ADB:Wilhelm V. (Herzog von Bayern)

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Wilhelm V., der Fromme, Herzog von Baiern“ von Sigmund Ritter von Riezler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 717–723, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wilhelm_V._(Herzog_von_Bayern)&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 07:12 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 42 (1897), S. 717–723 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Wilhelm V. (Bayern) in der Wikipedia
Wilhelm V. in Wikidata
GND-Nummer 118771841
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|42|717|723|Wilhelm V., der Fromme, Herzog von Baiern|Sigmund Ritter von Riezler|ADB:Wilhelm V. (Herzog von Bayern)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118771841}}    

Wilhelm V., der Fromme, Herzog von Baiern, 24. Oct. 1579 bis 15. Oct. 1597 (Abdankung) oder bis 4. Febr. 1598 (Entlassung der Unterthanen aus der Eidespflicht), geboren am 29. September 1548 als Sohn Hz. Albrecht’s V. von Baiern und der Anna von Oesterreich, † in Schleißheim am 7. Februar 1626. Seine Erziehung fiel in die Jahre, da der Einfluß der Jesuiten in Baiern zur Herrschaft gelangte, und ward in deren Geiste mit solchem Erfolg durchgeführt, daß der Jesuit Brunner sein Charakterbild Wilhelm’s mit [718] den Worten eröffnen konnte: „dem Erdkreis als Vorbild vollkommener Tugend geschenkt.“ Auf der Hochschule Ingolstadt, die er mit 15 Jahren bezog, war Dr. Staphylus, einer der geistigen Führer der bairischen Gegenreformation, als oberster Berather für seine Bildung aufgestellt. Ein im Geiste des Jesuitensystems beschränkter, doch sorgfältiger Unterricht ward ihm zutheil, doch blieb seine Bildung wol hinter der des Vaters zurück, wie sie auch später von der seines Erstgeborenen übertroffen ward. Er verstand Latein, Französisch, Italienisch, die letztere Sprache, ohne sie völlig zu beherrschen. Wie er über die Classiker dachte, erhellt aus seinem in der Instruction für die Erziehung Maximilian’s ausgesprochenen Wunsche, daß die heidnischen Schwätzer und Fabelhansen im Unterricht durch christliche Autoren ersetzt werden sollten. Immerhin achtete er die Wissenschaft so hoch, daß er aus seinem Erstgeborenen geradezu einen Gelehrten machen wollte, gelehrte Bestrebungen unterstützte und die von seinem Vater gegründete Büchersammlung mehrte; doch verwies nun ein Wink des Nuntius die mit besonderer Erlaubniß des Papstes gehaltenen ketzerischen Bücher in einen abgesonderten und verschlossenen Raum. Daß W. Verständniß und Freude an Kunst einsaugte, war schon durch die Atmosphäre des väterlichen Hofes bedingt. München blieb auch unter seiner Regierung ein glänzender Mittelpunkt sowol der bildenden Künste als der Musik. Orlando di Lasso war des Prinzen Vertrauter und konnte in seinen Briefen an ihn zuweilen lockere Töne anschlagen, die einen seltsamen Mißklang zu dem am Hofe herrschenden streng religiösen Geiste bilden. Wilhelm’s Beichtväter waren Jesuiten: P. Mengin, dann P. Torentinus. Ihre Vorschriften und Rathschläge bildeten für sein Privatleben wie für die Gesammtrichtung seiner Politik die unverbrüchliche Richtschnur. In ersterer Beziehung übten sie die wohlthätige Wirkung, daß W. ebenso arbeitsam wie sein Vater träge war, doch vermochte der anerzogene Arbeitsgeist den Mangel an Energie, der in seiner Natur lag, und die Mittelmäßigkeit seiner geistigen Begabung nicht auszugleichen. An Gutmüthigkeit und Wohlwollen übertraf er Vater und Sohn. Doch fanden diese Eigenschaften ihre Schranke, wo religiöser Wahn grausame Verfolgungen befahl. W. der Fromme ist der erste systematische Hexenverfolger unter den bairischen Fürsten; ein Gutachten, das er sich 1589 von der ganz unter jesuitischem Einfluß stehenden theologischen und juristischen Facultät der Landesuniversität ausstellen ließ, gab das Signal zu ausgedehntem Auflodern der Scheiterhaufen; gleichwol sind die Processe unter ihm nicht mit der Beharrlichkeit immer aufs neue entzündet worden, wie später durch seinen Sohn geschah.

