ADB:Wallenstein, Albrecht Graf von
*): Albrecht Wenzel Eusebius v. W., der tragische Held des dreißigjährigen Krieges, ist dem Zweige eines alten böhmischen Herrengeschlechtes entsprossen, welcher seinen Namen von der – längst in Trümmern liegenden – Bergfeste Waldstein im Bunzlauer Kreise ableitete, jedoch trotz dieses deutschen Namens nach seiner ganzen Ueberlieferung tschechisch wie das übrige Geschlecht war. Die Eltern, denen er am 24. September 1583 geboren wurde, gehörten der böhmischen Brüdergemeinde an. In ihrem Glauben wuchs er auf: erst auf dem väterlichen Gute Heřmanice, nach ihrem frühen Tode aber, unter der Vormundschaft seines Oheims Heinrich v. Slavata, eines der eifrigsten Mitglieder jener Gemeinde, zu Koschumberg und zu Goldberg in Schlesien, wo er – seit 1597 – die Lateinschule besuchte. Kaum sechzehnjährig, vertauschte er diese mit einer lutherischen Hochschule, der nürnbergischen Akademie Altdorf. Am 29. August 1599 dort als Student immatriculirt, zeigte der Freiherr Albrecht v. Waldstein, wie er sich nannte, doch nur zu bald, daß er, noch völlig unreif und ohne Lust zum Studiren, die akademische Freiheit in wilder Ausgelassenheit mißbrauchte. Die Excesse, an denen er theilnahm oder die er selbständig beging, zogen ihm die Ungnade der Behörden zu; und bloß aus Rücksicht auf seinen vornehmen Stand unterließ es der Rath von Nürnberg, eine strengere Bestrafung anzuordnen. Immerhin sah W. in dem gegen ihn gefaßten Rathsbeschluß eine „tacitam relegationem“, welche seinem „ganzen löblichen Geschlechte zu einem großen Despect“ gereichen würde. Und das consilium abeundi, das ihm, wenn auch in schonender Form ertheilt ward, bestimmte ihn offenbar, Altdorf bereits im Februar oder März 1600 zu verlassen. Eine längere Auslandreise, die er darauf, den Gewohnheiten seines Standes entsprechend, antrat, gab seinem Geiste aber eine neue Richtung. Ernster und strebsamer geworden, soll er, nachdem er über Deutschland und Frankreich nach Italien gelangt war, auf der Universität zu Padua Liebe zur Wissenschaft gewonnen, hier allerdings auch schon der Astrologie sich hingegeben haben. Die Nachrichten darüber sind nicht eben authentisch; fest steht indeß, daß der Mathematiker und Astronom Virdung aus Franken, ein Freund des berühmten Kepler, auf dieser wol nahe an zwei Jahre dauernden Reise und zumal in Italien der treue Begleiter Wallenstein’s gewesen ist. Gewiß ist ferner, daß der Letztere von da ab eine ganz besondere Vorliebe für Sprache und Kunst, für Bildung und Lebensart dieses Landes hegte, die er nachher auch unter seinen böhmischen Standesgenossen zu verbreiten bestrebt war. Für den Hofdienst bestimmt, soll er seine eigentliche [583] Laufbahn beim Markgrafen Karl v. Burgau, einem Sohn des Erzherzogs Ferdinand von Tirol und der Philippine Welser, zu Innsbruck begonnen haben. Während aber Näheres auch darüber nicht bekannt ist und sich nicht einmal die Zeit dieses „Pagendienstes“ bestimmen läßt, ist die einst oft wiederholte Erzählung von seinem Unfall am Innsbrucker Hofe und seinem dadurch bewirkten Uebertritt zum Katholicismus wol als bloße Sage anzusehen. Nicht weniger unbegründet erscheint nach der neuesten Forschung eine Erzählung der Jesuiten, wonach er in ihrem Convict zu Olmütz erzogen und dort in frühester Jugend schon katholisch geworden sei. Er war dies, nach seinem Umgang mit einem so entschiedenen Protestanten wie Virdung zu schließen, auch wol in Italien noch nicht. Erst in der folgenden Zeit und, wie man vermuthet, nicht vor dem Herbst 1606 dürfte W., von dem Jesuiten P. Pachta gewonnen, in dem Olmützer Colleg den Glauben seiner Väter abgeschworen haben. Erst von dieser Zeit an sprechen bestimmte Indicien für seine Convertirung. In lebhafter Weise äußerte er fortan auch den Wunsch, Kriegsdienste bei den Spaniern in den Niederlanden, unter dem streng katholischen Erzherzog Albrecht, zu nehmen. Der Sinn für das Soldatenwesen, den er, wie es heißt, von Kindesbeinen gezeigt, hatte ihn vorübergehend schon im Sommer 1604 zur Theilnahme an dem ungarischen Feldzug gegen die Türken bewogen. Darauf (1606) von den böhmischen Ständen sogar schon zum Obersten eines ihrer Regimenter erwählt, fand er hier doch die Gelegenheit nicht, die sein militärischer Ehrgeiz von dem niederländischen Krieg erwartete. Und wol möglich, daß der Wunsch, den Spaniern zu dienen, auch auf seinen Entschluß, katholisch zu werden, eingewirkt hat. Jedenfalls nur auf Grund eines solchen Glaubenswechsels konnte er Reichthum und Ansehen und die Bedingungen seiner zukünftigen Machtstellung gewinnen. Den Bemühungen seines protestantischen Schwagers Karl v. Zierotin glückte es indeß, ihn 1607 am Hofe des keineswegs bigotten Erzherzogs Matthias als Kämmerer unterzubringen. W. trat nicht in Albrecht’s Dienste; und auf friedlicherem Wege, dennoch den Jesuiten bereits dauernd folgend, legte er gleichsam den Grundstein zu seiner glänzenden Laufbahn, indem er sich im Mai 1609 mit der reichen und bejahrten Wittwe Lucretia v. Vičkov aus dem mährischen Geschlechte der Nekesch v. Landeck vermählte. Ein Beichtkind P. Pachta’s, der denn auch als der Vermittler dieser Heirath gilt, setzte sie W. zu ihrem Universalerben ein und entzog dadurch ihr großes Vermögen ketzerischen Erbansprüchen. W. nun verstand es, mit seinem Pfunde zu wuchern, während er stets engere Beziehungen zu den Jesuiten knüpfte. Ihnen zum Dank und mit ihrer Hülfe war er bestrebt, seine ausgebreiteten Herrschaften durch Güte oder Gewalt wieder ganz katholisch zu machen; reich dotirte Jesuitenmissionen legte er in der Folge an und baute ihnen prächtige Residenzen. Damit zugleich aber schrieb er sich selber seine Richtung nach außen hin vor.
WallensteinVon entscheidender Bedeutung ward seine Verbindung mit dem katholischsten aller Erzherzoge, dem unbedingten Jesuitenfreunde Ferdinand von Steiermark. Lange bevor derselbe zum römischen Kaiser erwählt war, und auch noch vor seiner Wahl zum König von Böhmen entschloß sich W., als hätte er seine Herrscherstellung vorausgesehen, aus freien Stücken sich ihm anzuschließen. Im Frühjahr 1617 eilte er, Ferdinand, der damals in einen Krieg mit der Republik Venedig verwickelt war und Hülfe bei den Adligen suchte, mit einer kleinen, aber auserlesenen Truppenschar auf eigene Kosten „aufzuwarten“. Eben als Erbe seiner 1614 bereits verstorbenen Gemahlin war er dazu im Stande. Und nicht vergessen hat Ferdinand ihm diesen Reiterdienst, der vor Gradisca, seiner von den Venetianern belagerten Festung in Friaul, eine rühmenswerthe Verwendung fand. Noch mehr zu Dank verpflichtete sich W. diesen Fürsten, als 1618 der [584] große Krieg in Böhmen entbrannte, als mit dem Kampf zwischen Protestantismus und Katholicismus sich zugleich der zwischen ständischer Freiheit und landesfürstlicher Gewalt erneuerte. Obwol mit den Häuptern der ständischen Erhebung in Böhmen wie in Mähren nahe verwandt, obwol seit 1615 auch zum Obersten von den mährischen Ständen berufen, schwankte er wol keinen Augenblick in Bezug auf die von ihm zu ergreifende Partei. Seinen Vettern im Heere der böhmischen Aufständischen ließ er den höhnischen Gruß entbieten, daß er sie mit Prügeln und Ruthen tractiren wolle. Wenngleich seiner eigenen Truppen bald kaum mehr mächtig, trug er kein Bedenken, zu Anfang Mai 1619 die ständische Landescasse Mährens aus Olmütz gewaltthätig wegzuführen und dem König Ferdinand nach Wien zu überbringen. Gab auch dieser sie mit dem Anschein officieller Mißbilligung wieder heraus, so konnte ihm Wallenstein’s Handlung, die von den Ständen als Verrath gebrandmarkt wurde, doch als Ausfluß seiner Treue und Hingebung gegen ihn selber gelten. Eins kam zu dem Andern. Tausend Kürassiere, die W., im October 1618 auch schon zum kaiserlichen Obersten ernannt, mit Erlaubniß des Erzherzogs Albrecht in Belgien hatte werben lassen, trugen nicht unerheblich dazu bei, daß der königliche Feldherr Boucquoy am 10. Juni 1619 die Böhmen unter Mansfeld bei Netolitz und Tein besiegte. Und als der Fürst Bethlen Gabor von Siebenbürgen, vereint mit den Aufständischen Böhmens und Mährens unter Graf Thurn, im October Wien bedrohte, soll W. zu Horn, im Gegensatz zu den österreichischen Ständen, sehr nachdrücklich für die königliche Autorität gesprochen haben. Namhaft aufgeführt wird er unter den kaiserlichen Obersten, die unmittelbar darauf der Uebermacht dieser Feinde an der Wiener Brücke heroisch wehrten. In der Entscheidungsschlacht am Weißen Berge bei Prag, die ein Jahr später stattfand, kämpften seine – aufs neue und in größerer Anzahl geworbenen – Kürassiere jedoch ohne ihn. Erst vor kurzem genesen von einer, wie er schreibt, lebensgefährlichen Erkrankung, die er sich vermuthlich „mit Trinken causirt“, sah er sich gerade damals wol auf die minder glänzende Aufgabe beschränkt, Proviant für das kaiserliche Heer zu beschaffen. Wieder aber war er bei der Unterwerfung Böhmens, der die Prager Katastrophe die Bahn geöffnet hatte, mit regstem Eifer thätig. Dem hohen Verbündeten des nunmehrigen Kaisers Ferdinand II., dem Herzog Maximilian von Baiern subdelegirt, besetzte der Oberst und „kaiserliche Kriegsrath“ v. W. einen größeren Theil Nordböhmens, entwaffnete hier und dort die Bürger, nöthigte Städte und Ritterschaften, Ferdinand einen neuen Huldigungseid zu leisten. Die Geldcontributionen, die er schonungslos erhob, dienten ihm zur Veranstaltung von Werbungen, damit zu desto wirksamerer Besetzung der Städte. Kriegerische Lorbeeren waren freilich hierbei kaum zu gewinnen.
Eine selbständigere Thätigkeit wenigstens durfte er im folgenden Jahre 1621 entfalten, als er beauftragt wurde, mit seinen Truppen Mähren gegen den Markgrafen Johann Georg von Jägerndorf und gegen neue Angriffe Bethlen Gabor’s zu vertheidigen. Da aber dies Land bereits fast ganz ausgeplündert war, ihm auch von Böhmen aus keine Contribution nachgeschickt wurde, fürchtete er bald, sein Volk nicht mehr im Zaum halten zu können, und sah sich überhaupt in mißlicher Lage. Doch gelang es ihm, als er kaiserliche Verstärkung aus Ungarn erhielt, im September und October Vortheile über die, Mähren durchstreifenden Heerhaufen Bethlen Gabor’s und des Jägerndorfers zu erfechten. Ein größerer Sieg bei Kremsier ist ihm – ob mit Recht oder mit Unrecht – zugeschrieben worden. Sicher, daß Bethlen Gabor Mähren wieder räumen ließ und zu Neujahr 1622 den Frieden von Nikolsburg einging. W. bekam dadurch freie Hand und vermochte, nach Böhmen zurückgekehrt, nun dort nicht weniger [585] seine eigenen Interessen, als die des Kaisers wahrzunehmen. Dem ihm damals noch eng verbundenen Fürsten von Liechtenstein, dem Statthalter Böhmens, hatte er es zu verdanken, daß er zum Obersten von Prag und zum Gubernator (Oberstquartiermeister) dieses Königreichs ernannt, vom Kaiser als solcher bestätigt wurde. Noch führte, angesichts der zerrütteten Zustände des Landes, die Militärgewalt das entscheidende Wort. W. aber war bestrebt, sich auch noch in anderer Weise geltend zu machen, sich über seine Standesgenossen erhebend als der reichste und ansehnlichste Magnat im Königreiche besondere Freiheiten und Vorrechte, ja eine ganz exceptionelle Stellung zu gewinnen.
Wenn die Heirath mit jener Lucretia Nekesch Wallenstein’s Glück begründet hatte, so mußte ihm der böhmische Krieg zur Erlangung neuer Vortheile dienen. Wie kein Zweiter zog er – auch abgesehen von seinen wahrscheinlichen Bereicherungen durch Beute und Brandschatzung – Gewinn aus dem Elend und der Noth, die dieser Krieg gebracht hatte. Dem Kaiser selber waren aus demselben von vornherein die schwersten finanziellen Ungelegenheiten erwachsen. Nicht im Stande, die militärischen Unkosten zu bestreiten, hatte er doch schon früh einen immer bereiten Geldgeber an W. gefunden, als dessen Schuldner er, bei wiederholten und immer beträchtlicheren Vorschüssen, in eine gewisse Abhängigkeit von ihm gerieth. Denn W. unterließ nicht, sich seine Darlehen gut zu versichern und dem Monarchen seine Rechnung zu machen. Die Mittel zu seiner Befriedigung boten ihm aber die confiscirten Rebellengüter. Solche wurden ihm bereits im Sommer 1621 pfandweise eingeräumt und bald darauf von ihm, auch in scrupelloser Anrechnung seiner allerdings großartigen Auslagen für seine Regimenter und seiner eigenen „Kriegsschäden“, unter den günstigsten Bedingungen erkauft. Lag für die kaiserliche Kammer ein Anreiz in ihrer Finanznoth, die Confiscationen soweit als möglich auszudehnen und die ihr als verfallen geltenden Güter zu verkaufen, so war es für W. ein noch größerer Reiz, diese Gelegenheit zu massenhaften Ankäufen zu benutzen. Die Güterpreise sanken der Art, daß der Verkauf gar bald einer Verschleuderung gleich kam. Die große Münzconfusion, unter welcher damals nicht allein Böhmen litt, kam ihm hierbei noch besonders zu statten; mit der gangbaren schlechten Münze bezahlte er 1622, 1623 die von ihm erworbenen Güter. Und so erscheint es begreiflich, wenn ihm der Statthalter von Böhmen schon am 13. Januar 1623 über den Empfang von vierthalb Millionen Gulden (nominal) im Namen des Fiscus quittirte; von diesem hatte W. bloß in dem einen Jahr 1622 nicht weniger als 49 confiscirte land- und lehentäfliche Besitzungen in Nordböhmen erkauft. Uebrigens verkaufte er nachher selbst wieder, mit großem Profit, einen Theil der von ihm billigst erstandenen Güter. Als Mitglied aber des zur Prägung leichten Geldes von Kaiser Ferdinand privilegirten Consortiums ist er später sogar direct der Münzfälschung geziehen worden. Wol ohne genügenden Beweis; ein kaum zu beschönigender Makel haftet indeß auf seinen Manipulationen gegen seine nächsten Verwandten, einem aus List und Gewalt zusammengesetzten Verfahren, wodurch er die Familie seiner Mutter, das vornehme Geschlecht der Smiřickýs, um ihren reichen Güterbesitz brachte. Und rettete er den auch angeblich vor der umfassenden Confiscation, von der sie wegen der Theilnahme ihrer protestantischen Mitglieder am böhmischen Aufstande bedroht war, so kam diese „Rettung“ doch eigentlich nur ihm selber zu Gute. Durch besondere Abmachungen mit dem Fiscus erhielt er aus der Smiřický’schen Erbschaft einen grandiosen Gütercomplex – zur Erweiterung und gleichsam zum Fundament eines Majorats, das er sich inzwischen bereits in der Herrschaft Friedland geschaffen hatte. Dem als Rebellen verurtheilten Christoph v. Redern abgesprochen, war auch diese letztere Herrschaft, Friedland nebst [586] Reichenberg, W. erst pfandweise und sodann eigenthümlich eingeräumt, für den Spottpreis von 150 000 Gulden war er im Juni 1622 mit ihr vom Kaiser belehnt worden. Damit also verband er jetzt die ihm für ähnliche Preise überlassenen Smiřický’schen Güter, insbesondere die Herrschaft Gitschin. Die Stadt dieses Namens ersah er zum Mittelpunkt, zur Hauptstadt seines von Jahr zu Jahr mehr anwachsenden Patrimonialgebiets, welches durch einen kaiserlichen Act vom 12. März 1624 zum Fürstenthum Friedland erhoben wurde. Außerordentliche Privilegien hatte der dankbare Ferdinand ihm aber auch schon früher verliehen. Schon vom 15. September 1622 datirt ein kaiserliches Diplom, durch das er unter Anderm die Würde eines Comes Palatinus, das Recht, in den Adelstand zu erheben, Wappen zu ertheilen, und weitere Hoheitsrechte erlangte. Durch ein Diplom vom 7. September 1623 ward er selber bereits in den Reichsfürstenstand erhoben und ihm die Auszeichnung zu Theil, vom Kaiser mit dem Titel „Oheim“ angeredet zu werden. Am 9. Juni des nämlichen Jahres hatte er sich mit der anmuthigen Isabella Katharina v. Harrach, der Tochter eines der einflußreichsten kaiserlichen Räthe[WS 1], vermählt; und diese zweite Vermählung, der eine innigere Herzensneigung doch nicht abgesprochen werden darf, gab ihm Aussicht auf fernere Vermehrung seines Reichthums, wie sie vor allem auch sein Ansehen bei Hofe noch mehr befestigte.
