ADB:Ernst (Erzbischof von Köln)

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Artikel „Ernst, Herzog von Baiern, Erzbischof und Kurfürst von Köln“ von Leonhard Ennen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 250–257, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ernst_(Erzbischof_von_K%C3%B6ln)&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 02:00 Uhr UTC)
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Ernst, Herzog von Baiern, Erzbischof und Kurfürst von Köln, 1583 bis 1612, Bischof von Freisingen, Hildesheim, Lüttich und Münster. Für die Erhaltung der alten katholischen Religion im westlichen Deutschland hing vieles davon ab, wer im J. 1577 an die Stelle des vom Kölner erzbischöflichen Stuhl zurücktretenden Salentin von Isenburg würde gewählt werden. Es gab Elemente im Kölner Domcapitel, in deren katholische Gesinnung die Römische Curie nur geringes Vertrauen setzte, und von denen zu erwarten stand, daß sie, im Falle sie an die Spitze der Erzdiöcese gestellt werden sollten, dem Beispiele Hermanns von Wied folgen und nochmals den Versuch, die Reformation im Kölner Bezirk einzuführen, wagen würden. Am liebsten würden die Curie und die Freunde des alten Kirchensystems die Wahl eines Capitularen gesehen haben, der in den Traditionen, in der äußern Macht seiner Familie eine zureichende Garantie für seinen engen Anschluß an die katholischen Interessen bieten und der die Vertheidigung des hergebrachten katholischen Glaubens für eine Ehrensache und Machtfrage seines Hauses ansehen würde. Es war dies der schon in hohen kirchlichen Würden stehende, am 17. December 1554 geborene Sohn des Herzogs Albert V. von Baiern. Noch ein Kind, nicht volle zwölf Jahre alt, hatte er am 18. October 1566 mit Zustimmung des Papstes das Bisthum Freisingen erhalten. Sein Vater sorgte nun dafür, daß der junge Kirchenfürst unter Leitung von Lehrern aus dem Jesuitenorden mit einer tüchtigen humanistischen und theologischen Bildung ausgerüstet wurde. Am 17. März 1573 wurde er zum Bischof von Hildesheim gewählt. Die Jesuiten hatten es verstanden, ihm den Glauben beizubringen, daß das Heil der Menschheit nur hinreichend gesichert sei, wenn die geistliche und weltliche Politik von dem im Jesuitenorden herrschenden Geiste geleitet werde. Viele der Kölner Capitulare waren gegen die baierische Candidatur, weil sie sich nicht entschließen konnten, dem baierischen Fürstenhause den Weg zur Hegemonie in Deutschland zu bahnen und den Kölner Kurstaat in der noch nicht gelösten niederländischen Frage an die Interessen Spaniens zu ketten; mehrere der Wahlherren sprachen sich darum gegen E. aus, weil derselbe zu „gut jesuitisch“ war und unter seiner Regierung die Protestanten die schwerste Verfolgung würden zu befahren haben. Die Gegner der baierischen Candidatur bildeten numerisch gerade die Hälfte der Wähler. Alle Bemühungen des Papstes, des Kaisers, des Königs von Frankreich, des Königs von Spanien, der Kurfürsten von Trier und Mainz, der Herzoge von Braunschweig und Jülich, einen Theil der Opposition für den baierischen Prinzen zu gewinnen, waren vergeblich. Am Tage vor der Wahl fiel noch der Regens der Laurentiner-Burse, Paul Kuckhov aus Ruermonde, von der baierischen Partei ab, und am 5. December erhielt Gebhard Truchseß von Waldburg eine Stimme über und E. eine Stimme unter der Majorität. E. hoffte trotz dieser Niederlage bei der Wahl dennoch mit Hülfe des Papstes auf den erzbischöflichen Stuhl zu gelangen. In einer scharfen Eingabe an den Papst protestirte er gegen die Wahl Gebhards und bat, ihm, dem Baierprinzen, die Bestätigung zu ertheilen. Aber in Rom hatte sich der Absolutismus noch nicht bis zu der Stufe entwickelt, daß man es hätte wagen dürfen, im Interesse des curialistischen Systems die canonisch unzweifelhaft gültige Wahl zu verwerfen und das klare Recht den Wünschen der baierischen und jesuitischen Partei zu opfern. Der Papst ertheilte dem gewählten