Seine innere Heiligung und strengste religiöse Pflichterfüllung waren ihm die höchsten Ziele. Jeden Mittag und Abend erforschte er sein Gewissen, täglich hörte er mehrere Messen und brachte vier Stunden in Gebet und geistlicher Betrachtung zu, wöchentlich ging er ein- oder zweimal zur Beicht und Communion. Er geißelte sich, trug härene Unterkleider, wallfahrtete häufig in einfacher Pilgertracht nach Altötting, Andechs, Tuntenhausen, 1585 nach Loreto und Rom. In Loreto hinterließ er königliche Weihegeschenke, in Rom spendete er die Mittel zur Wiederherstellung der verfallenen Sebastianskirche. Beglaubigte Reliquien zu erwerben ward keine Gelegenheit versäumt. Daß die Gesellschaft Jesu an ihrem fürstlichen Zögling den eifrigsten Freund und Förderer hatte, ist selbstverständlich. Er unterstützte ihre Missionsthätigkeit in China und Japan durch einen namhaften Jahresbeitrag, zu Hause aber kannte seine Freigebigkeit für den Orden kaum eine Grenze. Er gründete ihm ein neues Colleg in Altötting, überwies ihm die unter landesfürstlicher Verwaltung gestandenen Klöster Biburg und Mönchsmünster und vermittelte die päpstliche Entscheidung, durch welche die reiche Benedictinerabtei Ebersberg dem Orden überlassen ward. Insbesondere [719] aber erbaute er den Jesuiten in seiner Hauptstadt, taub gegen die Vorstellungen seiner Landstände und Räthe, die prachtvolle Kirche des hl. Michael und im Anschlusse daran ein weitläufiges, palastartiges Kloster. In politischen Dingen ward jedoch den Jesuiten über die Frage hinaus, ob ein beabsichtigter Entschluß nicht etwa zu einer Sünde führe, Einwirkung im einzelnen nicht vergönnt: genug, wenn der Geist des Ordens im allgemeinen der Politik des Fürsten die Ziele bestimmte. In dem am 5. September 1583 abgeschlossenen Concordat ward das Ziel des päpstlichen Nuntius Ninguarda das herzogliche Kirchenregiment zu beseitigen keineswegs erreicht: konnten die Landesherren auch nicht vollständig behaupten, was ihnen die Stürme der religiösen Bewegung in den Schoß geschüttelt hatten, so gelang es doch der Kirche noch weniger die anfangs erhobenen streng kanonistischen Forderungen durchzusetzen. Schon war das juristische Beamtenthum und in dessen Kreisen die Ansicht von der Selbständigkeit des Staates gegenüber der Kirche zu mächtig entwickelt. Lassen sich doch sogar unter der Regierung dieses streng kirchlich gesinnten Fürsten staatliche Eingriffe in die inneren Angelegenheiten der Kirche beobachten, wie sie heutzutage kaum möglich wären!

Nach wie vor sorgte strenge Ueberwachung dafür, daß nicht das Gift der Ketzerei im Lande eindringe. Diese Gefahr drohte besonders der Nachbarschaft der maxlrainischen Herrschaft Waldeck, einer Enclave, deren Bevölkerung gleich ihren Herren protestantisch geworden war. W. ließ die Herrschaft von Truppen besetzen und eine Grenzsperre durchführen, die allen Handel und Wandel lähmte. So gelang es ihm 1584 Miesbach, den Hauptort, und die ganze Herrschaft dem Katholicismus zurückzuerobern. Wer von den Einwohnern sich nicht fügen wollte, mußte zum Wanderstab greifen. Gegen die Wiedertäufer, die von Mähren aus Missionäre nach Baiern sandten und viele zur Auswanderung bewogen, ergingen 1584–87 strenge Mandate des Herzogs.