Seinen so umfassenden Erwerbungen widmete er als Verwalter und Organisator sofort die größte Sorgfalt. Sein Fürstenthum Friedland erhielt eine neue Rechtsverfassung und verbesserte Gerichtspflege, eine Neuordnung der cameralistischen Angelegenheiten, die seinen weiten praktischen Blick und, in Verbindung mit seinen noch folgenden Verordnungen, seine hervorragenden Bemühungen um Hebung der Landescultur bekunden. Und doch blieb seine Aufmerksamkeit zwischen diesen friedlichen Beschäftigungen und neuen kriegerischen Ausgaben immer getheilt. Noch 1623 hatte Bethlen Gabor den Krieg mit türkischer Hülfe erneuert; und W., angeblich früh im Juni zum Oberstfeldwachtmeister über das gesammte kaiserliche Fußvolk ernannt, mußte von seiner jungen Frau sich trennen, um den Feldzug wider den lästigen Gegner vorzubereiten. Noch einmal zog er nach Mähren, wurde aber am Einfall in Ungarn verhindert; und zwar um so mehr, als es Bethlen gelang, mit sehr überlegenen Truppen ihn in Göding (October und November) einzuschließen. Indeß bewahrte W. seine Kaltblütigkeit, hielt mit aller Mühe den Widerstand aufrecht und verlor auch Böhmen, wo eine Erneuerung des Aufstandes gefürchtet werden mußte, nicht aus den Augen. Eine geheime Correspondenz, die er von Göding aus mit seinem Schwiegervater zu unterhalten verstand, zeigt, daß er damals am meisten für die Sicherheit seiner Gemahlin besorgt war und ihre Flucht aus Böhmen wünschte. Zu seinem Glück sah jedoch Bethlen sich noch im November zum Abschluß eines neuen Waffenstillstandes und demnach eines neuen Friedens genöthigt, der W. aus seiner schwierigen Lage befreite. Heimgekehrt, schien er im J. 1624, außer durch sein Amt als „Gubernator“ des Königreichs, vollauf durch sein neues Fürstenthum Friedland in Anspruch genommen. Zum Behuf größerer Selbständigkeit auch der kirchlichen Administration Friedlands dachte er sogar schon daran, ein eigenes Bisthum zu Gitschin zu errichten. Es kam nicht hierzu, da schnell wieder andere Sorgen seinen unruhigen Geist und seinen Ehrgeiz stachelten. Jedenfalls noch im nämlichen Jahre faßte er den Plan, zur Bekämpfung weit größerer Gefahren als der bisherigen sich dem Monarchen aus freien Stücken als Führer und Feldherr anzubieten. Durch die rücksichtslose Ausnutzung seines böhmischen Sieges über Böhmen hinaus hatte Ferdinand im Bunde mit der katholischen Liga das evangelische Europa schwer gereizt und wie Dänemark auch Frankreich mit Besorgniß vor einem Uebergewicht des Kaiserthums [587] in Deutschland erfüllt. Die auf allen Seiten wieder erwachte Eifersucht gegen das Haus Habsburg bewirkte im Verein mit dem Bestreben, die deutschen Protestanten vor der immer stärker drohenden Gegenreformation zu bewahren, eine Coalition der verschiedensten Elemente, eine gewaltige Opposition der europäischen Hauptmächte wider Oesterreich-Spanien. Denn dem Kaiser aufs engste alliirt, hatten auch die Spanier im Beginn des dreißigjährigen Krieges ihren Vortheil wahrgenommen und festeren Fuß am Rhein, in der Pfalz gefaßt. Innen aber war W. von früher her kaum minder als diesem Ferdinand zugethan. Eine große Interessengemeinschaft fand er zwischen ihm und ihnen; und wie er in Böhmen und Mähren mit der ständischen Erhebung zugleich das evangelische Bekenntniß als revolutionär bekämpfte, schien er entschlossen, nunmehr auch nach außen hin aufzutreten als Vertheidiger und Vorkämpfer des katholischen Princips, so wie die beiden habsburgischen Linien es repräsentirten. Politischer und militärischer Ehrgeiz trieb ihn dazu an.
Verschiedene Indicien sprechen für eine längere Vorbereitung auf seine neue Laufbahn. Als solches darf wol auch das Horoskop gelten, das er sich damals stellen ließ. In einem von phantastischem Aberglauben erfüllten Zeitalter war W. bekanntlich einer der Abergläubischsten; und nicht bloß seine Geschicke, auch die von Freunden und Feinden wollte er aus dem Lauf der Gestirne berechnen. Bereits 1608 oder 1609 hatte er, ein noch Unbekannter, sich nach dem Beispiel Kaiser Rudolf’s II. von Kepler, dem hervorragenden Astronomen und Hofastrologen, seine Nativität auslegen lassen. Und jetzt, gegen Ende des Jahres 1624, ließ er den Nämlichen durch seinen friedländischen Landeshauptmann v. Taxis auffordern, sie „latius et particularius zu diffundiren“. Nur sehr ungern unterzog sich Kepler dieser Aufgabe; ja, er bezeichnete es ihm offen als einen Wahn, „die Particularia aus dem Himmel vorauszusagen“. Nur unter großen Vorbehalten kam er in seiner Geldbedürftigkeit der Aufforderung nach. Bezeichnend aber sind die Fragen, die W. von ihm beantwortet zu wissen wünschte; z. B. ob er „extra Patriam“ sterben, ob er „auch extra Patriam Officia und Güter erlangen“, wie lange und in welchen Landen er dem Kriegswesen obliegen werde, ob er Glück oder Unglück davon zu erwarten habe u. s. w. Kepler’s Antwort vom 21. Januar 1625 war, obwol in astrologischer Form, absichtlich doch „generaliter“ gehalten; bedingungsweise verhieß sie W. Erhöhung seiner Autorität und Macht an Geld und Gütern, woraus ihm aber auch Feindschaft und Widerstand erwachsen würde. Sie verhehlte ihm nicht, daß zwischen ihm und dem Kaiser „wol allerhand laesiones zu erwarten sein würden“, und merkwürdiger Weise brach sie mit 1634, dem Jahr seiner Katastrophe, unter mysteriösen Warnungen ab. – Es ist eine unbegründete Sage, daß W. angesichts der großen Wendung, vor der er nun – neun Jahre früher – stand, sich gegen Ferdinand erboten habe, nicht weniger als 50 000 Mann ins Feld zu stellen und ohne Kosten des kaiserlichen Kriegsherrn durch Requisitionen zu erhalten. Nach den authentischen Acten dachte er zunächst doch nicht mehr als 20 000 Mann aufzubringen und, indem er diese eben sowol dem Kaiser als dem König von Spanien anbot, sie dorthin zu führen, wo es nöthig sein würde. Für jene Zeit war das immer schon eine recht ansehnliche Armee; und er war reich genug, sie durch seine Vorschüsse aufzustellen. Ein Contributionssystem aber, wie er es in Böhmen und Mähren eingerichtet, hielt er für unvermeidlich, um sie dauernd zu unterhalten. Zwei Parteien standen sich am Kaiserhofe gegenüber, die eine für, die andere gegen seine Anträge, die letztere nicht ohne Argwohn vor seinem immer weiter strebenden Ehrgeiz und auch sonst voller Bedenken. Indeß siegte die erstere unter Hinweis auf die Nothwendigkeit, dem Kaiser eine Kriegsmacht zu verschaffen, die den bevorstehenden Gefahren gewachsen sei. Die vorhandene [588] Armee war das keineswegs; im Reiche war Ferdinand noch ganz auf die Hülfe der katholischen Liga und auf die der Spanier angewiesen. Während die Spanier eben damals aber durch den Kampf mit den Holländern vollauf in Anspruch genommen waren, fürchtete auch die Liga unter Maximilian von Baiern, daß ohne starke Werbungen von Seiten des Kaisers den neuen Feinden, Dänemark an der Spitze, nicht zu widerstehen sein werde. Nach längeren Verhandlungen erfolgte denn die Ernennung Wallenstein’s zum „Capo über alles kaiserliche Volk im H. Röm. Reich und Niederland“, auf Grund eines kaiserlichen Documents vom 7. April 1625. Am 12. Mai theilte Ferdinand der Infantin-Regentin zu Brüssel seinen Entschluß mit: wegen der von Frankreich, von Dänemark und Schweden, von Bethlen Gabor und den Türken drohenden Feindseligkeiten, zur Errettung des H. R. Reiches wie auch seiner Erbkönigreiche seine bisherige Armee zu verstärken, besonders aber unter dem Commando Wallenstein’s, seines Oheims, des Reichsfürsten und Fürsten zu Friedland, noch neue Werbungen, und zwar von 21 000 Mann vorzunehmen. Unter dem 27. Juni ließ er demselben eine ausführliche Instruction für sein neues Amt zugehen, in welcher ausdrücklich noch die von dem „proscribirten Mansfelder“ zu befürchtende Kriegsgefahr hervorgehoben, zugleich aber das volle Vertrauen zu Wallenstein’s Person im Hinblick auf seine früheren Kriegsdienste ausgesprochen wurde. Dies mit der Erwartung, daß er auch „die fast verfallene Kriegsdisciplin“ wieder herstellen werde. Die neue Armee sollte nun „in Allem“ auf die Höhe von 24 000 Mann gebracht werden. Vom 25. Juli datirt sein eigentliches Generals-Patent. Merkwürdig ist, daß er in diesen verschiedenen kaiserlichen Acten abwechselnd Wallstein und Wallenstein genannt wird. Die richtige ursprüngliche Form „Waldstein“ war von den Tschechen der bequemeren Aussprache wegen in „Wallstein“, dieses Wort deutscherseits in „Wallenstein“ verwandelt worden. Und wie schnell sollte nun die letztere Form im deutschen Volksmunde die gebräuchliche werden!
Der glänzende Erfolg seiner Werbungen zeigte alsbald, daß ein außerordentlicher Mann auf der Bühne der Welt erschien. „Wie mit einem Schlage schuf er ein ganzes Heer.“ Vornehme Obersten spanischen und wallonischen, italienischen und kroatischen Namens, und unter den deutschen solche aus den regierenden Fürstengeschlechtern, empfingen von ihm die Patente zur Werbung der neuen Regimenter. Den größten Eifer verwandte er auf die Ausrüstung. Für die neuen wie für die alten vervollständigten, soweit diese mit ins Feld ziehen sollten, bestimmte er die Gegend von Eger zum Sammelplatz. Die Zahl von 24 000 Mann, die er selber zunächst nicht überschreiten wollte, soll angeblich schon im Juli erreicht worden sein. König Philipp IV. von Spanien, der Wallenstein’s Anerbieten von vornherein freudig begrüßt hatte, sah hierin das beste Mittel, sich seiner Eroberungen in der Pfalz gegen Mansfeld dauernd zu versichern. Nicht aber um diese handelte es sich damals, sondern in Niedersachsen, wo die Wahl des Dänenkönigs Christian IV. zum Kreisobersten als feindliche Demonstration gegen den Kaiser, ja nach der Auffassung in Wien und München als förmliche Kriegserklärung der Kreisstände wie des Königs erschien, galt es, der weitaussehenden Coalition der protestantischen Mächte entgegenzutreten. Und zwar gleichzeitig mit den Waffen des Kaisers unter W. und der Liga unter Tilly. Zur Erhöhung seines Ansehens war Ersterer schon im Beginn seiner Rüstungen, am 18. Juni, mit der erblichen Würde eines Herzogs von Friedland bekleidet worden – worauf er denn sogleich eine Successionsordnung für dieses „Herzogthum“, das ihn auch in seiner Abwesenheit lebhaft beschäftigte, ausstellen ließ. Insbesondere war und blieb er bestrebt, mit Hülfe der katholischen Kirche die Tendenzen der ständischen Erhebung bis auf den letzten Rest zu vertilgen. Beschenkte er neben den Jesuiten doch auch die alten Mönchsorden [589] als Förderer der inneren Mission, zumal die Augustiner, daselbst reichlich mit frommen Stiftungen, in der Erwartung, durch diese wie jene vornehmlich auf die Jugend und damit auf die Zukunft einzuwirken. Der gefürchteten Rückkehr des früheren rebellischen Besitzers von Friedland, die hinter seinem Rücken zu einem nachträglichen Aufstande des Landvolks hätte führen können, wußte er durch strenge Mandate vorzubeugen. Als höheres Ziel aber stand ihm jetzt vor Augen, die unbotmäßigen Stände Deutschlands zum Gehorsam gegen den Kaiser zurückzuführen, die sinkende Macht desselben wiederum zu heben. Sein Heer ließ er abtheilungsweise durch Franken, Thüringen, Hessen vorausziehen; mit den letzten Truppentheilen, auch mit einer eigenen Leibgarde und umgeben von einem förmlichen Hofstaate, verließ er selbst am 2. September Eger, um „gleich“ in den niedersächsischen Kreis einzurücken. Immerhin war Tilly dort schon geraume Zeit vor ihm erschienen, und mit dem zunächst hatte W. nothwendige Verabredungen zu treffen. Wol war ihm von Kaiser Ferdinand anempfohlen worden, den guten Rath dieses um vieles älteren, durch seine Feldzüge und Siege auch ungleich berühmteren bairisch-liguistischen Generallieutenants zu gebrauchen und sich ihm möglichst zu „accommodiren“, nur daß er dem kaiserlichen Vorrang und Respect nichts vergeben sollte. Während aber W. gerade hierüber, sowie über seinen persönlichen herzoglichen Vorrang auf das eifersüchtigste wachte, war er von vornherein auch schwerlich gewillt, trotz aller Achtung vor Tilly’s „tapferen Thaten“ sich Raths von ihm zu erholen. Er wünschte bei ihren Operationen, wenn nöthig, gegenseitige Unterstützung, dachte aber so wenig von ihm wie von irgend einem Anderen sich im Kriegswesen etwas vorschreiben zu lassen. Es entging ihm ohnehin wol nicht, daß Tilly’s oberstem Kriegsherrn, dem Kurfürsten von Baiern, zwar eine starke kaiserliche Hülfsmacht genehm war, schwerlich aber ein selbständiges Heer von der Größe und Ueberlegenheit, wie er, W., es soeben ins Feld führte. Im voraus scheint er so hinwieder auf dessen Eifersucht gefaßt gewesen zu sein. Die Welt sollte freilich von den früh aufkeimenden Differenzen so bald noch nichts erfahren. Mit Tilly gemeinsam erließ er von Hemmendorf aus am 13. October ein Manifest an die Directoren des niedersächsischen Kreises, worin ihnen auf sehr unbestimmte Nachrichten hin vorgeworfen wurde, es lieber mit dem geächteten Mansfelder als mit dem Kaiser zu halten. Beide Feldherrn begründeten damit ihren Einmarsch in den Kreis als unumgänglich und wiesen die Schuld an allem Unheil und Blutvergießen, das hieraus entstehen würde, von sich.
Wegen der vorgeschrittenen Jahreszeit war aber W. für jetzt auf nichts mehr bedacht als auf die Wahl seiner Winterquartiere und damit zugleich auf eine schnelle, doch sichere Occupation der besten und mit der wichtigsten Lande in diesem Kreise: nämlich auf die des Erz- und Primatstiftes Magdeburg und des gewissermaßen als zugehörig geltenden Stiftes Halberstadt. Da Tilly im Namen der Liga sein Auge ebenfalls schon auf beide Stifter geworfen hatte, so suchte W. ihn diplomatisch zum Verzicht zu bewegen, was in der That auch gelang. Und es war ein Gelingen von glücklichster Vorbedeutung, da große und mannichfache Interessen für W. und den Kaiser hier zusammentrafen. Vom militärischen Standpunkt aus war der Besitz dieser Gebiete von außerordentlichem Belang. W. gewann mit ihnen eine feste Basis an der Elbe; er gewann hier die fruchtbarsten Kornlande, von denen, bei einem noch erträglichen Contributionssystem, sich wol auf ausreichende Mittel zum Unterhalt seiner Armee rechnen ließ. Für deren Besoldung und für andere nothwendige Bedürfnisse, wie für die Munition beanspruchte er außerdem aber mit aller Bestimmtheit die Beihülfe des Kaisers, unter dauernder Heranziehung der böhmischen, der österreichischen Finanzen. Vom kirchlich-politischen Standpunkt aus bezeichnete die schnelle Einnahme [590] so hervorragender und seit Beginn der Gegenreformation so umstrittener Stiftslande ein allgemein katholisches und für Kaiser Ferdinand überdies ein ausgesprochenes dynastisches Interesse. Hier vor allem galt es aber auch, dem Dänenkönig zuvorzukommen, als dessen Verbündeter sich der protestantische Administrator beider Stifter, Markgraf Christian Wilhelm von Brandenburg, rückhaltlos erklärt hatte. Am Kaiserhofe wurde Letzterer als vornehmster Schürer der feindlichen Herausforderungen im niedersächsischen Kreise angesehen. Um ihn zu beseitigen, hatten der päpstliche Nuntius Carafa in Wien und Ferdinand’s Beichtvater, der Jesuit Lamormaini, bereits bei Wallenstein’s Abmarsch aus Böhmen eine kaiserliche Vorschrift ausgewirkt, wonach derselbe insgeheim die Domcapitel beider Stifter mit guten Worten und mit Drohungen im katholischen Sinne bearbeiten sollte – zu keinem geringeren Zweck, als daß sie den, freilich erst elfjährigen Kaisersohn Leopold Wilhelm zu ihrem Erzbischof und Bischof wählten. Die Abneigung dieser friedliebenden Capitel gegen die kriegerische Haltung ihres lutherischen Herrn war bekannt; hauptsächlich durch ihr Veto waren die von Christian Wilhelm geplanten Kriegsrüstungen vereitelt worden. Und so kam es, daß, während Christian IV., durch Tilly zunächst an der Weser in Schach gehalten, dem Administrator keine Hülfe leisten konnte, dessen beide Länder der Invasion der Wallensteiner gegenüber ohne Wehr und Schutz dalagen. Diese brauchten nur zuzugreifen – es war eine strategisch ebenso leichte als politisch bedeutsame Occupation, die der General zum größten Theil noch im October und November ausführen ließ.