Truchseß [251] die Confirmation. Einen Ersatz dafür, daß E. sich in seinen Hoffnungen auf den Kölner erzbischöflichen Stuhl getäuscht sah, fand er in der Wahl zum Bischof von Lüttich, am 31. Januar 1581. Neue Aussichten für die Verwirklichung seiner Hoffnungen auf die Erreichung des Zieles seines Ehrgeizes eröffneten sich dem Lütticher Bischof, als des Kölner Erzbischofs Verheirathung und Abfall vom katholischen Glauben, 1583, die förmliche Absetzung Gebhards in nahe Aussicht stellte. Die Mehrheit des Domcapitels sowol wie der Landstände sprachen sich dafür aus, daß ein abtrünniger Erzbischof nicht länger an der Spitze der Diöcese bleiben könne. Sobald von Seiten des Papstes über Gebhard die Excommunication verhängt worden und der Kaiser erklärt hatte, daß er den kirchlichen und staatsrechtlichen Folgen dieses Spruches nicht in den Weg treten könne, traf die Mehrheit des Domcapitals Anstalten zur Wahl eines neuen Diöcesanoberhauptes. Die Römische Curie hatte all’ ihren Einfluß aufgeboten, um die Capitulare zur Wahl eines Mannes zu bestimmen, der hinreichende Garantien für seine kirchlichen Gesinnungen und Bestrebungen biete. Dem Papst kam es auf einige Tausend Ducaten zur Ausrüstung seines Legaten, sowie auf das Versprechen reicher Subsidien an den Kaiser und den Herzog von Baiern nicht an, wenn es ihm nur gelang, Gebhard zu vernichten und den Lütticher Bischof auf den Kölner Stuhl zu erheben. Nachdem alle Vorbereitungen zur Neuwahl getroffen waren, begab sich E. am 14. März nach Köln und stieg in der Maltheser-Commende Johannes und Cordula ab. Um sich Gewißheit zu verschaffen, daß von Seiten des Rathes der Wahl kein Hinderniß werde in den Weg gelegt werden, lud er die Bürgermeister, Rentmeister, Syndici und einige Rathsherren zu einem prächtigen Mahl in seiner Wohnung ein. Bei dieser Gelegenheit erhielt er die Zusicherung, daß der Rath sich ohne Zweifel dazu anschicken werde, die nöthigen Geleitsbriefe für die zum Wahltag zu berufenden Herren auszustellen und für zureichende Sicherheit der Wahlhandlung Sorge zu tragen. Darauf wurden am 14. Mai sämmtliche Capitulare zu der auf den 22. desselben Monats anberaumten Wahl eingeladen. Wenn die Wahl wirklich vorgenommen wurde, war dem Gebhard die Rückkehr in das Erzstift für immer versperrt. Darum boten er und seine Freunde alles auf, um diesen letzten und gefährlichsten Schlag abzuwehren; ihre Bemühungen aber hatten keinen Erfolg. E. wurde am bestimmten Tage einstimmig von den anwesenden Capitularen zum Erzbischof gewählt. Bei dieser Wahl hatte es nicht gegolten, den würdigsten Candidaten auf den erzbischöflichen Stuhl zu erheben, sondern den mächtigsten, denjenigen, von dessen Macht, Hauspolitik und Familienverbindung man eine entschiedene Vertretung der römischen Interessen erwarten konnte. Und das durfte man von E. erwarten. Wenn man seine persönliche Würdigkeit in Betracht zog, so hatte er vor Gebhard wenig voraus. Er war ein stattlicher, imponirender Mann von vollendeter männlicher Schönheit; von Charakter war er gewaltthätig, leidenschaftlich und sein sittliches Verhalten stimmte durchaus nicht mit den Anforderungen, welche man an einen katholischen Bischof stellen konnte. Er trug kein Bedenken, den Präceptor der Canonie von St. Anton in Köln, der sich an ein in Bonn gelegenes Haus hatte anschreinen lassen, welches E. als dem bischöflichen Stuhl verfallen ansehen zu dürfen glaubte, durch seinen Generalprofoß einzukerkern. Nur auf inständiges Bitten des Herzogs von Jülich und der Jesuiten ließ er sich bewegen, dem Gefangenen die Freiheit wiederzugeben. Schenk von Niedeggen sagte von ihm, daß er „gerne buhle“. Wenn man auch dem Ausspruche dieses Haudegens keinen Glauben beimessen will, so wird man doch nicht anstehen können, einem unparteiischen und gut unterrichteten gleichzeitigen Chronisten zu glauben, daß sein Verhalten dem schönen Geschlecht gegenüber keineswegs das eines Tugendmeisters gewesen sei.

