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Artikel „Gundling, Nicolaus Hieronymus“ von Roderich von Stintzing in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 129–130, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gundling,_Nicolaus&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 16:24 Uhr UTC)
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Gundling: Nicolaus Hieronymus G., geb. am 25. Febr. 1671 in dem nürnbergischen Dorfe Kirchsittenbach, ist der Sohn des gelehrten Predigers Wolfgang G., welcher 1689 zu Nürnberg starb und älterer Bruder des zu trauriger Berühmtheit gelangten Jacob Paul Baron v. G. Nachdem er in Altorf, Jena, Leipzig Theologie studirt und 1695 pro licentia zu Altorf disputirt hatte, lebte er einige Jahre als Candidat des Predigtamtes in Nürnberg. Das Jahr 1699 führte ihn als Hofmeister junger Adelichen nach Halle, wo Thomasius, der dort den Mittelpunkt des geistigen Lebens bildete, ihn bestimmte, sich der Jurisprudenz und der akademischen Laufbahn zuzuwenden. 1703 empfing er die juristische Doctorwürde und begann Vorlesungen über Jurisprudenz, Philosophie, Geschichte und Rhetorik, deren glänzender Erfolg ihm schnelle Beförderung zu akademischen Aemtern sicherte. 1705 ward er zum außerordentlichen, im folgenden Jahre zum ordentlichen Professor der Philosophie ernannt; 1707 übernahm er dazu die Professur der Beredsamkeit, trat dann als Professor des Natur- und Völkerrechts in die juristische Facultät ein, erhielt in Anerkennung seiner theologischen Gelehrsamkeit das Amt eines Consistorialraths und ward später zum königl. preußischen Geheimen Rath ernannt. So glänzend seine äußeren Erfolge, so unerfreulich waren seine häuslichen Verhältnisse. Seine Ehe mit der schönen und leichtfertigen Tochter des Consistorialraths L. G. Kraut, aus der 4 Kinder stammten, war die Quelle ärgerlicher, beschämender Erlebnisse und übelster Nachreden. Indeß ließ er sich lebenslang den guten Humor nicht stören; er fand seine Freuden im Sammeln und Genießen seiner Bücherschätze, am Schreibtische, auf dem Katheder und in munterer Gesellschaft. Als er im J. 1729 das Prorectorat bekleidete, befiel ihn eine Krankheit, der er am 9. December erlag. – Mit einer ihrem Umfange nach staunenswerthen Gelehrsamkeit verband G. die Kunst gewandter und ansprechender Darstellung, Witz, Erfindung und treffendes Urtheil – glänzende Gaben, die ihn als Gelehrten und Lehrer seinen berühmten Collegen Thomasius, den beiden Stryck[WS 1], Ludewig, J. H. Böhmer und Chr. Wolf ebenbürtig an die Seite stellten. Nettelbladt (Hall. Beitr. 2, 404) nennt ihn „den unsterblichen JCtus, Historicus und Philosophus“ – und doch hat er [130] in keiner von diesen Qualitäten umfassende, bahnbrechende Leistungen aufzuweisen. Aber ähnlich wie Thomasius, dehnte er seine wissenschaftliche Thätigkeit über die verschiedensten Gebiete aus und wo er das Wort nahm, wirkte er anregend und fördernd. Unermüdlich war er in der Publication von Abhandlungen, die theils einzeln, theils in fortlaufenden Sammlungen erschienen: „Otia“, 1706, 1707. „Observationes selectae“, 1707. „Gundlingiana“ von 1715 bis zu seinem Tode in 44 Stücken, denen 1732 das 45. aus seinem handschriftlichen Nachlaß hinzugefügt wurde. Bezeichnend aber sagt der Herausgeber, daß sich in diesem sonst Nichts vorgefunden habe: „denn sein munterer Geist schien ihm nicht zuzulassen, im Vorrath Etwas anzufertigen“. „Noch nie“, sagt ein anderer Zeitgenosse, „hat ein ernsthafter Witz und eine gründliche Gelehrsamkeit sich besser mit einem lustigen und aufgeweckten Kopf vertragen; ihm lacht die Freude, der Verstand und ein jovialisches Wesen aus den Augen“, und seine zahlreiche Zuhörerschaft war der Meinung, oft dann am meisten zu lernen, wenn er die Vorbereitung zum Colleg versäumt hatte und nach Laune und Einfällen den reichen Schatz seines Wissens auskramte. Stand seine Vielwisserei und Vielgeschäftigkeit dem Gelingen größerer Erfolge im Wege, so waren sie desto ergiebiger für die Untersuchung historischer, namentlich auch litterärgeschichtlicher und staatsrechtlicher Einzelfragen, sowie für Kritiken, die er zum Theil in der von ihm (vom 13.–40. Stück) redigirten „Hallischen Neuen Bibliothek“ publicirte. Und wenn sein College Ludewig ihn einen „Bagatellisten“ nannte, so hat G. sich diesem Rivalen gegenüber das Verdienst erworben, die von ihm aufgebrachten willkürlichen Hypothesen in Staatsrecht und Geschichte erfolgreich zu bekämpfen. (Vgl. z. B. seine Abhandlung „De Henrico Aucupe“, 1711.) Ein Unternehmen größeren Stils begann G. 1723 mit seinen „Digesta“, einem Lehrbuch, das nach Ordnung der Pandecten das Naturrecht, das römische und das deutsche Recht neben einander darstellen sollte. Allein von diesem brauchbaren Compendium ist nur das erste Bändchen (bis Dig. 6, 1) erschienen. Auch sein letztes Werk „Politica“ blieb unvollendet. Dagegen erschienen seine Compendien der Logik, der Ethik, des Natur- und Völkerrechts in mehreren Auflagen. Ein Verzeichniß der bei seinen Lebzeiten publicirten Schriften ist im 45. Stück der „Gundlingiana“ enthalten. Nach seinem Tode aber sind nicht nur Sammlungen kleinerer zerstreuter Schriften, sondern auch zahlreiche und umfängliche „Discurse“ Gundling’s nach Collegienheften herausgegeben – unter diesen das dickleibige „Collegium historico-literarium oder Discurs über die fürnehmsten Wissenschaften“ mit einem Nachtrage, Gundling’s Leben, Register etc. enthaltend von C. F. H., 3 Bde. 4°, 1738, 1742. Ein Catalog von Gundling’s ansehnlicher Bibliothek erschien 1741.

Vgl. v. Loen, Kleine Schriften 1, 218 f. Niceron’s Nachrichten von Rambach 16, 117 f. Will-Nopitsch 1, 584 f., 5, 441 f. Pütter, Litt. d. t. Staatsrechts 1, 352 ff.


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