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Artikel „Opitz, Martin“ von Franz Muncker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 370–378, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Opitz,_Martin&oldid=- (Version vom 4. Oktober 2024, 11:56 Uhr UTC)
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Opitz: Martin O., ein Dichter von geringer unmittelbarer Begabung, aber von großer Belesenheit, reichen Kenntnissen und ungemeiner Rührigkeit, ward durch seinen praktisch klaren Blick, mit dem er die Schäden der vorhandenen deutschen Litteratur erkannte, und durch die Entschiedenheit, mit der er die aus der romanischen Renaissancepoesie entlehnten, ganz äußerlichen Heilmittel selbst anwandte und auf ihren allgemeinen Gebrauch drang, zum Begründer und Führer einer neuen Periode unserer Litteratur, welche mehr als ein Jahrhundert umspannte. Dichter, die an Umfang und Kraft ihrer natürlichen Anlage wie an künstlerischem Sinn ihm weit überlegen waren, haben verehrungsvoll wie zu einem unerreichbaren Genius zu ihm aufgeblickt und sich willig zu unbedingtem Gehorsam seinen Gesetzen unterworfen; die Grundregeln, welche er für die äußere Form unserer Dichtung aufgestellt hat, gelten bis auf den heutigen Tag noch ziemlich allgemein und unangetastet.

O. wurde am 23. December 1597 zu Bunzlau am Bober in Schlesien geboren. Er stammte aus einer bürgerlichen, wohlhabenden und angesehenen Familie evangelischen Bekenntnisses. Seine Mutter, eine geborene Martha Rothmann, der er körperlich und geistig ähnlich gewesen sein soll, starb bald nach seiner Geburt; sein Vater Sebastian O. verheirathete sich später wieder und überlebte noch den Sohn, dessen Ruhm auch auf ihn seinen Glanz warf und ihm zu der Würde eines Rathsherrn in seiner Vaterstadt verhalf. Der Knabe, dessen Fähigkeiten sich in dem noch friedlichen und den Wissenschaften günstigen Zeitalter rasch entwickelten, genoß den ersten Unterricht in der Schule zu Bunzlau, welche sein Oheim Christoph O. († 1606) und nach ihm Valentin Senftleben, ein tüchtiger Schulmann, leitete. Seinem anregenden und väterlich-freundschaftlichen Verkehr verdankte der gelehrige, namentlich mit einem vortrefflichen Gedächtniß begabte Schüler sehr viel. Auch die beiden Freunde, die ihm das ganze Leben hindurch treu zugethan blieben, Kaspar Kirchner (1592–1627) und Bernhard Wilhelm Nüßler (1598–1643), gewann O. schon in diesen frühen Jugendjahren. Siebzehn Jahre alt, vertauschte er die Bunzlauer Schule mit dem [371] Gymnasium zu St. Maria Magdalena in Breslau, dessen Rector M. Johann Höckel v. Höckelshofen ihm durch seine Empfehlung Zutritt in das Haus des Stadtphysicus Dr. Daniel Bucretius (Rindfleisch) und seines nachmaligen Nachfolgers Dr. Kaspar Kunrad verschaffte. Dadurch sowie durch den Verkehr mit dem Breslauer Syndicus Nicolaus Henelius wurde der Gesichtskreis des Jünglings außerordentlich erweitert. Sein Streben richtete sich schon jetzt auf die Dichtkunst, zu der er sich den Weg durch philosophische und philologische Studien ebnen wollte. Zum Lebensberuf erwählte sich der Ehrgeizige, der nach einer auch äußerlich glänzenden Laufbahn trachtete, die Rechtswissenschaft. Deshalb bezog er gegen 1617 das akademische Gymnasium zu Beuthen an der Oder, welches Freiherr Georg v. Schönaich-Carolath gewissermaßen als protestantische Hochschule Schlesiens kurz zuvor gegründet hatte. Die alten Studien wurden hier fortgesetzt, das der Rechtswissenschaft nur nebenher betrieben, die Dichtkunst aber eifriger als je gepflegt. Schon 1616 hatte O. eine kleine Sammlung lateinischer Gedichte unter dem Titel „Strenarum libellus“ seinem Lehrer Senftleben widmen können; jetzt folgten weitere Proben lateinischer Verse, dem kaiserlichen Hofrath und schlesischen Kammerfiscal Tobias Scultetus v. Bregoschütz und Schwanensee zugeeignet, dessen Haus, der Mittelpunkt des geistig-gesellschaftlichen Lebens in Beuthen, ihm auf die Empfehlung gelehrter Gönner freundlich erschlossen worden war. Aber auch in deutschen Reimen versuchte er sich jetzt, in Alexandrinern, deren Silben nach französischer Art vorläufig nur gezählt, nicht nach ihrem Tonwerthe gegen einander abgemessen waren, und gesellte sich dadurch den Männern bei, welche, wie der von ihm gerühmte Ernst Schwabe von der