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Artikel „Georg Rudolf, Herzog von Liegnitz“ von Carl Krebs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 693–696, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Georg_Rudolf&oldid=- (Version vom 10. Oktober 2024, 05:44 Uhr UTC)
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Georg Rudolf, Herzog von Liegnitz, geb. den 22. Januar 1595 in Ohlau, † am 14. Januar 1653 in Breslau, Oberlandeshauptmann von Schlesien 1621–28. Seine Eltern waren Herzog Joachim Friedrich von Brieg-Liegnitz[WS 1] und Anna Maria, Tochter Joachim Ernsts von Anhalt. Nach testamentarischer Verfügung führte die Mutter Georg Rudolfs bis zu ihrem 1605 erfolgten Tode die Regierung über die Herzogthümer, dann übernahm Regiment und Vormundschaft über die vier hinterlassenen Kinder der Herzog Karl von Münsterberg-Oels[WS 2], ein Schwager des verstorbenen Joachim Friedrich. G. R. wurde zugleich mit den Söhnen seines Vormundes unter Leitung des Dr. jur. Konrad Passelt am Hofe zu Oels erzogen. Im J. 1610 hatte er eine gefährliche Krankheit zu überstehen, vom 3. Juni 1611 bis zum 26. März 1612 besuchte er die wegen ihrer Orthodoxie damals vielgerühmte Universität Frankfurt a./O. Er stand während der kurzen Zeit seines dortigen Aufenthaltes unter Aufsicht eines Dr. Johann Muck von Muckendorf und lebte mit dem gleichfalls in Frankfurt anwesenden brandenburgischen Kurprinzen[WS 3] in vertrautem Verkehre. 1609 erfolgte die Mündigkeitserklärung seines älteren Bruders Johann Christian; sie bedingte zugleich eine Theilung der ererbten Besitzungen, welche am 11. März 1611 provisorisch und vom 8.–11. Mai definitiv stattfand. An G. R. fielen Liegnitz, Goldberg, Gröditzberg, Lüben, Haynau, Parchwitz, Wohlau, Steinau, Winzig, Herrnstadt und einige kleinere Orte. Wohlau war zum Fürstenthum Liegnitz geschlagen worden, weil letzteres durch den Verkauf der Kammergüter unter der verschwenderischen Regierung Heinrichs XI. sehr entwerthet war. Der Ritschener Wald bei Ohlau blieb den Brüdern gemeinschaftlich zur Ausübung der Jagd. Am 20. Aug. 1612 nahm Kaiser Matthias von Prag aus G. R. nach erlangter Mündigkeit „zum Vasallen“ an und befreite den Vormund von seiner Pflicht, am 1. October 1612 leistete der Herzog vor dem kaiserlichen Oberamte zu Breslau das Homagium, den 5. August 1615 bestätigte der Kaiser zu Prag beiden Brüdern die gesammte Lehnshand. Anfangs Juni 1613 hielt G. R. in Begleitung des älteren Bruders seinen feierlichen Einzug in Liegnitz, den Tag darauf nahm er die Huldigung der Stände und der Bürgerschaft entgegen „ohne besondere Solennitäten, von denen der Herzog kein Freund war“. Nach Ernennung eines Landeshauptmanns brach er den 2. Juli 1613 in Begleitung von sieben seiner Hofbeamten, darunter Johann v. Kreiselwitz, Johann Ernst v. Nostiz, Christian v. Schlick, zu einer größeren Reise von Liegnitz auf. Durch die Lausitz, das Meißnische, Anhaltische, durch Thüringen, Franken, Schwaben, Baiern gelangte der Fürst an die Alpen, nach deren Uebersteigung Mailand, Florenz, Rom, Genua, Lucca, Venedig besucht wurde. Durch Graubünden’s Pässe nach der Schweiz zurückgelangt, durchstreifte der Herzog nun in rascher Folge Frankreich, Holland, ganz Norddeutschland und rastete zuletzt wieder bei seinen Verwandten in Anhalt. Hier faßte der neunzehnjährige Fürst eine Neigung zu der Prinzessin Sophie Elisabeth, Tochter Johann Georgs von Anhalt-Dessau, und vermählte sich am 4. November 1614 mit ihr. Schon am 14. November [694] war er in Liegnitz, um die Vorbereitungen zu der vier Tage darauf stattfindenden feierlichen Einholung seiner Gemahlin zu treffen. Bald nach seiner