Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Stryk, Samuel“ von Ernst Landsberg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 699–702, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stryk,_Samuel&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 18:17 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Stryk, Johann Samuel
Nächster>>>
Stübel, Andreas
Band 36 (1893), S. 699–702 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Samuel Stryk in der Wikipedia
Samuel Stryk in Wikidata
GND-Nummer 118756109
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|36|699|702|Stryk, Samuel|Ernst Landsberg|ADB:Stryk, Samuel}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118756109}}    

Stryk: Samuel St., der Vater des vorhergehenden, hervorragender Jurist, ist geboren am 22. Novbr. 1640 zu Schloß Lentzen in der Priegnitz, als Sohn des dortigen Brandenburger Amtmanns Elias St.; seine Mutter Eva war eine Tochter des brandenburger Amtmanns Georg Calov. – Samuel St. besuchte die Schule zu Seehausen, das Gymnasium zu Cölln a. d. Spree (Berlin) und bezog 1685 die Universität Wittenberg, wo er zunächst vorbereitend Philosophie, dann Theologie studirte, bald aber zur Jurisprudenz überging, welche ihm bessere Lebensaussichten zu eröffnen schien. Seine namhafteren Lehrer auf diesem neuen Felde waren W. Leyser und Caspar Ziegler. Weit größeren Einfluß jedoch hat auf ihn geübt sein späterer Schwiegervater Joh. Brunnemann, unter dessen Leitung er seit 1661 zu Frankfurt a. O. trat und dort auch seine erste Disputation abhielt. Eine Reise nach England und Holland kam dazwischen; dann kehrte er nach Frankfurt zurück, ward am 11. Mai 1665 Licentiat, am 17. September desselben Jahres Doctor der Rechte und noch am 10. November 1665 außerordentlicher Professor der Novellen. Allmählich und der Regel gemäß rückte er weiter vor zu der ordentlichen Professur der Institutionen 1668, der Pandekten 1672, des Codex 1680, und 1682, nachdem Rhetz nach Berlin an den Hof gerufen war, trat er an dessen Stelle als erster Professor und Ordinarius der Facultät mit dem Rathstitel. Als er 1690 als Nachfolger seines Lehrers Ziegler zum Präses und Ordinarius der Facultät nach Wittenberg berufen wurde, erhielt er seine Entlassung aus brandenburgisch-preußischen Diensten [700] nur unter der Bedingung, im Bedürfnißfalle in diese zurückzukehren. Man scheint sich diese Handhabe schon damals in Berlin gewahrt zu haben mit Rücksicht auf den Plan der Hallischen Universitätsgründung; als man dann aber 1692 wirklich von ihr Gebrauch machte, um St. für Halle zu gewinnen, wohin man gleichzeitig seinen Sohn als außerordentlichen Professor berief, glaubte man wol nicht unbedingt sich auf sie verlassen zu können und war auf hohe Gehaltsansprüche umsomehr gefaßt, je nöthiger man ihn hatte und je weniger Verlockendes sonst der Uebergang aus der gesicherten Stellung an der altbewährten Universität Wittenberg in die noch vielfach ungeklärten Hallischen Verhältnisse zu bieten schien. Jedoch kam infolge von Reibungen innerhalb der Facultät sowol wie des Dresdener Oberappellationsgerichts, in welches er als Rath gezogen worden war, St. der Wechsel nicht unerwünscht. Einen gleichzeitig an ihn gelangten Ruf nach Kopenhagen als Geh. Staatsrath und Director der Universität schlug er aus, ebenso wie ein später einmal ihm vom Kaiser, dessen Pfalzgraf er seit 1672 war, gemachtes Anerbieten einer Reichshofrathstelle, verbunden mit der Direction der in Breslau anzulegenden Universität; er wolle sein Leben im Dienst seines angeborenen Landesherrn zubringen, so lautete seine echt märkische Antwort. Demgemäß zeigte er sich dem brandenburger Bevollmächtigten gegenüber mit einem wesentlich geringeren Gehalt zufrieden, als bis zu welchem zu gehen dieser Auftrag hatte. Er erschien noch 1692, am 16. December, in Halle und übernahm dort die Professur, das Ordinariat der Facultät und das Directorat der gesammten Universität auf Lebenszeit; er erhielt den Titel eines kurfürstlichen Geheimrathes, und wurde 1695 der zweite Prorector der jungen Universität. Er ist am 23. Juli 1710 gestorben.

Samuel St. war zwei Mal verheirathet, zuerst seit 1665 mit Anna Sabina Brunnemann, dann, sehr bald nach deren Tode, 1677, schloß er die zweite Ehe mit Catharina Werdenhoff, welche 1707 starb. Die zweite Ehe war kinderlos, aus der ersten stammt, außer einer bald nach der Geburt gestorbenen Tochter, nur der Sohn Johann Samuel. Die Vermögensverhältnisse scheinen sehr gut gewesen zu sein, die Nachlassenschaft wird als eine bedeutende geschildert.