Heyde, auch die deutsche Dichtung nach den Gesetzen, die seit der Renaissance in den romanischen Litteraturen galten, formal umzubilden und dadurch zum Rang einer gelehrten Kunst zu erheben wünschten. Diesen Zweck verfolgte O. schon jetzt auch auf theoretischem Wege. Er verfaßte 1617 in lateinischer Sprache – denn an die gelehrten Verächter des Deutschen durfte er, wenn er gelesen werden wollte, nur lateinisch schreiben – die Schrift „Aristarchus sive de contemptu linguae Teutonicae“. Nachdem er, vermuthlich durch die Büchersammlung des Scultetus, mit den neueren Dichtern Italiens, Frankreichs, Hollands und Englands bekannt geworden war, wollte er auch sein Volk nicht länger hinter den andern zurückstehen sehen. Mahnend wies er auf die Tapferkeit und Tugend unserer Vorfahren, auf die Kraft und Hoheit ihrer Sprache hin, die sich unverfälscht durch die Jahrhunderte, da die antiken Sprachen verkamen, erhalten habe; nachdrücklich eiferte er gegen den Unfug der Sprachmengerei, der während der letzten Jahrzehnte in Deutschland immer weiter um sich gegriffen hatte – er wußte kaum, daß zur gleichen Zeit, da er dies schrieb, die fruchtbringende Gesellschaft begründet wurde, welche die Reinigung der deutschen Sprache sich zum ersten Zwecke setzte –; jugendlich keck verwerthete er sein geringes, aus Goldast’s Arbeiten geschöpftes Wissen von unserer mittelalterlichen Dichtung, um sein Lob unserer alten, echten Sprache mit Beispielen zu unterstützen, und nachdem er durch die rühmende Aufzählung der besten neueren Dichter bei den Nachbarvölkern den vaterländischen Ehrgeiz angestachelt, stellte er einige äußerliche Regeln für den deutschen Versbau auf, die er den Franzosen abgelernt hatte, und theilte als Proben seine eignen Versuche nach der neuen Metrik mit. Nach außen hin konnte diese Schülerarbeit keine große Wirkung thun; für O. selbst aber bedeutete sie den ersten, wichtigen Schritt auf einer Bahn, auf der er bald die größten Erfolge erreichen sollte.

Das Verhältniß zu Scultetus erlitt um diese Zeit eine Störung: O. bezog daher 1618 die Universität Frankfurt a. O. Hier traf er seinen Freund Nüßler wieder. Als derselbe aber 1619 Frankfurt verließ, wanderte auch O. fort, nach [372] Heidelberg, wol weniger wegen der juristischen Vorlesungen, die er daselbst hören sollte, als wegen der dortigen kostbaren Bibliothek und wegen des Glanzes des kurfürstlichen Hofes. Auch in Heidelberg suchte er den Umgang mit einflußreichen Männern; bald gewann er die Gunst des pfälzischen Geheimraths Georg Michael Lingelsheim, trat in Beziehungen zu dem Philologen Janus Gruter, dem Vorstand der Bibliothek, suchte bedeutendere Gelehrte in dem nahen Tübingen auf und bildete den Mittelpunkt eines Kreises von jüngeren, lebensfrohen und geistig rührigen Genossen, unter denen er namentlich Julius Wilhelm Zincgref für seine litterarischen Reformpläne gewann. Den heitern und anregenden Verkehr störten die Kriegswirren, die 1620 über die Erblande des Winterkönigs hereinbrachen. Als im Herbst die spanisch-wallonische Armee unter Spinola gegen die Pfalz heranrückte, verließ O. mit dem befreundeten Dänen Heinrich Albert Hamilton die bedrohte Universitätsstadt und wandte sich zunächst rheinabwärts nach Leyden, um Daniel Heinsius zu besuchen, den im „Aristarchus“ schon mit höchstem Ruhme genannten Gelehrten und Dichter, dessen „Lobgesang Jesu Christi“ er bereits vor Jahr und Tag übersetzt hatte. Er wurde ebenso ehrenvoll als herzlich aufgenommen; ein freundschaftlicher Briefwechsel verband die beiden für die Folge auch in der Ferne mit einander. Auch die übrigen hervorragenden Philologen Hollands lernte er kennen, bevor er über Amsterdam und den Haag nach Jütland ging, um dort bei Hamilton den Winter zuzubringen. Die Rauheit des Landes und die einsame Abgeschiedenheit von den mitunter ausgelassenen Freuden seines Studentenlebens, dazu die immer trüber werdende Aussicht in die Zukunft Deutschlands brachte ihn zu ernster Einkehr in sich selbst; auch seine Dichtung, die bisher namentlich verliebten Scherzen diente, wandte sich jetzt bedeutenderen Fragen zu und bekam einen würdigeren, wol auch schwermüthigeren Charakter. Mit dem Herannahen des Sommers 1621 trieb ihn die Sehnsucht nach der Heimath trotz den Kriegsgefahren nach Schlesien zurück.

