ADB:Georg Wilhelm (Kurfürst von Brandenburg)

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Artikel „Georg Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg“ von Theodor Hirsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 619–629, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Georg_Wilhelm_(Kurf%C3%BCrst_von_Brandenburg)&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 18:21 Uhr UTC)
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Georg Wilhelm: Kurfürst von Brandenburg geb. 3./13. (?) Nov. 1597[1], † 1. Decbr. 1640. Erbe der Mark Brandenburg, der clevischen Lande und des Herzogthums Preußen so wie der der Verwirklichung nahen Ansprüche seines Hauses auf das Herzogthum Pommern besaß der 24jährige Fürst bei seinem Regierungsantritt (23. Decbr. 1619) materielle Macht genug, um in den großen Kämpfen, welche damals in Deutschland zum Ausbruche gekommen waren und im Osten zwischen Polen und Schweden sich vorbereiteten, für seine Interessen kräftig einzutreten. Freilich war ein voller und erfolgreicher Gebrauch jener Mittel davon abhängig, in wie weit er im Stande war die Eigenmacht und den partikularistischen Sinn der Stände jener drei Landschaften seinem Herrscherwillen gefügig zu machen, oder in wie weit er Einsicht und Energie besaß in den entscheidenden Momenten jener Weltkämpfe unter den Parteien und Verbindungen, die durch sie geschaffen wurden, diejenige zu erkennen und derjenigen sich anzuschließen, die seiner Stellung am ersprießlichsten erschien. Aber auf die Lösung solcher Aufgabe war die Natur Georg Wilhelms nicht angelegt. Mochten den milden und leutseligen Fürsten hin und wieder die Mahnung an seine Herrscherpflicht, die Furcht vor dem Urtheil der Nachwelt oder selbst Regungen des Ehrgeizes beschäftigen, so waren doch vorherrschend seine Gedanken den kleinlichen Interessen des damaligen Hoflebens, Trinkgelagen, Jagd und äußerem Tand zugewandt; wo es galt einen ernsten Entschluß zu fassen, schwankten sie unklar und unselbständig zwischen entgegengesetzten Neigungen. Einerseits hatte er schon als Kurprinz während seiner Statthalterschaft in den Rheinlanden (1614–17) einen dort eingeborenen Edelmann, dem Grafen Adam von Schwarzenberg seine besondere Gunst geschenkt, weil der gewandte Mann schon dort nicht wählerisch in seinen Mitteln bei den häufigen Conflicten mit den Ständen und dem Miterben, dem Pfalzgrafen von Neuburg, über alle Verlegenheiten leicht hinweggeholfen hatte, auch des Kurfürsten Devotion vor der Auctorität des deutschen Kaisers in vollem Maße theilte. Wenngleich der Günstling von G. W. zum Präsidenten des Geheimenrathes erhoben und mit den wichtigsten Staatsgeschäften betraut seinen Herrn mit fast dämonischer Gewalt an sich zu ketten verstand, so konnte dieser dennoch sich der Erkenntniß nicht verschließen, daß der durch seinen Eigennutz und seine Habsucht den Unterthanen verhaßte Minister nicht nur als Katholik sondern auch durch Begünstigung der am kaiserlichen Hofe damals verfolgten Politik die Interessen seines Staates und des kurfürstlichen Hauses aufs empfindlichste verletzte. Diese Erkenntniß in ihm wach zu erhalten, waren seine nächsten Umgebungen andauernd bemüht: seine Gemahlin Elisabeth Charlotte, die Schwester des Kurfürsten Friedrichs V. von der Pfalz und ihre längere Zeit als Flüchtling bei ihm verweilende Mutter, Louise Juliane, die Tochter Wilhelms von Oranien, der größte Theil seiner Hofleute, mit wenigen Ausnahmen sein Geheimerath. Alle diese [620] gleich G. W. selbst Anhänger der reformirten Confession waren von der Ueberzeugung erfüllt, daß Kaiser Ferdinand II. Hand in Hand mit der katholischen Reaction in seinen damaligen autokratischen und fanatischen Gelüsten zunächst es auf die Unterdrückung der Reichsstände calvinischen Glaubens abgesehen habe, und daß nur festes Zusammenhalten mit den gleich bedrohten Reichsständen oder mit auswärtigen Parteigenossen die reichsständischen Rechte und die Religionsfreiheit des Kurfürsten und seiner Unterthanen vor Vernichtung zu wahren im Stande sei. Ihr Kampf jedoch gegen die nach ihrer Ansicht verderblichen Tendenzen Schwarzenbergs, wenngleich nur selten und vorübergehend von Erfolg begleitet, vermehrte nichts destoweniger die Unsicherheit des schwachen Herrschers. Indem dieser gezwungen den mächtigen Zeitereignissen gegenüber, in welche er hineingerissen wurde, Stellung zu nehmen, in seinem Wankelmuth weder nach außen noch bei seinen Unterthanen sich Geltung und Vertrauen zu erringen verstand, konnte es nicht fehlen, daß die oberste Leitung allgemach seinen und seiner Räthe Händen entglitt, das Schicksal der drei Landschaften, in welche der kurfürstliche Staat auseinanderfiel, wesentlich durch die Stände und die auswärtigen Mächte entschieden wurde, während das klägliche Walten der obersten Regierung in jeder Landschaft in besonderer Gestaltung sich kund gab. In den rheinischen Landen, deren Verwaltung vorherrschend in Schwarzenberg’s Händen lag, war, seitdem der Miterbe des Kurfürsten, Wolfgang Wilhelm von Neuburg zur katholischen Partei übergetreten war, der frühere Theilungsvertrag zu Xanten (12. Novbr. 