Daß W. die ererbten persönlichen Beziehungen zu einigen protestantischen Fürsten fort unterhielt, geschah in der Absicht der katholischen Sache zu nützen, zuweilen auch in der stillen Hoffnung Proselyten zu machen. In dieser Beziehung waltete beim Fürsten ein unverbesserlicher Optimismus. Beim Kurfürsten August von Sachsen wurden eine Zeit lang geradezu Bekehrungsversuche betrieben, 1582 wenigstens über eine Vereinigung der Katholiken und Lutheraner zur Ausrottung der Calvinisten verhandelt. Zu einem Besuche Hz. Ludwig’s von Württemberg, des Enkels der bairischen Sabine, brachte W. im Sommer 1591 seinen berühmtesten Theologen, den Jesuiten Gregor v. Valentia, mit, der mit dem Stuttgarter Hofprediger Lucas Osiander disputirte. Selbst mit dem Calvinisten Pfalzgrafen Johann Kasimir dachte W. in der Verstimmung gegen Habsburg an ein Einverständniß, dessen Voraussetzung wol die Bekehrung dieses Fürsten bilden sollte, und wieder trug man sich eine Zeit lang mit der Hoffnung den jungen Friedrich von der Pfalz für den Katholicismus zu gewinnen. Auf dem Augsburger Reichstage von 1582, den W. persönlich besuchte, bewegte sich seine Politik im Einklang mit der des Cardinallegaten Madruzzo. Sein und der katholischen Restaurationspartei entschiedener Widerspruch bewirkte, daß der brandenburgische protestantische Administrator von Magdeburg den Reichstag verlassen mußte. Wie W. in der großen Streitfrage der Zeit, über die Freistellung der Bekenntnisse dachte, zeigt sein Verhalten gegenüber einer Schrift, welche damals das größte Aufsehen machte und die weltlichen Kurfürsten zu einer dem Kaiser überreichten Beschwerdeschrift veranlaßte, der Autonomia des Reichshofrathssecretärs Erstenberger. Darin war zwar die Verbindlichkeit des Augsburger Religionsfriedens anerkannt, aber ein dauernder Frieden zwischen den beiden Bekenntnissen als unmöglich, die Freistellung der Religion als teuflisch [720] und schlimmer denn Krieg erklärt. Auf Wilhelm’s Veranstaltung ist diese Schrift, die er sich schon einige Jahre vorher hatte zusenden lassen, 1586 zu München unter dem Namen des verstorbenen Kanzlers Franz Burkhardt gedruckt worden.

So war es der schönste Triumph für W., daß er an einem hochwichtigen Punkte, im Kurfürstenthum Köln, den Fortschritten des Protestantismus in Deutschland Halt gebieten konnte. Hier beansprucht Wilhelm’s erfolggekröntes Eingreifen geradezu weltgeschichtliche Bedeutung. Nachdem der Erzbischof Gebhard Truchseß von Köln zum Protestantismus übergetreten war, wurde am 23. Mai 1583 die einstimmige Wahl Ernst’s, des Bruders Wilhelm’s, der bereits eine Reihe von Bisthümern inne hatte, erzielt. Ihn in Besitz zu setzen blieb W. und dem Kölner Capitel überlassen. Rom sandte Geld, die spanisch-niederländische Regierung Hülfstruppen, der bairische Kreistag bewilligte zwei Römermonate. Aber die finanzielle und militärische Hauptlast des Unternehmens blieb doch auf Baiern ruhen. Man muß billig bekennen, schrieb der Kanzler von Trier, daß schier die ganze Erhaltung unseres katholischen Glaubens, das Heil vieler Seelen und des Reiches beste Wohlfahrt auf dem hochlöblichen christlich eifrigen bairischen Blut beruhe. Da Johann