ADB:Ludwig (Fürst von Anhalt-Köthen)

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Artikel „Ludwig, Fürst von Anhalt-Cöthen“ von Ferdinand Siebigk in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 476–483, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ludwig_(F%C3%BCrst_von_Anhalt-K%C3%B6then)&oldid=- (Version vom 9. Oktober 2024, 22:40 Uhr UTC)
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Ludwig, Fürst von Anhalt-Cöthen, der jüngste Sohn des Fürsten Joachim Ernst von Anhalt und dessen zweiter Gemahlin Eleonore, der Tochter Herzog Christophs von Württemberg, ward am 17. Juni 1579 zu Dessau geboren. Nach dem schon 1586 erfolgten Tode seines Vaters stand Prinz L. mit seinen jüngeren Geschwistern meist unter der Obhut seiner trefflichen Mutter und folgte ihr auch, als sie sich 1589 mit dem Landgrafen Georg von Hessen wieder vermählte, nach Darmstadt, wurde aber von seinem ältesten Bruder, dem Fürsten Johann Georg, der nach des Vaters Willen die Regierung des Anhaltischen Landes und die Vormundschaft über seine noch minderjährigen Geschwister führte, bald nach Dessau wieder zurückgerufen und erhielt dort mit seinem jüngeren Bruder unter Aufsicht und Einwirkung Ernsts v. Kötschau und des Magisters Johann Starke eine ausgezeichnete Erziehung und Ausbildung in den wissenschaftlichen Studien und den ritterlichen Uebungen, wie sie die damalige Zeit von Personen aus hohem Stande erheischte. Diese Ausbildung durch Bereisung fremder Länder, das Studium der dortigen Sprachen und Eigenthümlichkeiten und die Anschauung merkwürdiger Orte, sowie durch das Bekanntwerden mit fremden Gelehrten und Künstlern und ihren Werkstätten und endlich durch den Verkehr mit hervorragenden Personen zu vollenden, trat L. mit seinem um ein Jahr älteren Bruder Johann Ernst in Begleitung Albrechts v. Wuthenau als Gouverneur und eines Edelknaben, Bernhard v. Krosigk, 1596 eine Reise an, die 1½ Jahr währte. Sie führte durch Niedersachsen und Bremen nach Holland, England und dann durch Frankreich, den damaligen Aufenthaltsort vieler wissensdurstiger junger Deutscher höheren Ranges, wo die jungen Fürsten viele vortheilhafte Bekanntschaften machten und sich mannigfache nützliche Kenntnisse, namentlich durch die Vervollkommnung in der französischen Sprache erwarben, im December 1597 nach der Heimath zurück. Auf Grund des geführten Tagebuches ist diese Reise vom Fürsten L. in seinen letzten Lebensjahren in Versen beschrieben worden und dürfte diese Beschreibung, die durch ihre Genauigkeit das dem Reisenden eingeflößte Interesse überall deutlich erkennen läßt, noch jetzt nicht ganz ohne Werth sein. So läßt z. B. die Erwähnung der in London gesehenen Schauspiele: „Darinnen man fürstellt die Fürsten, Könge, Kayser in rechter Lebensgröß, in schöner Kleiderpracht, es wird der Thaten auch, wie sie geschehn, gedacht“ die Vermuthung entstehen, der Fürst habe hier Shakespeare’sche Dramen aufführen sehen und vielleicht den großen Dichter als Schauspieler selbst vor Augen gehabt. Dieser ersten folgte noch in demselben Jahre eine zweite größere [477] und noch mehr des Interessanten und Lehrreichen darbietende Reise. L. wird nur von Christoph v. Lehndorf als Hofmeister, dem Junker Philipp Jacob v. Grün, der des Zeichnens kundig, und dem Edelknaben Bernhard v. Krosigk begleitet. Die Reise ging durch Süddeutschland, den nördlichen Theil der Schweiz, Tirol und Italien, von wo Abstecher nach Malta und Sicilien gemacht werden und wo die Reisenden in Venedig, Florenz, Rom und Neapel längeren Aufenthalt nehmen, sodann durch Steiermark und