1614) durch die Feindseligkeiten beider Fürsten gegen einander thatsächlich außer Kraft gesetzt worden. Der Pfalzgraf namentlich hatte, sobald der Religionskrieg in Böhmen 1619 ausbrach, sich ein spanisches Hülfsheer verschafft, welches unter kaiserlicher Autorität (Aug. 1620) in die clevischen Lande eindrang. Die Holländer boten alsbald dem Kurfürsten ihre Hülfe zur Vertreibung des auch ihnen gefährlichen Feindes an. Aber Schwarzenberg, der persönlich herbeikam, wies sie zurück, da man dem Kaiser, der diesen Gebieten Neutralität zugesichert habe, keinen Anlaß zum Verdacht geben dürfe. Als aber trotz dieser Zusicherungen die Spanier unter argen Verwüstungen bis in die Grafschaft Mark vordrangen, da sah auch Schwarzenberg keine andere Rettung als bei den Holländern. Diese aber mißtrauisch gegen den „kaiserlichen Pensionär“ und nur auf ihren eigenen Vortheil bedacht, verstanden sich dazu nur unter den härtesten Bedingungen und gestatteten den Heeren, die sie nach Cleve schickten, gleichfalls gewaltthätige Ausschreitungen. Indem nun auch der Kurfürst und der Pfalzgraf zur Behauptung ihres Besitzes die Unterthanen mit Steuern bedrückten, so wandte sich der Unwille der dabei wenig beachteten Landstände zunächst gegen jenen als den Urheber alles Unheils und wurde in dieser Auflehnung von dem Kaiser und von den Holländern ermuthigt. Nachdem solcher Zustand 7 Jahre angedauert hatte, gelangte der Pfalzgraf allgemach zur Erkenntniß, daß der Kaiser es auch mit ihm nicht ehrlich meine; als daher beim Vordringen der katholischen Heere in Norddeutschland Tilly den Auftrag erhielt, jene rheinischen Gebiete für den Kaiser zu sequestriren, da einigte sich (9. März 1629) zu Düsseldorf Wolfgang Wilhelm mit G. W. zu einer vorläufigen Theilung ihres gemeinsamen Erbes auf 25 Jahre; bestimmten zugleich ihre Bundesgenossen, die Holländer und Spanier, der Kurfürst nicht ohne schwere Opfer, das Land zu verlassen, und auch der Kaiser bequemte sich dazu, als das Auftreten Gustav Adolfs in Deutschland ihn in Bedrängniß brachte. Seit April 1631 hatte das Land nach außen hin Frieden gewonnen. Sofort entlud sich die Erbitterung der Stände, ganz besonders angeregt durch die unlautern Mittel, welche Schwarzenberg in den Zeiten der Roth gegen sie angewandt hatte, in heftigen Ausbrüchen gegen die kurfürstliche [621] Regierung; in ihrem Trotze nicht nur auf ihre hergebrachten, sondern auch die über den ohnmächtigen Herrscher angemaßten Rechte betrachteten sie sich als eine selbständige neben der Landesregierung herrschende Macht. Die Holländer hatten in den letzten 20 Jahren für die Gelder, die sie dem Kurfürsten vorgeschossen hatten, nicht nur mehrere feste Plätze seines Gebietes sich zugeeignet sondern auch einen Theil der Domänen sich verpfänden lassen, zugleich aber durch die hohen Zinsen, die sie sich berechneten, den Betrag der Schuld alljährlich ansehnlich vermehrt. Als nun Schwarzenberg 1632 durch persönliche Unterhandlungen im Haag eine Fixirung derselben dadurch auszuwirken sich bemühte, daß er zu einer Abzahlung derselben in bestimmten Fristen sich erbot, so glaubten die Stände, da diese Zahlungen nur durch die Steuern der Landschaft geleistet werden konnten, sich berechtigt, sich durch ihre Abgeordneten in jene Verhandlungen einzumischen und knüpften auch daheim an ihre Unterstützung Bedingungen, durch deren Annahme die Landesregierung zu einer Schattenherrschaft herabgesetzt worden wäre. Der Streit hierüber war noch nach drei Jahren nicht ausgeglichen, als die Holländer auf die Nachricht, daß G. W. durch Beitritt zum Prager Frieden auf die kaiserliche Seite übergegangen war, in seine heftigsten Feinde sich umwandelten, und während sie in Verbindung mit Hessen und anderen Bundesgenossen der Schweden die clevischen Lande aufs neue zum Schauplatze ihres Krieges gegen die Kaiserlichen und die Spanier machten, zugleich auch unter der Drohung, die verpfändeten Domänen einzuziehen, die Befriedigung ihrer Geldforderung verlangten. Noch im Todesjahre des Kurfürsten (1640) befand sich das Land unter dem Druck der Kriegsleiden, von Holland aus wurde zur Einziehung der Domänen vorgeschritten; der kurfürstliche Rath von Blumenthal aber, der nach dem Haag geschickt wurde, um durch seine Vorstellungen jene Einziehung rückgängig zu machen, befand sich hier einer Gesandtschaft der clevischen Stände gegenüber, welche durch Bestechungen und Intriguen die Holländer zur Ausführung ihres Vorhabens aufstachelten.

