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Artikel „Götze, Sigismund von“ von Siegfried Isaacsohn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 512–514, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:G%C3%B6tze,_Sigismund_von&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 12:44 Uhr UTC)
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Götze: Sigismund v. G., geb. 1576 in der Mark Brandenburg, trat frühzeitig in kurfürstlich-brandenburgische Dienste, wo die Kanzler Johann v. Löben und Friedrich Pruckmann wie seine Amtsvorgänger, so auch seine Lehrmeister in der Politik wurden. Im J. 1609 erhielt er zuerst Gelegenheit seine Fähigkeiten zu erproben. Vom Kurfürsten Johann Sigismund zum Kaiser Rudolf II. nach Prag gesandt, erreichte er, daß Kurbrandenburg in der brennend gewordenen jülichschen Frage bis auf einen gewissen Grad freie Hand gelassen wurde und inaugurirte damit die brandenburgische Politik nach dieser Richtung hin in Erfolg verheißender Weise. Im Anfang von Joh. Sigismunds Regierung wurde er Mitglied des 1604 begründeten Geheimen Raths, eine Stelle, die er mit Unterbrechung der J. 1637–40 bis zu seinem Tode (15. Decbr. 1650) einnahm. Als der Hof Georg Wilhelms im 30jährigen Krieg durch die feindlichen Einfälle der Dänen und Schweden 1624–26 in zwei Parteien, eine kaiserliche und eine schwedische, sich spaltete, galt G. neben Pruckmann und Samuel v. [513] Winterfeld als einer der Hauptvertreter dieser letzteren. Dieser Umstand führte zu den ernstesten Zerwürfnissen mit Graf Adam Schwarzenberg und dem Markgrafen Sigismund, Georg Wilhelms Bruder und Statthalter der Marken während des Kurfürsten Abwesenheit in Preußen (1627–30). Durch geschickt eingefädelte Intriguen wußte Schwarzenberg G. nebst den übrigen reformirten Geheimen Räthen in jenen bekannten Hochverrathsproceß gegen Sam. v. Winterfeld mit zu verwickeln, der, wenngleich aus Mangel an Beweisen schließlich niedergeschlagen, dennoch insofern den gewünschten Erfolg hatte, als er Schwarzenberg und seinen österreichisch gesinnten Freunden auf drei Jahre die Leitung der Geschäfte in die Hand gab. – Eine Sendung Götze’s an Kaiser Ferdinand II., 1627, zum Zweck der Wiederversöhnung mit dem „Winterkönig“ Friedrich V. von der Pfalz war erfolglos geblieben. Wirksamer erwies sich sein Auftreten auf dem Regensburger Tage von 1630, wo er nebst den Gesandten Kursachsens die Ansprüche der protestantischen Fürsten gegenüber den auf den absoluten Dominat gerichteten Tendenzen des Hauses Oesterreich zu vertreten hatte. An der Entfernung Wallensteins aus der Stellung des kaiserlichen Generalissimus soll er einen nicht unwesentlichen Antheil gehabt haben. Den Schwerpunkt seiner politischen Thätigkeit bilden die J. 1630–34, die Zeit von der Landung Gustav Adolfs an der Küste Pommerns bis zur Schlacht von Nördlingen. Hatte ihm der Tod des alten Kanzlers Pruckmann (1630) Raum verschafft für die erste Stelle im Staate, die Leitung des Geheimen Raths, so gab ihm das siegreiche Nahen des nordischen Glaubenshelden, das den Grafen Schwarzenberg auf seine Güter im Clevischen zurücktrieb, nun auch die rechte Gelegenheit, sein politisches Glaubensbekenntniß durch das Eintreten für die Action Brandenburgs zu Gunsten der Glaubensfreiheit und territorialer Unumschränktheit energisch zu bethätigen. Diese Action wurde freilich von Anbeginn an durch die geringe Willfährigkeit der märkischen Stände zur Erlegung hoher Kriegssteuern, mehr noch durch die Stimmung Georg Wilhelms beeinträchtigt, der lieber von beiden Parteien sein Land zertreten und in des Kaisers Devotion bleiben, als im Bunde mit Schweden die leitende Stellung in Norddeutschland auf die Gefahr der Reichsacht hin erkämpfen wollte. Dieser innere Widerspruch zwischen den Forderungen einer kühnen, weitausschauenden Politik und den Anschauungen des Landesherrn mußte einmal zur Lahmlegung der Götze’schen Geschäftsführung, dann aber auch zu seiner Entfernung aus der leitenden