Vorzugsweise verweilte er hier am Hofe des Herzogs Georg Rudolf von Liegnitz, des damaligen Landeshauptmanns von Schlesien, in dessen Dienst seine Jugendfreunde Kirchner und Nüßler standen; doch schlug er selbst, mit classischen Studien und dichterischen Versuchen beschäftigt, mehrere Anstellungen, die sich ihm damals darboten, vorerst aus. Erst im Frühling 1622 folgte er einem Rufe an das Gymnasium zu Weißenburg in Siebenbürgen, für welches Fürst Bethlen Gabor sich von dem Herzog Johann Christian von Brieg, einem Bruder Georg Rudolfs, brauchbare Schulmänner erbeten hatte. Seine amtlichen Pflichten – er hatte Cicero, Horaz und Seneca zu erklären – ließen ihm Muße, für ein historisch-archäologisches Werk „De Dacia antiqua“, das er auch später stets im Auge behielt, aber nie vollendete, allerlei zu sammeln, namentlich Inschriften, welche er nachher bedeutenderen Philologen zur Benützung überließ. Von dem Fürsten wurde er huldvoll behandelt; auch Freundschaft und Liebe fehlten nicht, um ihm den Aufenthalt in der Fremde zu verschönern. Gleichwol fühlte er sich unbehaglich und einsam: das Klima und die Lebensweise sagte ihm nicht zu, Krankheit suchte ihn heim, dazu kam Geldmangel, da sein Gehalt saumselig ausgezahlt wurde, und die Sehnsucht nach gleichstrebenden Genossen in der Heimath. Unter solchen Umständen brachte O. seinen ersten Plan, dem Vaterlande länger fern zu bleiben und sogar Griechenland zu bereisen, nicht zur Reife, sondern erbat, als der Fürst 1623 einen neuen Kriegszug gegen den Kaiser vorbereitete, seinen Abschied und kehrte im Sommer nach Schlesien zurück. Ueber Jahr und Tag blieb er hier, meist am Hofe zu Liegnitz, ernsten Vorarbeiten für seine „Dacia antiqua“ und fruchtbaren dichterischen Bestrebungen hingegeben. Dem Andenken an Siebenbürgen widmete er das Gedicht „Zlatna oder von Ruhe des Gemüthes“; auf den Wunsch des Herzogs, der ihn dafür zum fürstlichen [373] Rath ernannte, verfaßte er u. a. (nach Motiven aus den Psalmen und nach den Melodien des Hugenotten Goudimel) „Die Episteln der Sonntage und fürnehmsten Fest’ des ganzen Jahrs“. Zur gleichen Zeit gab Zincgref 1624 zu Straßburg die erste Sammlung der Opitzischen Gedichte heraus, die bisher einzeln gedruckten größeren Stücke mit zahlreichen, nur handschriftlich bekannten Proben vermehrt. Die Ausgabe war nicht ohne Vorwissen und Einwilligung Opitzens unternommen worden, denn er hatte selbst eine Vorrede beigesteuert, worin er sich ähnlich wie im „Aristarchus“ über seine litterarischen Reformpläne äußerte; aber wenig zufrieden war er mit der Ausführung des Unternehmens, wol auch mit dem Anhang, welcher verschiedene, meist dichterisch werthlose Versuche Zincgref’s und seiner Freunde enthielt: mit seinen künstlerischen Ansichten und Forderungen war er doch seit dem Heidelberger Aufenthalt weit fortgeschritten. Unwillig über das voreilige Benehmen seiner ehemaligen Studienfreunde, faßte er seine Gedanken über die deutsche Dichtkunst 1624 rasch zusammen in dem binnen fünf Tagen niedergeschriebenen „Buch von der deutschen Poeterei“, der grundlegenden Poetik des gesammten folgenden Jahrhunderts.