[252] Mit der Wahl eines neuen Erzbischofs schien die Sache Gebhards verloren. Kaiser und Papst waren einig, daß der Waldburger jedes Anrecht auf das Erzstift verwirkt habe und E. fortan der rechtmäßige Inhaber der Kölner Mitra sammt dem Kurhut sei. Sobald E. den Kölner Rathsbevollmächtigten die Bestätigung der städtischen Privilegien und die Anerkennung der Pfandverschreibung untersiegelt hatte, wurde er in das Chor geführt, dem Volke als neuer Erzbischof vorgestellt und unter dem Absingen des Tedeum auf den Altar gesetzt. Unter dem Geläute aller Glocken der ganzen Stadt begab er sich in Begleitung der Ritterschaft und des Domcapitels aus dem Dom in den kurfürstlichen Hof in der Trankgasse. Am 25. Mai begab er sich unter Begleitung von 400 Reitern zuerst nach Brühl, um sich daselbst huldigen zu lassen. Von hier ritt er nach Bonn und verlangte Einlaß in seine Residenz. Mit Hohn abgewiesen, zog er nach dem Oberstift und ließ sich in den einzelnen Städten den Huldigungseid leisten. Am 1./10. Juni schwur ihm die Stadt Neuß den Eid der Treue. Rascher und leichter, als er es hoffen zu dürfen geglaubt, gelangte er in den unbestrittenen Besitz des größten Theils des Kurstaates. Gerade in Köln wurde der Kampf zwischen Rom und dem Protestantismus zum Austrag gebracht. Das erwog man in Rom weit besser als im Lager der deutschen Protestanten. In Rom wußte man, daß mit Köln der größte Theil des deutschen Reiches fallen werde. Wenn das Kurfürstenthum Köln zum Protestantismus überging und die Kur dem Kölner Erzbischof verblieb, war die Majorität im Kurfürstenrath auf protestantischer Seite, und eine Reihe protestantisch gesinnter Bischöfe und Aebte, die vorläufig noch vor den Consequenzen des geistlichen Vorbehaltes Sorge hatten, traten über und brachten das Uebergewicht auch auf die Fürstenbank. Wurde der Versuch aber abgeschlagen, so blieben die Mehrheit der Katholiken und die schwankenden Bischöfe und Prälaten, denen es nur um die Erhaltung ihrer Fürstenwürde zu thun war, dem katholischen Bekenntnisse, der katholischen Reichspolitik und den hierarchischen Interessen erhalten. Ob sie persönlich dem katholischen Glauben entfremdet waren und ihre Würde vielfach durch ein sittenloses Leben befleckten, darnach wollte man wenig fragen. Dem Papst und den katholischen Mächten mußte alles daran liegen, dem neugewählten Erzbischof zum Siege zu verhelfen. Es geschah nicht ohne besondere Aufforderung des Papstes oder seiner Legaten, daß Baiern und Spanien dem Erzbischof E. bewaffnete Schaaren zu Hülfe schickten, welche alles aufbieten sollten, um den Truchsessischen namentlich die Stadt Bonn und die feste Burg Godesberg zu entreißen. Während diese Truppen am Vorgebirge in der Nähe von Bonn lagerten, wurden mehrere feste Plätze im Niederstift von den Gegnern eingenommen. Die der Stadt Köln gegenüber liegende Freiheit Deutz wurde von einem Theile der Bonner Besatzung occupirt. E. hatte recht wol die Wichtigkeit erkannt, welche Deutz in seinem Kampfe gegen Gebhard besaß. Darum hatte er alles aufgeboten, um das Kloster zu einem festen Platze umzuschaffen und den Kölner Rath zu thätiger Beihülfe bei der Vertheidigung dieser Feste zu bestimmen. Der Rath aber trug Bedenken, aus seiner neutralen Stellung herauszutreten, und E. konnte es nicht verhindern, daß die Truchsesser sich in Deutz festsetzten. Unterdessen konnten Bonn und Godesberg dem Angriff der Baiern und Wallonen nicht länger Widerstand leisten; sie fielen beide. Mit der