Verheirathung trat G. R. zum reformirten Bekenntniß über, doch wurde der Uebertritt erst am 14. December 1616 öffentlich in den Liegnitzer Kirchen verkündigt. Es war dieselbe Zeit, in welcher der verwandte Kurfürst von Brandenburg sein lutherisches Bekenntniß mit dem Calvin’s vertauschte. Vielleicht ist das Beispiel Johann Sigismunds nicht ohne Einfluß auf G. R. gewesen; am meisten wird ihn aber ohne Zweifel das Drängen seiner eifrig reformirten Gemahlin bestimmt haben, obgleich er schon 1621, also noch vor ihrem Tode, zum lutherischen Bekenntniß zurückkehrte. Nachdem die schlesischen Fürsten und Stände Erzherzog Ferdinand von Steiermark als Nachfolger des Matthias zum Herzoge gewählt hatten, nahm der künftige Herrscher über Schlesien am 24. September 1617 persönlich auf der Breslauer Burg die Huldigung der Fürsten, unter denen sich auch G. R. befand, entgegen. Im October 1619 wurden 20 Defensoren des Landes Schlesien, unter ihrer Zahl auch unser Herzog, ernannt. Den in rascher Folge sich ändernden Zeitumständen gemäß sah Liegnitz jetzt verschiedene Fürsten in seinen Mauern: am 7. und 8. Februar 1620 den neuen Böhmenkönig Friedrich V., im Spätherbst 1621 den Kurfürsten von Sachsen[WS 4], dem G. R. – seit dem 27. April 1621 an Stelle seines Bruders Johann Christian Oberlandeshauptmann von Schlesien – am 22. October 1621 zur feierlichen Einholung von Breslau aus entgegengeritten war. In den J. 1621 und 1622 machten dem neuen Oberlandeshauptmanne die Verwickelungen in Oberschlesien, namentlich die Kämpfe des Markgrafen von Jägerndorf gegen die Kaiserlichen und der Widerstand des jüngeren Thurn[WS 5] in Glatz viel zu schaffen. Seit 1626 begannen die Kriegsleiden sich auch in Oberschlesien fühlbarer zu machen, in Georg Rudolfs Gebiet zuerst bei den Durchzügen Mansfelds und Johann Ernsts von Weimar. G. R. erließ mehrere Oberamtspatente gegen Mansfeld und dessen Anhänger mit dem Ermahnen, ihnen keinen Vorschub zu leisten und die Landesmiliz wider sie aufzubieten. Den gegen dieses Vorgehen protestirenden dänischen Kriegscommissar Mitzlaff ließ er in Arrest nehmen. Am 19. Juli 1626 veröffentlichte er zur Abwehr gegen Mansfelds Einfall das bekannte Aufgebot des zehnten Mannes für ganz Schlesien, eine Maßregel, welche bei der Schnelligkeit des Mansfeldischen Durchmarsches und der Langsamkeit, mit welcher die schlesischen Truppen zusammenkamen, freilich ohne Wirkung war. Zugleich mußte er gegen den päpstlichen Legaten Caraffa, welcher sich damals unter dem Vorwande einer Klösterrevision, in Wahrheit aber zur Vorbereitung der bald nachfolgenden Gegenreformation in Schlesien aufhielt, vielfach mit Entschiedenheit auftreten. Das J. 1627 brachte neue Kämpfe. Die auf der Verfolgung der Mansfelder und Dänen begriffene Armee Wallensteins nahm Winterquartiere in Schlesien, und G. R. hatte Schweres durchzukämpfen, um die unter Oberst Hebron in seinem eignen Landesgebiete Hausenden und unter anderen Führern im Neiße’schen, Breslauer, Brieger Gebiete, sowie in den Fürstenthümern Schweidnitz-Jauer lagernden habgierigen Söldner zufrieden zu stellen. Zahlreiche Versammlungen der Stände, in denen viel gesprochen und wenig erreicht wurde, fanden statt, bis die Wallensteiner endlich im August aus dem gänzlich erschöpften Schlesien nach Norden aufbrachen. Von der Brutalität, mit welcher Wallenstein gegen die Piasten auftrat, der Emporkömmling „gegen die Erben eines alten Namens und Ruhmes“, zeugt eine allerdings nicht ganz verbürgte Mittheilung: Als G. R. einen seiner Unterthanen zum Tode verurtheilt hatte, obgleich der Verbrecher, um sein Leben zu retten, Wallenstein’sche Dienste zu nehmen begehrte, soll der Friedländer