Weniger die Engherzigkeit der Stände als die Unsicherheit des Kurfürsten in seinen Entschlüssen brachte das Stammland, die Mark Brandenburg ins tiefste Elend. Wie sollte man hier Vertrauen zu dem Fürsten gewinnen, der gleich beim Beginn seiner Herrschaft seiner Mutter nicht zu wehren vermochte, als sie von zelotischem Eifer für das Lutherthum erfüllt, eigenmächtig ihre Tochter ohne Wissen des Sohnes mit dem Könige von Schweden vermählte und in Verbindung mit dem Kurfürsten von Sachsen den Plan betrieb, das Herzogthum Preußen und die Rheinlande in die Hände lutherischer Prinzen zu bringen, für diesen Zweck durch einen aus Wittenberg herbeigerufenen Theologen Meißner die Berliner Bevölkerung gegen die Reformirten aufreizte und ihre Absicht erst aufgab, als ihr zweiter Sohn, Jochim Sigismund, die ihm dabei zugetheilte Rolle zurückwies? – Seinerseits hatte G. W. beim Ausbruche des böhmischen Krieges (1619) als Glied der protestantischen Union die Partei seines zum böhmischen Könige gewählten Schwagers Friedrich V. von der Pfalz ergriffen und auch die märkischen Stände hatten zur Vertheidigung des Landes ihm die Mittel zur Anwerbung des Kracht’schen Regimentes hergegeben. Aber während er schwankte, in wie weit er in diese gefährlichen Händel sich einlassen sollte, hatte die Schlacht am weißen Berge (8. November 1620) die böhmischen und schlesischen Protestanten der Rache des Kaisers preisgegeben, sein Oheim Johann Georg war geächtet und seines Herzogthums Jägerndorf beraubt worden; an G. W. aber erging das Verbot die flüchtigen Glaubensgenossen bei sich aufzunehmen und die Forderung, zu den Kosten des vom Kaiser in Verbindung mit Kursachsen gegen Schlesien und Böhmen geführten Krieges beizutragen. Der Kurfürst fügte sich; nur unter schweren Aengsten gestattete er der flüchtigen Königin von Böhmen in Küstrin ihre Niederkunft [622] abzuwarten; die märkischen Stände aber erkannten in diesen Vorgängen nur ein Strafgericht Gottes über die Calvinisten und nöthigten ihren Fürsten durch Verweigerung des Soldes das Kracht’sche Regiment bis auf 130 Mann zu entlassen. Als darauf der Kaiser mit wachsender Kühnheit über die Reichsordnungen sich hinwegsetzend, Friedrich V. ächtete und der Kurwürde beraubte und durch Uebertragung der letzteren an den Herzog von Baiern (1623) die Majorität im Kurfürsten-Collegium an den katholischen Theil brachte, da gewannen die Vorstellungen der reformirten Geheimenräthe so viel Macht über G. W., daß er nicht nur in Verbindung mit Kursachsen diesen Schritten seine Anerkennung verweigerte, sondern auch, als Kursachsen im Juni 1624 sich dem kaiserlichen Willen beugte, seinen Rath Bellin aussandte, um nachdem die frühere protestantische Union, der er angehört hatte, unter den Stürmen des böhmischen Krieges aufgelöst worden war, für das Zustandekommen eines neuen Bundes norddeutscher Fürsten mitzuwirken, welchem Dänemark, Schweden und des Kurfürsten Schwager Bethlen Gabor von Siebenbürgen sich anzuschließen, England und Frankreich Unterstützung in Geldmitteln verhießen. Leider gewann Bellin die Ueberzeugung, daß, bevor nicht die Spaltungen, welche Dänemarks Ehrgeiz und Eifersucht auf Schweden hervorgerufen hatte, beseitigt seien, aus diesem Bunde kein Heil zu erwarten stünde, und konnte dem Kurfürsten nur rathen, sich vorläufig parteilos zu halten. Als nun 1625 der Krieg in Norddeutschland unter Christians IV. von Dänemark Leitung ausbrach, und von Norden her die Heere von Dänemark und des Grafen Mansfeld, von der anderen Seite über Magdeburg und Braunschweig die Wallensteins und Tilly’s sich den Marken näherten, da erklärten sich alle kriegführenden Theile geneigt die Marken als parteilosen Boden anzuerkennen, wofern der Kurfürst die Eingänge seines Landes an der Havel und Oder mit hinlänglicher Truppenmacht bewachte. Aber während G. W. mit seinen Ständen über die Aufbringung der dafür nöthigen Mittel feilschte, rückten Mansfelds Söldnerhorden verwüstend in die Priegnitz, der dänische General Fuchs verwüstend in die Altmark ein; worauf dann auch Wallenstein, nachdem er (15. April 1626) an der Dessauer Brücke den Mansfeldern eine Niederlage beigebracht hatte, hinter ihnen her sich in der Mark einlagerte. Nachdem Brandenburg so wider seinen Willen in den Kampf hineingezogen war, stellten die calvinischen Räthe dem Fürsten den offenen Anschluß an die evangelischen Bundesgenossen als das einzige Rettungsmittel dar; sie konnten ihm nachweisen, daß in Wien bereits seine Aechtung geplant, daß man die Neumark einem hohenzollerischen Konvertiten, das Herzogthum Preußen dem Hochmeister des deutschen Ordens, selbst das Heimfallsrecht auf Pommern an Baiern zu übertragen gedenke. Aber Schwarzenberg’s Gegenbemühungen, G. W. hierüber zu beruhigen und seine Hinweisungen auf den dem Kaiser schuldigen