Soviel nur möglich aber, hielt er auf strenge Kriegszucht; der Vormarsch und die Einlagerung seiner Soldatesca vollzogen sich ohne eigentliche Greuelscenen. Allein in ihrer bunten Zusammensetzung aus den verschiedensten, theilweise halbbarbarischen Nationen – die Deutschen waren vermuthlich noch in der Minderheit – hatte diese Armee vorläufig ein sehr zigeunerhaftes Aussehen. Und in Hoffnung auf Gewinn, auf Genuß zusammengebracht, ließ sie sich doch auch durch Beispiele unnachsichtiger Bestrafung – bisweilen wurden sechs Delinquenten auf einmal gehenkt – von Gewaltthätigkeiten, von Raub und Plünderung in den ihr preisgegebenen Landschaften und Städten nicht abschrecken. Daher denn die frühen Klagen der unglücklichen Einwohner beider Stifter, die an sich schon die Last der befohlenen Einquartierung als überaus drückend empfanden. Und zu der festgesetzten Naturalverpflegung kam doch auch bald die Forderung hoher Geldbeträge: in erster Linie für die Tafel des Generals selber, der, in Halberstadt und dann in Aschersleben seine Residenz nehmend, mit mehr als dem gewöhnlichen fürstlichen Pomp auftrat. Hierzu kam ferner eine stets wachsende Begehrlichkeit seiner höheren Officiere, die Habgier der Isolano, Cerboni, Colloredo, ihre Eigenmächtigkeit im Erheben übermäßiger Contributionen, die ihnen selbst zu unwürdigen Geldgeschäften dienen mußten, wie es scheint mit Wallenstein’s Connivenz. Gleichwol war es nichts weniger als seine Absicht, der Stiftsbevölkerung als Feind entgegenzutreten. In seiner Instruction war ihm aufgetragen worden, „durch sanfte politische Mittel“ auf die Gemüther zu wirken, um sie von der Gegenpartei zu trennen und auf die Seite des Kaisers zu bringen, weshalb auch der „Prätext der Religion“, als Hauptmotiv der rebellischen Anschläge, ihnen möglichst ausgeredet werden sollte. Dazu schien W. allerdings nun der rechte Mann zu sein. Scrupellos und von vornherein ein Meister des Mystificirens, versicherte er vor Capiteln und Städten, daß seine Einquartierung nur eine ganze[1] vorübergehende sein werde, während in Wirklichkeit seine Absicht, die beiden Stifter zu behaupten, bereits fest stand. Jener Plan, daß des Kaisers Sohn Erzbischof von Magdeburg werden sollte, war gerüchtweise schon bekannt geworden; W. scheute sich nicht, ihnen denselben förmlich als Verleumdung zu [591] bezeichnen. Scheinbar billigte er sogar durchaus die von den Magdeburger Domherren geplante Wahl des lutherischen Prinzen August von Sachsen zu ihrem Erzbischof, dies aber besonders, um seinen kurfürstlichen Vater Johann Georg und damit den mächtigsten der protestantischen Reichsstände ködernd hinzuhalten, solange der Ausgang der Dinge noch zweifelhaft war. Ueberhaupt doch hütete sich W. ungleich mehr als Ferdinand II., diesen gewaltigen Krieg, in den er soeben eintrat, als Religionskrieg erscheinen zu lassen. Anders und bei weitem schwieriger als in Böhmen lagen die Verhältnisse in Deutschland. Und hier nun wenigstens von jeder directen Religionsverfolgung absehend, suchte er vielmehr durch die Anstellung zahlreicher protestantischer Obersten in seinem Heere erst recht den Schein zu verbreiten, als sähe er seine Aufgabe ausschließlich darin, die kaiserliche Autorität im Reiche wieder herzustellen. Indirect freilich täuschte er damit, soweit sie noch ein religiöses Gewissen hatten, diese protestantischen Obersten selber. Am meisten getäuscht ward aber der kurzsichtige Kurfürst von Sachsen. Auch die Friedensverhandlungen, die unter dessen Vermittlung im Winter 1625/26 noch einmal auf einem Congreß der beiden Parteien zu Braunschweig stattfanden, dienten dem kaiserlichen Feldherrn in der Hauptsache nur dazu, für neue Rüstungen Zeit zu gewinnen. Die Nutzlosigkeit dieses Congresses, auf dem die großen Gegensätze bloß schärfer noch hervortraten, sah er voraus. Und allerdings durften er und Tilly den förmlichen Anspruch der niedersächsischen Kreisstände auf die religiöse Autonomie, im Hinblick namentlich auf die Bisthümer, noch weniger als den Anspruch auf politische Autonomie gewähren. So nahm denn der Krieg seinen Fortgang.
Von der einen Partei längst gehaßt und gefürchtet, von der anderen nie geliebt, aber längst erwartet, hatte der allbekannte Söldnerhäuptling Graf Ernst von Mansfeld, nachdem er einige Zeit für die Generalstaaten gegen die Spanier gekämpft, auf den Ruf des Dänenkönigs Christian seine durch englisch-französische Subsidien aufrecht erhaltenen und verstärkten Scharen nach Deutschland zurückgeführt. Schon im December hatte er sie bis an die Elbe vorgeschoben; von seinem Hauptquartier in Lauenburg aus war es ihm ein Leichtes, weiter zu gehen und auch die Pässe an der Havel einzunehmen. Zeitig genug hörte W. durch seine Kundschafter, er wolle von Brandenburg aus nach Böhmen ziehen oder in Schlesien eindringen. Dem zu begegnen, besetzte er zu Neujahr 1626 mit treffendem strategischem Blick den Elbpaß an der Dessauer Brücke und ließ diese durch Schanzen auf beiden Ufern befestigen. Eine Position von großer Bedeutung; dem Mansfelder war sie ein Dorn im Auge. Mit Verdruß sah er, wie unter ihrem Schutz der „Friedländer“ dem Administrator Christian Wilhelm am 6. Januar bei Jüterbok und am 16. Februar bei Burg eine Anzahl frisch geworbenen Volkes, auf das er für sich selbst gerechnet hatte, aufschlagen ließ. Er beschloß, diesem Feinde die Brücke zu entreißen, ihn über die Elbe zurückzuwerfen. Ein Beschluß, der ihm aber, da W. rechtzeitig darauf vorbereitet war, sehr übel bekam. Mansfeld’s unausbleibliche Niederlage hier vor Dessau am 25. April, die durch die Panik seiner Reiterei noch verschärft wurde, war Wallenstein’s erster großer Triumph im Felde. Taktisch und durch persönliche Tapferkeit hat er sich ausgezeichnet in diesem Treffen, das ihm das Uebergewicht an der Elbe verschaffte. Um so mehr aber trafen ihn nach diesem Ruhmestage gehäufte Vorwürfe von kaiserlicher, bairischer und auch von spanischer Seite, daß er von der Verfolgung jenes Gegners schnell wieder abgelassen, sein meistes Volk über die Elbbrücke aus freien Stücken auf das linke Ufer zurückgeführt habe, daß er Mansfeld in der Mark Brandenburg schalten und walten ließe und ihm auch noch einen außerordentlichen Vorsprung nach Schlesien gewährte. Gewiß ist, daß W. den Mansfelder nach der Schlacht ebenso unterschätzte, als er ihn vorher [592] wol überschätzt hatte. Vorher hatte er hauptsächlich seinetwegen für nöthig erachtet, die Armee auf 50 000 Mann Feldtruppen und mehr zu erhöhen; er hatte für diese weitere Ausrüstung Forderungen von „über 5 Millionen Reichsthaler“ an den Kaiserhof gestellt. Er war nicht müde geworden, auf die für Schlesien und Böhmen drohenden Gefahren aufmerksam zu machen und auf schleunige umfassende Vertheidigungsmaßregeln zu dringen. Aeußerst verstimmt, weil diese Mahnungen in Wien nicht beherzigt wurden, sowie auch weil er von dort ohne Geld zur Besoldung seiner Truppen und ohne Munition gelassen wurde, hatte er wiederholt schon mit seinem Abschied gedroht. Die von ihm besetzten Stiftslande mußten ihm freilich jenen Mangel entgelten; und unter nichtigen Vorwänden einen stets schärferen Ton fingirter Ungnade gegen Capitel und Städte, besonders gegen Halle, die zweite erzstiftische Hauptstadt anschlagend, zog er die Steuerschraube stets rücksichtsloser an. Die beiden protestantischen Stifter mußten seine Truppen wol zum weitaus größten Theil unterhalten. Seine Anordnungen zur Bestellung der Aecker und zur Wiederbebauung des Landes machten wenig Eindruck. Man sah sich feindlich behandelt und würde nach dem Treffen an der Dessauer Brücke Wallenstein’s Abmarsch zur Verfolgung Mansfeld’s aller Orten mit Freuden begrüßt haben. Allein er blieb in seiner ganzen bisherigen Stärke nicht bloß in seinen alten Quartieren liegen, sondern er wollte diese jetzt sogar noch durch Truppen aus Schlesien und Böhmen verstärken. Er wähnte, wie sich aus seinen Briefen an seinen Schwiegervater Karl v. Harrach ergibt, daß Mansfeld den früheren Plan aufgegeben habe, daß er, von Fußvolk entblößt, „auf ewig“ abgethan sein werde, sobald er noch die Reste seiner Reiterei verlieren würde. Durch Verhandlungen suchte W. die letzteren an sich zu ziehen und hoffte, die märkische Ritterschaft werde mit ihrem Kurfürsten auf Grund einiger kaiserlicher Patente willig und an sich stark genug sein, jenen unbequemen Gast aus ihrem Lande zu vertreiben. Hingegen hielt er es nach den nämlichen Briefen bereits für seine Aufgabe, sich direct gegen König Christian und dessen Armee in der Altmark zu wenden und, indem er auch diesen Feind unterschätzte, mit Tilly vereint ihn die Elbe hinunter „bis in Dänemark zu jagen“. Immer häufiger sprach er in den nächsten Monaten davon, nach Holstein marschieren zu wollen „und der Sache aufs eheste als möglich ein Ende zu machen“. Er unterschätzte bei alledem auch Tilly’s anderweitige Operationen, die Aufgaben, die seinen liguistischen Collegen damals noch fern an der Weser festhielten. Er sah in ihnen nur unnöthige Verhinderungen des Hauptwerkes und darin, daß Tilly ihm nicht ohne weiteres zu Willen war, mit wachsendem Unmuth die Wirkungen von Intriguen und einer selbstsüchtigen Abneigung der Liga oder mindestens des Kurfürsten von Baiern gegen ihn. Tilly sei der bairischen Commissarien Sklave, müsse wider seine Vernunft handeln, werde aber – wie er sarkastisch hinzufügte – wegen der Geduld, die er mit diesen „Hundsföttern“ habe, bei Gott die Märtyrerkrone erlangen. Auch eine nochmalige Zusammenkunft beider Feldherren, in Duderstadt zu Anfang Juli, brachte den gewünschten Erfolg nicht. Und dazu eben fand sich W. von seinem kaiserlichen Herrn selbst im Stich gelassen. „Wer ein Narr will sein und eine Armee in vierzehn Tagen ruiniren“, der möge sie unter solchen Umständen – ohne Geld, ohne Munition und Fourage – ins Feld führen. Erhielte er nicht sofort 100 000 Reichsthaler, so werde diese Armee wie Butter an der Sonne zergehen. Ein Heer, wie der Kaiser nie gehabt – klagte er Mitte Juli noch in Aschersleben –, habe er ihm aufgebracht und dafür noch keinen Heller von ihm empfangen. Mit vollstem Selbstgefühl schrieb er an seinen Schwiegervater: hätte er so viel an seiner Seele Seligkeit als an des Kaisers Dienst gedacht, so käme er gewiß in kein Fegefeuer und viel weniger in die [593] Hölle. Mehr aber noch als mit Undank belohnt glaubte er sich bereits verleumdet bei Hofe und begann, auch diesem Ferdinand II. zu grollen. „Mir ist nicht möglich zu bleiben, dieweil ich mich übel tractirt sehe.“
Da jedoch trafen ihn in seinem Ascherslebener Hauptquartier bedrohliche Nachrichten in Bezug auf Schlesien. Nicht allein Mansfeld hatte, unter der Hand und unvermerkt, rastlos von neuem in der Mark geworben. W. vernahm, daß außer Mansfeld auch der Herzog Johann Ernst von Sachsen-Weimar, ja daß der Schwedenkönig Gustav Adolf längs der Oder nach Schlesien vorrücken wolle, und mehr noch, daß auch Bethlen Gabor, der Fürst von Siebenbürgen, sich nochmals erheben, sich mit diesen Feinden vereinigen werde. Da war es ein Gebot militärischer Ehre für ihn, beim Kaiser auszuharren und die bedrohten Erbländer, wo er außerdem den Ausbruch neuer Aufstände befürchtete, zu retten. Sofort ließ er den Obersten Pechmann mit 5000 Mann in Eilmärschen nach Schlesien abgehen und beschloß, ihm mit dem Gros der Armee zu folgen, zumal da er hörte, daß Bethlen mit einer großen Menge Türken und Tataren im Felde erscheinen werde. „Er wird – besorgte W. – wie ein Platzregen kommen.“ Wie bei der Brücke vor Dessau hoffte er den Mansfelder jedoch auch in Schlesien zu schlagen, und mit ihm den von Weimar, um so beide noch bei Zeiten von dem Siebenbürger abschneiden zu können. Seinem Entschluß, dem Ersteren nun deshalb schleunigst nachzusetzen, traten aber, als er schon unterwegs und bis Zerbst gelangt war, ernste Bedenken entgegen: sein Abzug möchte den Verlust seiner Occupationen in Deutschland nach sich ziehen, den der ihm unentbehrlich gewordenen Stiftslande, obwol er sie dem Commando Aldringen’s, eines seiner tüchtigsten Obersten, unterstellt, in vielen Städten Besatzungen und zur Verstärkung Tilly’s noch 8000 Mann unter dem Herzog Georg von Lüneburg zurückgelassen hatte. Das war namentlich geschehen, um seine Posten an der Elbe zu behaupten; indeß fand er bei Tilly nach wie vor nur geringe Neigung, sich dorthin zu begeben. Er tadelte ihn scharf, daß er sich in eine, wie es schien, unabsehbare Belagerung von Göttingen eingelassen habe und dadurch an der ungleich wichtigeren Aufgabe, die Elbe gegen die Dänen zu halten, behindert werde. Er selber sah sich eben dadurch in seinem Marsch nach Schlesien gehemmt. Kurzum, dieses „bösen Göttingens“ wegen ging wieder eine kostbare Zeit verloren. Als es am 11. August capitulirte, hatte Mansfeld in der That einen nicht mehr einzuholenden Vorsprung gewonnen; eiligst zog er weiter nach Ungarn, um seine Vereinigung mit Bethlen dort ungestört zu vollziehen. „Ich muß mich nun gefaßt machen, mit beiden zugleich zu raufen“, sagte, endlich ihm nachsetzend, der kaiserliche General, noch in der Hoffnung, mit beiden fertig zu werden. Der Sorge wegen einer schwedischen Invasion vorläufig enthoben, drängte er auf seinem Marsch nach Ungarn, das er zu Anfang September betrat, beim Kaiser doch auf die Werbung von einigen tausend Polen. Mit deren Hülfe und an der Hand eines älteren Planes, Bethlen durch einen angesehenen siebenbürgischen Rivalen zu stürzen, fühlte er sich unterwegs schon als Sieger. Mit Bethlen, Mansfeld und den Türken zugleich wollte er, wenn nöthig, jetzt es aufnehmen. „Es graust mir vor ihnen Allen nicht.“ Laut hatte er bei seinem Aufbruch vor sich her getragen, daß er mit 50 000 Mann anmarschirt komme. Seinen Vertrauten gestand er jedoch, daß er, mit Einschluß der Truppen Pechmann’s, nicht über 20 000 Mann effectiv habe. Alles Uebrige hatte er, wol aus freier Verfügung, dennoch der Nothwendigkeit gehorchend, im Reich zurückgelassen. Und dorthin, wie einer höheren Aufgabe, wünschte er sobald als möglich zurückzukehren. Inzwischen konnte er mit Genugthuung die Nachricht vernehmen, daß zu dem großen Siege Tilly’s über den Dänenkönig bei Lutter a. B. (27. August) seine eigenen Truppen erheblich beigetragen hatten.