Oesterreich nach Ungarn, wo dem dort in kaiserlichem Kriegsdienste stehenden Bruder Johann Ernst ein Besuch abgestattet wird und darauf über Prag und durch die Oberpfalz nach Dessau zurück, wo man am 2. März 1602 wieder eintraf. Auch von dieser Reise ist eine vom Fürsten verfaßte Beschreibung in Versen auf uns gekommen, doch reicht sie nur bis zum März 1599. Die Reise selbst, namentlich der lange Aufenthalt in Italien, war für L. von höchstem Werth und von größtem Einfluß auf sein ganzes späteres Leben; sie lehrte ihn die Sprache gründlich kennen, vermehrte seine Kenntnisse in jeder Art, läuterte seine Ansichten über Kunst und Wissenschaft, verfeinerte seinen Geschmack, bildete sein Benehmen und Auftreten in der Gesellschaft und übte und vergrößerte seine Menschenkenntniß. In Bologna gewann der junge Fürst unter dem Namen „von Lindau“ die Universitätsmatrikel, in Florenz, wo er die freundlichste Aufnahme an dem prunk- und geistvollen Hofe der Mediceer fand, studirte er Dante, Boccaccio und Petrarca, ward unter dem Namen: Der Entzündete mit dem Symbole einer brennenden Stoppel und dem Motto: Im Brennen mahnts mich an mein Heil, Mitglied der Akademie della Crusca, schwelgte im Anblick der dortigen Paläste mit ihren Gemälden, Statuen und prächtigen Gärten und trieb eifrigst ritterliche Uebungen. In Rom zogen gleichfalls die Ueberreste des Alterthums in Bauwerken und Kunstgebilden, desgleichen die der nachfolgenden Zeit, den Geist des Fürsten aufs höchste an, ebenso fesselten ihn lebhaft die Eigenthümlichkeiten des Volks. Nicht anders war es in Neapel und auf Sicilien, wo zu den Genüssen, welche Kunst und Wissenschaften darboten, noch die von der Natur gewährten hinzutraten, desgleichen auf dem Rückwege in Genua, Mailand und Venedig. Von höchstem Interesse war dem Fürsten das Thun und Treiben von Malta’s kriegerischen Mönchen und in Prag beglückte ihn der sehr freundliche Empfang, den ihm der kunstliebende Kaiser Rudolph II. zu theil werden ließ. Nachdem L. noch im J. 1602 einen Besuch am verwandten Hofe zu Weimar gemacht, verweilte er zunächst in der Heimath, wo wichtige Einrichtungen bezüglich der Zukunft des väterlichen Erbes durch Theilung desselben unter die fünf noch lebenden Söhne Fürst Joachim Ernsts zu treffen waren. Die unter den Brüdern herrschende innige Liebe und Eintracht ließ sie schon in der Mitte des nächsten Jahres zum gewünschten Ziele gelangen. Das Land ward, da eine Scheidung in fünf Theile nicht gut ausführbar war, nur in vier getheilt und es wurde beschlossen, einen der Brüder durch Zahlung einer entsprechenden Abfindung zufrieden zu stellen. Das vom 30. Juni 1603 datirte Protokoll der in Dessau stattgehabten Verhandlung von Fürst Ludwigs Hand ist noch vorhanden. Fürst Johann Georg, der älteste, erhielt Dessau, Fürst Christian Bernburg, Fürst August nahm freiwillig die Abfindung an, Fürst Rudolph überkam Zerbst und Fürst L. das Cöthen’sche Land. Obwol nach geschehener Uebereinkunft die Hauptregierungsangelegenheiten des gesammten Anhaltischen Landes noch in der Hand des ältesten Bruders verblieben, so ließ sich L. doch sofort die Wohlfahrt seines Landestheils angelegen sein. Er beauftragte den Landeshauptmann Jost v. Schilling mit Verbesserungen an dem noch unfertigen Schlosse zu Cöthen, dessen Neubau Fürst Johann Georg 1599 durch Peter Niuron begonnen, und beim Schloßgarten, der 1605 durch Ankauf von Privathäusern und Gärten vergrößert ward, traf polizeiliche Anordnungen [478] für die Stadt Cöthen und Verfügungen zur Regulirung von Grenzdifferenzen. Doch fühlte er sich durch diese Geschäfte noch