Gehorsam waren um so wirksamer, da auch die märkischen Stände diese Devotion theilten. Die Nachricht, daß König Gustav Adolf von Schweden eben damals den erneuerten Kampf gegen Polen mit der Besetzung der Häfen des herzoglichen Preußens (Juli 1626) eröffnet hatte, wurde von dem schlauen Günstlinge, der sie seinem Herrn als eine demselben persönlich widerfahrene Beleidigung darstellte, dazu benutzt, nicht nur G. W. zu offenem Bruche mit Schweden zu treiben, sondern ihn auch mit Argwohn und Mißtrauen gegen seine calvinischen Rathgeber, denen verrätherische Verbindung mit dem Mansfeldischen Heere und den Schweden vorgeworfen wurde, zu erfüllen. Indem der Kurfürst selbst nach Preußen ging, um „durch die That zu zeigen, daß er des Schwedenkönigs Feind sei“, überließ er es Schwarzenberg die angesehensten Mitglieder des geheimen Rathes, Götze, Winterfeld, Pruckmann u. A. durch Hochverrathsprocesse unschädlich zu machen oder einzuschüchtern. Mit solchen Bürgschaften für seine Gesinnung [623] trat G. W. zur Partei des Kaisers über, erkannte (22. Mai 1627) die baierische Kurwürde an, verbot seinem Adel im dänischen Heere zu dienen und fand eine Rechtfertigung dieser Demüthigungen in der Erwägung: „Was geht mich die gemeine Sache an, wenn ich alle meine Ehre und zeitliche Wohlfahrt verlieren soll?“ Dieser Entschluß trug schlimme Früchte. Alle Hoffnungen, welche Schwarzenberg ihm auf die Zurückgabe von Jägerndorf, auf Amnestie für die geächteten Fürsten oder auf die Bestätigung des Anrechtes auf Pommern vorgespiegelt hatte, erwiesen sich als nichtig; ein darauf gerichtetes Gesuch wurde vom Kaiser keiner Antwort gewürdigt. Wol aber wurde die Mark in den nächsten vier Jahren mit Ausnahme einiger festen Plätze, zu deren Vertheidigung die Stände den Unterhalt für einige Hundert kurfürstlicher Truppen bewilligten, fast andauernd von Durchmärschen und Einlagerungen kaiserlicher Truppen, namentlich der gegen Mecklenburg und Pommern kämpfenden Wallenstein’s heimgesucht. Und zum Lohne für die dafür gebrachten Opfer erfolgte 6. Febr. 1629 das kaiserliche Edikt, welches die Reformirten vom Religionsfrieden ausschloß und ihre Vertilgung als den Beruf des Kaisers verkündigte, darauf am 9. März das Restitutionsedikt, auf Grund dessen das Erzbisthum Magdeburg, aus dessen Besitz der Oheim des Kurfürsten Christian Wilhelm schon 1626 vertrieben war, einem kaiserlichen Prinzen übergeben und die 3 brandenburgischen Bisthümer nebst ihrem Ertrage seit 50 Jahren zurückgefordert wurden; die Besitznahme der pommerschen Küste durch das Wallenstein’sche Heer und die eben dadurch veranlaßte Aufnahme einer schwedischen Besatzung in Stralsund erweckte die schlimmsten Besorgnisse für den Heimfall Pommerns; vom Kaiser, der in derselben Zeit eigenmächtig die Confiscationen der Güter brandenburgischer Vasallen verfügte und den Kurfürsten mit militärischer Besetzung Berlins bedrohte, wofern er es sich erlaube, sein preußisches Leibregiment nach der Mark zu bringen, war nur Schlimmes zu erwarten. Trotz alledem, ja trotz der ganz entgegengesetzten Politik, welche G. W. im Herzogthum Preußen zu befolgen durch die Umstände gezwungen wurde, vermochte er sich nicht dazu zu ermannen, die rettende Hand, welche Gustav Adolf den evangelischen Fürsten Norddeutschlands darbot, für die Mark anzunehmen. Auf die Nachricht von den Absichten des Schwedenkönigs schickte er ihm Gesandte nach Danzig entgegen, welche gegen das Versprechen die Kaiserlichen zur Räumung von Pommern und Danzig zu bestimmen Neutralität für diese Landschaften forderten. Der König antwortete, und zwar erst nachdem er sich in Pommern festgesetzt hatte, der Kurfürst müsse aufhören Statthalter eines kaiserlichen Dieners zu sein, und sich entscheiden, ob er sein Feind oder Freund sein wolle, im letzteren Falle erbiete er sich, es dahin zu bringen, daß der Herzog von Pommern schon jetzt das Land dem Kurfürsten überlasse. Auch jetzt wagt dieser so wenig seine Fesseln abzuwerfen, daß er vielmehr den aus Pommern vertriebenen Kaiserlichen den Paß bei Cüstrin öffnet und ihnen dadurch möglich macht, sich um Frankfurt und Landsberg zu sammeln und von da bis über die Havel eine Vertheidigungskette einzurichten, durch welche der König drei Monate lang gehindert wird, dem bedrängten Magdeburg Entsatz zu bringen. Als endlich selbst die Erstürmung von Frankfurt und Landsberg (16. April 1631) durch die Schweden auf den Kurfürsten keinen Eindruck machte, ritt der König an der Spitze von 10 Regimentern auf Berlin zu. Jetzt erst entschließt sich der Kurfürst (4. Mai), jedoch nur bis zum Entsatze Magdeburgs – Spandau zu überliefern, forderte es aber schon nach wenigen Tagen, als die Katastrophe jener Stadt gemeldet wird, zurück. Gustav Adolf räumt die Festung, kehrt aber sogleich aufs neue seine Waffen