[594] Sein ungarischer Feldzug brachte ihm aber keineswegs die erwarteten Lorbeeren. Es verstimmte ihn förmlich, daß die Türken ihre Belagerung von Novigrad – die doch bloß ein Scheinmanöver war – bei seinem Anmarsch (Ende September) aufhoben und ihm damit „eine schöne Victorie“ entging. Es ärgerte ihn noch mehr, daß Bethlen, dem er am 30. schlagfertig am Granfluß gegenüberstand, ihm unter allerhand Finten zur Nachtzeit entschlüpfte, wie er sagte: „schändlicher Weise feldflüchtig wurde“, statt sich am nächsten Morgen von ihm in die Flucht schlagen zu lassen. Schlechte Witterung und Mangel an Lebensmitteln nöthigten ihn, von der Verfolgung desselben abzustehen und sich nach Neuhäusel zurückzuziehen. Die überaus elenden Quartiere, die er hier vorfand, veranlaßten ihn aber schon im October zur Fortsetzung seines Rückzuges über die Waag nach Tyrnau. So ungünstig war seine Lage, daß er selber dem Kaiser nachdrücklich rathen ließ, auf Friedensanerbietungen, die Bethlen Gabor machte, einzugehen. Sobald als möglich wollte er dies „Schelmenland“ verlassen, um demnächst in Schlesien die von den Mansfeldischen und Weimarischen Truppen dort auf dem Durchmarsch eingenommenen Plätze zurückzuerobern. Jetzt kämpfte er mit Hunger und Krankheit; seine Armee schmolz täglich mehr zusammen. Er fürchtete Meutereien, während, wie er vorausgesehen, sein ungarisches Hülfscorps sich als ganz unzuverlässig erwies. Die Polen, auf die er gerechnet, blieben aus. In einen Hinterhalt gelockt, geriethen einige seiner namhaftesten Officiere in feindliche Gefangenschaft. Ein Schlag kam zu dem anderen, worüber sich am Kaiserhof immer tiefere Mißstimmuug kundgab. Wallenstein’s Gegner im Hofkriegsrath wünschten offen seine Abberufung. Nur mit großer Anstrengung gelang es seinen Freunden, das Mißtrauen des Monarchen gegen den „Obersten Feldhauptmann“ zu überwinden – mit kaum geringerer Anstrengung ihn selbst, der sich aufs äußerste gereizt fand, zu beschwichtigen und seinen Rückzug abzuwenden. Von seinem Schwiegervater vorbereitet, erfolgte zwischen ihm und dem leitenden Minister des Kaisers, dem ihm vor Anderen wohlgesinnten Fürsten von Eggenberg, am 25./26. November eine Unterredung zu Bruck an der Leitha. Es war eine Aussprache von weittragender Bedeutung, über die wir leider noch zu wenig sicher unterrichtet sind, die jedenfalls aber zweierlei zur Folge hatte: die officielle Zustimmung von oben zu den Grundsätzen der Kriegführung Wallenstein’s, welche dieser völlig zu rechtfertigen wußte, und die Befestigung seiner Befehlshaberstellung, vermuthlich sogar unter wesentlicher Erweiterung seiner Machtbefugnisse. Eine großartige Vermehrung der kaiserlichen Streitkräfte hatte er für unerläßlich erklärt, und sie wurde ihm bewilligt, wie man anzunehmen Grund hat, mit dem Rechte, selbständig und ohne Unterschrift des Kaisers Bestallungs- und Werbepatente auszustellen. Selbständig, beanspruchte er auch, für die Dauer des Krieges Anweisungen auf die böhmische Contribution oder Landsteuer, eine der kaiserlichen Haupt-Einnahmequellen, zu ertheilen, während er fortfuhr, auf die Reichscontributionen so bestimmt wie auf eine starke Einlagerung der kaiserlichen Streitkräfte im Reiche sich Rechnung zu machen. Sah er doch in der Fortsetzung seines Krieges daselbst wider Dänemark eben seine wichtigste Aufgabe und in dem Gegenbestreben der Feinde, den Schwerpunkt des Krieges – „sedem belli“ – in die kaiserlichen Erbländer zu verlegen, eine militärisch und politisch gleich erhebliche Gefahr. Nur um so mehr drängte er deshalb zum Abschluß des Friedens mit Bethlen. Am 28. December kam derselbe in Preßburg zu Stande, nachdem der treulose Siebenbürger seinen Bundesgenossen Mansfeld längst so gut wie preisgegeben, dessen Heer sich hatte verlaufen lassen, ohne daß der kaiserliche General mit Letzterem noch einmal zusammengetroffen. Und noch vor dem Friedensschluß war dieser einst am meisten gefürchtete Mansfelder in Bosnien elend zu Grunde gegangen. Von der kaiserlichen Armee selbst aber [595] soll infolge der erlittenen Strapazen in Ungarn nicht weniger als die Hälfte umgekommen sein. Sie war, bekannte W., „so destruirt, daß es nicht zu sagen“. Und da half es nun nichts: zu ihrer Erholung mußten ihr die nöthigen Winterquartiere gerade in den kaiserlichen, in den deutsch-böhmischen Erblanden angewiesen werden. Er kümmerte sich nicht um den Unwillen, mit welchem namentlich die hohe Geistlichkeit sie hier eintreffen sah. Von Prag aus betrieb er im neuen Jahr (1627) die Reconstruction dieser Armee oder richtiger die Aufbringung einer neuen im größten Maßstabe. Als seinen Zweck bezeichnete er die Rettung des H. R. Reichs und die Herstellung des Friedens. In staunenerregender Ausdehnung ließ er seine Werbungen und Musterungen durch die von ihm ausgesandten Officiere ins Werk setzen; so am Rhein und von da bis zur Eifel und bis Saarbrücken, in der Wetterau, in Schwaben, zumal auch im fränkischen Kreise, am Harz, in der Mark Brandenburg u. s. w. Nicht im Stande, für alle dies die nöthigen Mittel anzuweisen, soll er seinen Werbern allerdings nun den Rath, wenigstens mündlich, ertheilt haben, das Geld zu nehmen, wo sie es bekommen könnten. Er hatte ja vom Kaiser die Ermächtigung zu außerordentlichen Werbungen erhalten – was indeß nicht verhinderte, daß sein Verhältniß zum Hofe ein gespanntes blieb. Ueber dessen Lässigkeit, über Schwierigkeiten, die ihm von dort gemacht wurden, sprach er sich noch häufig in gereiztem Tone aus. Ebenso wie über die angeblichen Intriguen, deren er den Kurfürsten von Baiern bezichtigte.
Hinlänglichen Grund zu Beschwerden gab aber nicht allein diesem, sondern auch den anderen liguistischen Fürsten und allen sonst betroffenen Ständen, sowie ihren Unterthanen die Rücksichtslosigkeit, mit der der General und seine Werkzeuge hinfort im Reiche vorgingen. Eine brutale Säbelherrschaft drohte selbst solchen Territorien, die, wie der fränkische, wie der kurrheinische Kreis, noch weitab vom Kriegsschauplatz lagen. Als Haupt der Liga hegte jener eifersüchtige Kurfürst den Argwohn, daß W. mit dem übermächtigen Anschwellen des kaiserlichen Heeres es auf Schmälerung und Schädigung der liguistischen Gebiete abgesehen habe. Und nicht weniger als die fortgesetzte Anstellung zahlreicher unkatholischer Obersten durch W. verstimmte es ihn, daß sich auch viele katholische durch Aussichten auf reicheren Lohn und andere glänzende Verheißungen von seiner Seite anlocken ließen und von Tilly zu ihm übertraten. Heftige Klagen über Bedrückungen aller Art durch die neu geworbenen Wallensteiner erhoben die geistlichen Fürsten. Und so erschien am 9. Mai eine Gesandtschaft der Liga beim Kaiser mit dem Gesuch um Abstellung ihrer Beschwerden. W. selber, von Ferdinand nach Wien gerufen, hörte sie an; wol die Mißbräuche, nicht aber die Werbungen, wie sie es wünschte, versprach er abzustellen. Der Hartnäckigkeit ihres Wunsches setzte er seinen ganzen Trotz entgegen; sollte denn, fragte er, der Kaiser bloß „eine Statua“ sein? Die Gesandten erwiderten ihm: nicht das Reich nur habe dem Kaiser, sondern der Kaiser auch dem Reiche geschworen. Ein principieller Gegensatz zwischen den Forderungen kaiserlicher Prärogative und reichsfürstlichen Ansprüchen ward hiermit angedeutet: nicht von Ferdinand selber, der seinen Obersten Feldhauptmann schalten und walten ließ, aber eben von diesem, der sich ganz als Dictator fühlte, der sich auch vom Hofe nicht gebieten lassen wollte, weil er am besten wisse, was zur Herstellung der kaiserlichen Autorität gehöre. Seine Majestät – erklärte er damals einem kurbrandenburgischen Gesandten – müsse eine große Macht haben gegen so viele und große Feinde, wie Dänemark, Schweden, Holland, Frankreich, England, Venedig, die Türken und Bethlen Gabor, sowie gegen alle die Widersacher im Reiche. Von inniger Hingebung an die Person des unzulänglichen und militärisch unfähigen Monarchen dabei weit entfernt, diente er ihm nur der Sache halber und [596] aus Ehrgeiz, von ihm, für den er „Gut und Blut spendire“, immer neuen Dank verlangend. Seine Stellung zur Liga aber kennzeichnet der Rath, den er ihm noch während der Anwesenheit ihrer Gesandtschaft in Wien ertheilte: er möge ihr Satitsfaction durch die Erklärung geben, daß fortan keine Einquartierung auf der Liguisten Gebiet mehr geschehen solle, hingegen sollten sie jedoch ihr Volk im Reiche nicht ausbreiten dürfen; der Kaiser möge sich als Kaiser erzeigen und sich unbillige Sachen nicht zumuthen lassen. Die Hülfe der Liga betrachtete W. als einen demselben schuldigen Tribut. Entschlossen, sie in gehörige Schranken zu verweisen, schritt er rastlos auf der von ihm eingeschlagenen Bahn vorwärts.
Noch im Monat Mai hieß es, daß er für den schlesischen Feldzug – seine nächste Aufgabe also auf dem Wege nach dem Reiche – bereits wieder 30, ja 40, wenn nicht gar 50 000 Mann zur Verfügung habe. War Letzteres auch übertrieben, so freute er sich doch im voraus der Uebermacht, mit der er dem „Unwesen in Schlesien“ ein baldiges Ende bereiten werde. Und daneben konnte er auch noch dem König Sigismund von Polen eine Truppenabtheilung zusenden, um dem in Preußen eingedrungenen Schwedenkönig zu widerstehen, ihn am Vordringen nach den Erblanden zu verhindern. „Denn wir hätten nachher an dem Schweden viel einen ärgern Feind, als am Türken“ – wie richtig sah W. die von Gustav Adolf drohende Gefahr vorher! Auch seinetwegen schien es dringend nöthig, Schlesien vom Feinde zu säubern. Den von dem Mansfelder und dem ebenfalls schon verstorbenen Herzog Johann Ernst von Weimar dort zurückgelassenen und ihren überdies dorthin aus Ungarn zurückgeführten Truppen leisteten die protestantischen Schlesier Vorschub und directe Hülfe, so daß sie unter der tüchtigen Leitung des dänischen Kriegscommissars Mitzlaf wol gegen 8000 Mann ausmachten und sich getrauten, mit der Unterstützung Bethlen Gabor’s die occupirten festen Plätze zu halten. Allein ihr Vertrauen auf diese Unterstützung war ein verhängnißvoller Irrthum. Da sie ausblieb, mußten sie schnell nach einander Leobschütz, Jägerndorf, Kosel, ihren wichtigsten Posten, den mächtig andringenden Kaiserlichen trotz ihrer muthigen Gegenwehr übergeben und schließlich, nach einer zweiwöchentlichen Belagerung, auch Troppau, das für seinen hartnäckigen Widerstand schwerer als die anderen Städte durch eine unbarmherzige Brandschatzung bestraft wurde. Der Rest von Mitzlaf’s Truppen wurde auf der Flucht aufgerieben; nur Wenige entkamen mit ihm selber nach Pommern. Um aber Schlesien von der Verbindung mit der Stellung der Dänen an der unteren Elbe und der Weser abzuschneiden, hatte W. schon bei Zeiten seine in der Altmark unter Georg von Lüneburg verbliebenen Truppen an und über die Havel vorrücken lassen, hatte er, gestützt auf seine neuen Werbungen, umfassendere Einlagerungen im Brandenburgischen unter Besetzung der dortigen Pässe und schon auch die Besetzung Frankfurts a. O. angeordnet. Der machtlose Kurfürst Georg Wilhelm mußte ihm zu Willen sein, zumal als nun, früh im August, der schlesische Feldzug beendigt war. Voller Energie und Umsicht hatte W. dies erreicht; den größten Theil seiner Mühe hätte er sich gleichwohl ersparen können, wenn er nicht ein Jahr zuvor den geschlagenen Mansfelder neue Kräfte in der Mark hätte gewinnen lassen. Jetzt aber stand ihm nichts mehr im Wege, nach Niedersachsen zurückzukehren und sich unmittelbar gegen den König von Dänemark zu wenden. In Eilmärschen geschah das und, die Mark passirend, hielt er sich nirgends auf. An der unteren Elbe, in Lauenburg traf er mit Tilly am 1. September zusammen, um aufs neue mit ihm nothwendige Verabredungen für das bevorstehende größere Unternehmen zu treffen. Allerdings aber war er auch darum so geeilt, um dem liguistischen Oberfeldherrn noch rechtzeitig [597] die Siegespalme streitig zu machen, um zu verhindern, daß durch Tilly der Kurfürst von Baiern „dominus dominantium“ im Reiche werde.
Der arglose liguistische Feldherr hatte Wallenstein’s Rückkunft dagegen herbeigesehnt, um mit ihm vereint diesen Krieg desto eher zu einem glücklichen Ende zu bringen. Denn so große militärische und politische Erfolge er selbst auch während der langen Abwesenheit Wallenstein’s im niedersächsischen Kreise erkämpft hatte: noch war der Muth König Christian’s IV. nicht gebrochen, noch war derselbe entschlossen, ein weites und bis dahin intactes Gebiet gegen seine Feinde zu vertheidigen. Auch er freilich setzte trügerische Hoffnungen auf Bethlen Gabor und auf andere auswärtige Verbündete. Wie wollte er im Ernst einem Tilly, einem Wallenstein in ihrer vereinigten Uebermacht widerstehen! Im Bewußtsein dieser Uebermacht stellten die beiden katholischen Generale dem König alsbald von Lauenburg aus sogenannte Friedensbedingungen, die ihres schroffen Tones und mehr noch ihres Inhalts wegen unannehmbar waren. Sollte er doch unter Anderm sogar auf sein Herzogthum Holstein Verzicht leisten. Sie aber gedachten ihre Forderungen mit Gewalt durchzusetzen. Schon am 6. rückten sie gemeinsam an der Spitze ihrer Heerscharen ins Feld, auf Holstein los, nachdem W. in aller Stille für die Besetzung Mecklenburgs durch kaiserliche Truppen vorgesorgt hatte. Dieser Feldzug gegen den König war aber mehr eine militärische Promenade als ein Krieg zu nennen. Denn auf eine solche Feindesmacht nicht gefaßt, wichen die Dänen in Bestürzung und Verwirrung von Altona bis auf Rendsburg zurück; ihre Angreifer folgten ihnen unmittelbar nach. Nur zwei belangreichere Actionen hielten diese für nöthig unterwegs auszuführen. Die festen Schlösser Pinneberg und Breitenburg mußten mit Gewalt genommen werden. Das Vorgehen gegen Pinneberg ward nun indeß von einem unerwarteten und folgenschweren Fall begleitet. Einen Tag vor der Uebergabe, am 11. September wurde nämlich Tilly vom Wall aus durch einen Schuß verwundet, der ihn für geraume Zeit kampfunfähig machte und dem Kriegsschauplatz entzog. Dem Friedländer erwuchs hieraus die willkommene Gelegenheit, allein die Oberleitung in die Hand zu nehmen und die Mehrzahl der liguistischen Truppen dort an sich zu ziehen. Von vornherein war er „prächtig und anmaßend“, als kaiserlicher General die erste Rolle beanspruchend, aufgetreten. Jetzt schlug er den unglücklichen Rivalen, der seine Operationen erst später im Bremischen wieder aufnahm, gewissermaßen aus dem Felde.