nicht an Cöthen gefesselt und begab sich bald wieder auf Reisen. Zunächst besuchte er den Prinzen Moritz von Oranien im Lager vor Herzogenbusch und blieb während des Winters bei ihm im Haag, dann segelte er 1604 nach England, wo König Jacob ihn freundlichst empfing, begab sich darauf nach Frankreich, wo er sich einer gleichen Aufnahme bei König Heinrich IV. zu erfreuen hatte, besuchte dann die spanischen Niederlande, wo er dem Statthalterpaare, dem Erzherzog Albrecht und dessen Gemahlin, der Infantin Clara Eugenia, sich vorstellte und kehrte über Ostende und Antwerpen zu Ende 1604 nach Dessau zurück. Auch diese Reise und verschiedene Besuche bei dem durch wissenschaftliches Streben und Kunstsinn ausgezeichneten Landgrafen Moritz von Hessen erweiterten des Fürsten geistigen Gesichtskreis und des Landgrafen musterhafte Hofhaltung und wohleingerichtete Bildungsanstalten reizten zur Nachahmung. Eine im J. 1605 ihm angebotene Oberhauptmannschaft in der Pfalz, sowie eine Oberstenstelle im schwedischen Heere, die König Karl IX. ihm mit Verheißung großer Vortheile antrug, lehnte der Fürst ab, theils um bei den drohenden confessionellen Verwickelungen freiere Hand zu haben, vor Allem aber wegen der nun bevorstehenden vollständigen Uebernahme seines ihm 1603 zugefallenen Landestheils, die zu Johannis 1606 wirklich erfolgte und wo er am 30. August und 21. September die Erbhuldigung in Cöthen, Nienburg und Warmsdorf entgegennahm. L. liebte mehr friedliches Wirken und Schaffen als kriegerische Thätigkeit, obwol er auch nach letzterer Richtung hin wol das Richtige zu erkennen und durchzuführen verstand. Er war mehr ein Mann der Feder als des Schwerts. Mit scharfem Blick und redlichem Willen ergriff er die Zügel der Regierung seines kleinen Landes, leicht erkannte er die mannigfach vorhandenen Mängel und energisch traf er Anordnungen zu deren Abhülfe. Sein namentlich in Italien gereifter Kunst- und Schönheitssinn fand sofort Gelegenheit sich zu bethätigen. Er verschönerte seine Hauptstadt und ihre Umgebung durch Bauten und Anpflanzungen, wo sich dies nur thun ließ, schmückte sein 1604 vollendetes Residenzschloß, an dem sich äußerlich freilich wenig mehr nach seinem Geschmacke ändern ließ, durch geschmackvolle, dem italienischen Baustil nachgebildete bauliche Einrichtungen im Inneren, sowie durch prächtige Ausrüstung der Zimmer mit kunstvollen Tapeten und Geräthen und umgab dasselbe mit weitläufigen Nutz- und Ziergärten, die gleichfalls in welschem Geschmack mit großer Kunst und tiefem Verständniß angelegt waren und des Interessanten an zierlichen Bauwerken, fremden Bäumen, Gesträuchen, Kräutern und Blumenarten, wie sie der Fürst auf seinen weiten Reisen kennen gelernt hatte, Vieles enthielten. Zur Seite stand ihm bei diesen Anlagen sein gelehrter Gartendirector M. Heinrich Kinschius. Dazu entstanden einsichtsvolle Einrichtungen bezüglich des fürstlichen Hofhalts. Im J. 1606 ward der Burgfriede erneuert, es erschienen angemessene Hof-, Küchen- und Kellerordnungen und überall in den meist nach italienischem Muster gemachten Einrichtungen zeigte sich der feine, gebildete Sinn des jungen Fürsten. Sein Hofgesinde war, wie gleichzeitige Quellen sagen, in Sprache, Kleidung und Sitten ganz italienisch und er selbst verband italienische Anmuth mit deutscher Ernsthaftigkeit. Seine Tafel war nicht überladen, aber keineswegs ärmlich und stets herrschte daran bei aller Fröhlichkeit, nach italienischer Art, die größte Mäßigkeit, namentlich im Genusse des Weins, worin der liebenswürdige fürstliche Wirth mit dem besten Beispiele voranging.