Kasimir von der Pfalz, des Truchsessen einziger Bundesgenosse, die Zeit mit Zaudern verlor und im entscheidenden Augenblick über die Geldmittel sein Heer zusammenzuhalten nicht mehr verfügte, gestaltete sich der Feldzug, in dem Wilhelm’s jüngerer Bruder Ferdinand den Oberbefehl führte, zu einem verhältnißmäßig leichten Siegeszug. Damit war die Kraft des geistlichen Vorbehaltes nachdrücklich zur Geltung gebracht und die Gefahr beseitigt, daß der Protestantismus die Rheinlande und die Mehrheit im Kurfürstencollegium erobere. Zugleich errang W. durch diesen Sieg seinem Hause eine glänzende Machtstellung. Auf Jahrhunderte hinaus faßten die bairischen Wittelsbacher nun Fuß in den entlegenen geistlichen Stiftern des Nordwestens: in Köln, Hildesheim, Lüttich, Münster bildeten Bischöfe aus dem bairischen Hause fortan die Regel, während Paderborn und Osnabrück wenigstens vorübergehend von solchen besetzt wurden. Auch Ernst’s Bewerbung um Münster ward von W. eifrig betrieben, und da sich der Baiernherzog durch den kölnischen Feldzug, auch durch die Befestigung des Katholicismus im schwankenden Jülich’schen Hause so große Verdienste um die Kirche erworben hatte, ließ Papst Gregor XIII. seine Bedenken fallen und unterstützte auch hier die Wahl des Wittelsbachers, die im Mai 1585 erfolgte und in Ernst’s Hände das fünfte Bisthum legte.

Für die ganze äußere Politik Wilhelm’s war der Kölner Krieg mit seinen zwei Zielen vorbildlich. Es galt die Ketzerei im Reiche zurückzudämmen, den Anspruch der Protestanten auf Aufhebung des geistlichen Vorbehalts und Freistellung der Bekenntnisse zu bekämpfen, dagegen überall, wo sich eine katholische Restaurationsbewegung regte, dieser hülfreiche Hand zu bieten. Und es galt, wie den Bruder Ernst so nun auch die jüngeren Söhne, an denen der Vater mit großer Zärtlichkeit hing, mit kirchlichen Pfründen zu versorgen. Nur ertrugen die bairischen Finanzen nach den für Köln übernommenen Opfern keine weitere Belastung durch die auswärtige Politik, auch war W. bei allem Eifer für die katholische Sache doch von dem aufrichtigen Streben geleitet keine ernsten Verwicklungen im Reiche heraufzubeschwören. Zwar hatte er 1583 in der Stille eines Starnberger Aufenthaltes selbst den Entwurf für einen Bund ausgearbeitet, der alle katholischen Mächte Europas zum Schutze gegen die Protestanten umschließen sollte. Dies blieb jedoch ein Luftschloß und später hat W. selbst die Gefahren, die ein rein katholischer Bund wecken würde, richtig gewürdigt. Da der confessionell gemischte, doch weit überwiegend katholische Landsberger Bund, besonders seit dem Austritte des Erzherzogs Ferdinand 1584, mehr und mehr [721] zur Bedeutungslosigkeit herabsank, tauchten immer wieder neue Bundesprojecte auf (so ein abenteuerliches, umfassendes 1590), ohne jedoch verwirklicht zu werden. Wilhelm’s Scheu vor einem großen Kriege trat besonders deutlich in dem Straßburger Bisthumsstreit hervor, wo auch die Mahnungen des Papstes Clemens VIII. den Herzog nicht bewegen konnten, in den Krieg zwischen den beiden Erwählten, dem Cardinal Karl von Lothringen und dem protestantischen Markgrafen Johann Georg von Brandenburg (1592) einzugreifen.