gegen Berlin und läßt dem Fürsten keine Wahl als sich unbedingt zu fügen. Die am 11. Juni und 31. August 1631 mit ihm geschlossenen Verträge verpflichten ihn neben Spandau auch Paß und [624] Festung Küstrin den Schweden zu öffnen, bei einem Angriffe des Kaisers an der Vertheidigung unter dem Oberbefehl Schwedens theilzunehmen, monatlich 30- und später 40,000 Thaler zum Unterhalt von 10 schwedischen Reiterregimentern beizutragen, gestatten ihm aber zugleich zur Erfüllung der auf dem Leipziger Convente (März 1630) gegen die evangelischen Reichsstände übernommenen Verpflichtung sich ein selbständiges Heer von Reitern und Fußvolk anzuwerben. G. W. hatte nicht Ursache darüber, daß er zu diesem Schritt gezwungen war, sich zu beklagen. Allerdings entfernte sich Schwarzenberg nach Preußen, während die reformirten Räthe wieder Einfluß gewannen, und die Schweden sicherten sich durch Besetzung der festen Plätze in Brandenburg und Pommern den Rücken; dagegen stand er jetzt einem Bundesgenossen zur Seite, der zunächst wenigstens für die ihnen beiden gemeinsamen Interessen kämpfte und gewann demselben gegenüber eine würdige Stellung, indem er mit seinem angeworbenen Heere in Verbindung mit dem gleichfalls zu dieser Bundesgenossenschaft übergetretenen Kursachsen gesondert von den Schweden die Südgrenze beider Länder gegen Wallenstein’s Heer vertheidigte; und wenn gleich in dem Heldenkönige im Verlaufe seiner Siege Gedanken geweckt wurden, welche andern deutschen Ständen bedenklich erscheinen durften, wenn namentlich die Gründung eines evangelischen Kaiserthums mit schwedischer Spitze ihn ernstlich beschäftigte, so eröffneten gerade diese Entwürfe dem Kurfürsten glänzende Aussichten, da die im Februar 1632 über die Verheirathung seiner einzigen Tochter mit dem Kurprinzen von Brandenburg eröffneten Verhandlungen deutlich kund gaben, daß der König jenes Ziel nur dann für erreichbar hielt, wenn es ihm gelang, durch die engste Verknüpfung Schwedens mit Brandenburg eine den Habsburgern das Gleichgewicht bietende Hausmacht zu gründen. Auch nachdem das Schlachtfeld bei Lützen solche Hoffnungen vernichtet hatte, hielt G. W. noch 3 Jahre an der schwedischen Verbindung fest und wies namentlich die Anerbietungen, durch welche Wallenstein ihn auf seine gefährliche Bahn hinüberzulocken suchte, entschieden von sich ab. Als aber die Ueberlegenheit der Schweden im Felde durch die Nördlinger Schlacht (6. Septbr. 1634) gebrochen schien, und Kursachsen sich zu Prag (30. Mai 1635) mit dem Kaiser unter Bedingungen einigte, zu deren Annahme auch die übrigen evangelischen Fürsten unter schweren Drohungen aufgefordert wurden, da wurde Georg Wilhelms Standhaftigkeit auf eine harte Probe gestellt. Allerdings konnte manches ihn gegen Schweden bedenklich machen: des schwedischen Reichskanzlers vorwiegendes Bestreben für die Opfer, welche Schweden in diesem Kriege gebracht hatte, Ersatz auf deutschem Boden zu gewinnen, das offenkundige Bemühen der schwedischen Kriegsbefehlshaber nach dem Beispiele Wallenstein’s sich für ihre Soldforderungen mit deutschen Landschaften bezahlen zu lassen, und der den deutschen Interessen verderbliche Einfluß, den Richelieu seit der Nördlinger Schlacht auf Schweden ausübte. Mehr noch als diese allgemeinen Momente ängstigte den Kurfürsten das Verhalten der Schweden in Pommern, welches Land, nachdem es vertragsmäßig ihnen bis zum Frieden übergeben war, sie nicht undeutlich als dauernde Kriegsbeute betrachteten. Aber waren die Anerbietungen des Kaisers dazu angethan die schwedische Bundesgenossenschaft entbehrlich zu machen? Das Restitutionsedikt wurde, aber nur für jetzt, suspendirt, über die rechtliche Stellung der Reformirten wurde geschwiegen, die Aechtung brandenburgischer Prinzen und des kurpfälzischen Hauses nicht zurückgenommen, die Evangelischen in den kaiserlichen Landen blieben der Willkür des Kaisers preisgegeben. Das Recht Bündnisse zu schließen, sowie das Recht der Selbstvertheidigung des Kurfürsten wurden stark beschränkt, ihm dagegen Beiträge für eine Reichsarmee aufgenöthigt, deren Commando ausschließlich dem Kaiser und dem Kurfürsten von Sachsen zustand. Wer den Charakter [625] des Kaisers und die Absichten der an seinem Hofe vorherrschenden Partei kannte, konnte nicht zweifeln, daß er als Sieger alle jene Bedingungen zum Verderben des Kurfürsten umdeuten werde. Die reformirten Räthe, der Kanzler Götze, Leuchtmar, Knesebeck wiesen in eindringlichen Vorstellungen ihm die Nothwendigkeit bei Schweden festzuhalten nach, Oxenstierna gab die nachdrücklichsten Versicherungen solchen Falls die Rheinlande zu befreien und Pommern nach dem Frieden für Brandenburg zu räumen; selbst unter den märkischen Ständen erklärte sich eine starke Partei für diese Politik, auch in den übrigen Kreisen der märkischen