Alle Einrichtungen des Fürsten zeugten, wie gesagt, von seiner Einsicht und feinen Bildung und bald traten die guten Folgen zu Tage. Ehrbarkeit, Fleiß, Ordnung wurden überall ersichtlich und der ritterliche, gebildete Adel des kleinen Landes wußte sein Wesen fügsam dem leutseligen geselligen Fürsten anzupassen; doch traten die damals in Anhalt herrschenden Religionsverhältnisse manchem [479] nicht selten hemmend entgegen. Einen treuen Beistand bei seinen Bestrebungen fand Fürst L. in seiner gleichgesinnten, des Hebräischen, Italienischen und Französischen kundigen Gemahlin, der Gräfin Amöne Amalie von Bentheim, mit der er sich am 31. October 1606 vermählt hatte. – Von dem zu theologischen Streitigkeiten geneigten und unter calvinistischem Einflusse stehenden Fürsten Johann Georg I. war, während er das gesammte Anhaltische Land regierte, den lutherischen Bewohnern das calvinistische Bekenntniß aufgenöthigt und dasselbe oft mit Härte zur Ausführung gebracht worden. Bis zu Fürst Ludwigs Regierungsantritt war dies noch nicht überall in seinem Lande durchgeführt und namentlich sträubte sich auch hier die Ritterschaft dagegen. Wenn auch der selbst reformirte Fürst die Sache nicht ändern konnte und wollte, dürfte er doch auf mildere Art weiter gegangen sein, wie er sich denn überhaupt in Religionssachen stets duldsam zeigte, was daraus hervorgehen möchte, daß noch jetzt der Cöthen’sche Landestheil eine nicht geringe Zahl von Ortschaften enthält, die sich zur lutherischen Kirche bekennen. – Gegenüber den sehr beunruhigenden politischen Verhältnissen, als Türkengefahr, ungarische Rebellion etc., deren Folgen unberechenbar erschienen, hielt Fürst Johann Georg I. in Gemeinschaft mit seinen Brüdern, für nothwendig, die Einrichtung eines sogenannten Landrettungs- oder Defensionswerks, bestehend in einer Landmusterung und Bewehrung der Unterthanen, sowie die manierliche berühmte soldatische Abrichtung derselben, wie sie in der Kurpfalz gebräuchlich war, ins Auge zu fassen. Manche Bedenken der 1605 zur Begutachtung niedergesetzten Commission ließen die Sache damals nicht zur Ausführung gelangen, doch ward sie nur aufgeschoben und es kam bald darauf doch dazu, nachdem durch Gründung der protestantischen Union 1609, der sofort die katholische Liga entgegentrat, die Besorgniß gewachsen war, daß auch im Vaterlande die herrschende Zwietracht die Erhaltung des Friedens wesentlich gefährden werde und man sich auf das Schlimmste gefaßt machen müsse.

Obwol 1606 die Landestheilung von 1603 vollkommen zur Ausführung gelangte, so blieb doch das Defensionswerk Sache der Gesammtheit, nur ward jedem Fürsten überlassen, in seinem Landestheile selbständig zu verfahren. So sehen wir denn L. von 1610 ab energisch beschäftigt, einen Theil seiner Unterthanen zu mustern, sie wehrhaft zu machen, sie im Gebrauch der Waffen zu üben und die Residenzstadt Cöthen nach seinem eigenen Entwurfe zu befestigen. Neben dem Hinblicke auf von außen drohende Gefahren geschah dies Alles aber auch zum Schutze gegen Feinde der Ordnung im Innern, denn das Land wurde durch einzelne Haufen von herrenlosen Reitern und Fußknechten, die hin und her zogen, raubten und plünderten, sengten und brannten, schon lange vor Ausbruch des Krieges 1618 sehr belästigt und steigerte sich dieser Zustand mehr und mehr, so daß 1620 die Fürsten sich bewogen fanden, der gesammten Einrichtung einen fast ganz militärischen Charakter zu geben und dies 1623 noch mehr in diesem Sinne durch Werbung von bestimmten Mannschaften vervollständigten. Doch zeigten sich bald meist durch diese letzteren hervorgerufene Unzuträglichkeiten, die noch in demselben Jahre zur Aufhebung der ganzen Einrichtung führten. Während nun so L., eigentlich seinen Neigungen entgegen, sich vielfach mit militärischem Wesen zu beschäftigen veranlaßt war, ließ er die Verwaltung seines Landes und deren