Stellung führen, sobald die äußere Pression, die zur schwedischen Allianz geführt, verschwand. Der Tod Gustav Adolfs in der Schlacht bei Lützen, entscheidender noch die schwedische Niederlage zu Nördlingen, der die Anknüpfung Kursachsens mit dem Kaiserhofe auf dem Fuße folgte, sind die Wendepunkte, die zum Niedergang auch der Götze’schen Actionsperiode führten. Mit den Pirnaer Verhandlungen von 1634, die im folgenden Jahre zum Frieden von Prag führten, trat Schwarzenberg wieder in den Vordergrund, diesmal gewillt, nicht halbe Arbeit zu thun. Da er es bei seiner noch energischer als früher auf ein Schutz- und Trutzbündniß mit dem Haus Oesterreich gegen Schweden gerichteten Politik nicht mehr wie 1626–27 mit der Opposition der Mehrheit der Geheimen Räthe zu thun hatte, da auch die friedebedürftigen märkischen Stände sich immer widerstandsloser seiner Directive unterwarfen, so brauchte er den einzigen noch übrigen Antagonisten seiner Politik, eben G., nicht mehr zu schonen. Als ihn die gegen ihn ausgestreuten Verdächtigungen nicht von selbst vom Platze trieben, wurde er 1637 seines Kanzleramtes enthoben und genöthigt sich fern von der Residenz auf seine Hauptmannschaft Gramzow in der Ukermark zurückzuziehen. Der Regierungsantritt des Kurfürsten Friedrich Wilhelm gab seiner Richtung zum zweiten Mal die Oberhand über die Politik Schwarzenbergs. Unter den ersten Bestallungen des jungen Kurfürsten findet [514] sich die Wiederberufung Götze’s auf den Kanzlerposten (15. December 1640), während Schwarzenberg’s Einfluß zum Schatten herabsank. Es war freilich, der veränderten Zeitlage entsprechend, nicht mehr eine Actionspolitik im Bund mit Schweden die jetzt inaugurirt wurde, doch aber die einer bewaffneten Neutralität mit einer entschiedenen Neigung nach Schweden hin, mit dessen junger Königin Christine, Gustav Adolfs Tochter, der Kurfürst halb und halb versprochen war. Die Verhandlungen über die schwedische Heirath, wie über den Waffenstillstand mit der Krone fielen daher von selbst G. zu, der gemeinsam mit Rumelian Leuchtmar längere Zeit zu diesem Zweck in Stockholm weilte. – Die letzten sieben Jahre seines vielbewegten und vielgeprüften Lebens verbrachte G. ständig am Hofe zu Berlin/Cöln, an dem er jetzt vermöge seiner langjährigen treuen Dienste, seiner persönlichen Stellung zum Kurfürsten, den er als Knaben mit heranbilden helfen, und seines Alters eine hervorragende Stellung einnahm. Bis in sein hohes Alter hinein lag er den Geschäften seines Kanzleramtes mit derselben Unermüdlichkeit und Gewissenhaftigkeit wie in jungen Tagen ob, und nur ein Mann von seinem Ansehen und Verdienst durfte es wagen, auch in Fragen innerer Politik, in denen er mit dem kühn vorstrebenden und den Bedürfnissen der Zeit mehr Rechnung tragenden Kurfürsten öfters nicht übereinstimmte, dennoch so unumwunden und bisweilen in herb mahnender Weise dem Herrn entgegenzutreten. Dieser aber übersah die kleinen Schwächen des Alters über den großen Verdiensten seines treuen Kanzlers, und obgleich innerlich schon längere Zeit mit Plänen zur Reform der Verwaltung beschäftigt, die auch das Kanzleramt beseitigen sollten, beließ er G. doch in demselben bis zu seinem Abscheiden. So ist G. der letzte der brandenburgischen Kanzler im alten Sinne des Worts geworden, denn seine nächsten Nachfolger in der Stellung eines leitenden Ministers erscheinen bis zum Schluß des Jahrhunderts in der Gestalt von Ober-Präsidenten aller Collegien. In dieser seiner Stellung aber reiht er sich ebenbürtig an seine beiden Vorgänger an und bildet einen würdigen Abschluß jener Reihe von Männern, die trotz der herbsten und plötzlichsten Glückswechsel ihr ganzes Sein an die Förderung ihres Vaterlands setzten, so oft ihnen die Gelegenheit geboten wurde, die Leitung der Geschäfte zu übernehmen.

Vgl. Cosmar und Klaproth, Der preuß. Geh. Staatsrath, S. 318–19. Droysen, Gesch. der preuß. Politik III. 1, 45, 192. Isaacsohn, Gesch. des preuß. Beamtenthums II. 104–7.