Schon am 24. September schrieb er frohlockend: „Unsere Sachen Gott Lob stehen wohl; ich hab Mecklenburg und das meiste Theil von Holstein inne; verhoffe noch dies Jahr Schleswig und Jütland auch zu bekommen, und alsdann rathe ich zum Frieden.“ Denn der Gegner werde sich diesen demnach leichter dictiren lassen. An eine dauernde Eroberung der cimbrischen Halbinsel dachte W. noch nicht; er erklärte eine solche sogar für unmöglich, während er bereits eine neue großartige Unternehmung, einen Eroberungszug gegen die Türken ins Auge faßte. Vorläufig aber zog er weiter auf Rendsburg. Eine drohende Demonstration ließ hier die wenig muthige Besatzung nach kurzer Bedenkzeit am 16. October capituliren. Noch im Lager davor, am 12. hatte er seinen „treulichen“ Rath zum Frieden nach Wien hin wiederholt. Allein schon die nächsten Tage brachten eine vollkommene Aenderung seiner Ansichten und Pläne. Mit seinen reißenden Erfolgen oder richtiger mit denen seines unermüdlichen Feldmarschalls, des Grafen Schlick, der, vom Kriegsglück ganz besonders begünstigt, schon nach Schleswig und Jütland vorgedrungen war, wuchs doch auch dem Oberbefehlshaber das Begehren. Ein neuer glücklicher Schlag des Feldmarschalls bei Aalborg (18. October) machte ihn über Erwarten schnell zum Herrn der eben genannten Länder und damit des gesammten dänischen Festlandes. [598] Der König flüchtete nach Fünen; es hieß, daß seine Unterthanen rebellirten. Und schon am 30. erklärte W., im nächsten Sommer ihn selbst auf seinen Inseln aufsuchen zu wollen – mit Schiffen, um deren Herbeischaffung er sich von nun ab eifrig bemühte. Wir müssen, sagte er spöttisch, ihm seine Visite erwiedern. Und mehr noch, bei zunehmendem Frost, im November, faßte er den Plan, sich der Inseln Fünen und Alsen mitten im Winter zu bemächtigen. Je mehr Land man dem Könige wegnehme, um so eher würde er Frieden machen; und wenn er nicht wolle, so könne der Kaiser, im Besitz dieser Inseln, den Rest ihm im nächsten Jahre desto leichter nehmen. Doch auch damit noch nicht genug. Als im December die irrigen Gerüchte von einem Abfall der Dänen, von dem Entschluß der Stände, sich einen andern König zu wählen, bei W. nur zu leicht Glauben fanden, kam ihm allen Ernstes der Gedanke, keinen Geringern als den Kaiser ihnen zu dieser Wahl vorschlagen zu lassen. Er wollte sich dann für die Aufrechterhaltung ihrer Privilegien und Freiheiten verbürgen. Sonst, wenn sie mit Gewalt bezwungen würden, „so sind sie unser Leibeigen“. Es waren allzu kühne Voraussetzungen und Erwartungen, charakteristisch aber für seine gehobene Stimmung. Die an sich geringeren Erfolge, die gleichzeitig und in gehöriger Entfernung von ihm die liguistische Heerführung davon trug, konnte er neidlos mit ansehen; über den nämlichen Feind gewonnen, kamen sie ihm indirect gleichfalls zu Gute. Und so schrieb er damals einem militärischen Vertrauten: „Wenn wir Kurbaiern recht auf unserer Seite haben, so sind wir Patroni nicht allein von Deutschland, sondern von ganz Europa“. Dennoch war der Ton der Liga, mit Baiern voran, gegen ihn selber bereits mehr als herb geworden. Erst vor Kurzem, auf dem Kurfürstentage zu Mühlhausen im October, hatte sie über den unerträglichen Druck seiner Militärdictatur im Reiche, die ihr als Verletzung der Reichsverfassung galt, bittere Beschwerde geführt. W. schien diese nicht zu beachten; jedoch war er klug genug, den Bogen nicht noch straffer zu spannen. Als wollte er den aufgebrachten Fürsten wenigstens zeigen, daß es ihm mit einer strengen Heeresdisciplin Ernst sei, erließ er gerade damals, unter Androhung harter Strafen, eine Reihe neuer Befehle an seine Officiere und Soldaten zur Erhaltung von Zucht und Ordnung in den verschiedenen Quartieren, zur Einstellung ihrer „Insolentien“ gegen die unschuldigen Einwohner. Schärfer vielleicht als seit lange bestrafte er die Missethäter, ließ geflissentlich auch solchen von höherem Range unnachsichtig den Proceß machen. Den Obersten v. Görzenich, der einer der schlimmsten gewesen, ließ er, als er noch vor Rendsburg lag, auf freiem Felde enthaupten.
Und im Bestreben, den Bruch mit der Liga zu vermeiden, nahm er nun auch, von der früher ausgesprochenen Maxime abgehend, auf die von Tilly sehr gewünschte Erweiterung der liguistischen Quartiere Bedacht. Er selber empfahl ihm im December, die Grafschaften Oldenburg und Ostfriesland zu besetzen. Andererseits freilich hatte er nun auch hierbei die bestimmte Absicht, den liguistischen Feldherrn von seiner eigenen Macht- und Interessensphäre, sowol an der Ostsee als in Franken, möglichst fern zu halten; und außerdem die, seinen Freunden, den Spaniern gefällig zu sein, da dieselben insbesondere auch von Ostfriesland aus die holländischen „Rebellen“ im Zaum gehalten zu sehen wünschten. Aber einen noch viel weiteren Plan faßte er damit ins Auge: den einer systematischen Occupation der gesammten deutschen Küste und aller ihrer Häfen durch die beiden katholischen Heere – vorläufig bloß von Emden, das die Holländer fest besetzt hielten, abgesehen. Wie er diese Aufgabe in Bezug auf Pommern und Mecklenburg für die seinige hielt, wie er die militärische Behauptung dieser Ostseeländer eben sich und seinen kaiserlichen Truppen ausschließlich vorbehielt, so wies er mit der [599] Genehmigung oder, wie es officiell hieß, auf Befehl des Kaisers die Länder an der Nordsee dem liguistischen Collegen an. In dessen Händen befand sich ohnehin schon ein größerer Theil des Bremer Landes; und Wallenstein’s Initiative folgend, dehnte Tilly nun wirklich seine Quartiere über Oldenburg und Ostfriesland aus. Eine wachsende Fülle von Interessen und Aufgaben trat hervor. Um beide Meere mit einander zu verbinden, wollte der Friedländer von Kiel aus einen Canal im nächsten Sommer graben lassen; ein freilich noch sehr unreifer Plan. Wenn aber dadurch die Berührung des Sundes überflüssig gemacht werden sollte, so bedeutete sein Plan einer Flottengründung einen noch schwereren Schlag gegen Dänemark. „Ich will“, sagte er, „aufs Jahr (1628) stark auf der See mich befinden.“ Mit Hülfe der Spanier wie der Hansestädte, die ihm je 24 Schiffe liefern sollen, beabsichtigt er, sich und dem Kaiser so schnell als möglich eine Marine zu schaffen – eine Ostsee- und eine Nordsee-Armada, die, durch jenen Canal sich näher verbunden, ganz unter seinem Commando stünden. Mit dem Titel: „General des Kaisers“, d. i. als Reichsadmiral über eine Seemacht von 48 Schiffen, plant er so eine Herrschaft auf beiden Meeren, ohne dabei der Liga zu gedenken, wol aber im Anschluß an die spanische Kriegsflotte zu Dünkirchen. Alles dies bespricht er eingehend mit dem spanischen Staatsmann Graf Sforza, der, von der Regentin der Niederlande aus Brüssel gesandt, ihn auf seinem Siegeszuge durch Holstein begleitete. Um die Spanier für seine hochstrebenden Pläne zu gewinnen, kam er wieder einigen ihrer Wünsche entgegen, nur allerdings nicht ihrem Hauptwunsch, der den offenen Bruch von Kaiser und Reich mit den Holländern betraf. In Bezug auf diesen höchst gefährlichen Punkt hielt er die Infantin Isabella ausweichend hin, indem er sich hinter die Abneigung der Liga gegen einen solchen Bruch verschanzte. Dagegen verhieß er ihr, den Holländern unter der Hand allen nur möglichen Abbruch thun zu wollen; und so ließ er sich auch das gerade damals von Madrid und Brüssel aus emsig betriebene Project eines Handelsbündnisses, einer „Compagnie“ zwischen Spanien und der Hanse wohl gefallen. Besondere Hoffnung setzte er auf den spanisch gesinnten Grafen Schwarzenberg, der als kaiserlicher Gesandter seit dem Herbst 1627 dies Project den Hansestädten annehmbar machen, in unmittelbarer Verbindung damit aber auch die Erwerbung und Ausrüstung von Schiffen nach dem Willen Wallenstein’s bei ihnen erwirken sollte. Zurückgekehrt nach Brüssel, rühmte Sforza: es habe niemals in Deutschland einen dem Dienste des Königs von Spanien so ergebenen General, als den Herzog von Friedland gegeben. Das leitende Motiv zu dessen maritimer Politik war aber doch der feindliche Gegensatz gegen die beiden nordischen Königreiche, gegen Schweden ebensowohl als gegen Dänemark. Nichts fürchtete W. damals mehr als eine Verbindung Christian’s IV. mit Gustav Adolf wider den Kaiser. Um die zu hintertreiben, suchte er indeß selber mit letzterem König damals eigenartige Verhandlungen anzuknüpfen. Denn andererseits hoffte er doch auch, daß sich die frühere Feindschaft zwischen den beiden nordischen Monarchen erneuern und der Schwede durch ködernde Anträge, die er ihm machen wollte, sich noch einmal zum Bruch mit dem Dänen bewegen lassen werde. Vorübergehend glaubte er sogar, eine Conföderation des Kaisers mit Schweden zu Stande bringen zu können, so wenig er dabei auch auf natürliche Zuneigungen rechnete. „Wird’s uns nichts nützen, so wird’s uns nicht schaden können.“ Zum mindesten sollte man „den Schweden mit Hoffnung unterhalten, auf daß er sich nicht mit dem Dänen conjungiren thäte“. Demungeachtet gab er gleichzeitig dringende Befehle, die schwedischen wie die dänischen Kriegsschiffe, wo man sie antreffen würde, in Brand zu stecken. Er kennzeichnete damit in gleichem Maaße die Unnatur jenes Verhältnisses wie die Unaufrichtigkeit seines Verfahrens. Hinhalten aber wollte er die Schweden noch [600] aus einem anderen Grunde: indem er mit der Occupation zugleich aufs allereifrigste die Fortification der Ostseehäfen betrieb, galt es ihm, ihren Angriffen auf einen persönlichen Machtbesitz zuvorzukommen, den er durch die Erwerbung Mecklenburgs erstrebte.
Seit wie lange schon mochte er sich im Geiste als Herzog dieses Landes erblickt haben! Sicher, daß er mit strenger Consequenz dies Ziel bereits im Jahr 1627 verfolgte. Noch bevor er den Kaiser zum König von Dänemark machen wollte, hatte sein ehrgeiziger Wunsch festere Gestalt gewonnen. Während er aber für unerläßlich hielt, die dänischen Stände einem Ferdinand II. gegenüber vornehmlich ihrer Religionsfreiheit zu versichern, konnte er nicht umhin, demselben Fürsten die Einführung der katholischen Religion in Mecklenburg zugleich mit der der Jesuiten zu versprechen, um dadurch den Widerstand gegen diesen Wunsch am Kaiserhofe zu überwinden. Den Widerstand von Seiten der Liga meinte er durch die Fernhaltung Tilly’s schon hinreichend gelähmt zu haben. Rund abgeschlagen hatte er, nach seinen wiederholten Mittheilungen an Vertraute, die von Kurfürst Maximilian begehrte Einquartierung der Tillyschen in Mecklenburg. Und zweifellos bildete nun die Ausführung seines dynastischen Strebens einen Hauptzweck seiner Winterreise nach Böhmen, während er für die Aufgaben seines dänischen Krieges eine Armee von nicht weniger als 60 000 Mann zurückließ. Dort in Böhmen traf er den Kaiser an, in gehobener Stimmung, als Sieger über die Rebellen schonungslos vorgehend. Soeben erst hatte Ferdinand dies unterjochte Wahlreich mit Umstoßung der alten Rechte zum erblichen Königreich gemacht, unter festlichem Prunk sich die Erbhuldigung leisten und sich krönen lassen[2]. Durch eine angesehene Mittelsperson in Prag war gleichzeitig auch schon das Anliegen seines über Erwarten erfolg- und ruhmreichen Feldherrn dem dankbaren Monarchen unterbreitet worden. Daß W. nicht umsonst zu ihm kam, beweisen ohnehin die zahlreichen Gnadenbezeigungen, die ihm während seines Aufenthalts in Böhmen – im Winter 1627/8 – zu Theil wurden. Sein Generalsgehalt ließ ihm Ferdinand, unter Zurückrechnung vom 25. Juli 1625 an, verdoppeln. Damit im Zusammenhang stand seine – officiell durch Patent vom 21. April 1628, thatsächlich aber schon vorher erfolgte Ernennung zum kaiserlichen „General des Oceanischen und Baltischen Meers“. Sie ward nun der Welt verkündet mit dem Beschluß des Kaisers, zum Widerstand gegen die Reichsfeinde und zur Vernichtung ihrer Commercien „eine Armada zu Meer anzurichten“. Wie eine specielle Belohnung für seinen glücklichen Feldzug in Schlesien erschien Wallenstein’s Belehnung mit dem Fürstenthum Sagan, das ihm der Kaiser um eine winzige Summe bereits am 1. September 1627 verkauft hatte, jetzt aber, 15. und 16. Februar 1628, ihm ausdrücklich als Lehn überließ und für ihn zum Herzogthum machte. In weiterem Umfange sollte ihm die Confiscation der Rebellengüter zu statten kommen. Von den Erblanden über das Reich hin ausgedehnt, ward sie eine neue furchtbare Waffe in seiner Hand. Denn durch Schreiben Ferdinand’s vom 26. Januar und 16. Februar wurden sämmtliche wegen der Rebellion im Reiche ihm, dem Kaiser, verfallenen Güter, deren Einziehung einer besonderen Confiscations-Commission oblag, dem General zur Befriedigung des Kriegsheers schlechthin überlassen: mit dem Zusatz, daß ohne die Erklärung des Generals kein Delinquent begnadigt werden dürfe. Demnach begann auch im niedersächsischen Kreise eine Aera der Confiscationen, in welcher nicht bloß die allgemeine Habgier der Soldatesca immermehr entfesselt wurde, sondern mit der Ausstattung seiner höheren Officiere durch die eingezogenen Herrschaften und Aemter, wie z. B. des Grafen Schlick durch das ansehnliche Querfurt, ganz neue territoriale und dynastische Verhältnisse entstanden. Ja, zur Begründung [601] einer Militäraristokratie, die seinen Anhang noch beträchtlich zu vermehren versprach, waren ihm hier die Mittel gegeben. Die großartigste Confiscation in Norddeutschland hatte er sich aber selber als Belohnung zugedacht.
Wenn wir einer der intimen Andeutungen Wallenstein’s Glauben schenken dürfen, so würde der Kaiser, der die dänische Krone für sich ablehnte, ihm, dem böhmischen Edelmann, seinem Unterthanen, sogar diese „vergönnt“ haben. Allein auch W. dankte dafür; „denn ich könnte mich nicht damit mainteniren, will unterdessen mit dem Andern fürlieb nehmen, denn dies ist sicherer“. Mecklenburg war es, das ihm als nothwendiges Glied in der Kette und gleichsam als Schlußstein seiner nordischen Besitzergreifungen galt. Vorwand und Rechtfertigung, um es sich anzueignen, fand er in der angeblichen Felonie der beiden angestammten Herzoge. Wahr ist, daß sie, obwol ohne bestimmte und consequente Politik, dem König von Dänemark, dem Feinde des Kaisers, dauernde Sympathien bezeigt, ihm auch bis zuletzt nach dem Maß ihrer Kräfte Beistand geleistet hatten. Mehr aber noch als die behaupteten Verbrechen der Herzoge, denen gegenüber das kaiserliche Retentionsrecht geltend gemacht wurde, mag eine lockende Aussicht auf Ferdinand gewirkt haben – die Aussicht, durch Einziehung und Ueberlassung Mecklenburgs an seinen so hoch verdienten und noch Größeres verheißenden Diener dem Hause Habsburg um so eher das gewünschte dominium maris Baltici zu verschaffen. Entscheidend war für ihn, wie es heißt, die versprochene Förderung der katholischen Interessen, die Verbreitung der allein seligmachenden Religion mit der Restitution der geistlichen Güter und der Gründung ansehnlicher Collegien wie Klöster in dem norddeutschen Küstenlande, welche der siegreiche General den Hof und den Clerus erwarten ließ. Und so empfing W. zu Brandeis in Böhmen, noch im Januar 1628, vom Kaiser die Lehen über das alte Reichsfürstenthum. Von ihm bei dieser Gelegenheit aufgefordert, sich in seiner Anwesenheit zu bedecken, ward er sogleich auch einer Auszeichnung gewürdigt, die als Vorrecht der deutschen Fürsten galt. Bei alledem kam jedoch auch hier noch die gewohnte vorsichtige Form des Kaufvertrags zur Anwendung. Laut eines kaiserlichen Briefes vom 26. Januar wurde ihm das Herzogthum übergeben in Anrechnung seiner Kriegskostenforderungen – aus dem dänischen Feldzug sollten ihm Kosten von drei Millionen Gulden erwachsen sein – und in Abschlag einer ihm vom Kaiser angewiesenen Gnadengabe von 700 000 fl., sowie zur Bestreitung weiterer Kriegsbedürfnisse. Am 1. Februar folgte ein kaiserliches Patent an die mecklenburgischen Stände, daß auch ihnen die Uebertragung bloß als ein Unterpfand, und zwar bis zur Abzahlung der Kriegsunkosten an W., bezeichnete – das ihnen nichtsdestoweniger befahl, dem Letzteren die gebührende Huldigung zu leisten und sie dagegen ihrer bisherigen Eidespflichten unter sehr nachdrücklicher Beschuldigung der abgesetzten Herzoge entband. Vergebens sträubten sich die Stände; sie wurden im April zur Huldigung an W. gezwungen. Er freilich würde eine längere Widersetzlichkeit gar nicht ungern gesehen haben, weil er dadurch, nach seinen geheimen Auslassungen, die Gelegenheit erlangt hätte, sie aller ihrer Privilegien zu berauben. Auf der anderen Seite gebot ihm aber schon sein fiscalisches Interesse, seinem neuen Herzogthum die Lasten der Einquartierung soviel als möglich zu erleichtern, indeß er, noch von Böhmen aus, mit seinem weiten praktischen Blick Anordnungen zur Verbesserung des Regierungs- und Cameralwesens traf. Er selbst betrachtete diesen Besitz als dauernden, als ewigen, und ein neues kaiserliches Patent vom 16. Juni 1629 versicherte ihn und seine Erben denn auch des vollen Besitzes; er erhielt sogar das außergewöhnliche Recht, nach Gefallen eine Erbfolge einzurichten. Ein nachträgliches Proceßverfahren, das er gegen seine gewaltsam verdrängten fürstlichen Vorgänger hatte einleiten wollen, unterblieb. Ungehört waren und blieben [602] sie verurtheilt. Wenn aber auch W. sich rühmte, zur Verfolgung der Rebellen nach Mecklenburg geschickt worden zu sein – durfte Ferdinand ihm denn so unbedingt vertrauen? War es nicht ein zweischneidiges Schwert, das er ihm überliefert hatte?