Bevölkerung offenbarte sich lebhafte Sympathie für die schwedischen Glaubensbrüder. Aber Schwarzenberg, der seit 1632 an den kurfürstlichen Hof zurückgekehrt, nach wie vor den schwachen Fürsten in seinen Banden hielt, wandte, als Kursachsen zur Entscheidung drängte, den Gehorsam gegen das Reichsoberhaupt, die warnende Hinweisung auf das Schicksal des Kurfürsten von der Pfalz, die wenig gerechtfertigte Vorliebe für Kursachsen, vor allem die Aussicht, mit Hülfe des Kaisers und Kursachsens Pommern von den Schweden zu befreien als wirksame Hebel an, um seinen Herrn auf die kaiserliche Seite hinzudrängen; die Schweden, hielt ihm Schwarzenberg vor, könnten ihm Land und Leute verderben, der Kaiser aber sie ihm völlig nehmen, ihn „entrechten“ und ächten. Nach schweren Bedenken bevollmächtigte ihn der Fürst den Prager Frieden anzunehmen, doch nur gegen die bestimmte Zusicherung, daß Schweden gütlich abgefunden, eine allgemeine Amnestie erlassen werde und Kursachsen seinen Ansprüchen an die clevischen Gebiete entsage. Aber der Günstling benutzt eine Clausel seiner Instruction, die ihm in besonderen Nothfällen freie Hand ließ, um trotzdem daß die Aussichten für Schweden sich gebessert hatten (August 1635), wenn auch nicht formell so doch thatsächlich (mittelst der Wiener Gegenerklärung vom 11. Septbr. 1635), den Frieden mit dem Kaiser ohne jene Zusicherungen abzuschliessen. Die brandenburgischen Truppen traten unter sächsischen Oberbefehl und am 6. Januar 1636 erfolgt die Kriegserklärung gegen Schweden. Die durch das anfängliche Waffenglück der neuen Bundesgenossenschaft erweckten Hoffnungen werden noch in demselben Jahre durch Baner’s Sieg bei Wittstock (24. Septbr. 1636) niedergeschlagen; am härtesten ward dadurch die Mark betroffen, welche bis auf die 3 Festungen sich den Siegern ergeben mußte. Aufs neue boten diese dem nach Peitz geflüchteten Kurfürsten Frieden an; die Geheimen Räthe und die Stände drangen in ihn nachzugeben. Aber dessen Sinn war einzig auf Regensburg gerichtet, wo Schwarzenberg für die Willfährigkeit, der Wahl des Sohnes Ferdinands II. zum deutschen Könige zuzustimmen, vorteilhafte Bedingungen fordern sollte. Freilich die begehrte Amnestie wurde ihm verweigert; dennoch wies der Kurfürst nicht nur die Anträge der Schweden zurück, sondern ließ auch wie vor 10 Jahren die calvinischen Räthe seine Ungnade fühlen, Götze, Pfuel und Leuchtmar verloren ihr Amt. Schwarzenberg hatte dies dadurch erreicht, daß er seinem Herrn, obgleich derselbe wegen der Schwäche seiner Füße nicht mehr zu Pferde zu steigen vermochte, das Patent zum kaiserlichen Generalissimus aus Regensburg mitbrachte. Der Günstling war fortan der alleinige Leiter der Regierung. Die nächste Folge war der Verlust Pommerns. Als am 10. März 1637 Herzog Bogislav XIV. starb, wünschten seine Stände die Vereinigung mit Brandenburg; da aber die Schweden thatsächlich Herren des Landes eine Besitznahme desselben durch den Kurfürsten nicht zulassen konnten, so glaubten die Pommern das äußerste für ihren künftigen Erbherrn gethan zu haben, wenn sie von beiden Gegnern das Zugeständniß verlangten, daß ein schon bei Lebzeiten des Herzogs eingesetztes Regierungscollegium bis zur erfolgten Einigung die Regentschaft fortführe. Aber davon wollte G. W. nichts wissen. Vielmehr [626] fahren jetzt in ihn Kriegs- und Eroberungsgedanken. Eine Anzahl dienstloser märkischer Kriegsobersten, welche in Wien Beschäftigung suchen, werden unter Vermittelung Schwarzenberg’s in den Dienst des Kurfürsten genommen um 6000 Mann zu Fuß und 1000 Reiter zur Eroberung Pommerns anzuwerben; die Mittel zur Anwerbung und zum Unterhalt wurden anscheinend vom Kaiser hergegeben, thatsächlich zum größten Theil auf die Summen angewiesen, welche der Kurfürst für das Reichsheer hatte zahlen sollen. Für diese Unterstützung leisteten die Obersten dem Kaiser und demnächst dem Kurfürsten als dessen Stellvertreter den Treueid und besetzten die drei Landesfestungen. Dieser Kriegseifer nahm jedoch bald eine traurige Wendung. Jene Obersten benutzten ihre Doppelstellung zu Erpressungen zweifacher Art. Bei der Anwerbung und Besoldung der Truppen betrogen sie den Fürsten und berechneten den Sold für vollzählige Regimenter, während von den 7000 Mann, für die sie sich bezahlen ließen, nur 2000 im Dienste standen. Als kaiserliche Officiere aber betrachteten sie sich wie in fremdem Lande, schrieben Contributionen aus und gestatteten ihren zuchtlosen Truppen jeden Frevel. Im Wetteifer mit den Schweden, welche ihre Einfälle in Pommern mit Plünderungszügen in die Mark vergalten, haben sie über beide Lande namenloses Elend gebracht. Der Kurfürst aber, neuen Plänen zugewandt, entzog sich dem Anblick dieser Greuel, indem er 1638 Schwarzenberg die Leitung Brandenburgs überlassend, nach Preußen übersiedelte.