Einnahme von Bonn hatte E. die letzte Stütze der Truchsesser im Oberstift gebrochen. Im Niederstift wehte nur noch zu Rheinberg, Uerdingen, Crakau und Bedburg Gebhards Fahne. Bald mußte aber der letztgenannte Platz sich ergeben. Den glänzenden Sieg über seinen Feind befahl E. in der Stadt Köln durch das Geläute aller Glocken zu feiern. Der Rath erkannte in diesem Befehl einen unzulässigen Eingriff in seine Rechte; nur er, erklärte er, habe in Köln Gebote zu erlassen, nicht aber [253] der Erzbischof. Darum verbot er allen Buchdruckern solche Erlasse zu drucken; den Pfarrern untersagte er, irgend ein bischöfliches Edict, welches er nicht gebilligt habe, von der Kanzel zu verkünden. Von größerer Tragweite als dieser Streit waren die Differenzen, welche zwischen der Stadt Köln und dem Kurfürsten wegen der Erhöhung des Rheinzolles entstanden. Eine Rathsdeputation begab sich am 20. Februar 1586 nach Bonn, um dem Kurfürsten wegen der Ungerechtigkeit seiner Forderung Vorhalt zu machen. Gegenseitig fiel manches harte Wort. E. erklärte, er bedürfe keiner Belehrung über den Inhalt der Capitulationen, der Reichsabschiede und des gemeinen Rechtes; er würde sein Vorgehen gegen die Schiffer bei des Kaisers Majestät schon zu vertreten wissen. Inzwischen war Bonn durch Verrath gefallen. Am 2. Februar 1584 hielt E. mit seinem Bruder Ferdinand und den Obersten triumphirend seinen Einzug in seine Residenz. Die zweifelhafte Ehre, welche er von dieser Eroberung hatte, verringerte er noch dadurch, daß er verschiedene Personen in den Kerker werfen ließ, denen die Bestimmungen der Capitulation zu Gute kommen mußten. Zum Schrecken aller Freunde des protestantischen Bekenntnisses ließ er zwei evangelische Prediger ergreifen, an Händen und Füßen binden und in den Rhein werfen. Mit Ausnahme der Festen Rheinberg, Uerdingen und Crakau war E. nun Herr des ganzen Erzbisthums diesseits wie jenseits des Rheins. Seine unbestrittene Macht erhielt auch die nöthige rechtliche Grundlage, als er auf dem Kurfürstentage zu Mainz in das Kurfürstencollegium aufgenommen wurde. Die Regalien hatte er schon am 15. September 1583 vom Kaiser Rudolf erhalten. Noch ehe der Streit zwischen E. und Gebhard zum völligen Austrag gekommen war, wurde ersterer „von den Capitularen in Münster zum Bischof postulirt. Man verwunderte sich höchlich, daß eine Person so viele Bisthümer zu gleicher Zeit besitzen könne; er besaß außer Köln noch Lüttich, Hildesheim, Freisingen und zuletzt Münster; das Gerücht ging, er würde auch noch Salzburg erhalten.“ Gebhard, der sich vergeblich um den Beistand der protestantischen deutschen Fürsten bemühte und der nur schwach von den vereinigten Niederlanden und England unterstützt wurde, kämpfte noch eine Zeit lang hoffnungslos gegen seinen überlegenen Gegner und sah sich schließlich genöthigt, mit seiner Frau sich nach Straßburg auf seine Domdecanei zurückzuziehen. Die geringen Erfolge, welche seine streitlustigen Freunde Martin Schenk von Niedeggen und Graf Adolf von Neuenar errangen, waren nicht nachhaltig genug, um darauf die Hoffnung auf einen Umschwung der Dinge bauen zu können. Diese Erfolge hatten für das Erzstift den Nachtheil, daß Erzbischof E., der sich außer Stande sah, mit eigenen Kräften den truchsessischen Parteigängern die Spitze zu bieten, sich veranlaßt sah, neuerdings die Spanier zu seiner Unterstützung in das Land zu rufen. Die Niederländer konnten nicht gleichgültig zusehen, daß die spanischen Waffen festen Fuß