Das an den „Aristarchus“ anknüpfende Werkchen war nicht sowol ein Ergebniß eigner Geistesarbeit als vielmehr eine geschickte Compilation von Aussprüchen der verschiedenen alten oder neueren Schriftsteller, welche als Lehrer der Dichtkunst das ganze Zeitalter der Renaissance beherrschten. Ihrem Einflusse hatte sich bisher nur die deutsche Dichtung, noch volksthümlicher geartet, großentheils entzogen; um auch sie zu dem Ansehen einer gelehrten Kunst zu erheben, unterwarf sie O. den Gesetzen, welche in der neulateinischen, in der holländischen und in den romanischen Litteraturen längst unantastbar galten. Diese Grundsätze und Regeln holte er meistens wörtlich aus der Poetik Julius Cäsar Scaliger’s und aus Ronsard’s „Abriß der Dichtkunst“, „Caprice à Nicolas“ und den beiden Vorreden zur „Franciade“; daneben schöpfte er aus Aristoteles Horaz (sermones und epistolae), Quintilian, Casaubonus, Hieronymus Vida und mehreren andern antiken und spätern Quellen. So trug er allerlei Brauchbares zusammen über den göttlichen Ursprung und die hohe Würde der Poesie, welche durch die moderne Gelegenheitsdichterei schwer geschädigt werde und nur dann ungetrübt bewahrt bleibe, wenn der Dichter mit der „natürlichen Regung“ den Fleiß ernster Arbeit und die Vortheile einer gründlichen classischen Bildung vereinige, wiederholte, was seine Gewährsmänner von der poetischen Erfindung und Anordnung sowie von den einzelnen Dichtungsarten gesagt hatten, gab nach ihrem Beispiel manche beherzigenswerthe Vorschriften über die Reinheit und Deutlichkeit der Sprache, die natürliche Bildung und Stellung der Wörter, über Wohlklang und Tonmalerei, über Würde und unterscheidende Charakteristik des Ausdrucks, endlich über die Reinheit des Reimes, über den festen Bau des Verses und über den Gebrauch gewisser iambischer oder trochaischer Versmaße und Strophengefüge (besonders über den Alexandriner, über das Sonett und über den epigrammatischen Viervers, den quatrain). Am wichtigsten unter allen diesen formalen Bestimmungen wurde die vorher schon von dem Grammatiker Johann Clajus ausgesprochene und von Ernst Schwabe vielleicht angewandte, von O. aber zuerst mit allem Nachdruck hervorgehobene und trotz dem Widerspruch einzelner (namentlich Tobias Hüebner’s) mit Erfolg allgemein durchgeführte Regel, daß der deutsche Vers im Gegensatz zu dem romanischen (auch zum altdeutschen Vers des 16. Jahrhunderts), in welchem die Silben nur gezählt, nicht gemessen wurden, einen regelmäßigen Wechsel von betonten und unbetonten Silben erfordere.

Nach diesen Grundsätzen arbeitete O. seine eignen Gedichte sorgfältig um, und so erschien im Herbst 1625 die erste von ihm selbst besorgte Ausgabe seiner [374] „Deutschen Poemata“, gegenüber der Zincgref’schen Sammlung durchaus verändert und verbessert und trotz der strengeren Auswahl aus den Jugendversuchen bedeutend vermehrt, dem Fürsten Ludwig von Anhalt-Cöthen, dem Oberhaupt der fruchtbringenden Gesellschaft, gewidmet. Nachdem O. sich nämlich im Februar 1625 einer Gesandtschaft der schlesischen Fürsten und Stände nach Wien angeschlossen und bei dieser Gelegenheit dem Kaiser Ferdinand II. selbst ein Gelegenheitsgedicht überreicht hatte und dafür zum poeta laureatus ernannt worden war, hatte er sich im Sommer vermuthlich auch dem Fürsten von Cöthen persönlich genähert auf einer Reise nach Sachsen, die ihn vor allem in Wittenberg mit dem Professor August Buchner, fortan dem treuesten Anhänger und Verkündiger der Opitzischen Lehre, innig befreundete und in Dresden mit dem Dichter Johann Seussius und dem Capellmeister Heinrich Schütz zusammenführte. Auch seine poetischen Arbeiten ruhten während derselben nicht: sein Bestreben, die deutsche Dichtung durch Anlehnung an die classischen und classicistisch-gelehrten Litteraturen zu heben, führte ihn dazu, daß er die „Trojanerinnen“ des Seneca möglichst genau nach dem Original in Reimen übersetzte, die Trimeter in Alexandrinern, die Chöre in kürzeren iambischen oder trochaischen Versen. Nach Schlesien zurückgekehrt, vollendete er eine deutsche Umdichtung der „Klagelieder Jeremiä“ (mit Hilfe einer lateinischen Bearbeitung des Hugo Grotius), welcher eine ähnliche Uebertragung des „Hohen Liedes“ (1627) und des Propheten Jona (1628) folgten, und übersetzte für einen Breslauer Buchhändler den lateinischen Roman „Argenis“ von Johann Barclay.

