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Artikel „Albrecht V., Herzog von Baiern“ von Sigmund Ritter von Riezler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 234–237, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Albrecht_V.&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 04:12 Uhr UTC)
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Albrecht V., Herzog von Baiern, geb. 29. Febr. 1528, † 24. Oct. 1579, Sohn Herzog Wilhelms von Baiern und der Jacobäa, Tochter des Markgrafen Philipp von Baden. Nach einem Aufenthalte an der Landesuniversität [235] Ingolstadt, wo man den jugendlichen Prinzen jedoch erst mit dem Studium der Grammatik und der französischen Sprache beschäftigt trifft, und einem Besuche am Salzburger Hofe (1544) vermählte er sich 1546, wie sein Großvater Albrecht IV., mit einer österreichischen Prinzessin, Anna, Tochter des Königs Ferdinand. Bei seinem Regierungsantritte (6. März 1550) hatte er die, trotz des Primogeniturgesetzes Albrechts IV. erhobenen Erbfolgeansprüche seines Oheims Ernst zurückzuweisen; mit Kurpfalz erhob sich über die Kur ein diplomatischer Streit. In dem bald ausbrechenden Kriege zwischen Moritz von Sachsen und Karl V. hielt sich A., der Politik seines Vaters getreu bleibend, neutral; nachdem sich der Kaiser vor Moritz hatte flüchten müssen, nahm A. in Linz und Passau an den Verhandlungen Antheil, welche zum Abschluß des Passauer Vertrages führten.

Zwei Richtungen beanspruchen in der Regierung dieses Fürsten besondere Aufmerksamkeit, namentlich weil A. in beiden seinen Nachfolgern und dem Lande die Entwickelung vorgezeichnet hat. Es ist Albrechts persönliche Neigung zu den Künsten, zu Pracht und Aufwand, dann seine Stellung in der großen kirchlichen Zeitfrage.

Für die Kunst begann der Münchner Hof unter A. ein hervorragender Mittelpunkt zu werden: Musik, Malerei, Erzguß, Kunstgewerbe fanden hier verständnißvolle Förderung und trieben schöne Blüthen. Der Niederländer Roland de Lattre, bekannter unter dem Namen Orlando di Lasso, den A. zu seinem obersten Capellmeister ernannte, hob die Münchner Capelle zur ersten der Welt empor. Die Maler Christoph Schwarz, Hans Mielich, Peter de Witte (Candido), der Kupferstecher Rafael Sadeler arbeiteten für den Herzog. In seinem Auftrag gingen wiederholt Leute nach Italien und Frankreich, um Münzen, Cameen, Broncen, Statuen anzukaufen. Die Mehrzahl der glänzenden Sammlungen, auf denen heute der Ruhm der bairischen Hauptstadt beruht, hat durch A. ihren Anfang gewonnen. So die jetzige Hof- und Staatsbibliothek, deren Treppenhaus nach Gebühr neben dem Standbilde König Ludwigs I. das Albrechts ziert, so die alte Gemäldesammlung, das Münzkabinet, das Antiquarium. Wie sich aber zur Pflege der Künste gern die Neigung zum Luxus gesellt, so liebte es A. prächtig zu wohnen, zahlreiche, reichgekleidete Dienerschaft um sich zu haben, herrliche Gebäude, Anlagen, Thiergärten zu errichten. Man bewunderte die glänzende Flotte, die sich der Herzog auf dem Starnberger See bauen ließ. Als bei der Hochzeit des Thronfolgers Wilhelm mit Renata von Lothringen im J. 1568 alle Pracht der Renaissance in höchster Ueppigkeit entfaltet wurde, erinnerte man sich an das prunkende Hochzeitsfest Georgs des Reichen von Baiern-Landshut. Da A. überdies große Schulden geerbt hatte, auch die Söhne bald verschwenderische Bahnen einschlugen, reichten die herzoglichen Einnahmen zu solchem Aufwand des Hofes bei weitem nicht hin: die getreuen Stände sollten zu Hülfe kommen; darüber gedieh es auf den Landtagen zu regelmäßig wiederkehrenden Händeln. So erklärten die Stände 1568, als der Herzog verlangte, den Aufschlag auf die Victualien zu vervierfachen: nie hätten sie geglaubt, daß ein bairischer Fürst seine getreuen Landstände so behandeln werde; wenn der Herzog nur sparsam sein wolle, würden seine ordentlichen Einnahmen wol ausreichen; nicht an übermäßige Pracht sei die Reputation eines Fürsten geknüpft, sondern an fürstliche Tugenden und mit diesen sei ja der Fürst hochbegabt. Gegen das Ende seiner Regierung bequemte sich der Herzog wirklich zu einigen Einschränkungen; auf dem Landtage von 1572 erklärte er, Gejaid und Cantorei (Jagd und die Singcapelle) seien nunmehr seine einzigen Ergötzlichkeiten, und da jene das Wild mindere, diese zur Ehre Gottes diene, würden die Stände wol nichts dagegen haben. Gleichwol hinterließ er bei seinem Tode eine Schuldenlast von nahezu dritthalb Millionen Gulden. Dafür hatte er freilich [236] auch seine Lande durch den Kauf der Herrschaften Haag und Hohenschwangau vergrößert (1567).