Die beiden wohlgesitteten Söhne, die dem geistlichen Stande geweiht waren, den nach seinem königlichen Taufpathen in Spanien benannten Philipp und Ferdinand, hatte W. zur Erleichterung ihrer kirchlichen Laufbahn einen Aufenthalt in Rom nehmen lassen. Für ihre Versorgung hatte er vor allem deutsche Bisthümer im Auge, doch ließ er es sich nach anfänglichem Widerstreben gern gefallen, daß Philipp, nachdem er bereits das Bisthum Regensburg erlangt hatte, auch als Cardinal (Dec. 1596) proclamirt wurde. Nach dem Tode Philipp’s, den die Schwindsucht früh (18. Mai 1598) dahinraffte, suchte der Vater dessen Pfründen seinem jüngsten Sohne Albrecht zuzuwenden, doch ward die Absicht auch diesen in den geistlichen Stand treten zu lassen bald aufgegeben. Für Ferdinand ward zuerst die Coadjutorie, dann (1594) die Propstei Berchtesgaden erlangt, deren Inhaber Jakob Pütrich an Wilhelm’s Hofe Schutz gegen die Gewaltthätigkeiten des Salzburger Erzbischofs Wolf Dietrich gesucht hatte. 1595 wurde Ferdinand auch Coadjutor seines Oheims Ernst in Köln und 1601 auch in Lüttich. Mit seinem Bruder Ferdinand, der sich mit einer Münchner Beamtentochter Marie Pettenpeck vermählen wollte, vereinbarte W. schweren Herzens (23. Sept. 1588) ein Abkommen, das ihm die Erlaubniß zu dieser Mißehe gab, der Nachkommenschaft aber nur den Adel- nicht den Fürstenstand zusprach.

Gegenüber der Türkengefahr erwies sich W. stets opferwillig und 1593 suchte er sogar unter Hinweis auf diese dem Erzherzog Mathias den Plan die Prädicanten aus Oberösterreich zu vertreiben auszureden. Auch auf dem Regensburger Reichstage von 1594 wünschte er alle religiösen Streitigkeiten ferngehalten, damit nicht die Abwehr der Türken darunter litte. Doch ging Baiern damals in der Höhe der Bewilligung nicht so weit wie Salzburg, dessen Vorschlag die Mehrheit gewann, und zog sich dadurch des Kaisers Unwillen zu. Das herzliche Verhältniß zu Habsburg war schon auf dem Reichstage von 1582 durch einen Präcedenzstreit zwischen den Erzherzogen und den bairischen Herzogen etwas getrübt worden. Nachdem dieser Streit 1590 aufs neue ausgebrochen war, nahm W. (Januar 1591) für sich und sein Haus den bisher nur von den Erzherzogen geführten Titel Durchlaucht an. Der Kaiser hielt mit seiner Unzufriedenheit darüber nicht zurück, dagegen trat ein neuer Verstimmungsgrund für Baiern hervor, als in Passau der von Papst und Kaiser unterstützte Erzherzog Leopold Wilhelm’s Sohn Ferdinand in der Bewerbung um die Coadjutorie aus dem Felde schlug. Ungestörter blieb Wilhelm’s gutes Verhältniß zu den spanischen Habsburgern. 1585 empfing er in Landshut im Auftrage K. Philipp’s II. das goldene Vließ. Sein Bemühen um Jahrespensionen für seine jüngeren Söhne blieb jedoch am spanischen Hofe erfolglos.