Aber die ehrfurchtsvollen Widmungen, mit denen er diese Schriften an hochgebietende Herren und Gönner sandte, verschafften ihm zunächst ebenso wenig wie die persönlichen Bekanntschaften in den höchsten Kreisen eine seinen Wünschen gemäße Stellung. Schon dachte er daran, als gewöhnlicher Hofmeister ein paar adelige Herren nach Paris zu begleiten, auch der Plan einer Rückkehr nach Siebenbürgen tauchte zeitweise auf: da nahm ihn 1626 auf Kirchner’s Empfehlung Burggraf Karl Hannibal I. von Dohna, seit 1623 Präsident der kaiserlichen Kammer zu Breslau, der vor Jahresfrist an der Spitze der schlesischen Gesandtschaft nach Wien gestanden war, als Secretär und Leiter der geheimen Kanzlei in seine Dienste. Dohna war der unbedingteste Anhänger des Kaisers, der gefährlichste und am meisten gehaßte Feind des Protestantismus in Schlesien; dem Protestanten O., der das lutherische Bekenntniß allerdings schon seit seinem Aufenthalt am Liegnitzer Hofe mit dem calvinistischen vertauscht hatte, konnte und durfte man es verargen, daß er bei diesem Mann ein Amt suchte und annahm. Doch gestand ihm Dohna völlige Glaubensfreiheit und, was den Dichter noch mehr locken mochte, genügende litterarische Muße zu und hielt dieses Versprechen gewissenhaft. Dies hinderte jedoch nicht, daß O. in seinem Auftrag für die katholische Sache wichtige geheime Briefe an Papst, Kaiser und Fürsten abzufassen und Reisen zu den Fürsten und Führern der katholischen Partei zu machen hatte, bald allein, bald mit seinem Herrn. Die persönliche Achtung und Freundschaft, deren ihn Dohna würdigte, und das sorgenfreie Auskommen, welches ihm sein Amt gewährte, ließen O. sogar zu einer Zeit noch in diesem Amte verbleiben, wo die jesuitische Umgebung des Burggrafen ihm seine Stellung äußerst unbehaglich machte und wo die offene, grausame Verfolgung der schlesischen Protestanten, ja der eignen nächsten Verwandten des Dichters, die Dohna ins Werk setzte, einen stärkeren, seinem Glauben treueren und über seine Ehre strenger wachenden Charakter hätte zwingen müssen, den Dienst dieses Mannes zu verlassen. Noch mehr, O. übersetzte im Auftrag des Burggrafen das vielberufene „Manuale controversiarum“ des Jesuiten Martin Becanus, eine umfangreiche Anweisung zur Bekehrung der Protestanten, aus dem Lateinischen ins [375] Deutsche (gedruckt 1631). Kaiser Ferdinand, der den Dichter schon am 14. September 1627 in den Adel erhoben und ihm den Beinamen „v. Boberfeld“ ertheilt hatte, belohnte diese Uebersetzerarbeit mit einem ansehnlichen Geldgeschenk, durch welches O. sich in Stand gesetzt sah, vom Februar bis zum October 1630 eine größere Reise nach Paris zu unternehmen. Ohne politische Aufträge, lediglich zu seinem eignen Genuß und Studium zog er langsam von Stadt zu Stadt, suchte überall Gönner und Freunde und vor allem hervorragende Gelehrte auf, knüpfte in Paris besonders mit Hugo Grotius ein innigeres persönliches Verhältniß an und beobachtete aufmerksam die neuesten Wandlungen in den litterarischen Zuständen Frankreichs, ohne jedoch die Bedeutung dieses Umschwungs nach Gebühr zu würdigen oder gar seine eignen Bestrebungen für die heimische Dichtkunst darnach irgendwie zu verändern. Die Uebersetzung des holländischen Gedichts „Von der Wahrheit der christlichen Religion“ von Grotius (1631), schon zu Paris begonnen, war eine der unmittelbarsten Früchte der französischen Reise. Auch zu allerlei sonstigen poetischen Arbeiten fand O. in jenen Jahren reichliche Muße. Im September 1632 aber löste sich das Verhältniß zu Dohna in unerwarteter Weise, als bei der Belagerung Breslaus durch die Verbündeten sächsisch-brandenburgisch-schwedischen Heere der Burggraf durch die erbitterte Bürgerschaft zur Flucht gezwungen wurde. O. blieb zurück und vielleicht noch eine Zeit lang in geheimer Verbindung mit Dohna; mit dem Tode desselben (am 21. Februar 1633) aber sah er sich wieder frei und auf sich allein angewiesen.