Verbesserung keineswegs aus den Augen. Die Regierung desselben geschah nach der 1572 eingeführten Landesordnung, dem Landesgebrauch und der Kanzleiordnung von 1587, dazu erließ der Fürst zur Regulirung der Regierungsgeschäfte in seiner Nähe 1610 die Cabinetsordnung und stellte den Rath Johann Stallmann an die Spitze der ersteren, wo derselbe bis 1628 verblieb. Dann sorgte er für Regulirung der Handels- und Verkehrsverhältnisse durch Erlaß einer Taxe des Gewürzes und der Spezereien bei den Apothekern 1613 und 1622 folgte eine Taxe oder Anschlag und Würdigung der Feylinger [480] (Feilhalter, Verkäufer) und Löhner, wie solche gefordert und bezahlt werden sollen, die sich auf alle Lebensbedürfnisse erstreckte und manche andere entsprechende Verfügungen. War so der Fürst eifrigst auf Hebung des materiellen Wohles seiner Unterthanen bedacht; so ließ er auch dagegen das geistige nicht aus den Augen. Auf seinen Reisen mit der Einrichtung vieler Bildungsanstalten bekannt geworden und durch Verkehr mit einsichtsvollen Männern auf die allgemein hervortretenden Mängel des Unterrichts hingeführt, beschloß er die Errichtung einer Musteranstalt in Cöthen, die nicht nur für besseren Elementarunterricht sorgen, sondern auch zur weiteren Ausbildung in den Wissenschaften Gelegenheit bieten sollte. Diesen Plan ins Werk zu setzen erschien der ihm selbst schon bekannte und mehrfach empfohlene Schulmann Wolfgang Ratke, der sich Ratichius nannte, der geeignetste zu sein; derselbe, der gedachtem Plane erst die eigentliche Form gegeben haben dürfte, hatte sich seit mehreren Jahren den Ruf erworben, Sprachen auf eine leichtere und schnellere Art, als früher bekannt, lehren zu können und zählte nicht wenige Anhänger, dagegen aber auch wieder zahlreiche und gewichtige Gegner. Der Fürst hätte gern seine Brüder als Genossen seines Plans gehabt, es gelang ihm jedoch nicht sie dem genannten Schulmann günstig zu stimmen, dagegen aber schloß sich der Herzog Johann Ernst von Sachsen ihm thätig an. Er traf nun die zur Ausführung der Ratke’schen Ideen erforderlichen baulichen Einrichtungen im Schlosse zu Cöthen, wo der höhere Unterricht ertheilt werden und in der Stadt, wo die Elementarunterweisung in der Knaben- und Mädchenschule stattfinden sollte, berief die benöthigten Lehrer und lud die Einwohner ein ihre Kinder an dem beabsichtigten Unterrichte theilnehmen zu lassen; auch errichtete er zur Erleichterung des letzteren eine Buchdruckerei in Cöthen, schaffte dazu Schriftzeichen in verschiedenen fremden Sprachen an und verwendete überhaupt auf das Unternehmen beträchtliche Summen. In der ersten Hälfte des Jahres 1619 siedelte nun Ratichius von Weimar nach Cöthen über, schloß mit L. und dem Herzoge Johann Ernst von Sachsen unterm 11. Juni einen die Anstalt und ihre Verhältnisse betreffenden Rezeß und der Unterricht nach seiner Methode begann am 21. Juni im Schlosse und in der Stadt. Bald aber zeigte die Anstalt bedenkliche Mängel, es wollten sich merkliche Früchte nicht zeigen, dagegen erschienen Klagen über Auflösung der Disciplin und Anzeichen des Zwiespalts zwischen dem störrigen unstäten Ratichius und seinen Collegen, die er grob und ungeschliffen behandelte. Versuche, die Sache zu einem befriedigenden Ausgange zu bringen, scheiterten an dem ganzen Auftreten und Benehmen des Ratichius und es blieb dem Fürsten nichts übrig, als ihn, nachdem seine Wirksamkeit in Cöthen nur 3½ Monat gedauert, im October 1619 festnehmen und zur Verantwortung ziehen zu lassen. Es ward ihm Schuld gegeben, daß er der eingegangenen Verpflichtung, eine leichtere und schnellere Lehrart in Sprachen und Künsten zur Anwendung zu bringen, nicht nachgekommen, in seiner Lehrkunst wenig geleistet und doch schwere Unkosten verursacht, gegen die fürstliche Regierung und seine Collegen mit Reden und in Schriften ungebührlich und böswillig sich betragen und