In den fränkischen Bisthümern, in Jülich, Steiermark und Baden bot sich W. Gelegenheit, seinem höchsten politischen Ziele, dem Fortschritt der katholischen Sache, zu dienen. In Würzburg und Bamberg fand die von den Bischöfen Julius Echter von Mespelbrunn und Neithard von Thüngen rücksichtslos durchgeführte Gegenreformation an ihm einen Rückhalt. In Jülich, wo die Gefahr einer protestantischen Regierung drohte, unterstützte W. die katholischen Landstände gegenüber den protestantischen und der Herzogin Jakobe. In Steiermark [722] arbeitete er im Verein mit dem Nuntius Ninguarda darauf hin, daß sein Schwager, Erzherzog Karl, die seiner Ritterschaft gewährte Zusicherung religiöser Freiheit zurücknähme. W. und seine Schwester setzten es durch, daß Karl’s Sohn Ferdinand, der spätere Kaiser, 1590 zu streng katholischer Erziehung nach Ingolstadt geschickt und dort fünf Jahre lang in jesuitischen Grundsätzen erzogen wurde. 1600 vermählte er mit Ferdinand seine Tochter Marie Anna. An der katholischen Restauration in Innerösterreich, die Ferdinand durchführte, hat jedoch Baiern keinen directen Antheil genommen. In Baden konnten die bairischen Wittelsbacher, vertreten durch W., zum dritten Male in diesem Jahrhundert den Katholicismus fördern. Der unter Wilhelm’s Vormundschaft stehende Markgraf Eduard Fortunatus trat 1584 in München zum katholischen Bekenntniß über. Dessen jüngere Brüder ahmten sein Beispiel nach. Auch Jakob von Baden-Hachberg, von W. angefeuert, schwor (15. Juli 1590) den Protestantismus ab. W. belohnte den Convertiten Pistorius, der diese Bekehrung vornehmlich bewirkt hatte, mit einem Jahresgehalt von 200 Ducaten. Als aber Jakob plötzlich starb und über die Erziehung der Kinder Streit ausbrach, machte das gewaltthätige Vorgehen des Oheims, des Markgrafen Friedrich Ernst von Baden-Durlach die bairischen Erfolge zunichte. Vergebens drang W. in den Kaiser einen Executionsbefehl zu erlassen. In dem durch Eduard’s Fortunatus tolle Verschwendung tief verschuldeten Baden-Baden wurden W. und Ernst Friedrich vom Kaiser mit dem Sequester beauftragt, aber auch hier griff Ernst Friedrich gewaltthätig zu, ließ sich als Administrator huldigen und kümmerte sich nicht um die auf Wilhelm’s Drängen erlassenen kaiserlichen Mandate.

Die Friedensliebe und Zurückhaltung, die W. in diesen badischen Händeln und sonst bewährte, waren nicht unbeeinflußt von dem Stande der bairischen Finanzen. Diese hatten sich unter seiner Regierung zu einem weiter und weiter um sich greifenden Krebsschaden gestaltet, denn in dem Mangel an haushälterischem Sinn und in der Unfähigkeit Einnahmen und Ausgaben im Gleichgewicht zu halten war W. durchaus der Erbe seines Vaters. Schon als Prinz 1577 hatte er 300 000 fl. Schulden. Wiewol Albrecht V. wiederholt große Schulden auf seine Landschaft abgewälzt hatte, hatte er W. eine Schuldenlast von 616 000 fl. hinterlassen. Infolge der Klagen über den bei Hof herrschenden Luxus, die auf Wilhelm’s erstem Landtage 1579 ertönten, wurden die Ausgaben für höfischen Prunk, für bildende Kunst, Musik und Sammlungen etwas eingeschränkt. Bald ward dies jedoch durch die kriegerische Politik im Kölner Streit und Wilhelm’s schrankenlose Freigebigkeit für kirchliche Zwecke mehr als wettgemacht. Den gewaltigen Monumentalbauten der Michaelskirche, des Jesuitenklosters und des herzoglichen Palastes (jetzt Herzog Maxburg) in München waren die Kräfte des bairischen Staatshaushaltes nicht gewachsen. 