am Rheine faßten und so eine sichere Rückwand für ihre Angriffe gegen den jungen Freistaat gewannen. Darum schickten auch sie bewaffnete Schaaren in die rheinischen Gebiete, welche den Spaniern jeden gewonnenen Vortheil wieder zu entreißen sich bemühen sollten. Zu spät erkannte E. die traurigen Folgen seines Schrittes. Recht bald wurde ihm klar, daß er in dem hartnäckigen Principienkampf zwischen geistiger Stabilität und freier geistiger Bewegung und ungehinderter Forschung auf dem Gebiete des religiösen Lebens das Kölner Erzbisthum als Tummelplatz der streitenden Parteien geöffnet hatte. Es war dies ein Kampf, welcher die ganze civilisirte Welt in Spannung hielt. Es handelte sich in erster Reihe um die Freiheit des religiösen Bekenntnisses, und durch die Waffen sollte entschieden werden, ob das katholische Kirchenthum in Holland und am Niederrhein die Herrschaft behaupten werde oder ob es dem reformirten Bekenntnisse gelingen werde, sich im westfälischen Kreise und den [254] westlich gelegenen Reichstheilen bis zum Meere eine feste Stellung zu sichern und so der spanisch-österreichischen Politik eine wichtige Etappe auf ihrer Bahn zur völligen Restauration des Katholicismus und zur Wiedergewinnung des katholischen Kirchengutes zu entreißen. Trotz aller Bemühungen beim Kaiser, beim Reichstag, beim Kreistag und beim König von Spanien wollte es dem Erzbischof nicht gelingen, den kurkölnischen Boden von den fremden Truppen zu befreien. Unter den andauernden Kriegsdrangsalen litt das Land ganz entsetzlich. Die Bevölkerung nahm in steigender Progression ab, ein großer Theil der Ackerländereien blieb unbebaut, der Handel stockte, jeder Verkehr war gehemmt. Der Druck, der auf dem Handel und den Gewerben lastete, wurde noch erhöht durch die Steigerung der Rheinzölle, die neuen Licente und die Erpressungen des erzbischöflichen Generalcommissars Hieronymus Michiels. In Folge der letztgenannten Beschwerungen erhielt die noch immer nicht beseitigte Gereiztheit zwischen der Stadt Köln und dem Erzbischof neue Nahrung. Dieser erhob Klage, daß der Rath in seine Hoheitsrechte eingreife, unbefugter Weise die Geistlichkeit zur Tragung der durch den Festungsbau verursachten Kosten, sowie zu bürgerlichen Wachdiensten und zur Bezahlung von Accisen heranziehe; dagegen beschwerte sich der Rath, daß E. gegen alles Recht das erzbischöfliche Wappen an dem Neubau der Hacht angebracht, die alten Verträge durch Einführung neuer Licenten verletzt, sich gegen die städtischen Freiheiten innerhalb der Stadt des Gebotes angemaßt und Steuern auf Güter, die innerhalb der städtischen Bannmeile gelegen seien, ausgeschrieben habe. Alle zwischen der Stadt Köln und dem Erzbischof schwebenden Streitigkeiten hatten ihren Grund in der Frage, ob in der Stadt Köln dem Rath oder dem Erzbischof die Oberherrlichkeit zustehe. Vergeblich machten städtische und erzbischöfliche Bevollmächtigte wiederholt den Versuch, sämmtliche Differenzen auf gütlichem Wege beizulegen. Das Ergebniß war stets, daß man gegenseitig neue Klagen erhob, ohne daß die alten beseitigt wurden. Der erzbischöfliche Generalcommissar Michiels verletzte die Empfindlichkeit der Stadt auf die rücksichtsloseste Weise dadurch, daß er den Erzbischof zur Auflegung eines neuen Licentes in Deutz veranlaßte und die Kölner Schiffer und Kaufleute in der mannigfachsten Art durch Gewaltthätigkeiten bedrückte. Die Erbitterung gegen Michiels war in Köln so groß, daß der Rath kein Bedenken trug, denselben