Als Hauptaufgabe seines Lebens hat St. stets die akademische Wirksamkeit betrachtet, in Form des Unterrichts sowol wie der Beförderung und Abhaltung von Disputationen. An letzteren ist er so fruchtbar gewesen, daß außer denjenigen, von welchen immer mehrere planmäßig ein bestimmtes Gebiet durchwandern und sodann von ihm zu seinen zahlreichen größeren Werken zusammengestellt worden sind, die vereinzelten in nicht vollständiger Sammlung noch acht Foliobände füllen. Sowol hier, wie in seiner sonstigen schriftstellerischen Thätigkeit, wie in den Vorträgen war stets St. bedacht auf Klarheit und praktische Brauchbarkeit, unter Ausschluß jeder geheimnißvollen Gelehrsamkeit und Spitzfindigkeit, bereit, Alles, was er hatte, seinen Schülern zu geben, welche ihm dafür mit der lebhaftesten Anhänglichkeit lohnten. So zog eine ganze Schar von Studenten mit ihm von Wittenberg nach Halle, noch mehr lockte seitdem dorthin die immer mehr wachsende Beliebtheit seiner Collegien und Uebungen; sein Vortrag wird als gefällig und würdevoll, wie seine ganze Erscheinung, geschildert. Zugleich verschaffte seine weit verbreitete Autorität, der Ruf seiner Erfahrung, Einsicht und Rechtskenntniß der jungen Facultät eine Inanspruchnahme als Spruchcollegium, welche ihr nach innen praktische Schulung, nach außen eine Anerkennung sicherten, die sie mit einem Schlage den altbewährten Anstalten gleicher Art gleichwertig an die Seite stellte und zu der sie seiner um so mehr bedurfte, als der Name des eigentlichen Begründers, des Thomasius, neben allem Glanz, der ihn in weitesten Kreisen umfloß, in ängstlichen besonneneren Fachkreisen etwas Mißtrauen erwecken mochte. Auf Thomasius selbst ist das [701] Wirken neben Stryk, in Facultät und Spruchcollegium, von wohlthätigstem Einflusse gewesen.

Stryk’s Stellung als Director der Universität nahm noch wesentlich an Bedeutung zu durch den Tod Seckendorff’s (18. December 1692), mit dessen Person der nur auf sie zugeschnittene Posten eines obersten, vornehmen Leiters der Universitätsangelegenheiten mit staatsmännischer Repräsentation wegfiel. Durch seine Geschäftskunde und Erfahrung im Universitätswesen füllte St. die so entstandene Lücke aus. Er reiste zunächst, mit dem Mediciner Fr. Hoffmann, zur Besprechung mit dem Obercurator Dankelmann nach Berlin und wirkte dort mit bei der Fertigstellung der Statuten. Sodann war er wesentlich bei den Einweihungsfestlichkeiten, 1694, betheiligt. Namentlich aber hat er die laufenden Geschäfte bis zu seinem Tode nach so trefflichen Principien so sicher und geschickt geführt, daß noch 1740 ein officieller Bericht des Rectors Junker an den von Friedrich II. mit der Revision der Universität betrauten Propst Reinbeck hervorhebt, dieser Verwaltung sei „der erste Flor und besondere Wachsthum der Universität vornehmlich zu danken“.