dem Herzoge erklärt haben, er möge ihm 200 Mann der Liegnitzer Besatzung schicken, oder er werde ein Dutzend vom Liegnitzer Adel beim Kopf nehmen und [695] niederhauen lassen. Das J. 1628 war das Jahr der Gegenreformation in Schlesien. Der Burggraf Hannibal von Dohna und der Landeshauptmann von Oppersdorf zogen mit dem Dohna’schen Regimente, den berüchtigten Seligmachern, von Stadt zu Stadt, um dem alten Glauben neue Anhänger zu gewinnen. G. R. sah diese Vorgänge mit tiefer Betrübniß. Als ihn der Kaiser in die Commission berief, welche den Glogauern ihre einzige evangelische Kirche entreißen sollte, lehnte er nach vorheriger Rücksprache mit seinem Bruder Johann Christian diesen Auftrag ab. Umsonst machte er Vorstellungen am Kaiserhofe; nachdem sich auch die angerufene sächsische Vermittelung wirkungslos zeigte, gab er die Würde der Oberlandeshauptmannschaft wieder in die Hände des Kaisers zurück, welcher sie nun zwar auch einem protestantischen, aber gefügigeren Manne, dem Herzoge von Oels-Bernstadt, übertrug. G. R. widmete sich von jetzt ab fast ausschließlich den Interessen seines Herzogthums Liegnitz. Die Sorge für das Wohl seiner Unterthanen nahm ihn um so mehr in Anspruch, als sich der Krieg bald wieder nach Schlesien zog. Mit Mühe wahrte G. R. seine Neutralität, vielfachen Anforderungen um Uebergabe der Festung Liegnitz und Aufnahme einer kaiserlichen oder schwedischen Besatzung wußte er sich geschickt zu entziehen. Die Festigkeit, mit welcher der Herzog damals seine Unparteilichkeit zu behaupten suchte, verdient in der That Anerkennung. Es wird erzählt, daß 1632 bei einer Zusammenkunft zwischen G. R. und einem die Aufnahme sächsischer Truppen fordernden Herzoge von Altenburg die fürstlichen Personen „hart aneinander gerathen“ seien. Nach Duvals am 29. August 1632 bei Steinau über die Kaiserlichen erfochtenen Siege mußte sich der Herzog indeß dazu entschließen, 4000 Mann Duval’scher Truppen in seine Fürstenthümer Liegnitz-Wohlau aufzunehmen. Und um der Verwüstung zu entgehen, mit der Kaiserliche, wie Schweden, abwechselnd die nächste Umgebung von Liegnitz heimsuchten, brachte G. R. schließlich auch die Neutralität seiner Residenz zum Opfer. Mitte Juli 1633 nahm er den kaiserlichen Oberst Linsey in die Stadt auf. Als der sächsische Generalissimus (nach Anderen Karl Friedrich von Oels) die schlesischen Fürsten und Stände für den 27. Juni 1634 zu einer Zusammenkunft nach Breslau berief, um für den Anschluß der Schlesier an die sächsisch-schwedische Partei zu wirken, trat auch G. R. diesem Bündnisse bei und nahm jetzt sächsische Truppen in Liegnitz auf. Allein nach Wallenstein’s Siege bei Steinau (11. October 1633) über Duval mußte sich der Herzog der harten Nothwendigkeit fügen und am 14. October abermals eine kaiserliche Besatzung unter Graf Schafgotsch in Liegnitz aufnehmen. G. R. erkannte nun, daß alle seine Bemühungen zur Erhaltung seiner Selbständigkeit vergeblich waren. Er verließ seine Residenz, verringerte seinen Hofstaat und verlebte die weiteren Kriegsjahre mit seiner Schwester Marie Sophie in dem fürstlich liegnitzischen Hause zu Breslau. Hier erfreute er sich zunächst persönlicher Sicherheit und hatte doch Gelegenheit, seinen unter den furchtbarsten Kriegslasten seufzenden Unterthanen hie und da Erleichterung zu verschaffen. Der 1635 zwischen dem Kaiser und Kursachsen abgeschlossene Friede berührte auch G. R. Wie die Herzöge von Brieg und Oels nebst der Stadt Breslau mußte er den Kaiser schriftlich um Verzeihung bitten, allen aufgerichteten Bündnissen entsagen, auch die Documente darüber ausliefern und dem Hause Oesterreich aufs Neue durch Handgelöbniß Treue