Er suchte sich daher neuerdings durch Widmung zweier größerer Werke, der dritten Auflage des „Lobgesangs Jesu Christi“ und des Lehrgedichts „Vesuvius“, den Herzögen von Liegnitz und Brieg zu nähern. Nicht ohne Erfolg: im April 1633 wurde er von beiden zur Erledigung ihrer Geschäfte in Breslau und zu diplomatischen Sendungen in ihre Dienste genommen. So begann wieder ein unruhiges Wanderleben für ihn. Mancherlei Reisen führten ihn bald an einzelne schlesische Städte und Höfe, bald in das schwedische Hauptlager und zu den evangelischen Fürsten, denen er jetzt treu und mit voller Entschiedenheit anhing, durch ganz Deutschland. Politisch thätig, suchte er dabei auch persönlich allerlei zu lernen und bedeutende Bekanntschaften anzuknüpfen. Er verkehrte freundschaftlich mit dem Prinzen Ulrich von Holstein (gefallen im August 1633), dem Sohne Christians IV. von Dänemark, verweilte 1633 mehrere Wochen zu Frankfurt a. M. bei Oxenstjerna, sah Heidelberg wieder, wurde in Cöthen von Fürst Ludwig auf das huldvollste empfangen, nachdem er schon 1629 in die fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen worden war, ging 1634 nach Berlin, Stettin und Thorn und machte als herzoglich-schlesischer Agent im schwedischen Lager den Zug Baners, dessen volle Gunst er gewann, nach Böhmen mit. Zu Anfang 1635 gab Herzog Johann Christian seinen Vorsitz im schlesischen Ständeconvent auf; O. war wieder seines Dienstes entlassen. In sorgenvoller Lage vergingen ihm mehrere Monate zu Breslau; im Sommer flüchtete er sich, da er nicht sicher war, daß der Kaiser seinen Abfall zu der protestantischen Partei unbestraft lassen werde, wieder nach Thorn, wo seine Herzöge jetzt fern von der Heimath weilten. Hier ward er dem König Wladislaw IV. von Polen bekannt, welcher, geschmeichelt durch ein damals vielbewundertes Lobgedicht, 1636 den gefeierten, auch diplomatisch brauchbaren Poeten aufforderte, ihm nach Danzig zu folgen und ihm das Amt eines königlichen Geschichtschreibers mit einem Anfangsgehalt von 1000 Thalern anbot, ohne ihn dadurch an seinen Hof zu binden und zu fortlaufenden Geschäften in seinem Dienste zu verpflichten. Die definitive, vom Reichstag genehmigte Anstellung des Dichters, der vorher noch rechtzeitig manchen einflußreichen polnischen Hofmann besungen und namentlich dem Grafen [376] Gerhard Dönhof 1636 seine Uebersetzung der Sophokleischen „Antigone“ gewidmet hatte, scheint erst im Juni 1637 erfolgt zu sein. Um sich des neuen Amtes würdig zu zeigen, verfaßte er eine Reihe kleiner Aufsätze zur polnischen Geschichte („Variarum lectionum liber, in quo praecipue Sarmatica“, 1637). Gelehrte und halbgelehrte Arbeiten beschäftigten ihn jetzt überhaupt mehr als rein poetische; er hatte selbst die schmerzliche Empfindung, daß seine Dichterkraft unter der Last der bösen Jahre, durch seine ruhelose politische Thätigkeit gebrochen sei. Er suchte den Entwurf seiner „Dacia antiqua“ wieder hervor, begann die Schrift des Augustinus „De civitate Dei“ zu verdeutschen, übertrug u. a. aus lateinischen und französischen Uebersetzungen mit Hilfe verschiedener Commentare und unter Beiziehung eines des Hebräischen kundigen Gelehrten, immer wieder bessernd und feilend, nach und nach den ganzen Psalter in deutsche Reime (1637 vollendet), überarbeitete für einen Frankfurter Buchhändler eine ältere Uebersetzung der „Arcadia der Gräfin Pembroke“ von Sidney (1638), besorgte neue Auflagen seiner einzelnen Werke und seiner gesammelten Gedichte und gab eine von ihm aufgefundene, jetzt verschollene Handschrift des Annoliedes mit umfangreichen Anmerkungen heraus, welche eine damals ungewöhnliche Kenntniß der mittelhochdeutschen Sprache bekunden (1639). Wenige Wochen nach dem Abschluß dieser Arbeit raffte ihn ein jäher Tod hinweg: von einem pestkranken Bettler, dem er ein Almosen reichte, angesteckt, starb er am 20. August 1639 zu Danzig, von Freunden in seinen letzten Stunden gepflegt, von seinen vielen persönlichen Bekannten aufrichtig betrauert, von dem gesammten litterarischen Deutschland laut beklagt, von den begabtesten Dichtern der gleichaltrigen und der folgenden Generation überschwänglich gepriesen.