Wol war der Herzog-General im Begriff, das Haus Oesterreich zu einer dominirenden Stellung zu erheben; wol trachtete er den Kaiser zum mächtigsten Herrn der Welt zu machen. Er konnte als der „gewaltigste Vertreter der kaiserlichen Centralgewalt“ gelten. Und schon sollte er sich dahin geäußert haben, daß man keiner Kurfürsten und Fürsten mehr bedürfe, daß man ihnen das Gasthütel abziehen müsse, daß, wie in Frankreich und in Spanien ein König allein, so auch in Deutschland ein Herr allein sein solle. Jetzt aber, da er selber ein regierender, ein wirklicher Reichsfürst geworden, hielt er es hinwieder für sein Interesse und seine Pflicht, gleich den anderen Fürsten die Freiheiten des Reichs zu schützen, den Kaiser und das Haus Oesterreich zum absoluten Dominat im Reiche nicht kommen zu lassen. Seine auf das Kaiserthum gerichteten monarchischen Tendenzen begannen seit dem Jahre 1628 sich mit seinen landesfürstlichen zu kreuzen. Dicht neben den Vortheilen, die Ferdinand von W. als Herzog von Mecklenburg erwartete, lagen überhaupt nun mannichfache Nachtheile, ja Gefahren. Denn nicht nur, daß sein mächtiger und nahezu selbständiger Feldhauptmann, dessen Oberbefehl sich bald über fast 150 000 Mann in Deutschland und den Erblanden erstreckte, einen Territorialbesitz hatte, der, schon früher bedenklich groß, ihm mit Mecklenburg eine überwiegende Stellung im Reiche verhieß; sondern dem Kaiser drohte auch seinetwegen von jetzt an ernstliche Entzweiung mit der Liga. Der verjagten Herzoge sich annehmend, verfocht Maximilian von Baiern die Erbrechte der alten Fürstenhäuser. Im Grunde war der bevorzugte Günstling des Kaisers für ihn nur noch ein Usurpator. Und ein solcher war er erst recht für den Schwedenkönig; dessen Haß gegen W. übertrug sich ohne weiteres auf den kaiserlichen „Tyrannen“. Allerdings noch bevor Gustav Adolf die Aneignung Mecklenburgs durch W. erfahren konnte, hatte er die Verhandlungen mit diesem abgebrochen, hatte er dem Dänenkönig, angesichts der Nothlage desselben, aufrichtig die Hand zum Bunde geboten. Wallenstein’s Hoffnung auf die Wahl eines anderen Königs, auf die des Kaisers in Dänemark erwies sich als Trugbild. Das Land raffte sich vielmehr im Anschluß an Christian IV. zu neuem Widerstande gegen die kaiserlichen Eindringlinge auf. Zu der zwiefachen Enttäuschung aber, die somit der General erfuhr – und von den dänischen Inseln trennte ihn nach wie vor das Meer –, kam ferner auch die, daß die bisher von ihm gestreichelten Hansestädte ihm versagten: ihm und zugleich den Spaniern, auf deren gleißnerische Handelsanträge sie nicht eingehen wollten, weil sie dadurch die Feindschaft der Holländer, der Dänen und insgemein aller protestantischen Seemächte auf sich geladen haben würden. W. schrieb es zunächst nur der nicht erwarteten Ungeschicklichkeit des Grafen Schwarzenberg, seinem brutalen Auftreten gegen diese Städte zu, wenn sie sich ebenso zurückhaltend und in Wirklichkeit abwehrend gegen die spanischen wie gegen seine eigenen Wünsche, gegen seinen mit ihrer Hülfe auszuführenden Flottenplan verhielten. Allein auch die von ihm nun wiederholt verlangte Abberufung Schwarzenbergs aus Lübeck und dessen Ersatz durch einen anderen Unterhändler brachte keine Besserung. Der Flottenplan mit seiner Spitze gegen die benachbarten nordischen Reiche konnte der schwachen und furchtsamen Hanse vielleicht noch gefährlicher als das spanische Handelsbündniß werden. Die Verstimmung der Spanier über den Mißerfolg ihrer betreffenden Handelspolitik machte aber auch den Beistand der letzteren zur Ausführung der maritimen Projecte Wallenstein’s, trotz des guten Willens König Philipp’s IV., mehr und [603] mehr illusorisch. Fruchtlos schleppten sich die Verhandlungen zwischen den Spaniern und dem kaiserlichen Admiral, sowie zwischen beiden und der Hanse bis tief in das Jahr 1628 hin. Umsonst hatte er, als er, erst spät im Frühjahr, sich zum Aufbruch aus Böhmen und zu persönlicher Wiederaufnahme des Kriegscommandos im Norden rüstete, die Infantin um zehn Schiffe von der Dünkirchischen Armada gebeten, deren er für die Fortsetzung seiner Operationen gegen Dänemark dringend bedurft hätte. Seine früheren Hoffnungen auf einen durchgreifenden Erfolg dieser Macht gegenüber waren bereits stark herabgestimmt.
Schon seit dem März hatte er, angeblich um die Waffen gegen die Türken wenden zu können, bei Hofe auf einen baldigen Friedensschluß mit Dänemark gedrängt, sich auch damals schon vom Kaiser eine Vollmacht hierzu ausstellen lassen. Seine Bedingungen aber – Verzicht des Königs auf Holstein und Schleswig, Einlösung Jütlands um mehrere Millionen – waren viel zu hoch, als daß ein Fürst wie Christian IV. darauf eingegangen wäre. Im Gegensatz zu den Kaiserlichen im Besitz keiner geringen Flotte, durfte der Däne es wagen, von seinen unangreifbaren Inseln aus selbst gegen die deutsche Küste zu neuer Offensive vorzugehen und an die Rückeroberung seiner festländischen Provinzen zu denken. Noch waren ihm in Holstein die Festungen Krempe und Glückstadt nebst dem angrenzenden Marschgebiet erhalten, mit holländischer Hülfe zähe vertheidigt worden. Sehr natürlich, daß nun im Kriegsjahr 1628 der Friedländer seinen Blick dorthin zuerst richtete, indem er vor Allem Krempe von dem in ungehinderter Verbindung mit dem Meere gebliebenen Glückstadt abschneiden und völlig einschließen wollte. Es war bereits Juni und er noch immer unterwegs, in seinem Herzogthum Sagan auf der Durchreise aufgehalten; da aber rief ihn plötzlich ein störender Zwischenfall, zu größerer Eile mahnend, herbei: die „losen Buben von Stralsund“ galt es zu züchtigen. Je weniger die Rüstungen zur See ihm gelangen, um so mehr kam es ihm darauf an, die occupirten Häfen zu befestigen, sie den jetzigen und zukünftigen Feinden auf jede Art zu sperren, in den vornehmsten Hafenorten, wie in Wismar und nachher in Rostock, Citadellen zu bauen, die diesen Städten „zugleich ein Zaum im Maule“ sein sollten. Und für sein Fortificationssystem war ihm nun auch Stralsund unentbehrlich, ja um der Behauptung Rügens willen wie auch sonst von hervorragender Bedeutung. Daß aber die Stralsunder im Bewußtsein ihrer alten Privilegien, ihrer Autonomie sich auf eigene Hand besser zu befestigen beschlossen, hatte ihn schon im letzten December mißtrauisch gemacht und zu dem Befehl an seinen Obersten Arnim veranlaßt, dies „auf alle Weise“ zu verhindern. Weitere Befehle waren darauf gefolgt, „die schlimmen Kerle mit Ernst anzugreifen“ und ihnen eine starke Garnison aufzuzwingen; denn hier heiße es: principiis obsta. Sprach er doch die Befürchtung aus, daß Stralsund seinen Frieden mit Dänemark vereiteln, ihn vom Kriege gegen die Türken abhalten könne. Und da Arnim’s Feindseligkeiten, auch die von ihm im Mai begonnene Belagerung nicht zum Ziele führten, so beschloß er, der Oberfeldherr, in Person mit einer großen Heeresmacht wider die rebellische Stadt anzurücken. Das ihm zugeschriebene und mehrfach variirte Wort: er werde Stralsund nehmen und wenn es mit eisernen Ketten an den Himmel gebunden wäre, findet sich in gleichzeitigen, den Ereignissen nahe stehenden Schriften, ohne freilich authentisch zu sein. Schon vor seinem unmittelbaren Eingreifen in die Belagerung zu Anfang Juli, hatte die Stadt nicht allein von Dänemark, sondern auch von Schweden militärische Hülfe empfangen, ja ein ihr von Gustav Adolf angebotenes Bündniß mit diesem abgeschlossen. Dadurch aber wurde die Widerstandskraft der beherzten Bürger, die zugleich ihr evangelisches Bekenntniß vertheidigen zu [604] müssen glaubten, noch bedeutend gestärkt. Wol versuchte der Friedländer abwechselnd mit Gewalt und mit Güte ihrer mächtig zu werden. Die nach furchtbaren Angriffen eingeleiteten Unterhandlungen blieben indeß erfolglos, zumal die Belagerten wiederholt noch dänischen Succurs empfingen. Was ihn aber am meisten störte, war, daß die pommersche Küste noch an anderen Punkten von Dänen und Schweden bedroht, daß er auch schon die mecklenburgische und damit seine umfassenden Pläne an der Ostsee gefährdet sah. Das war es, was ihn bewog, von seiner neuen Residenz Güstrow aus an Arnim den Befehl zur Aufhebung der Belagerung von Stralsund zu geben. Und so geschah es Anfang August, zu allgemeinem Frohlocken der protestantischen Welt. Das Glück der kaiserlichen Waffen, dort ist es zum ersten Male rückgängig geworden, und der siegreiche Widerstand jener Bürgerschaft hat den Geist des Widerstands weithin erweckt. Gleich in den nächsten Tagen landete König Christian auf der Insel Usedom, bemächtigte sich ihrer und von da aus der Stadt und des Schlosses Wolgast. Unverzüglich mußte W. ihm entgegentreten, wenn er Pommern sich erhalten wollte. Ihn erwartend nahm der König eine verschanzte Stellung bei Wolgast ein. Dennoch war der kaiserliche General, wenn in diesem Moment vielleicht auch nicht an Volk, so doch in der Kunst der Taktik, ihm weit überlegen. Zur See, er gestand es offen, konnte er ihm nicht beikommen; hier aber zu Lande brachte er ihm sofort noch einmal eine höchst empfindliche Niederlage bei. Durch die Schlacht bei Wolgast vom 22. August rettete er sich und dem Kaiser die Herrschaft über Pommern mit Ausnahme Stralsunds, unterwarf er Mecklenburg sich erst vollends – und seine Waffenehre war gerettet. Es folgte noch ein Sieg in Holstein, indem sich ihm am 14. November die hart belagerte Festung Krempe ergab. Und jetzt hielt er für geboten, aufs ernstlichste an die Herstellung des Friedens mit Dänemark zu denken. Seine hochfliegenden Pläne konnte er nun einmal nicht aufrechterhalten. Ohne Glückstadt, gegen das nichts auszurichten, das den Dänen vielmehr ein Hauptstützpunkt ihres angriffslustigen Widerstandes war, beherrschte er auch Holstein nicht völlig. Mochte er der Hanse gegenüber prahlen, daß der Kaiser die fehlenden Schiffe bekommen und man sodann ganz andere Resolutionen fassen würde – seine wahre Meinung drückte das geheime Geständniß aus, daß es ihm unmöglich sei, die 250 Meilen lange Seeküste zu decken. Unmöglich dünkte es ihm, einen Krieg gegen Dänemark und Schweden zugleich zu führen. Erbost auf die „schwedische Canaille“, die sich in Stralsund eingeschlichen, betrachtete er Gustav Adolf fast schon als offenen und jedenfalls als den gefährlichsten Feind. Um so mehr nur hob er den Nutzen und die Nothwendigkeit des dänischen Friedens für das Haus Oesterreich hervor, wobei aber sein persönliches Interesse, die Erhaltung seines Herzogthums Mecklenburg, sehr wesentlich mit ins Gewicht fiel. Da er nicht umhin konnte, die Liga für diesen Frieden zu gewinnen, lud er, alsbald nach der Eroberung von Krempe, Tilly nach Boizenburg zu mündlicher Besprechung ein. Ueberhaupt zeigte er gegen diesen eine Zuvorkommenheit, die sein Stolz und seine Empfindlichkeit unter anderen Verhältnissen kaum erklärlich erscheinen lassen würden.
Denn wenn der liguistische Feldherr auch seinerseits wieder mit der Eroberung von Stade einen beträchtlichen Erfolg über die Dänen errungen, so hatte er doch dem kaiserlichen die gegen Stralsund erbetene Hülfe, seine Mitwirkung, die hier vielleicht ebenfalls zur Eroberung geführt haben würde, verweigert. Er hatte das im Auftrage der Liga gethan, dazu aber selbst voller Argwohn, daß W. mit gewohnter Rücksichtslosigkeit noch mehr von seinem Volke an sich ziehen und das Heer der Liga schwächen wolle, um ihr gegenüber dann desto besser den Meister zu spielen. Unermeßlich gesteigert hatte sich im laufenden [605] Jahre die Erbitterung der Liguisten über die Militärdictatur des Friedländers im Reiche, über seine immer noch vermehrte und durch ein geradezu zerstörendes Contributions- und Confiscationssystem unterhaltene Armee, über seine radicale Eigenmächtigkeit in der Leitung des Krieges und der Kriegspolitik. Schon im Frühjahr waren ihm in ein paar Relationen des Capuziners Ales, eines gelegentlichen Geheimagenten des bairischen Kurfürsten am Kaiserhofe, stets maßlosere Entwürfe zugeschrieben worden: als erstrebe er un supremo dominio – als denke er, die Wahl des Thronfolgers Ferdinand (III.) zum römischen Könige vereitelnd, nach dem Tode des Kaisers mit Hülfe der Armee assoluto padrone, ja erblicher König über das Reich zu werden. Die gehässigsten Uebertreibungen und Verleumdungen waren zur moralischen Vernichtung des Gewaltigen in Umlauf gesetzt, auch im Juli schon auf einem Convent der Liga in Bingen die Frage seines Sturzes, seiner dem Kaiser abzunöthigenden Entlassung erwogen worden. Dieselbe war noch nicht reif; wol aber entschloß sich Ferdinand II., um wenigstens ihren gerechten Klagen in einem Hauptpunkte nachzugeben, zu einer weitgehenden Abrüstung, zu der Abdankung zahlreicher Regimenter in den oberdeutschen Reichskreisen. Ueber seine gemessenen Befehle, die Reiterei zu „reformiren“, soll W. höchst ungehalten gewesen sein. Dennoch ging er mit scheinbarer Zustimmung darauf ein, und bei wachsenden Friedensaussichten ertheilte er wirklich auch mehrere Aufträge zur Truppenverminderung, die aber immer eine sehr beschränkte bleiben sollte. Tilly fuhr fort, aus diesem und aus anderen Gründen ihm zu mißtrauen. Gleichwol gelang es dem kaiserlichen General, der sein Einverständniß in jener für ihn dringenden Angelegenheit nöthig hatte, die gewünschte Zusammenkunft in Boizenburg durchzusetzen. Und mehr, er erreichte daselbst eine Vereinbarung mit dem an sich weit weniger zum Frieden geneigten liguistischen Feldherrn: beide setzten die Eröffnung von Verhandlungen mit dem Dänenkönig auf den 16. Januar fest; gleich dem Kaiser ging diesmal auch der König darauf ein. Im neuen Jahre 1629 trafen sich demgemäß die Abgesandten Christian’s mit denen Wallenstein’s und denen Tilly’s zu Lübeck. W. – und auf ihn kam Alles an – wollte sein Abkommen mit den Dänen ohne jede Einmischung einer ausländischen Macht treffen. Schroff wies er die Gesandten Gustav Adolf’s, welcher Zutritt zu den Verhandlungen begehrte, ab. „Denn sie kommen nicht zu componiren, sondern zu turbiren“, sagte er, von seinem Standpunkt aus nur zu sehr mit Recht. Die Friedensbedingungen von dänischer wie von kaiserlicher Seite schienen ohnehin doch noch weit aus einander zu gehen. W. überzeugte sich jetzt erst recht, daß ohne die Rückgabe der Elbherzogthümer und Jütlands dieser Friede, um dessen Herbeiführung ihm täglich mehr zu thun war, mit nichten zu erreichen sein werde. So gab er sich denn auch die größte Mühe, den Kaiserhof zu voller Nachgiebigkeit in seinem Sinne zu stimmen. Und deshalb mußte er auch Tilly, den er zu längerem Aufenthalt in Güstrow im April zu sich einlud, noch einmal gehörig bearbeiten. Sein steter Hinweis auf Christian’s IV. auswärtige Beziehungen, auf die noch größere Verwirrung, welche dieser, unbefriedigt bleibend, im Bunde mit England, Schweden und Holland anrichten könnte, machte Eindruck. Und dazu die Wahrnehmung der tiefen Erregung, in die das protestantische Norddeutschland soeben durch den Erlaß des kaiserlichen Restitutionsedicts versetzt ward, die von W. betonte Besorgniß, daß es bei nächster Gelegenheit Anschluß an jene Feinde suchen würde. Dazu ferner der düstere Hinblick auf die Feindseligkeiten Gustav Adolf’s gegen Polen, die zugleich, wie die österreichischen Erblande, so auch die langgestreckte baltische Küste bedrohten, die Einsicht in die eigene völlige Wehrlosigkeit zur See. Alledem konnte eben auch Tilly sich nicht verschließen; und beide Feldherren riethen daraufhin in einer gemeinsamen Denkschrift [606] aus Güstrow ihren Herren an, den Dänenkönig nicht durch Vorenthaltung der streitigen Länder zu neuen Kriegen zu veranlassen und den Frieden zu verzögern oder unmöglich zu machen. Immerhin verlangten doch auch sie von ihm noch ein bedeutendes Zugeständniß, seinen Verzicht nämlich auf alle Ansprüche im niedersächsischen und in den anderen Kreisen, insbesondere auf die Bisthümer derselben. Harte Schwierigkeiten gab es auf beiden Seiten zu überwinden – bis endlich, am 22. Mai und an den folgenden Tagen, der unermüdliche kaiserliche General den Abschluß des Friedens und damit einen nicht geringen politischen Triumph erreichte. Wurden nun auch dem Könige seine Provinzen, zum Verdruß Kurbaierns unentgeltlich und ohne Erstattung der Kriegskosten, zurückgegeben: so gab doch er hinwieder, zugleich mit den Stiftern, seine ehemaligen Verbündeten in Deutschland, deren Sicherstellung er anfangs befürwortet hatte, den Ansprüchen und Consequenzen des Restitutionsedictes preis. Er überließ Mecklenburg dem Eroberer und stand bereits den Schweden wieder ferner. Freilich eine Verbindung zwischen König Christian und dem Kaiser, wie sie W. während der Friedensverhandlungen vorgeschwebt, wurde nicht erreicht. Und ihrer entbehrend, sah dieser seine stolzen maritimen Bestrebungen jetzt erst vollends mißlingen. Zwar fuhr er fort, im Besitz ganz weniger Schiffe den hochtrabenden Titel: „des Oceans und Baltischen Meeres General“ zu führen, – er war doch ein Admiral ohne Flotte.