schwören. Dafür versprach ihm der Kaiser seine Gnade und Schutz der Privilegien und der Religionsfreiheit. Von 1641 an bekleidete G. R. zum zweiten Male die Stelle eines Oberlandeshauptmanns von Schlesien. Doch tritt seine Wirksamkeit bei der allmählichen Verwilderung der kriegenden Parteien, die gegen Freund und Feind gleich übel zu hausen pflegten, nicht besonders in den Vordergrund. Nach Beendigung des Krieges sehen wir den Fürsten auf alle Weise bemüht, die seinem Lande geschlagenen Wunden zu heilen. [696] Im Sinne jener Zeit zeigte er sich überhaupt als ein rechter Vater seiner Unterthanen; so petitionirte er unter Anderem bei Gelegenheit des großen, Liegnitz im November 1648 verheerenden Brandes mehrfach um Unterstützung beim Kaiserhofe und erlangte in der That eine Subvention von 3000 Thalern und eine Steuerermäßigung. Als hervorragende Leistungen seiner Regententhätigkeit werden noch angeführt der 1614 begonnene großartige Bau des Liegnitzer Schlosses, die gegen 1628 erfolgte Fertigstellung der Landesordnungen des Fürstenthums Liegnitz, der sogenannten Constitutiones Rudolfinae und die 1646 mit wenigstens 100000 Thalern unternommene Fundation des Johannisstifts zur Erhaltung der Kirchen- und Schuldiener an der Johanniskirche in Liegnitz. Leider war die Zeit, welche ihm für eine so schöne Thätigkeit bemessen war, nur kurz. Schon 1637 war er fast immer kränklich gewesen und konnte wegen Zittern der Glieder nicht schreiben. 1639 beklagt er sich in einem Briefe über seine „baufällige Leibesvermögenheit“. Er starb in einem Alter von 58 Jahren am 14. Januar 1653, Morgens zwischen 8 und 9 Uhr in Breslau am Schlage und wurde am 14. Mai in der Johanniskirche von Liegnitz bestattet. Nach dem am 9. Februar 1622 erfolgten Tode seiner ersten Gemahlin hatte sich G. R. am 25. Nov. 1624 mit Magdalene Elisabeth von Münsterberg-Oels († 1631), der Tochter jenes Herzogs Karl vermählt, der sein Vormund gewesen war und seine erste Erziehung geleitet hatte. Beide Ehen blieben kinderlos. In Liegnitz hat sich der Fürst verhältnißmäßig wenig aufgehalten, meist wohnte er bei seiner Schwester in Parchwitz oder in Breslau. Die Chronisten rühmen vor Allem die Frömmigkeit Georg Rudolfs; er stand mit Johann Arndt, dem bekannten Verfasser des „wahren Christenthums“, in brieflichem Verkehr, von seinen Verwandten in Anhalt erbat er sich Predigten von dortigen Geistlichen, um sie durch den Druck in Schlesien zu verbreiten. Nach Menzel soll er die Katholiken begünstigt und in der Schloßkapelle von Parchwitz bisweilen Messe im Pontificalhabite gelesen haben. Gegen Ende seines Lebens ließ er sich von seinem Hause in Liegnitz einen verdeckten Gang nach der Johanniskirche bauen, um das Gotteshaus, so oft er wollte, besuchen zu können. Seine Frömmigkeit war übrigens nicht frei von Zelotismus: Diaconus Günther an der Oberkirche in Liegnitz verlor 1627 nach einer Predigt, die dem Fürsten mißfallen hatte, seine Stellung. Auch die gepriesene Gerechtigkeitsliebe Georg Rudolfs erhält in dem v. Stange’schen Proceß von 1625 eine eigenthümliche Färbung. Mit der Linie der Brieger Piasten stand G. R. im Widerspruch mit der häßlichen Tradition des Liegnitzer Regentenhauses auch nach dem Tode seines Bruders in freundschaftlichstem Verkehre, er hat seinen Neffen manchen guten Rath ertheilt.

Kraffert, Chron. v. Liegnitz II, 2. Schönwälder, Piasten z. Br. III. Kön. Staatsarchiv in Breslau.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. ein Sohn des Herzogs Georg II.
  2. Enkel des Herzogs Karl I. von Münsterberg
  3. Georg Wilhelm
  4. Johann Georg I.
  5. Bernhard von Thurn-Valsassina, Sohn von Matthias Graf von Thurn-Valsassina