„Du Pindar, du Homer, du Maro unsrer Zeiten“, rief Fleming dem Geschiedenen nach, und in einem andern Sonette feierte er ihn als den „Meister deutscher Lieder, das Wunder unsrer Zeit“. Es war der Dichter mindestens ebenso sehr als der Sprach- und Versreiniger, den man in O. bewunderte. Sein unbestreitbares Verdienst, die deutsche Dichtkunst durch die sorgfältigere Pflege, die er ihrer äußeren Form angedeihen ließ, und durch den humanistisch-gelehrten Stil, den er ihr aufprägte, in der Schätzung der akademisch gebildeten und höfisch verfeinerten Gesellschaft gehoben zu haben, ein Verdienst, das überdies nicht ihm allein und zuerst in Deutschland, sondern – wenigstens zum Theil – schon vor ihm dem anhaltischen Hofrath Tobias Hüebner und dem Schwaben Rudolf Weckherlin zukam, erhöhten seine begeisterten Verehrer im 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu dem Verdienste, daß er durch seine eignen dichterischen Schöpfungen unsere Poesie mit einem neuen, edlen Gehalt erfüllt und sie aus den Wirrnissen der Barbarei und des Verfalls auf die Bahnen der unverfälschten, schönen Natur zurückgelenkt habe. Zu dem formalen Sinn und Geschick, das er wirklich besaß, legten sie ihm noch eine bedeutende unmittelbare Dichterkraft bei, deren er sich in der That niemals erfreute. Seine natürliche Anlage reichte für das leichte Gesellschaftslied aus; Liebe, Frühling, mäßigen Lebensgenuß besang er mit manchem anmuthigen, gefällig hinfließenden Verse voll behaglicher Heiterkeit, der es nicht an munteren Scherzen und hübschen Einfällen fehlte. Freilich war, was ihm am besten gelang, selten seine eigenartige Erfindung, sondern nur Nachbildung fremder Muster. Bei den Meistern der geistlichen wie der weltlichen Lyrik, bei den Psalmisten und Sängern des deutschen Kirchenliedes, bei Anakreon und den Verfassern der griechischen Anthologie, bei Properz, Petronius Arbiter, Dionysius Cato borgte er dichterische Motive; er ahmte Daniel Heinsius, Joseph Justus Scaliger, Hugo Grotius, Muretus, John Owen und andere Neulateiner, Petrarca und Veronica Gambara von Brescia, vor allen anderen aber Ronsard in Liedern, Sonetten, geistlichen Gedichten und [377] Epigrammen nach. Größe des Gedankens und Tiefe des Empfindens vermißt man dabei ziemlich überall ebenso wie individuelle Ausgestaltung des Sinns und der Worte. Und wie bei den zahlreichen, rasch wechselnden Liebeshändeln des Dichters eine kraftvolle, mit siegender Gewalt dem Herzen entströmende Leidenschaft kaum je zu bemerken ist, so vernimmt man selbst in den besten Erzeugnissen seiner Lyrik keine unmittelbaren, mächtig ergreifenden Herzenstöne: alle seine Lieder sind in erster Linie Werke des bewußt mit kühler Ruhe schaffenden Verstandes. Ganz und gar künstlich gemacht, nur mit dem Kopf ausgearbeitet sind seine Gelegenheitsgedichte im engeren Sinn. Obwol O. selbst gegen diese Gattung der Poesie von Jugend auf eiferte, ist die Zahl seiner Versuche in derselben doch Legion. Hier herrscht durchweg eine blühende, in ihren Mitteln nicht wählerische, aber äußerst gewandte Rhetorik. Die mannigfaltigste Gelehrsamkeit in Geschichte und Sage, Länder- und Völkerkunde, in den Naturwissenschaften und technischen Disciplinen wird aufgeboten, um den Mangel an Poesie zu ersetzen; in geschickter Anordnung und Steigerung reiht der Verfasser, immer schildernd und belehrend, ein Glied an das andere, Bilder, Gleichnisse, Gegensätze, geistreiche Einfälle, und ist ernstlich bemüht, dem Vers auch äußerlich Fülle und Pracht zu verleihen: aber trotz aller Sauberkeit, Gewandtheit, ja zeitweiligen Zierlichkeit des Ausdrucks ringt er vergeblich mit seiner kühlen und phantasielosen Natur.

Noch stärker macht sich dieser Mißstand bei seinen größeren, beschreibenden oder lehrhaften Gedichten geltend. Selbst die „Trostgedichte in Widerwärtigkeit des Krieges“ (1621 in Jütland geschrieben, 1633 erst gedruckt), das älteste und poetisch bedeutendste dieser größeren Werke, in welchem wenigstens bei der grellen Schilderung der Kriegsgreuel, bei einzelnen Beispielen von Standhaftigkeit und unverzagter Ausdauer im Unglück, die dem deutschen Volke zum Trost vorgehalten werden, bei dem Schlußgebet um Kraft und Hilfe von oben ein warmer Ton persönlicher Theilnahme vorklingt, ermüden und erkälten unser Empfinden durch die Fülle sagenhafter oder geschichtlicher Begebenheiten und philosophisch-moralischer Betrachtungen, welche allerorten eingeflochten sind. Der Reminiscenzen aus fremden, alten und neueren Schriftstellern sind im ganzen wie im einzelnen so viele, daß es auch hier zu keiner individuellen Darstellung kommt. Noch reicher mit Gelehrsamkeit angefüllt sind die Gedichte, welche von der Beschreibung bestimmter Landgüter und Gegenden ausgehen oder auf ihre Verherrlichung abzielen („Zlatna“ 1623, „Vielgut“ 1629 und „Vesuvius“ 1633). Keine auch noch so ferne Gelegenheit wird versäumt, um