Stryk’s wissenschaftliche Bedeutung beruht namentlich darauf, daß er die Thätigkeit eines Lauterbach, eines Struv fortsetzt, wie sie in der Feststellung des in Deutschland thatsächlich geltenden gemeinen Civilrechts, der praxis moderna des Römischen Rechts bestand, zugleich aber den neueren Strömungen des beginnenden 18. Jahrhunderts ihr Recht widerfahren läßt und so vermittelnd wirkt. Namentlich geschieht dies in seinem Hauptwerk, dem „Usus modernus Pandectarum“, dessen erste Titel 1690, dessen letzte Bände erst 1712 aus Stryk’s Nachlaß von seinem Sohne veröffentlicht worden sind (10. und letzte Ausg., in 4 Bdn., Halle 1746–1780). Nicht Vollständigkeit wird hier beabsichtigt, namentlich nicht etwa, wie bei Lauterbach, jede Materie nach allen ihren Beziehungen an der Hand eines festen Schemas abgehandelt, sondern es werden bei jedem Titel praktisch besonders wichtige Einzelfragen herausgegriffen und lediglich nach dem Vorgange und den Bedürfnissen der Praxis beantwortet. Aber eines tritt hier denn doch neu zur Praxis hinzu: eine starke Berücksichtigung deutscher Rechtsquellen, sowol älterer allgemeiner, nämlich der Spiegel, wie jüngerer territorialer Gesetzgebungen, deren eine nicht ganz unerhebliche Anzahl vorkommen. Diese Verbindung des alten Verfahrens mit dem neuen, germanistischen Geiste, etwa eines Schilter, entspricht genau den im „Discursus praeliminaris“ entwickelten Grundsätzen; auch sie suchen einen gewissen Mittelweg, indem einerseits die präsumptive Gültigkeit des Römischen Rechts in Deutschland strenge festgehalten, andererseits aber der Vorzug des in seiner Selbständigkeit anerkannten, aus seinem Sinn hervor zu interpretirenden Deutschen Rechts, wo solches nachweisbar, anerkannt wird. – Vor und neben diesem Usus modernus hat St. eine Reihe von Monographien veröffentlicht. Sein erstes derartiges Werk ist das „De jure sensuum“ (Frankfurt, zuerst 1665, dann erweitert 1671); hier werden alle Rechtseinrichtungen und -Fragen, welche an die einzelnen Sinne anknüpfen, durchgesprochen. Voran aber geht ein „Prooemium generale de sensibus“, welches sich namentlich von dem Gesichtspunkte aus, daß zuverlässiges Zeugniß auf zuverlässiger sinnlicher Wahrnehmung beruhen soll, gegen die Glaubwürdigkeit der gegenseitigen Hexen-Denuntiationen ausspricht. In der Frage der Hexenverfolgung wie im Strafrechte überhaupt tritt nämlich St. in die Fußstapfen Brunnemann’s, nimmt dessen Gegnerschaft gegen Benedict Carpzov auf und hat die Autorität des letzteren im wesentlichen gebrochen. Ebenso verficht St. Brunnemann’s tolerante kirchen- und staatskirchenrechtliche Ansichten in seiner Ausgabe von dessen bis dahin unveröffentlichtem Jus ecclesiasticum; er citirt in seinen Zusätzen gerne Spener zu Gunsten [702] der Milde und innerlichen Frömmigkeit, im Gegensatz gegen die Formenstrenge der Orthodoxie, welcher letzteren er die schwersten Vorwürfe macht. – Außerdem seien von St. noch genannt: der „Tractatus de successione ab intestato“; seine unmittelbar für die Praxis bestimmten, den „Fallstricken“ des hier so sehr von der „natürlichen Einfachheit“ abweichenden Römischen Rechte entgegengesetzten Tractate „De cautelis contractuum“, „De cautelis testamentorum“ und „De actionibus investigandis et caute eligendis“, und das wegen seiner Klarheit und Kürze weit verbreitete Lehrbuch „Examen juris feudalis“ (zuerst 1675). – Von seinen einzelnen Dissertationen können hier nicht einmal die wichtigsten aufgeführt werden, es sei nur bemerkt, daß sie alle Gebiete des Rechts berühren, ganz überwiegend aber doch das Civilrecht behandeln, und sich vielfach durch geschickte Wahl etwas originell klingender Titel auszeichnen. – Die Rechtsgutachten, welche er Namens der Hallischen Facultät ausgearbeitet hat, sind in v. Ludewig’s Consilia Halensia aufgenommen, daraus wieder abgedruckt stehen sie im 15. u. 16. Bande seiner sog. „0pera omnia“ (Frankfurt und Leipzig 1743–1755), welche sonst im wesentlichen nur seine, seines Sohnes und des Rhetius Disputationen, also thatsächlich keineswegs alle seine Werke enthalten.

Stryk’s Schüler v. Ludewig, in seinem Nachruf an Thomasius, bezeichnet ihn lobend als forensis jurisprudentiae coryphaeus. Gegner, an ihrer Spitze v. Lyncker, tadeln wol, seine Rechtskenntniß sei nicht in die Tiefe gedrungen, wo die eigentlich juristischen Schwierigkeiten beginnen, da versage er. Man sieht, jenes Lob und dieser Tadel schließen sich gegenseitig nicht ganz aus; der Vorwurf der Gegner in eine mäßige Form gebracht, etwa dahin gestaltet, daß St. nicht direct praktische Fragen der verwickelteren Interpretation oder systematisch-theoretischer Art gerne vermeidet, wäre ihm selbst wol eher als ein Lob erschienen. Dennoch aber ist er stets frisch und anregend, denn er schreibt nicht bloß aus seinen Collectaneen, sondern auch aus seinem Kopfe, wie Gronovius treffend über ihn im Gespräche einem ihn besuchenden jüngeren Deutschen gegenüber bemerkte.

W. A. Schöpf, Vorrede zum ersten Bande der Opera Omnia Strykii. – Nachrufe, Leichenreden etc., 1710 gehalten zu Halle, Wittenberg, Jena etc. – v. Ludewig, praef. ad Tom. II Consiliorum Halensium 491. – Baumgarten, Uebersetzung von Nicéron, Mémoires 18, 355 (nicht im franz. Original). – v. Schulte, Geschichte u. s. f., b, 60. – Aus den handschr. Mittheilungen Gottl. Stolle’s, mitgetheilt durch Guhrauer in der Allg. Zeitschrift f. Geschichte (W. A. Schmidt) 7, 501.