Im Herzogthum Preußen haben sich die Angelegenheiten Georg Wilhelms noch am günstigsten gestaltet. Das alles Maß unpatriotischen Treibens und niedriger Eigensucht übersteigende Gebahren des ständischen Adels unter Kurfürst Hans Sigismund hatte allgemach nicht nur bei den Städten sondern auch unter den Edelleuten selbst Widerspruch erweckt. Von der auf Polonisirung des Landes offen ausgehenden Partei der Querulirenden schied sich der größte Theil des Adels als die Protestirenden ab, welche zufrieden mit den gewonnenen Rechten eine weitere Schwächung der Landesherrschaft mißbilligten. Als G. W. daher 1620 zur Huldigung nach Königsberg kam, und die Querulirenden erst nach Gewährung neuer Forderungen sich derselben unterziehen wollten, gelang es ihm insbesondere, indem er den Vorurtheilen der von den lutherischen Geistlichen gegen ihn aufgereizten Bevölkerung darin Rechnung trug, daß er selbst vor dem Besuche des vor ihm gehaltenen reformirten Gottesdienstes abmahnen ließ, schon auf dem ersten Landtage 30. October 1620 neben der Huldigung auch die Erlaubniß des reformirten Privatgottesdienstes durchzusetzen. Größeren Widerstand bereiteten ihm die Polen bei der Belehnung. Wie in einem herrenlosen Lande erschien im Februar 1621 eine polnische Commission in Königsberg, welche ohne jede Veranlassung eine Untersuchung angeblicher Beschwerden vornahm, in die Landesregierung eigenmächtig eingriff, für den Türkenkrieg eine außerordentliche Truppenhülfe, vor allem abwechselnde Besetzung der obersten Landesstellen mit Lutheranern und Katholiken verlangte. Aber gerade ihr unverschämtes Auftreten, das auch die Stände um ihre eigenen Rechte besorgt machte, bestimmte diese den Fürsten zum Widerstande zu ermuthigen mit so gutem Erfolge, daß nachdem der König von Polen durch ein Geldgeschenk und durch die Uebertragung des Obermarschallamtes an den von den Polen geforderten Candidaten zufrieden gestellt war, nicht nur die Commission abgerufen ward, sondern auch G. W., als er im September 1621 sich nach Warschau begab, ohne Widerspruch mit Preußen belehnt wurde. Inzwischen trat auch hier die Frage, ob für oder wider den Kaiser mit schwerem Gewicht an den Kurfürsten heran. Das dringende Gesuch des greisen Hochmeisters Johann Eustach von Westernach, Preußen dem deutschen Orden und der katholischen Religion zurückzustellen, hatte Kaiser Ferdinand II. im Frühjahr [627] 1625 beifällig aufgenommen und zum Gegenstand geheimer Unterhandlungen gemacht; man berieth in Wien, ob die Wiedereinsetzung durch ein kaiserliches Heer oder durch die Polen erfolgen solle. Von der andern Seite beschloß um dieselbe Zeit König Gustav Adolph den Schauplatz des mit Polen erneuerten Krieges von Livland nach Preußen zu verlegen, um dadurch den Grenzen Deutschlands näher gebracht auf die Entscheidung des dort geführten Krieges, der auch seine Interessen nahe berührte, Einfluß zu gewinnen. Die vier kleinen gemietheten Schiffe, mit denen man im Herzogthum die Küste gegen eine Landung sichern zu können meinte, leicht überwältigend landete der König 5. Juli 1626 in Pillau, bemühete sich durch die freundlichste Behandlung das Land und seinen Fürsten auf seine Seite zu ziehen und ließ der herzoglichen Regierung Zeit, indem er in das polnische Preußen einfiel, des abwesenden Kurfürsten Befehle einzuholen. Da dieser, damals durch Schwarzenberg auf die kaiserliche Seite hingezogen, jeder Erklärung auswich, so half sich das Land selber, indem die Hauptstadt Königsberg bedingungslos, die übrigen Stände unter Vorbehalt der kurfürstlichen Genehmigung Ende Juli 1626 mit den Schweden auf Neutralität abschlossen. Aber G. W. von Wien her aufgefordert, seine Treue zu bewähren, rückte am Anfang des Jahres 1627, jene Verträge für nichtig erklärend, mit 4600 Söldnern, welche er in Preußen mit 600 Mann Landmiliz verstärkte, als Feind den Schweden entgegen, erlitt jedoch als er noch vor Ablauf eines mit jenen geschlossenen Stillstandes einen Theil seiner Truppen zur Vereinigung mit den Polen aussandte, 6. Juli 1627 bei Preußischmark eine empfindliche Niederlage, indem die ganze Abtheilung die Waffen streckte. Selbst die Großmuth, welche der König gegen die Gefangenen übte, änderte den Sinn des Kurfürsten nicht, bis jener durch einen verheerenden Einfall in das Herzogthum ihn am 6. Aug. 1627 zur Unterzeichnung eines Vertrages zwang, in der er sich verpflichtete, den Polen keinen Beistand zu leisten. Da er aber für die Sicherung der Grenzen keine Vorsorge trug, so wurde sein Gebiet von den polnischen Truppen in den nächsten zwei Jahren als ein feindliches Land mit Brandschatzung und Plünderung heimgesucht, was dann auch wieder schwedisches Kriegsvolk herbeizog. Dieser unglückliche Zustand nöthigte die preußische Regierung auf eine friedliche Beilegung des polnisch-schwedischen Krieges, in den sich inzwischen auch der Kaiser eingemischt hatte, hinzuarbeiten. Die Niederländer und Engländer aus kaufmännischem Interesse, vor allem Frankreich, welches dem Schwedenkönige volle Freiheit zu verschaffen bestrebt war, seine Heeresmacht auf den deutschen Kriegsschauplatz zu führen, begünstigten und unterstützten diese Verhandlungen mit so gutem Erfolge, daß am 26. Septbr. 1629 zu Altmark ein sechsjähriger Stillstand dem Kampfe ein Ende machte. Durch den hier abgeschlossenen Vertrag, namentlich durch die Bestimmung desselben, welche die Schweden für diese Jahre im Besitze der preußischen Hafenküste ließ, dem Kurfürsten aber einen Theil der polnisch-preußischen Provinz übertrug, wurde der Kurfürst in die wunderliche Lage versetzt, daß, während er in der Mark die Rolle eines kaiserlichen Bundesgenossen spielte, er als Herzog von Preußen nicht nur einer gegen den Kaiser gerichteten Unternehmung der Schweden wesentlichen Vorschub leistete, sondern auch um den über den polnischen Oberherrrn gewonnenen Vortheil zu behaupten, die engste Verbindung mit Schweden zu unterhalten gezwungen wurde. Jedenfalls brachte der Stillstand, zumal als er nach 6 Jahren (12. Septbr. 