bei einer zufälligen Anwesenheit in der Stadt ergreifen, ihm den Proceß machen und das gegen ihn gefällte Todesurtheil trotz des entschiedenen Einspruchs von Seiten des Erzbischofs exequiren zu lassen. Gegen den Erzbischof, der sich weigerte, den Licent aufzuheben, klagte der Rath beim Reichskammergericht. Nach längeren Verhandlungen erließ das Kammergericht ein Mandat, wodurch E. aufgefordert wurde, die widerrechtlichen Beschwerungen des Kölner Handels einzustellen. Weil der Kurfürst keine Anstalten traf, diesem Befehle nachzukommen, wandte sich der Rath klagend an den Kaiser, sowie wiederholt an den Städte- und Kurfürstentag, doch immer ohne Erfolg. Die Spannung wurde noch dadurch erhöht, daß E. sich beharrlich weigerte, den Gläubigern des Erzstiftes die ihnen aus den erzbischöflichen Einkünften zustehenden Renten zu bezahlen. Seit dem J. 1582 waren diese Renten nicht mehr bezahlt worden und alle desfallsigen Mahnungen waren erfolglos geblieben. Im J. 1591 belief sich der Betrag der rückständigen Renten auf 200000 Gulden. E. versprach immer für die Befriedigung Sorge tragen zu wollen; aber bei dem Versprechen blieb es. Auch die im J. 1593 im Minoritenkloster zu Köln zusammengekommenen Stände stellten an den Erzbischof das Verlangen, daß er endlich seinen Verpflichtungen den Rentnern gegenüber nachkomme. Dabei forderten sie auch, E. möge die alte Landesvereinigung wieder in Kraft treten lassen, über die erzstiftischen Gelder Rechnung legen, die spanischen Besatzungen aus den Festen des Kurstaates schaffen, den [255] Grafen von Neuenar wieder in seinen Besitz und seine Rechte einsetzen, die Stellen an seinem Hof und in seinem Rathe mit kurkölnischen Adelichen und Gelehrten besetzen, namentlich die Räthe Billehe und Stoer aus seinem Dienste entlassen. Billehe, ein geborener Lütticher, war erzbischöflicher Statthalter in Bonn und wurde von E. zu vielen Missionen, namentlich in Geldangelegenheiten, gebraucht. Stoer besaß die Stelle eines erzbischöflichen Statthalters in Neuß. E. verlieh ihm die Lehngüter Roesberg und Alfter. „Er hatte das Regiment im Erzstift am höchsten und er war von geringem Stande zu solchem Ansehen aufgestiegen, daß die Ritterschaft und die Landsassen ihn sehr beneideten.“ Dem Kölner Rathe war es willkommen, im J. 1593 eine Gelegenheit gefunden zu haben, dem Erzbischof beweisen zu können, daß derselbe sich innerhalb des städtischen Beringes nach den gesetzlichen Bestimmungen der Stadt zu richten habe. Der erzbischöfliche Hof in der Trankgasse war durch Brand unbewohnbar geworden. E. sah sich darum nach einem anderen Absteigequartier um, welches zugleich als Wohnung für den päpstlichen Nuntius dienen könne. Als solches schien ihm der Gommersbacher Hof auf dem Perlengraben geeignet, und er ließ denselben ankaufen. Der Rath legte aber sofort gegen diesen Ankauf Einspruch ein, weil die städtischen Statuten den Uebergang eines weltlichen Gutes in geistliche Hand verböten. Eine andere Streitigkeit zwischen dem Rath und dem Kurfürsten bezog sich auf das im J. 1603 vom päpstlichen Nuntius neu eingerichtete Consistorium, welches nicht allein über die Vergehen der Geistlichen, sondern auch über manche Excesse der Weltlichen erkennen sollte. Der Rath verbot die Fortsetzung der von diesem Consistorium begonnenen Processe und bedrohte alle Bürger, welche einer Vorladung desselben Folge geben würden, mit dem Thurmgange. Auf die Einwendung Ernsts, daß diese Institution sich nur auf die