Am 4. Juni unterzeichneten die beiden katholischen Generale die Urkunde des Lübecker Friedens. Der Wunsch, daß diesem dänischen nun auch der Friede im Reiche folgen möge, blieb indeß unerfüllt. Und nicht bloß hier, auch anderwärts sah gerade W. sich bald darauf vor eine Reihe neuer Aufgaben gestellt, die ihn als kaiserlichen General zu Lande wieder völlig in Anspruch nehmen sollten, ohne daß er seinen Lieblingsplan eines aggressiven Türkenzuges zur Ausführung zu bringen vermochte. Wol bezeugt es seinen kühnen Gedankenflug und seinen unermüdlichen Ehrgeiz, wenn er, nach seiner Behauptung, schon längst auch den Papst, den Kaiser und alle kaiserlichen Minister für ein derartiges Unternehmen gewonnen – wenn er während Tilly’s Anwesenheit in Güstrow bereits die Eroberung von Byzanz ins Auge gefaßt und zuversichtlich erklärt hatte: in drei Jahren hoffe er dem Kaiser die Constantinopolitanische Krone aufs Haupt zu setzen. Allein er kam so wenig hierzu, als es ihm gelungen war, den Kaiser zum König von Dänemark zu machen. Als nächstes unmittelbares Hemmniß jenes im Namen des christlichen Europas gedachten Feldzuges erschien ihm ein an sich kleinlicher Erbfolgestreit in Italien, der sich schnell zu einem Kriege zwischen Spanien und Frankreich um die Hegemonie daselbst zu erweitern drohte – ein Conflict, in welchen die Spanier sofort auch den ihnen dauernd verbündeten Kaiser als obersten Lehnsherrn über das streitige Erbe, das Reichslehn Mantua, zu verwickeln wußten. Zur Erbfolge wohlberechtigt, war doch der Herzog von Nevers als französischer Schützling dem Hause Oesterreich nicht genehm. Das gewaltsame Vorgehen wider denselben kam aber den Franzosen, die sich zu Befreiern des „von Spanien unterdrückten Italiens“ aufwarfen, ebenso gelegen, wie es dem politisch weitblickenden General des Kaisers ungelegen kam und geradezu widerwärtig war. Für ungerecht und unklug erklärte er diesen von den Spaniern verschuldeten italienischen Krieg, der dem Kaiser wie ihm selber keinen Vortheil, dagegen durch Frankreich eine unberechenbare Gefahr für die Zukunft verhieß. Die spanischen Staatsmänner wurden allerdings nicht müde, ihm wie dem kaiserlichen Hofkriegsrathspräsidenten, dem Grafen Collalto, lockende Anerbietungen zu machen, namentlich gewisse Landgebiete in Italien als „Recompens“ zu versprechen. Und Wallenstein’s angeborene Habgier, seine Ehrsucht ließ ihn dem gegenüber wenigstens nicht unempfänglich erscheinen, nur [607] daß er noch mehr verlangt haben würde. „Wenn man – schrieb er im Frühjahr 1629 an Collalto – unsere Investituren wird machen, so muß man uns auch Privilegien geben, wie’s die welschen Fürsten haben; denn unter andern so haben sie dies auch, daß sie können Conti und Marchesi machen.“ Schnell besetzten jedoch die Franzosen gerade das Gebiet, das ihm vor anderen begehrenswerth erschien. Seine Abneigung gegen den italienischen Krieg blieb unüberwindlich, um so mehr, als er damit rechnen mußte, daß die Verhältnisse seine persönliche Theilnahme, seinen Aufbruch nach Italien forderten. Fortgesetzt schob er den auf, so gespannt er auch immer dem Lauf der Begebenheiten folgte. Ja, erst auf wiederholte Befehle des Kaisers schickte er im August eine größere Heeresabtheilung über die Alpen. Sein Versprechen, daß er ohne Zeitverlust nachkommen werde, bedeutete nichts; und es wurde hinfällig, als er kurz darauf von einer unglücklichen Wendung des niederländischen Krieges hörte, die er vergeblich abzuwehren versucht hatte. Denn wuchtiger als je hatten eben damals die Holländer zu einem Schlage gegen das nämliche Spanien ausgeholt, welches sie nicht freigeben, nicht als selbständige Republik anerkennen wollte. Gerade, da sie die Kräfte ihrer alten Zwingherren getheilt, der Mehrzahl nach jetzt in Italien beschäftigt sahen, hatten sie sich zur Belagerung von Herzogenbusch, der wichtigsten Festung in den spanischen Niederlanden, entschlossen. Und diese Belagerung beunruhigte W. nach seinem Bekenntniß „mehr, als wenn Rostock belagert wäre … Ist Herzogenbusch verloren, so ist ganz Niederland in Compromiß“. Er fürchtete von einem Siege der Holländer, die er als destructores Regum et Principum bezeichnete, den größten moralischen Nachtheil für die österreichische Gesammtmonarchie. Aus freien Stücken hatte er der Infantin Isabella in Brüssel unmittelbar nach dem dänischen Friedensschluß ansehnliche Hülfstruppen zugesagt, die in aller Eile – „so lieb ihnen ihr Leben“ – sich den Holländern entgegenwerfen sollten. Ja, nicht weniger als 17 000 Mann ließ er aus eigener Initiative in Holland einfallen und, indem dieselben in einer kühnen Diversion die Richtung auf die Hauptstadt Amsterdam einschlugen, Furcht und Schrecken verbreiten. Den Verlust von Herzogenbusch, dem der von Wesel schon vorhergegangen, waren sie gleichwol nicht abzuwenden im Stande. W. sagte: Gott strafe die Spanier für ihren muthwilligen Krieg in Italien. Von ihren Unternehmungen hier und dort kreuzte eine die andere; daß aber die italienische, unter Collalto und Spinola, doch bessere Erfolge aufzuweisen hatte, als die niederländische, wo das Ungeschick der spanischen Oberleitung auch diese friedländische Invasion nutzlos machte, das war für den Herzog-General nur ein neuer Kummer. Und damit nicht genug; der Triumph der verhaßten Holländer trug mittelbar dazu bei, daß ihm ein drittes kriegerisches Unternehmen – in Deutschland selber – fehlschlug, sein Angriff auf Magdeburg.
Mühelos hatte er, auch während seiner langen Abwesenheit vom Reiche, die beiden Stiftslande Magdeburg und Halberstadt behauptet, wie er sie mühelos erobert hatte. Sie seufzten fort und fort unter dem grausamen Druck seiner Militärherrschaft und fühlten sich nun auch noch durch das Restitutionsedict in ihrem evangelischen Kirchenbestand aufs ärgste bedroht. Wol war, anders als der bigotte Tilly, W. selbst ein Gegner dieses Edicts. Er fand es unpolitisch, „unzeitig“ oder voreilig erlassen[3], weil er dadurch die populären Antipathien gegen seine ihm unentbehrlich gewordenen Einquartierungen und weltlichen Confiscationen im Reiche bis zu einem Besorgniß erregenden Grade der Verzweiflung anwachsen sah. So bereit er auch stets gewesen, die katholische Reaction, der seine und der Liga siegreiche Waffen den Weg geebnet hatten, unter der Hand zu unterstützen: einen erklärten Religionskrieg in Deutschland wollte er [608] nach wie vor vermieden wissen, und so auch eine offene Herausforderung, die wie das Restitutionsedict den gesammten Protestantismus auf einmal in Harnisch bringen konnte. Außerdem aber war ihm die weltliche Autorität und Macht des Clerus, die durch dieses Edict erneuert werden sollte, grundsätzlich zuwider. Gleich in Bezug auf das Primatstift Magdeburg traten nun Differenzen zu Tage, da Ferdinand II. die Execution „seines“ Edictes hierhin in erster Linie richten wollte. W. meinte, es genüge, daß sein kaiserlicher Herr die beiden Stifter „jure belli apprehendire“ und daraufhin dem Erzherzog Leopold Wilhelm als Erzbischof und Bischof huldigen lasse. Ferdinand beanspruchte im Namen dieses seines minderjährigen Sohnes die Administration in spiritualibus wie die in politicis. Jedoch nur die erstere wollte W. ihm oder seinen Delegirten dort überlassen; die letztere gedachte er um so weniger unter geistlichen Einfluß zu stellen, als er sie schon aus militärischen und finanziellen Interessen ganz sich selber oder einem von ihm abhängigen Stellvertreter dauernd vorbehalten wollte. Hingegen fand er sein Interesse wieder in Uebereinstimmung mit dem des neuen katholischen Erzbischofs, insofern es jetzt auf die Occupation der von ihm bisher mit exceptioneller Vorsicht geschonten und freigebliebenen Hauptstadt, der Metropole und Festung Magdeburg ankam. Wie er den Kaisersohn dadurch erst zum wirklichen geistlichen Oberherrn des Erzstifts, so wollte er sich zum Beherrscher des vornehmsten Elbpasses machen. Aus politischen Gründen hatte er dieser Stadt, wie einst den großen Hansestädten überhaupt, geraume Zeit eine Gunst und Gnade erwiesen, die mit der Pacificirung des Dänenkönigs – denn der Vertriebene und abgesetzte Administrator Christian Wilhelm galt längst als todter Mann – zwecklos geworden zu sein schien. Keine Frage aber, daß auch sein damaliger Groll gegen die hansischen Seestädte sich unwillkürlich auf ihre Schwesterstadt Magdeburg übertrug. Schon nannte er die Hanse insgemein des Reiches Holländer und, wol im Hinblick auf Stralsund, alles Uebels und Ungehorsams Anfänger. Ja, er hatte die Idee, den Hansebund zu sprengen und auch zu diesem Zweck sich Magdeburgs zu bemächtigen, wie Tilly nach seinem Wunsch sich Bremens hätte bemächtigen sollen. Seine Forderung an erstere Stadt, eine kaiserliche Besatzung einzunehmen und zu unterhalten, ward, wie er wol voraussah, zurückgewiesen; und daraus entwickelte sich nun eine scharfe Blockade, durch die er die unbotmäßigen Bürger auszuhungern und so zum Capituliren zu bringen hoffte. Von seiner mecklenburgischen Residenz aus beobachtete er im Sommer 1629 diese Action wie die in Italien und die in den Niederlanden und außerdem noch eine vierte: auf kaiserlichen Befehl, aber mehr noch aus eigenem Entschluß hatte er dem König von Polen nochmals einen starken Succurs, 15 000 Mann mit seinem Feldmarschall Arnim zugesandt, um dadurch Gustav Adolf im preußischen Kriege fest und von Pommern wie von Schlesien fern zu halten. Wiederholt zählt er in seinen Briefen aus Güstrow die gewaltigen Truppenmassen auf, die er nach so verschiedenen Richtungen abcommandirt hatte. Endlich aber brach auch er auf, zunächst nach den Stiftslanden, um mit Magdeburg, in dessen Umgegend er recognoscirend erschien, desto eher fertig zu werden. Allein, wie er sich vor Stralsund geirrt, so nun auch hier. Wol setzte er den hartnäckigen „desperaten“ Widerstand der Magdeburger auf Rechnung jenes unseligen Edictes, das ihre Erbitterung in der That noch erheblich gesteigert hatte. Auch hier aber, wie vor Stralsund, sah er sich schließlich zum Abzug aus dem Grunde genöthigt, daß auswärtige Gefahren ihm drohend nahten. Als er, unter unverhohlener Mißbilligung des Restitutionsedictes, zu Anfang October die Blockade aufhob, wünschte er damit zugleich die ihm immer verdächtigere Hanse zu beschwichtigen, damit sie in ihrer politisch-religiösen Erregung sich nicht völlig mit Holländern und Schweden verbinde. Durch den Sieg der Holländer über die Spanier [609] fand er den Credit der ersteren bei den Unkatholischen im Reiche, gleichzeitig mit ihrem Uebermuth, maßlos gestiegen. Noch empfindlicher aber berührte ihn die Nachricht von dem mehrjährigen Waffenstillstand, den die undankbaren Polen soeben mit Gustav Adolf eingegangen waren. Diesen König hielt nun nach Wallenstein’s Ueberzeugung nichts mehr davon ab, im Einverständniß mit den norddeutschen Städten und allen Mißvergnügten, die „auf ihn warten, wie die Juden auf ihren Messias“, sich direct gegen das Reich zu wenden. „Ich weiß nicht, wie ich ihm begegnen werde.“ Einem solchen Einverständniß hielt er sich nicht für gewachsen; und käme zu den übrigen Feinden noch der Franzose, „so findet er Elsaß offen“. Man werde ihn wie die Holländer „gewiß im Reiche haben … In was für ein Labyrinth sind jetzt alle unsere Sachen gerathen!“
So ging der vor Kurzem noch so gewaltige und in den ausschweifenden Plänen einer kaiserlichen Weltherrschaft lebende Feldherr mit düsteren Vorahnungen dem Jahre 1630 entgegen. Nach allen Richtungen hatte er Front zu machen, und er fühlte dabei den Boden unter seinen Füßen schwanken. Die Mißerfolge vor Stralsund und Magdeburg hatten auch am Kaiserhofe wieder sehr verstimmt. Zu seiner Vertheidigung berief er sich auf die „vornehmsten Generäle“, welche wie Spinola die Belagerung von Bergen op Zoom und wie Tilly die von Nienburg wieder aufgegeben hätten. Er beschwerte sich über die Kritik des Hofes, der ihm doch in nichts mehr Beistand leiste. „Daß ich im Reich verhaßt bin, das geschieht aus der Ursach, daß ich dem Kaiser gar zu wohl gedient hab wider ihrer Vieler Willen.“ Wegen des Kaisers, sagte er jetzt geradezu, müsse er sich alle Kurfürsten und Fürsten, ja männiglich zu Feinden machen. Der Stein des allgemeinen Anstoßes war nach wie vor die übergroß erscheinende Anzahl seiner den Volkswohlstand vernichtenden Truppen. Er aber hielt ihre weitere Verstärkung durch neue Werbungen für unbedingt nothwendig. „Wollen die Kurfürsten Krieg führen, dabei schonend verfahren, dem Reich gusto und nicht disgusto durch die Einquartierungen geben, so suchen sie sich unsern Herrn Gott zum General und nicht mich.