtige Haltung ein. Ohne Widerstand drang daher Karl IV. von Trient durch das Etschthal nordwärts, nahm Bozen und Meran ein und griff das Schloß Tirol an, in das M. selbst sich geworfen hatte. Allein diese vertheidigte die genannte Burg mit eben so viel Muth als Erfolg, bis nach kurzer Zeit ihr Gemahl mit Truppen zurückkehrte und die Feinde zum Rückzuge nach Trient und endlich zur vollständigen Räumung des Landes zwang. Tirol wurde von Ludwig glücklich behauptet und bald in eine engere Verbindung zu Baiern gebracht, indem der Markgraf nach dem Tode seines Vaters bei den Ländertheilungen mit seinen Brüdern im J. 1351 für Brandenburg [331] das ihm bequemer liegende Oberbaiern erhielt. Zum vollständigen Glücke fehlte indessen dem Markgrafen und seiner Gemahlin eine Schaar blühender Kinder und die Sicherheit, daß ihr Stamm dauernden Bestand haben würde, da auch ihr Sohn Meinhard sich keiner festen Gesundheit erfreut zu haben scheint. Zugleich fühlten sie ihr Gewissen beunruhigt, da der Papst wegen ihrer allen Gesetzen Hohn sprechenden Heirath über sie den Bann und über ihre Länder das Interdict ausgesprochen hatte, nachdem Ludwig auch schon als Anhänger seines von der Kirche verfluchten Vaters der Excommunication verfallen war. Als daher Ludwig mit Karl IV. im J. 1349 Frieden schloß, ließ er sich von demselben das Versprechen geben, daß er beim Papste seine Lossprechung vom Banne zu bewirken suchen würde. Auch in späteren Verträgen ließ sich Ludwig dieses Versprechen immer wieder erneuern. Sei es aber, daß Karl diese Angelegenheit lässig betrieb oder daß der Papst unversöhnlich war, nach acht Jahren war noch immer nichts erreicht. Da nahm sich endlich Albrecht II. von Oesterreich der Sache an, der mit Ludwig befreundet war und ein persönliches Interesse an der kirchlichen Anerkennung der Ehe desselben hatte, da er schon 1352 seine Tochter Margaretha mit dem jungen Prinzen Meinhard verlobt hatte und endlich auch die Vermählung feiern wollte. Albrecht setzte es durch, daß der Papst im April 1358 dem Erzbischofe von Salzburg, dem Bischofe von Gurk und dem Abte von St. Lambrecht die nöthigen Vollmachten ertheilte. Nachdem der Tod des Herzogs Albrecht eine neue Verzögerung herbeigeführt hatte, brachte dessen Sohn Rudolf IV. die Sache zum Abschlusse. Am 2. September 1359 sprachen die päpstlichen Bevollmächtigten Ludwig und M. vom Banne los, segneten ihre Ehe ein und legitimirten die früher geborenen Kinder. Am nämlichen Tage vermachte M. für den Fall, daß sie, ihr Gemahl und ihr Sohn Meinhard ohne Nachkommen mit Tod abgingen, die Grafschaft Tirol dem Herzoge Rudolf von Oesterreich und seinen Brüdern als ihren nächsten Verwandten und Erben. Zwei Jahre darauf, am 17. September 1361, starb ihr Gemahl Ludwig der Brandenburger eines plötzlichen Todes und es folgte ihm ihr Sohn Meinhard III. in der Regierung von Oberbaiern und Tirol. Doch scheint auf das letztere Land M. als die eigentliche Erbin desselben selbst Ansprüche erhoben zu haben, da berichtet wird, daß sie mit ihrem Sohne wegen des Landes Tirol in Streit gerathen sei. Durchgedrungen ist sie damals nicht. Als aber Meinhard III. am 13. Januar 1363 einen frühen Tod fand, wurde sie von den Tirolern ohne Weiteres wieder als Herrin des Landes anerkannt. Allein wenige Tage genügten zum Beweise, daß M. zur selbständigen Regierung eines Landes nicht geeignet sei. Die schwache Frau gerieth augenblicklich in vollständige Abhängigkeit von einigen hervorragenden Adeligen, welche in ihrem Namen die ganze Regierung führen und dabei vor Allem für sich und ihren Vortheil sorgen wollten. Am 17. Januar wurde ein aus neun Adeligen bestehender Rath eingesetzt, ohne dessen Zustimmung M. keine Regierungshandlung vornehmen, keinem ein Amt verleihen oder entziehen, mit keinem Fürsten verhandeln oder Bündnisse und Verträge schließen, namentlich aber Tirol nach ihrem Tode Niemanden vermachen sollte. Von schmutzigem Eigennutz getrieben ließen sich nun die meisten dieser Räthe unter verschiedenen Titeln, zur Belohnung für angeblich geleistete Dienste, als Schadenersatz für erlittene Verluste oder auch als Geschenk reichliche Einkünfte, schöne Schlösser, ja auch ganze Gerichte abtreten. Innerhalb fünf Tagen, vom 16. bis zum 20. Januar, ward in dieser Weise ein bedeutender Theil Tirols an Adelige verliehen. Da erschien zum Glücke für das Land demselben plötzlich ein Retter, nämlich Rudolf IV. von Oesterreich. Dieser hatte sich auf die Nachricht von Meinhards Erkrankung von Wien aus auf den Weg gemacht, Obersteiermark und das Salzburgische durcheilt, mitten im Winter den hohen Krimmler [332] Tauern überstiegen und war bereits am 18. Januar in Rodeneck bei Brixen angelangt. Er veranstalte nun mit M. und ihren Räthen in Bozen eine Zusammenkunft und bemühte sich die Fürstin zu bewegen, Tirol in bestimmter Form den Herzogen von Oesterreich zu sichern. Wir sind natürlich über die von ihm in das Feld geführten Gründe nicht näher unterrichtet. Vorzüglich wird er wol darauf hingewiesen haben, daß er und seine Brüder Margarethas nächste Verwandte und Erben (ihr Vater und Rudolfs Großmutter waren Geschwister) und daß nur sie im Stande seien, M. im Besitze Tirols zu schützen, wenn etwa die Wittelsbacher den Grundsatz verfochten, daß dieses Land nach Meinhards Tode an sie als seine nächsten Verwandten von männlicher Seite gefallen sei. Jedenfalls erreichte er nach wenigen Tagen seinen Zweck. Am 26. Januar 1363 übergab M. den Herzogen von Oesterreich als ihren nächsten Verwandten und Erben das Land Tirol, erklärte sie schon jetzt als Herrn desselben und befahl ihnen die Huldigung zu leisten, indem sie sich nur vorbehielt, während ihrer Lebenszeit im Namen der Herzoge die Regierung zu führen. Als die Herzoge von Baiern in der That sich anschickten Tirol mit Gewalt in ihre Hände zu bringen, ließ sich M. von Rudolf IV. bewegen, gegen Zusicherung reichlicher Einkünfte schon jetzt auf die Regierung zu Gunsten der Habsburger zu verzichten. Am 2. September 1363 erklärte sie in Bozen öffentlich ihre Abdankung und zog sich nach Wien zurück, wo sie, ohne weiter eine politische Rolle gespielt zu haben, am 3. October 1369 aus dem Leben schied.

A. Huber, Geschichte der Vereinigung Tirols mit Oesterreich und der vorbereitenden Ereignisse. Innsbruck 1864.