Ueberaus wichtig ist das Verhalten Albrechts in der religiösen Frage. Denn obgleich schon sein Vater sich mit Entschiedenheit für den Katholicismus erklärt und alle Regungen lutherischer Gesinnung in seinen Landen auszurotten gesucht hat, so machen sich dieselben doch unter A. noch sehr bemerklich, gewinnen anfangs an Raum, der Herzog muß selbst eine gewisse Nachgiebigkeit gegen dieselben zeigen; indem er aber in der Folge sich bestimmen läßt, dem durch eine innerliche Wiedergeburt erstarkten, durch die Satzungen des Trientiner Concils dogmatisch fixirten Katholicismus aufs engste sich anzuschließen, hat er dadurch seinem Lande auf zwei Jahrhunderte hinaus die geistigen Bahnen bestimmt. Wenn man mit etwas Uebertreibung, doch nicht ohne Berechtigung gesagt hat, daß Baiern kein 18. Jahrhundert erlebt habe, so muß man auf A. zurückgehen, um die grundlegenden Anfänge dieses Entwickelungsganges zu finden. Auf das wiederholte Drängen der Landstände, welche den finanziellen Forderungen des Herzogs ihre religiösen gegenüberstellten, hatte A., der damals selbst dem protestantischen Bekenntniß nicht so ganz entgegen gewesen zu sein scheint, im J 1556 versprechen müssen, daß er fortan dem Genuß des Abendmahls unter beiden Gestalten und der Fleischspeisen an Fasttagen nicht entgegentreten und daß er für die Anstellung besserer Priester Sorge tragen werde. Nur die ebenfalls gestellte Forderung der Priesterehe überging er damals noch mit Stillschweigen. Indessen hatte eine aus herzoglichen und bischöflichen Verordneten zusammengesetzte Commission, welche 1558 das Land bereiste, um die Verhältnisse des Clerus zu untersuchen, vielfach lutherische Neigungen, fast überall aber ärgerliche Unsittlichkeit gefunden. In letzterer Beziehung waren die Zustände der Art, daß der Rath Baumgärtner, der als Albrechts Gesandter vor dem Concil in Trient erschien, mit einer Schilderung derselben „die frommen und keuschen Ohren der anwesenden Väter zu beleidigen fürchtete“. Im Namen seines Herrn, der außer dem Kaiser der einzige weltliche deutsche Fürst war, der das Concil beschickt hatte, drang Baumgärtner auf die Zulassung von Verheiratheten zur Priesterweihe und auf die Gestattung des Abendmahls unter beiden Gestalten. Aber eine Gesandtschaft des Nuntius Ormanetti mit einem eigenhändigen Schreiben des Papstes Pius IV., die päpstliche Bewilligung eines Zehnten von den Gütern der bairischen Geistlichkeit, eine Zusammenkunft mit dem Kaiser und den drei geistlichen Kurfürsten in Wien, vor Allem die persönliche Einwirkung der Jesuiten brachten bei A., der mit seinen Forderungen ohnedieß doch nie so energisch aufgetreten war wie Kaiser Ferdinand, eine entschiedene Sinnesänderung hervor. Dem 1563 zu Ingolstadt versammelten Landtage gab er zu bedenken, daß er nicht verpflichtet sei, eine andere als die katholiche Religion zu dulden, und als im April 1564 verspätet die päpstliche Genehmigung des Laienkelches für Baiern eintraf, machte der Herzog davon keinen Gebrauch mehr. Dreiundzwanzig adelige Herren, welche insgeheim der Augsburger Confession zugethan waren, schlossen nach dem Ingolstädter Landtage unter Leitung des Grafen Joachim von Ortenburg einen geheimen Bund; der Herzog aber fiel mit Waffengewalt in die Besitzungen des Ortenburgers, verjagte dessen lutherischen Prädicanten, und da