seinen beharrlichen Ungehorsam, Schmähsucht und Bosheit mehr denn genugsam gezeigt habe. Ratichius, obgleich er noch während der Haft unglaubliche Takt- und Charakterlosigkeit gezeigt, gab bei einer Verhandlung am 11. Juni 1620 alle Anklagepunkte zu, bat um Gnade, unterzeichnete einen bezüglichen Revers und ward am 24. straflos entlassen. L. ward durch diesen verunglückten Versuch nicht in seinen Bestrebungen zur Verbesserung des Schulwesens zum Stillestand gebracht, er fuhr fort auf dem eingeschlagenen Wege mit praktischen Modificationen weiter zu gehen und brachte der Ausbildung der Jugend seines Landes noch erhebliche Opfer, bis die immer mehr durch den Krieg wachsenden Bedrängnisse, die alle geistigen Interessen niederdrückten, auch nach dieser Hinsicht hin zu bedeutenden Einschränkungen ihn nöthigten. – In nächstfolgender Zeit [481] wurden die Anhaltischen Lande zwar noch nicht von dem bereits einen großen Theil des deutschen Vaterlandes verwüstenden Kriege direct berührt, aber die Fürsten selbst wurden doch schon wesentlich durch die inzwischen vorgefallenen Ereignisse in Mitleidenschaft gezogen, da sie in enger Familienverbindung standen. Der unglückliche Versuch der Böhmen, durch Erwählung Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz zu ihrem Könige sich die Selbständigkeit zu verschaffen, hatte durch die Schlacht am weißen Berge vor Prag, am 8. November 1629, ein schnelles Ende gefunden. Fürst Christian I. von Bernburg, der Feldherr des neuen Böhmenkönigs, fühlte den ganzen Zorn des Kaisers, war geächtet und schmachtete in der Verbannung; der jüngere Christian, der unter seinem Vater im Böhmenheere diente, war in der Schlacht gar in kaiserliche Gefangenschaft gerathen. Für Beide Gnade und Verzeihung zu erhalten war der übrigen Familienmitglieder eifrigstes Streben und daß dieses gelang, denn Fürst Christian I. konnte am 5. Juli 1624 wieder in seine Residenz einziehen, ist großentheils wol das Werk Fürst Ludwigs, der auf das Feinste die nöthigen Hebel durch seine schriftlichen Verhandlungen ansetzte. Ueberhaupt ward nicht nur seine Feder vielfach von seinen Brüdern und Neffen in Anspruch genommen, sondern auch die ihm inwohnende Sprach- und Umgangsgewohnheit, wie z. B. bei Gelegenheit des erfolglosen Versuchs durch seine Sendung an Kaiser Rudolph nach Prag 1608, desselben Beihülfe in dem Streite des Anhaltischen Fürstenhauses mit Kurfürst Christian I. von Sachsen wegen des angeblichen Mordversuchs auf letzteren in der Gräfenhainichener Haide zu erlangen und in manchen anderen Fällen. Das Jahr 1625 brachte auch Anhalt mit den kriegerischen Ereignissen in unmittelbare Berührung, denn am 23. December bemächtigte sich Wallenstein der Roßlauer Elbbrücke und nun blieb das Land Jahre hindurch im verderblichen Kreise der Kriegsoperationen. Einlagerungen, Durchzüge, Schanzenbau und große Geldopfer quälten die Fürsten und ihre Landestheile, also auch das Fürstenthum Ludwigs, der mit seinen Brüdern und allein thunlichst Abhülfe zu schaffen bemüht war, deshalb im J. 1629 mit dem Herzoge von Friedland in Halberstadt persönlich verkehrte und nicht müde ward durch Correspondenz und Abgesandte bei den einzelnen Heerführern möglichst für die Seinigen zu wirken. Die Annäherung der Schweden 1631 brachte dem Lande einige Erleichterung, indem sich die Kaiserlichen unter Tilly nach Abbrennung der Elbbrücke am 10. Mai nach Sachsen zurückzogen und die Fürsten gegen eine monatliche Zahlung von 3000 Thalern sich den Schutz des Königs Gustav Adolf sicherten. In Folge dieses Umschwungs ließ sich L. zum schwedischen Statthalter von Magdeburg und Halberstadt bestellen und trat mit den übrigen Anhaltischen Fürsten dem Heilbronner Bunde bei. Der Schweden Niederlage bei Nördlingen 1634 änderte aber bald diese Verhältnisse: Anhalt sah sich veranlaßt dem von Kursachsen mit dem Kaiser 1635 abgeschlossenen