Bestimmungen des Trienter Concils gründe, blieb der Rath bei der Erklärung, daß er in dem Nuntiaturconsistorium eine Neuerung erkennen und auf der Aufhebung desselben bestehen müsse. In kirchlicher Beziehung war E. ein strenger Anhänger der römischen Anschauungen und ein eifriger Förderer des Jesuitenordens und der Bestrebungen desselben. Er trug sein gutes Theil dazu bei, daß den Kölner Jesuiten die Verlegung ihres Collegiums von der Maximinstraße nach der Marzellenstraße und die Erwerbung der Kirche des Achatiusklosters gestattet wurde. Im J. 1591 trug er Sorge dafür, daß den Jesuiten das Kloster zu Walberberg mit allen Gütern und Einkünften als freies Eigenthum überwiesen wurde. Mit seiner Beihülfe wurden in Emmerich, Bonn, Neuß, Aachen, Hildesheim und Münster Jesuitencollegien gegründet. Den Capucinern öffnete er den Weg in die Stadt Köln. An den Jesuitenmissionen, sowie an den von den Jesuiten gegründeten und geleiteten Bruderschaften nahm er reges Interesse. Es lag ihm vieles daran, daß die Gläubigen sich in das von den Jesuiten importirte römische Kirchenwesen und in den in den Jesuitenkirchen mit besonderer Vorliebe gepflegten Mariencult einlebten. Gegen den Biß wüthender Hunde empfahl er das Einbrennen mit sogenannten Hubertusschlüsseln. Der Glaube an das Hexenwesen und den persönlichen Verkehr der bösen Geister mit den Menschen und die Gewalt des Teufels über die Natur und die darin lebenden Wesen hatte an ihm einen warmen Anhänger. Im J. 1605 publicirte er das Edict über die Verpflichtung der Fastenbeobachtung und der österlichen Beichte und Communion. In Lüttich gab er sich alle Mühe, das Eindringen protestantischer Anschauungen auf alle Weise zu verhindern. Strenge Edicte erließ er gegen ketzerische Bücher; die Buchhändler wurden verpflichtet, Verzeichnisse ihres Lagers bei der bischöflichen Behörde einzureichen und sich des Vertriebes jedes protestantischen Buches zu enthalten. Ohne Erlaubniß des Generalvicars durfte keine Schule gegründet werden. Als Pflanzstätten der katholischen Lehre [256] stiftete er in Lüttich ein Seminar für angehende Geistliche und in St. Trond eines für Knaben. Trotzdem, daß er sich in allem als einen treuen Sohn der römischen Kirche bewährte, auf verschiedenen Reichstagen mit Entschiedenheit die katholischen Interessen vertrat und sich durch die dem Kaiser ertheilten Rathschläge, sowie durch seine im Interesse der Kriegshülfe gegen die Türken aufgewendete Mühe den besonderen ausdrücklichen Dank der Curie verdient hatte, mußte er es sich gefallen lassen, daß er wegen verschiedener gegen ihn erhobener Klagen vom Papste zur Verantwortung gezogen wurde. In diesen Klagen war gesagt, daß er in Widerspruch mit den canonischen Bestimmungen aus Habgier und Ehrgeiz sich mehrere Bisthümer zu verschaffen gewußt und daß er es bis dahin versäumt habe, das Pallium zu nehmen und sich zum Bischof weihen zu lassen. Als er sich wegen der Kriegswirren am Niederrhein außer Stande sah, den anfänglich gehegten Plan, sich persönlich in Rom zu verantworten, zur Ausführung zu bringen, schickte er den Canonicus Hartger Henot zum Papste, um demselben die erforderliche Aufklärung zu geben. Dem gewandten Henot war es ein Leichtes, den Papst zu überzeugen, daß E. sich nur mit Zustimmung des römischen Stuhles und im Interesse der katholischen Sache zur Uebernahme der fünf Bisthümer entschlossen habe. Die Entschiedenheit, mit welcher sich E. 1594 auf dem Reichstage zu Regensburg gegen den Antrag der