bei dieser Gelegenheit in dem Schlosse Mattigkofen Correspondenzen der Verbündeten gefunden wurden, welche durch Ton und Inhalt für A. beleidigend waren, strafte der Herzog die vornehmlich Betheiligten durch Ausschließung von den bairischen Landtagen, verfuhr indessen immerhin so glimpflich, daß ihm die Jesuiten später den Beinamen „der Großmüthige“ aufbringen konnten. Mit allem Eifer ging er dann an die Befestigung der katholischen, an die Ausschließung jeder abweichenden Lehre. Die [237] Professoren in Ingolstadt, überhaupt alle Beamten mußten fortan ihre Rechtgläubigkeit nachweisen; überall im Lande mußten die protestantisch Gesinnten ihre liegende Habe verkaufen und auswandern; ein Index verbotener Bücher wurde angelegt, die gut katholischen Schriftsteller unterstützt. Auch das badische Land, dessen künftiger Regent Philipp in München unter Albrechts Vormundschaft erzogen wurde, ward von Baiern aus „für die himmlische Lehre frei gegemacht“. Das beste dabei thaten die Jesuiten, die schon unter Wilhelm IV. nach Baiern gekommen waren, nun aber zufolge eines eigenhändigen Schreibens Albrechts an Ignatius neue Verstärkungen auf diesen wichtigen Posten schickten. Schon 1555 hatte ihnen der Herzog aus seinen Mitteln ein Colleg zu Ingolstadt errichtet: ein Spanier, ein Franzose, vier Italiener, einige Niederländer und nur ein paar Deutsche, so waren sie dort eingezogen, hatten ihre Hörsäle eröffnet, bald die ausgebreitetste Wirksamkeit gewonnen. Aus ihren Schulen, schrieb A. an Lainez, sehe er das Antlitz der wiederauflebenden Kirche hervorleuchten. 1559 wurde ihnen auch ein Theil des Collegs in München eingeräumt; die höhere Bildung des Landes lag bald fast völlig in ihren Händen. Da sie zu München, wie anderwärts eine Marianische Sodalität gründeten, deren Theilnahme zu strengen Bußübungen und langen Gebeten verpflichtete, trat A. selbst nebst dem Erbprinzen Wilhelm bei; der Einfluß der Jesuiten auf den Herzog war tief und nachhaltig; was er von dem Gesetz Gottes verstehe, erklärte er einmal, habe er von den Jesuiten Hoffäus und Canisius gelernt. Dafür hieß ihnen A. ein zweiter Josias, ein neuer Theodosius. – Eine eigenthümliche Mischung von Neigungen tritt uns in A. V. entgegen: die in Italien erblühte Liebe zur Kunst und zu verfeinertem Lebensgenuß hat er in sich aufgenommen, aber auch die ebenfalls daher stammende, doch in ihrem ganzen Wesen weit von der ersteren abliegende streng katholische Richtung. Er † 24. Oct. 1579, nach dem Urtheil eines Zeitgenossen „ein gottesfürchtiger, stattlicher und gar vernünftiger Herr, der gelehrte und kunstreiche Leute fast lieb hatte und Baiern zieren wollte von innen und außen“. Weit ungünstiger dagegen wird Albrechts Charakter im Anfange seiner Regierung von Venetianern und Franzosen beurtheilt, namentlich seine Neigung zu Trunk und Spiel hervorgehoben. Von seinen Kindern folgte ihm Wilhelm auf dem bairischen Thron, Maria wurde die Gemahlin des Erzherzogs Karl, Ernst Erzbischof von Köln, Ferdinand Stammvater der Nebenlinie von Wartenberg, Marie Maximiliane starb unvermählt, Friedrich in jungen Jahren. Eine Herausgabe der Correspondenzen Albrechts V. ist im Auftrage der historischen Commission in München begonnen in den Briefen und Acten zur Geschichte des 16. Jahrhunderts. 1. Bd. bearb. von v. Druffel. München 1873,