1635) durch den Stuhmsdorfer Vertrag um neue 26 Jahre verlängert wurde, dem Herzogthum einen dauernden äußern Frieden. Wie sehr auch das Land in den nächsten Jahren unter den Nachwehen des Krieges und durch die Reibungen, die zwischen dem Kurfürsten und seinen Ständen fortdauerten, litt, so erholte es sich doch allgemach von [628] seinen Drangsalen und gewann neue Kräfte vornehmlich durch die zahlreichen Flüchtlinge aller Confessionen und Parteien, welche in den nächsten Jahren aus Schlesien, Ungarn, Deutschland, England und Schottland vertrieben hier ein Asyl suchten. Auch für G. W. eröffneten sich günstige Verhältnisse dadurch, daß nach dem Tode König Sigismund III. von Polen (1632) sein Sohn Wladislav IV. zur Herrschaft gelangte, ein kräftig aufstrebender Fürst, welcher bemüht gegen das Pfaffen- und Adelsregiment, welches sich in Polen aller Gewalt bemächtigt hatte, emporzukommen, auch in Preußen dem Kurfürsten gegen seine Stände freiere Bewegung zu verschaffen suchte, um ihn dafür für seine Bestrebungen benutzen zu können. Aus freien Stücken hob er daher bei der neuen Belehnung, die er G. W. am 9. März 1632 ertheilte, alle die Beschränkungen auf, welche den preußischen Herzogen seit 1609 von Polen auferlegt worden waren und gab auch früheren eine mildere Bedeutung. Freilich verlangte er dafür auch Gegendienste. Seit 1636 mit einer Tochter Kaiser Ferdinands II. vermählt und in die Pläne des spanisch-österreichischen Hauses hineingezogen, welches seit 10 Jahren die protestantischen Seemächte auch in dem Ostseeverkehr zu schädigen bemüht war, ging auch er darauf aus, die oberste Gewalt über die Ostsee von Schweden an sein Reich zu übertragen und die Mittel zur Behauptung derselben durch Besetzung der preußischen Seehäfen zu gewinnen, in denen er durch Erneuerung der von den Schweden aufgebrachten Handelszölle und durch Anstellung der schon von jenen erprobten Zollpächter, der Spiringe, reichen Zollgewinn zu erzielen hoffte; das Anerbieten einer Theilnahme an diesem Gewinn erschien ihm hinreichend, um der Unterstützung Georg Wilhelms gewiß zu sein. Aber die Erscheinung einer polnischen Flotte und der Bau der Wladislavsburg in der Danziger Bucht sowie die Nachricht von der Rückkehr der habsüchtigen Spiringe erweckten in allen Ostseeländern, vornehmlich aber unter den Behörden, Ständen und Seestädten des herzoglichen Preußens, eine solche Erbitterung und Entschlossenheit zum Widerstande, daß auch G. W. sich dazu ermannte, die Forderung König Wladislaw’s zurückzuweisen. Als die Spiringe mit einem Kriegsschiffe vor Pillau erscheinen, werden sie mit Gewalt an der Landung gehindert und zum Abzuge gezwungen. Die Dänen hatten inzwischen die polnischen Schiffe abgefangen. Die Entschlossenheit des Kurfürsten hält jedoch nicht lange vor. Seit er zum kaiserlichen Generalissimus ernannt mit Projecten zur Eroberung von Pommern sich trägt, wurde es Schwarzenberg und dem österreichischen Hofe nicht schwer, ihm in der Unterstützung des Königs von Polen das geeignetste Mittel zur Erreichung jenes Zieles nachzuweisen. Noch ehe er 1638 die Mark verläßt um nach Preußen überzusiedeln, einigte er sich (29. Juni) in Köpenik mit polnischen Gesandten dahin, die Seezölle wieder einzuführen, die Eintreibung derselben den Spiringen zu übertragen und den Ertrag mit Polen zu theilen. In Preußen angekommen, hat er am Anfange des J. 1639 in Grodno mit dem Könige eine Zusammenkunft; es war auf ein combinirtes Unternehmen abgesehen. Um jene Zeit segelte von Spanien eine mächtige Armada gegen die Ostsee hin aus. Gleichzeitig erscheint in Preußen ein kaiserlicher Oberst, Hermann Booth, mit einem Patente Georg Wilhelms versehen, das ihn bevollmächtigt, ein Heer für den Kaiser in Preußen zur Verwendung gegen die Schweden in Livland anzuwerben; gleichzeitig begannen die Spiringe in Pillau und Memel ihre Geschäfte, um zunächst Geldmittel zur Eroberung Pommerns zu beschaffen, und der Bruder König Wladislav’s, Prinz Johann Casimir, begibt sich auf den Weg nach Spanien. Aber noch in demselben Jahre erleiden alle diese Pläne schmählichen Schiffbruch. Der Prinz wird in Frankreich angehalten und bleibt ein Jahr gefangen, Booth’s Unternehmung gegen Livland schlug Ende Juli vollständig fehl; die spanische Flotte wird an der englischen [629] Küste bei den Downs vom holländischen Admiral Tromp geschlagen und zur Umkehr gezwungen; der Finanzplan endlich schlug in das volle Gegentheil um. Da die Stadt Danzig die Einführung des neuen Zolles glücklich von sich abgewehrt hatte, so zog sich der Seeverkehr von Pillau und Memel nach Danzig hin; die Zölle trugen weniger ein als früher, der Handel lag darnieder; darüber erhebt sich allgemeiner Unwillen, die Stände werden aufsätziger als je; aber G. W. beharrt dabei, daß der Zoll erhoben würde und die Spiringe bleiben sollen. Nichts bezeichnet stärker den Grad der Schwäche und Indolenz des Fürsten, als daß er, unbekümmert darum, daß der größte Theil seiner Besitzungen am Rheine und in Brandenburg in fremder Gewalt und in tiefem Elende schmachtet, und in Preußen die Unterthanen ihm aufsätzig sind, nachwievor auf seinem Schlosse Neuhausen bei Königsberg den Freuden der Jagd und Trinkgelage sich widmet und in ihnen volle Befriedigung findet. Am 1. Dec. 1640 ist er in Königsberg erst 45 Jahre alt gestorben.

Droysen, Gesch. der Preuß. Politik III. 1; Erdmannsdörffer, Urk. und Akt. Bd. I; v. Haeften, Urk. und Akt. Bd. V; Baczko, Gesch. Preuß. Bd. V.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. Georg Wilhelm, Kfst. v. Brandenburg VIII 619 Z. 13 v. o. l.: 1595 (statt 1597). [Bd. 56, S. 396]