1588 mußten die bekümmerten Landstände neue Schulden mit 1 900 000 fl. übernehmen. Auf dem Landtage von 1593 erreichten die Klagen der Stände über die Erschöpfung des Landes ihren Höhepunkt. Wieder waren anderthalb Millionen neue Schulden erwachsen. W. mußte einwilligen, daß acht Verordnete der Landschaft mit einer Beamtencommission zur Berathung über die Finanzlage zusammentraten. Während dessen unternahm der Herzog eine Wallfahrt nach Altötting und nach seiner Rückkehr überraschte er die Stände durch die Aufforderung seinem Sohne Maximilian als dem künftigen Landesherrn die Eventualhuldigung zu leisten, was am 11. Januar 1594 geschah. Bald zeigte sich, daß Wilhelm’s Absicht dahin ging, die Hauptlast der Regierungsgeschäfte auf jüngere Schultern abzuwälzen. In den Anzeigen seines Entschlusses an Kaiser und Papst erklärt W. selbst als Gründe seiner Abdankung Kränklichkeit und den Wunsch sich noch mehr als bisher Werken der Frömmigkeit zu widmen. Doch dürfte die finanzielle Lage und die [723] ernste Sprache seiner Räthe und Landstände daneben auch auf seinen Entschluß eingewirkt haben. Durch die Doppelregierung von Vater und Sohn aber wurde die Zerrüttung nur gesteigert. In der Grafschaft Haag kam es 1596, wol aus Anlaß des harten Steuerdruckes, zu einem Bauernaufstand, der mit blutiger Strenge unterdrückt wurde. Das Gutachten einer Beamtencommission, die niedergesetzt ward, um Mittel zur Verhütung des Staatsbankerotts vorzuschlagen, sprach sich (19. Juni 1597) dahin aus, daß die Regierung einem Herrn allein überlassen und im Hofstaat Einschränkungen gemacht werden sollten. Um dieselbe Zeit (6. Juli 1597) ward mit der Weihe der Münchener Jesuitenkirche auch Wilhelm’s Lieblingswerk vollendet, das er wahrscheinlich noch zu völligem Abschluß gebracht wünschte. So verstand er sich, 15. October 1597, zur Abdankung. Mit einem jährlichen Deputat von Geld und Naturalien zusammen im Werthe von 60 000 fl. ausgestattet, lebte er fortan in seinem neuen Münchener Schlosse neben dem Jesuitenkloster – im Schlosse selbst hausten zwei Karthäuser in einer Grotte – Buß- und Andachtsübungen, Werken der Wohlthätigkeit und dem beschaulichen Genusse seiner Kunst- und Curiositätensammlungen. In letzterer Eigenschaft zeigt ihn uns der anschauliche Reisebericht des Augsburgers Hainhofer, der ihn 1611 besuchte. Zuweilen zog er sich in die „egyptischen“ Einsiedeleien zurück, die er bei Schleißheim und bei seinem Ansitze Neideck in der Au angelegt hatte. Täglich speisten bei ihm zwölf arme alte Männer, an seiner Tafel sah man nur irdenes Geschirr, seine Kleidung war die eines Kanonikus. Doch ist es eine falsche Vorstellung, daß er in dieser fast mönchischen Zurückgezogenheit sich von den öffentlichen Angelegenheiten ferngehalten habe. Besonders in der ersten Hälfte seines Ruhestandes rief die Sorge für kirchliche Interessen oder für das Wohl seiner zärtlich geliebten Kinder, auch ein Aufflackern des Familienehrgeizes nicht selten die alte Vielgeschäftigkeit in ihm wach. Und zuweilen bedrückte es ihn doch, daß die Entscheidung nicht mehr in seinen Händen lag. Er sah noch die glänzenden Triumphe seines Erstgeborenen, unter dem grellen Rückschlag zu leiden ersparte ihm der Tod (7. Febr. 1626).

Des Jesuiten Brunner Excubiae tutelares (1637), p. 561 f., wo eine verschollene handschriftliche Biographie aus der Feder des Jesuiten Jakob Canisius benützt ist. – Adlzreiter, Annales Boior. – Schreiber, Wilhelm V. (1860). – Besonders: Stieve, Briefe u. Akten z. Gesch. d. 30jähr. Kriegs IV, 407 f., u. Wittelsbacher Briefe, I–VIII. – Lossen, Der kölnische Krieg, u. einige kleinere Abhandlungen. – Riezler, Gesch. d. Hexenprocesse in Baiern (1896); – Derselbe, Gesch. Baierns IV (Mspt.).