protestantischen Stände, die sich zu der neuen Lehre bekennenden Inhaber deutscher Bisthümer zum Sitz auf der geistlichen Fürstenbank zuzulassen, widersetzte, war der beste Dienst, mit dem er der Curie die ihm gegen Gebhard gewährte Unterstützung vergelten konnte. Mit Beharrlichkeit bestand er darauf, daß Niemand für Magdeburg auf dem Reichstage Sitz und Stimme haben könne, der nicht vom Papst die Confirmation als Erzbischof aufweisen könne. Mit Energie trat er dafür ein, daß kein Protestant eine bischöfliche Würde bekleiden könne, drohte, Regensburg zu verlassen, wenn gegen seine Ansicht entschieden würde. Nach dem Schluß des Regensburger Reichstages begab er sich mit dem Kaiser nach Prag. Von dort reiste er im Auftrage Rudolfs zum Kurfürsten von Brandenburg und den übrigen auf dem Reichstag ohne Vertretung gebliebenen Fürsten, um dieselben zur Leistung ihres pflichtmäßigen Beitrages zum Türkenkrieg zu bestimmen. Nach Lüttich zurückgekehrt, ließ er dem Kaiser durch seinen Kammerherrn Baron Grosbeck über den Erfolg seiner Sendung Bericht erstatten. Obschon von kräftigem Körperbau war E. doch keineswegs von fester Gesundheit. Häufig besuchte er die Bäder von Spaa. Im August 1588 „kam das Gerücht nach Köln, E. sei in Lüttich mit Tod abgegangen. Aber die Zeitung war unwahr; doch sagte man, er sei schwach und verzehrt und zöge in die Bäder sich zu baden, etliche sagten, um leibliche Gesundheit zu erlangen, etliche, um sich zu verlustiren.“ Es lag ihm daran, das Kölner Erzstift für den Fall seines Ablebens einem Prinzen seines Hauses zu sichern. Als seinen Nachfolger nahm er seinen Neffen Ferdinand in Aussicht. Dieser war am 7. October 1577 geboren und hatte in einem Alter von kaum dreizehn Jahren ein Kölner Canonicat erhalten. Im Winter 1591 hatte er mit seinem älteren Bruder, der vom Papst zum Propst des Domstiftes ernannt worden, in Köln Residenz gehalten. „Am 8. März sind die beiden jungen Herzoge von Baiern wieder in ihr Vaterland gereist; sie waren noch in der Zucht der Lehrmeister und in der Hand der Jesuiten. Der älteste war hier Dompropst und Bischof von Regensburg. Er hat in scholis artium in questionibus quodlibeticis declamirt, auch licentiatos theologiae tamquam cancellarius universitatis studii Coloniensis promovirt.“ Im J. 1595 wurde Ferdinand auf den Wunsch des Papstes und unter Zustimmung des Capitels zum Coadjutor ernannt. E. gestattete dem Coadjutor von Tag zu Tag immer größeren Einfluß auf die Leitung des Kurstaates wie der Diöcese. Um so größer wurde dieser [257] Einfluß, je mehr E. die rasche Abnahme seiner Kräfte fühlte. Am 17. Februar 1612 starb E. auf dem Schlosse zu Arnsberg. Die Trauer über sein Hinscheiden war nicht groß. Man erwog, daß, „seit er an das Stift Köln gekommen, kein Glück noch Friede im Lande gewesen“. „Die Rentner“, klagte ein gleichzeitiger Chronist, „erhielten keinen Zins, man war mit Schatzung, Raub, Brand und Mord beschwert. E. hatte fünf Bisthümer; wer war dadurch aber gebessert? Seine Gläubiger, sein Adel, seine Clerisei, seine Landsassen bedankten sich dessen sehr wenig.“ Die Leiche des Verstorbenen wurde nach Köln gebracht und vor der Capelle der heiligen drei Könige beigesetzt.

Michael ab Isselt, De bello Coloniensi; Merckius, Conatus chronologicus; Mersaeus, Elect. eccl. catalogus; Gundling, Churfürstenstaaten. – Handschriftliches: Crombach, Annales Metro. eccl. Col.; Wilmius, Lib. quintus rerum Coloniensium; Hermann Weinsberg, Gedenkbuch tom. II u. III.