Separatfrieden sich anzuschließen und dies führte L. zur Niederlegung seines Statthalterpostens, den er bisher zur Zufriedenheit der schwedischen Regierung bekleidet hatte. Hieraus entstand der Nachtheil, daß das ganze Anhaltische Land nunmehr von den Schweden aufs Aergste gemißhandelt wurde, wobei es auch noch von der Gegenpartei, obwol man mit derselben im Frieden war, nicht im Entferntesten geschont ward. So ging es mit wenigen Aenderungen bis zum Abschluß des Friedens 1648 fort. Das Land diente als Tummelplatz für Freund und Feind und erbarmungslos wütheten beide Theile durch Erpressungen und Quälereien aller Art auf dasselbe los; selten gelang es den Bemühungen des Fürsten momentane Erleichterung zu verschaffen und namentlich litt in der ganzen Kriegszeit die Stadt Cöthen selbst auf das Empfindlichste. Selbst das letzte Lebensjahr des Fürsten 1649 verging wegen Händel mit den im Lande noch lagernden schwedischen Völkern nicht in nunmehr erwarteter [482] so lange ersehnter Ruhe. Von inneren Einrichtungen des Fürsten während der ganzen Dauer des Krieges wird nur die Einrichtung des geistlichen Wittwenkastens 1636 gemeldet, die Lasten und Drangsale absorbirten Alles und hinderten jede weitere Entwicklung, man war schon glücklich, wenn es möglich war das Vorhandene zu erhalten. Noch ehe der Krieg die Anhaltischen Länder direct heimsuchte, wurde L. von schweren Familienunfällen hart betroffen, denn am 15. März 1624 starb sein am 19. October 1607 geborener einziger Sohn Ludwig und auf einer kurz darauf mit seiner Familie nach den Niederlanden unternommenen Reise zu Harderwyk in Geldern am 26. März 1625 seine einzige Tochter, die am 28. November 1609 geborene Louise Amoene; ihr folgte am 3. September 1625 auf einer neuen Reise zu Oldenburg ihre Mutter, die Fürstin Amoene Amalie, im Tode nach. So sah sich der Fürst in dem kurzen Zeitraume von 18 Monaten seiner Gemahlin und beider Kinder beraubt. Im nächsten Jahre schritt er zu einer zweiten Ehe und zwar mit der Gräfin Sophie zur Lippe, die ihm zwei Kinder, eine Tochter Amalie Louise, die in zarter Kindheit starb und am 3. August 1638 einen Sohn Wilhelm Ludwig schenkte, der seinen Vater überlebte, aber schon 1665 kinderlos starb, wodurch die Ludwig’sche Fürstenlinie in Cöthen ihr Ende erreichte. Im J. 1627 übernahm L. die Vormundschaft über den minderjährigen Grafen Otto zu Holstein-Schaumburg in Gemeinschaft mit zwei anderen Mitgliedern von dessen Familie und führte dieselbe trotz mancher Verdrießlichkeiten 16 Jahre lang zum Heil seines Mündels und dessen Erblandes. Obwol, wie bemerkt, ein warmer Freund italienischer Sprache, Sitte und Wesens, war und blieb L. doch innigst seinem deutschen Vaterlande und seiner Muttersprache zugethan. Mit Trauer erfüllte ihn daher das Ueberhandnehmen des Fremdwesens in Sprache und Sitte, welches meist aus Frankreich herüber gekommen war, vornehmlich an verschiedenen Höfen schnell Boden gefaßt und sich unaufhaltsam verbreitet hatte, als Modesache üppig wucherte und das Einheimische vollständig in den Schatten zu stellen drohte. Wenngleich nicht alleinstehend in seinem Wunsche, diesem Unwesen steuern zu können, sah der Fürst doch recht wohl ein, daß dies nicht einem Einzelnen möglich sei, sondern daß nur eine feste Verbindung gleichgesinnter und nach einem festen Plan gleichmäßig wirkender Kräfte zum gewünschten Ziele gelangen könne. Diese Ueberzeugung gab Veranlassung zu der bei Gelegenheit der Beisetzung der am 18. Juli 1617 verstorbenen Schwester des Fürsten, der Herzogin Dorothea Maria von Weimar, dort am 24. August unter Anregung des Geh. Raths und Hofmarschalls Caspar v. Teutleben von diesem, Fürst Ludwig, drei Herzögen von Sachsen und zwei Anhaltischen Adeligen aus der Familie v. Krosigk geschehenen Stiftung der bekannten fruchtbringenden Gesellschaft, deren Zweck war, die edle hochdeutsche Muttersprache in