mythologische, antiquarische, naturwissenschaftliche Kenntnisse zu verrathen: die antiken Philosophen und Moralisten und die biblischen Schriftsteller werden unermüdlich geplündert, um Lebensregeln, Sittensprüche und sonstige Lehren menschlicher und göttlicher Weisheit anbringen zu können. Daneben sind die Gedanken immer äußerlich an einander geknüpft, die Uebergänge künstlich durch den tüftelnden Verstand gemacht. Jede Naivetät, jedes freie Schaffen aus innerem Drange fehlt; überall merkt man die bewußte Absicht, welche – und zwar von Jahr zu Jahr in höherem Grade – auch das ganz Unpoetische zum Gegenstand der Dichtkunst machen will. Ebensowenig waltet echte Empfindung in dem an Beschreibung überreichen „Lob des Landlebens“ (um 1623 nach dem bekannten Horazischen Motiv gedichtet), in dem von unpassenden und gesuchten Einfällen nicht freien „Lobgesang über den freudenreichen Geburtstag unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi“ (1624) und in dem vom Dichter satirisch gemeinten „Lob des Kriegesgottes Martis“ (1628), welches eine Fülle von Beschreibung und Gelehrsamkeit ganz äußerlich ohne Folgerichtigkeit und logische Strenge der Gedanken neben einander aufhäuft. Belehrung und Beschreibung sind auch die Hauptzwecke, welche O. in seiner aus [378] prosaischer Erzählung und künstlichen lyrischen Gedichten zusammengesetzter „Schäferei von der Nymphen Hercynie“ (1630) verfolgte. Sein Vorbild war namentlich Sidney’s „Arcadia“; daneben berief er sich in der Widmung an den Grafen Hans Ulrich Schafgotsch, den zu verherrlichen er die Personen und Geschicke seines ganzen Hauses in den Roman verflocht, noch auf viele andere ältere und neuere Dichter einer idealen Schäferwelt; auch die von ihm nicht besonders genannten Werke Montreux’, Urfés und Montemayor’s ließ er nicht unbeachtet. Die Erfindung und der Aufbau des Romans ist herzlich schwach und oft verkünstelt; die sprachliche Ausführung und in den eingestreuten Gedichten auch die Behandlung des Metrums zeugt von größter Gewandtheit; dagegen stört außerordentlich die beständige Vermischung idealer und realer Elemente: als die Hauptpersonen seines Romans führt O. sich selbst und drei seiner Freunde unter der Gestalt von Schäfern in diese dem wirklichen Leben so ganz entfremdete Welt der Nymphe Hercynie ein. Bei den Zeitgenossen aber erreichte er auch hier seinen Zweck: die Nürnberger Dichterschule griff die Motive der Schäferpoesie, die ihr hier geboten wurden, begierig auf.

Einen ähnlichen Erfolg erzielte O. mit seinen dramatischen Versuchen. Seine Oper „Daphne“, zur Vermählung einer kursächsischen Prinzessin (1627) gedichtet und von Heinrich Schütz in Musik gesetzt, war zwar nur eine freie Uebertragung der gleichnamigen ersten italienischen Oper von Octavio Rinuccini (1594), wurde aber in der Geschichte des deutschen Dramas bedeutend als erstes Muster einer neuen, bald an den Höfen und in den Städten überaus eifrig gepflegten Gattung, der Oper. Die dichterischen Eigenschaften des Werkes waren gering, die Handlung dürftig, der Bau der einzelnen Acte mit ihren regelmäßigen Schlußchören ganz äußerlich den Formen des griechischen Dramas nachgebildet. Etwas belebter erscheint die Entwickelung in Opitzens zweiter Oper „Judith“ (1635); doch war auch hier eine italienische Bearbeitung des alttestamentlichen Stoffes seine unmittelbare Vorlage. Mythologische und biblische Begebenheiten blieben zunächst die hauptsächlichen Gegenstände der deutschen Operndichtung. In ähnlicher Weise wirkte O. durch seine Uebersetzungen von Trauerspielen des Sophokles und Seneca wenigstenes formal auf den größten Dramatiker der folgenden Generation, auf Andreas Gryphius, ein. So verband sich durchaus bei ihm Theorie und Praxis, einander ergänzend und kräftigend, und während seine Poetik für die größeren Gattungen der Dichtkunst, das Epos und Drama, nur höchst ungenügende Gesetze enthielt und die Dichter vornehmlich auf die kleineren lyrischen Formen der Poesie hinwies, gaben seine eignen dichterischen Versuche doch auch auf jenen höher gelegenen Gebieten dem Jahrhundert in unserer Litteratur, das unter seinem Einflusse stand, manche Anregung.

Die litterargeschichtliche Forschung beschäftigte sich frühzeitig und vor allem fleißig in unserem Jahrhundert mit O.; die hierher gehörigen Werke sind aufgezählt u. kritisch gewürdigt bei Hermann Palm, Beiträge zur Geschichte der deutschen Litteratur des 16. und 17. Jahrhunderts, Breslau 1877, S. 129 ff. Dazu ist aus neuester Zeit noch zu erwähnen: Karl Borinski, Die Kunstlehre der Renaissance in Opitzens Buch von der deutschen Poeterei, München 1883; Derselbe, Die Poetik der Renaissance und die Anfänge der litterarischen Kritik in Deutschland, Berlin 1886. – Otto Fritsch, Martin Opitzens Buch von der deutschen Poeterei, Halle 1884. – Heinrich Welti, Geschichte des Sonetts in der deutschen Dichtung, Leipzig 1884.