ihrem rechten Wesen und Stande, ohne Einmischung fremder ausländischer Worte, aufs Möglichste und Thunlichste zu erhalten und sich dazu sowol der besten Aussprache im Reden, als der reinsten Art im Schreiben und Reimedichten zu befleißigen. Als Muster dürften die Einrichtungen der „Accademia della Crusca“ in Florenz, deren Mitglied Fürst L. dortselbst geworden, gedient haben, wenigstens deutet darauf der aus jener herübergenommene Gebrauch von oft lächerlichen Namen, Symbolen und Devisen von Seiten der Mitglieder der neuen Gesellschaft, wie denn der Fürst der Nährende hieß, als Symbol ein wohlausgebackenes Weizenbrot hatte und als Devise die Worte „Nichts Besseres“ führte. Als Ehrenoberhaupt ward Caspar v. Teutleben, der Mehlreiche, hingestellt und mögen bis zu seinem Tode 1628 die Aufnahmen der sich allmählich mehrenden Mitglieder, bei denen weder auf Stand noch auf Glaubensbekenntniß, sondern nur auf den Bildungsgrad gesehen ward, an den Wohnorten des erstem, Weimar und Coburg geschehen sein. Dann aber ward [483] der Sitz der Gesellschaft das Schloß zu Cöthen, dessen Besitzer von Beginn an die Haupttriebfeder, die belebende Kraft gewesen war und es bis zu seinem im Januar 1650 erfolgten Tode blieb. Von dort, wo der Erzschrein der Gesellschaft sich befand, leitete er mit unermüdlichem Eifer die Angelegenheiten der letzteren und führte die umfangreiche Correspondenz mit den Mitgliedern derselben, zu denen die angesehensten Fürsten, als die Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg und Johann Georg I. von Sachsen, sowie der Pfalzgraf Karl Gustav, die ruhmvollsten Heerführer und Staatsmänner, als Piccolomini, Baner und Ochsenstierna, die hervorragendsten Dichter und Gelehrten jener Zeit, wie Andreas Gryphius, Martin Opitz, Fr. v. Logau sich rechneten. In den luftigen Hallen seines Schlosses empfing er die zahlreichen Besuche der gleichgesinnten Freunde, bewirthete sie dort und im dichten Schatten seiner prachtvollen Gärten, erwog mit ihnen das Wohl und Wehe der Gesellschaft und empfing die Mittheilung des von ihnen im allgemeinen Interesse Geleisteten, dessen meist in seiner Residenzstadt erfolgte Vervielfältigung durch die Presse er selbst überwachte. Diese seinem Sinne so ganz entsprechende Thätigkeit, zu der noch eigenes dem Zwecke der Gesellschaft entsprechendes schriftstellerisches Wirken kam, war der Lichtpunkt der zweiten Hälfte seines Lebens, ermuthigte ihn bei den um ihn herrschenden Gräueln des Krieges und tröstete ihn bei den schweren Schicksalsschlägen in seiner Familie. Mit seinem Tode schwand der starke Halt der Gesellschaft, die leider schon längst in ihrem Wirken, Thun und Treiben sich mehr und mehr von ihrem eigentlichen, so klar vorgezeichneten Ziele entfernt und in Aeußerlichkeiten und Spielereien sich verflacht hatte; sie kümmerte zwar noch eine Zeit lang unter den Herzögen Wilhelm von Weimar und August von Sachsen hin, erlosch aber mit des letzteren 1680 erfolgtem Tode. Ist ihrer Thätigkeit auch nicht jedes Verdienst abzusprechen, so sind jedenfalls ihre Leistungen und Erfolge hervorragend nicht zu nennen.

L. starb nach längerem Unwohlsein am 7. Januar 1650 im 70. Jahre seines Lebens und ruht in der Fürstengruft der St. Jacobskirche zu Cöthen. Er besaß Scharfsinn, Verstand und ausgebreitete Kenntnisse, so daß er der Gelehrteste unter seinen Brüdern gewesen sein dürfte, dazu einen unermüdlichen Fleiß sich fortzubilden und sich zu unterrichten und zeigte stets die größte Energie bei Ausführung aller seiner Entschlüsse. Voll reger Theilnahme für alles, was das Wohl seines Landes und seiner Unterthemen betraf, verabsäumte er keine Gelegenheit den Seinigen zu nützen bis zu dem letzten Hauche seines Lebens.

G. Krause, Ludwig, Fürst zu Anhalt-Cöthen und sein Land, 1877/79. F. W. Barthold, Geschichte der fruchtbringenden Gesellschaft, 1848. Beckmann, Landeschronik.