“ Aber noch ganz andere Worte waren von ihm und seinen Commissarien im Umlauf. Wie in seinem Namen sollte einer derselben gedroht haben: es werde nicht gut im Reich, bis man einmal einem Kurfürsten den Kopf zwischen die Beine legte. Pappenheim, damals liguistischer Generalfeldzeugmeister, theilte dies und Anderes, was seine Herren gegen W. immer mehr aufbrachte, ihm offen und ehrlich „pro informatione“ mit. War er selbst doch im Herzen sein Freund, sein Bewunderer; und noch erwartete er von einer persönlichen Conferenz Wallenstein’s mit Vertretern der gereizten Liga eine Besserung des Verhältnisses zum Nutzen der gemeinen katholischen Sache im Reich. Wirklich kam es um die Jahreswende 1629/30 zu einer Conferenz in Halberstadt, wo W. seit der Blockade von Magdeburg sein Hauptquartier hatte, wo aber nun auch der liguistische Fürstbischof Franz Wilhelm von Osnabrück erschien, um als einer der Hauptexecutoren des Restitutionsedicts die Rekatholisirung des Domes vorzunehmen. Und auch Tilly fand sich bei dieser Gelegenheit ein. W. aber zeigte sich, obwol von seinen militärischen Forderungen nichts nachgebend, hier doch noch einmal in möglichst freundlichem Lichte. Ja, selbst unter Zurücksetzung seiner Abneigung gegen das Edict wohnte er dieser Halberstädter Execution bei und ließ auch die Einräumung des Doms an die Jesuiten geschehen. Wegen der insgemein so kritischen Lage dachte er selber noch an eine Zusammenkunft mit dem Haupte der Liga, an den Versuch einer Verständigung mit Kurbaiern in den militärischen Dingen. Während einige seiner Befürchtungen, so in Bezug auf die Holländer, sich als übertrieben erwiesen, trat ihm nur immer schärfer die Gefahr von Norden, die Hauptgefahr [610] der schwedischen Invasion vor Augen; und er fühlte sich zu ihrer Abwehr außer Stande, solange die Kriegswirren in Italien nicht beigelegt waren. Man mache dort Frieden, rieth er unaufhörlich; wolle man das Haus Oesterreich nicht ruiniren, so müsse man ihn noch vor dem Frühling schließen. Statt dessen aber nahm der italienische Krieg unter Frankreichs Betheiligung einen stets bedenklicheren Verlauf. Der Herzog von Savoyen, Oesterreichs Verbündeter, kam in solche Bedrängniß durch Richelieu, daß seine Rettung auch W. als unabweisbare Pflicht im Interesse der kaiserlichen Autorität erschien. Und so mußte er gegen die „insolenten“ Franzosen noch mehr Volk nach dem Süden schicken; so erwog er seit dem Frühjahr 1630 lebhafter denn zuvor die Nothwendigkeit, sich in Person und „mit der ganzen Masse“ dorthin zu begeben. Als Italiener hatte auch Papst Urban VIII. Partei für Frankreich genommen; und daraus erklärt sich das W. unmittelbar zugeschriebene Drohwort: Rom sei seit hundert Jahren nicht geplündert worden, jetzt müsse es noch viel reicher als damals sein! Die Rechte des Kaiserreiches in Italien galt es ihm wiederherzustellen. Schon im Januar hatte er Halberstadt, nach einem fünfmonatlichen Aufenthalt, verlassen. Ueber Gitschin, wohin er, seit lange von der Gicht geplagt, in einer Sänfte getragen wurde, war er zunächst nach Karlsbad zur Kur gereist. Durch diese verzögerte sich sein Plan, das Hauptquartier in Memmingen aufzuschlagen, um von hier aus besser nach allen Seiten, zumal aber nach Italien auszuschauen. Als er im Juni in Memmingen eintraf, sah er sich schnell durch die aufregendsten Nachrichten aus Nord und Süd bestürmt. Im Juli erfuhr er die Eroberung Rügens und Usedoms durch Gustav Adolf. Der kaiserliche Commandant in Pommern bat ihn um schleunigen Succurs gegen die nunmehr eröffnete schwedische Invasion. „Ich kann ihm keinen Menschen schicken“, schrieb W. Und gleichzeitig richtete Philipp IV. von Spanien die unerfüllbare Aufforderung an ihn, in Frankreich einzufallen. Eine erfreulichere Kunde inmitten dieser verschiedenen Bedrängnisse, diejenige von der Einnahme Mantuas durch die Kaiserlichen, ließ ihn noch einmal auf den ersehnten italienischen Frieden hoffen. Aufs eindringlichste wiederholte er im August seine alte Mahnung; „denn dorten werden wir nichts gewinnen und dahier viel verlieren“. Man müsse das Volk aus Italien abfordern, zur Vertheidigung der eigenen Länder (Pommern, Mecklenburg u. s. w.). Indeß noch eine andere Nachricht empfing er vor Ablauf dieses Monats zu Memmingen – die von dem „Regensburger Conclusum“, welches seine Absetzung aussprach. „Es ist mir“, äußerte er mit scheinbar vollkommenem Gleichmuth – „von Grund meiner Seele lieb, dieweil ich dadurch aus einem großen Labyrinth kommen werde.“
Wallenstein’s letzter Versuch einer Annäherung an die Liga war umsonst gewesen. Unversöhnlich erschien ihr Haß gegen ihn. Unbekümmert selbst um die Nothlage des Kaiserthums, die bei der Fortdauer des Krieges die äußerste Anspannung aller Kräfte ohne Mäßigung und Schonung erheischte, hatte sie schon im Frühjahr auf einem Convent zu Mergentheim beschlossen, von Ferdinand II. eine durchgreifende Reform der kaiserlichen Armee und eine Aenderung ihrer Direction zu verlangen. Jetzt im August, auf dem Kurfürstentage zu Regensburg, hatte sie diesem Verlangen Ausdruck gegeben; und sie hatte, alle Schuld an dem Einbruch der Schweden W. beimessend, gerade die Nothlage benutzt, um auf den dort anwesenden Kaiser, dem sie unentbehrlich blieb, den stärksten Druck auszuüben. Dieser liguistischen Fürsten wegen ließ Ferdinand seinen General fallen, welchem er als dem Vorkämpfer des kaiserlichen Ansehens trotz all’ seiner Fehler und Mißgriffe, auch trotz seiner handgreiflichen Eigenmächtigkeit und Selbstsucht, zum größten Danke verpflichtet war. Mit Wallenstein’s Persönlichkeit war das Glück der kaiserlichen Waffen verknüpft; kein Anderer [611] wäre mehr fähig gewesen, ihr Uebergewicht im Reich, auf dem die Autorität des Kaiserthums beruhte, aufrecht zu erhalten. Zögernd und widerwillig gab Ferdinand dem auf ihn ausgeübten Drucke nach – in der verfrühten Hoffnung, daß er bei den Kurfürsten die Wahl seines Sohnes Ferdinand zum römischen Könige, als Preis für die Entlassung des Friedländers, durchsetzen werde. Von persönlicher Ungnade weit entfernt, ließ er ihm diese Entlassung im September durch zwei Gesandte in Memmingen officiell anzeigen: in den mildesten Ausdrücken, unter Hinweis auf die Unmöglichkeit, in einer so gefahrvollen Zeit den Kurfürsten entgegenzutreten. W. erklärte, als Reichsfürst sein Land Mecklenburg – in dessen Besitz ihn die Liga ja nicht weniger ungern als Gustav Adolf sah – mit dem dortigen Kriegsvolk vertheidigen zu wollen. Bald darauf aber ließ er verlauten: dem Kaiser werde er nicht mehr dienen. Sein Gleichmuth war eben nur ein scheinbarer gewesen; und was ihn noch besonders kränkte, war der Umstand, daß sich Ferdinand von den Kurfürsten in Regensburg auch zu einer Armeereduction und zu einer Aenderung seines bisherigen Contributionssystems hatte nöthigen lassen, durch welche sein großes Werk erst recht in Gefahr gerieth. Seine an den Kaiser gerichteten Vorstellungen blieben unerwiedert; und das, wie es heißt, schmerzte ihn am tiefsten. Jedoch zu stolz, um es sich vor der Oeffentlichkeit merken zu lassen, zog er, statt nach Mecklenburg zu gehen, sich auf seine böhmischen Herrschaften zurück, wo ihn die friedlichen Arbeiten einer höheren Landescultur bald vollauf zu beschäftigen schienen.
Oft, und gleich damals von hervorragender Seite, ist behauptet, noch aber nicht erwiesen worden, daß auch des Kaisers Beichtvater Lamormaini wesentlichen Antheil an Wallenstein’s Sturz gehabt. Wie mit den Jesuiten überhaupt, so hatte der Friedländer doch vornehmlich mit diesem vielvermögenden Manne bis dahin stets in Freundschaft leben wollen und sich darum ersichtlich bemüht. Wol mißbilligte Lamormaini die Ausschreitungen seines Heerwesens; die großartige Kriegsverfassung selbst aber hielt er zur Defension des Hauses Oesterreich und des Römischen Reiches, hielt er im Interesse der katholischen Religion für nothwendig. Die reiche Fülle frommer Stiftungen, die W. im nämlichen Interesse und hauptsächlich für den Jesuitenorden aus seinen eigenen Mitteln bewirkte, konnte ihren Eindruck auf den Beichtvater kaum verfehlen. In den Jesuiten sah W., nicht anders als der Monarch, die geeignetsten Lehrmeister der Jugend; und das Jesuitencollegium in Gitschin, zu dem er schon 1624 den Grund gelegt, war und blieb als Erziehungsanstalt aufs glänzendste von ihm ausgestattet. Vorübergehend hatte er freilich seine großartige Fundation für diesen Orden bedauert; so im Juni 1626, als auf dessen Betreiben die Gegenreformation in Böhmen gar zu „erschrecklich“ auftrat. W. wollte die Rekatholisirung allmählich unter Anwendung der geistlichen Mittel gefördert wissen, wenn er auch gerade in seinem böhmischen Herzogthum gelegentlich selbst nicht vor Gewaltmaßregeln, wie Gefängniß und Verbannung andersgläubigen obstinaten Unterthanen gegenüber, zurückschreckte. Eben dort verfuhr er nach dem alten Grundsatz: cujus regio, ejus religio. Das jesuitische Vorgehen aber erschien ihm zeitweilig doch allzu rigoros und gefährlich, weil es zu neuem Aufruhr führen mußte. Außerdem auch duldete sein landesherrlicher, souveräner Wille die Uebergriffe von dieser Seite auf das weltliche Gebiet so wenig, als weltliche Pfaffenherrschaft und Pfaffenwirthschaft insgemein. In seinen Landen betrachtete er auch die Jesuiten, was die Temporalia betraf, als bloße Landsassen gleich den übrigen Geistlichen. Als Gönner der einen wie der anderen wollte er verehrt werden; und er versäumte denn auch andererseits nichts, um sie sich zu immer neuem Danke zu verpflichten. Im April 1628 stellte er, seines Glückes gegen die Feinde des Kaisers sich rühmend, nochmals eine große Stiftungsurkunde für die Gesellschaft [612] Jesu, „die überall die Ehre Gottes verbreitet“, zu Prag aus. Auch in Sagan stiftete er zum Zweck der Jugenderziehung ein Jesuitencolleg. Und auch in Mecklenburg war es ihm um die Gründung solcher Collegien zu thun, damit auf diese Weise der Katholicismus Eingang und allmählich Boden gewinne. Die katholische Ritterakademie, die er in Güstrow schuf, würde bei längerem Bestande schwerlich der jesuitischen Leitung entgangen sein. Freilich hinderte ihn das nicht, den mecklenburgischen Ständen bei ihrer Erbhuldigung die ungestörte Fortdauer der lutherischen Confession zu versprechen. Indeß auf die Zukunft rechnend, verfaßte er noch in Güstrow ein Schreiben an den Kaiser, worin er ihm grundsätzlich die Fundirung von Jesuitencollegien und -Seminarien auf Kosten der zu restituirenden geistlichen Güter als wirksamstes Mittel der Propaganda empfahl. Und so waren auch seine Schreiben an den Beichtvater von Versicherungen seines propagandistischen Eifers erfüllt. Seine Doppelzüngigkeit ließ allerdings an der Aufrichtigkeit derselben wiederum zweifeln; wie denn das – offenbar wechselnde – Verhältniß zwischen W. und Lamormaini noch bis jetzt nicht genügend klar gestellt ist. Zuverlässiger erschien und sympathischer war dem glaubenseifrigen Pater auf jeden Fall der den Jesuiten bedingungslos ergebene Feldherr der Liga, der nun auch zum kaiserlichen General an Wallenstein’s Stelle ernannt wurde. Und als ein Jahr später (im Sommer 1631) doch schon von einer Rückberufung des Letzteren ernster die Rede war, hat Lamormaini nach seinem eigenen Bekenntniß dagegen gestimmt. Gewiß ist, daß das Verhältniß Wallenstein’s zu den Jesuiten in weiterer Folge dann ein äußerst gespanntes wurde. Immerhin scheint er seine Stiftungen für sie nie vernachlässigt zu haben, wie überhaupt seine culturelle Thätigkeit auf geistlichem Gebiete wol zu keiner Zeit eine geringere als auf weltlichem gewesen ist. Unermüdlich hat er gleichzeitig seine mannichfachen Schloß- und Klosterbauten betrieben.
Auch durch seine Feldzüge nicht behindert, vom Lager aus, auf den beschwerlichsten Reisen, hatte er bisher schon seinem Herzogthum Friedland nach jeder Richtung hin in Bezug auf Verfassung und Verwaltung, auf Kirche, Schule und Rechtspflege, auf Landwirthschaft und Industrie seine Aufmerksamkeit gewidmet; und die Maßregeln, die sein organisatorisches Genie bei seiner früheren Anwesenheit getroffen, ergänzte und erweiterte er stets durch neue. Mit seinen Beamten stand er deshalb in ununterbrochener Correspondenz, sie zu der nämlichen strengen Disciplin wie seine Soldatesca anhaltend. Und wie seine Armeesprache ausschließlich die deutsche gewesen, so nun nicht minder seine Regierungssprache. Das tschechische Element stieß ihn wegen seiner nationalen Beschränktheit und seiner Minderwerthigkeit in Cultur und Sitte ab. Die tschechische Sprache duldete er nicht einmal in seiner böhmischen Kanzlei. Als Deutscher auftretend, erschien er denn auch in Mecklenburg wenigstens nicht als nationaler Fremdling; als Reichsfürst ein Parvenu, hatte er hier dennoch den eingeborenen Adel für sich zu gewinnen verstanden. Sich dessen Freund nennend, hatte er mehr als die alten Herzoge ihn zu Raths- und anderen Diensten im Lande, aber auch – während seines fast einjährigen Aufenthalts daselbst vom Sommer 1628 bis zum Sommer 1629 – zu seinem persönlichen Hofdienst mit überraschendem Erfolg herangezogen. Und doch hatte er andererseits ihn des Rechts, an das Reichskammergericht zu appelliren, beraubt. Sein Bestreben, der herzoglichen Gewalt auch in Mecklenburg dem Kaiser wie den Ständen gegenüber möglichste Selbständigkeit zu verschaffen, tritt deutlich hervor. Dabei aber war er eben auch hier als Reformator im Gerichts- und Finanzwesen, in Regierung und Kanzlei erschienen, hatte hier zum ersten Male Justiz und Verwaltung von einander getrennt, hatte gleiches Maß und Gewicht eingeführt und wirkte überdies wohlthätig [613] durch seine Armenversorgung. In letzter Instanz diente freilich Alles seinen eigenen Interessen, wie er denn schonungslos durchgegriffen, wo fremde Rechte ihm im Wege standen. Die Prosperität seiner Länder, die er sich zum Ziel gesetzt, sollte ihn selbst immermehr bereichern. Schon bei der mustergültigen Bewirthschaftung seiner böhmischen Besitzungen hatte er mit kaufmännischem Geiste sofort das lucrative Moment erfaßt. Getreidelieferant der kaiserlichen Armee, hatte er als Feldherr für seine Kasse als Privatmann trefflich gesorgt. Um wieviel mehr noch hatte er von seiner Doppelstellung als Feldherr und Landesfürst, hier namentlich auch in Anbetracht seiner vielseitigen industriellen Anordnungen, profitiren können!
Und so groß nun auch die Einbuße war, die seine Enthebung vom Generalat nach sich ziehen mußte – er war reich genug, in Gitschin, wie bisher in Güstrow, fortgesetzt einen mehr als fürstlichen Hofhalt zu entfalten. In seiner jetzigen Muße schien er seiner Baulust nur noch besser willfahren zu können. Seine noch unvollendeten Bauten wurden mit vollem Nachdruck weitergeführt, so in erster Reihe sein prächtiges Schloß in Gitschin. Seinem grandiosen und kunstgeschmückten Palast in Prag, der schon früher nahezu hergestellt, wurden immer neue Verschönerungen hinzugefügt. Italienische Architekten hatten die Pläne zu den Prachtbauten entworfen; sie blieben auch mit ihrer Ausführung betraut. Eben in dieser Periode ließ er in Sagan, gleichfalls durch einen Italiener, einen Schloßbau beginnen, der nach zeitgenössischem Urtheil ein achtes Weltwunder gebildet hätte, wäre er nicht unvollendet geblieben. Aber noch in anderer Hinsicht wollte W. als Mäcen dastehen. Berühmte Dichter und Gelehrte, wie Martin Opitz und Hugo Grotius gedachte er herbeizuziehen als erste Zierden einer Universität, die er in Gitschin oder richtiger wol in Sagan gründen wollte. Die Berufung jenes nicht minder berühmten Astronomen und Mathematikers Johannes Kepler an seine Universität Rostock bereitete er vor; dessen früher Tod (im November 1630) vereitelte den Plan. Es ist nicht möglich, die Fülle und die Vielseitigkeit seiner landesherrlichen Culturbestrebungen an dieser Stelle zu schildern. Nur noch an seine einsichtigen hygienischen Maßregeln sei besonders erinnert, weil er gerade auch auf diesem Gebiet seiner Zeit weit vorausgeeilt war. Derselbe Mann, der für Gesundheit und Wohlfahrt seiner Unterthanen väterlich besorgt schien, stieß sie allerdings durch sein egoistisch-despotisches Wesen wieder in brutalster Weise ab. Und wenn er auch davon sprach, seinem Herzogthum Friedland eine landständische Verfassung zu geben, so war der Hauptzweck der Landesordnung, die er noch vor Antritt seines zweiten Generalats entwerfen ließ, doch nur der, Friedland vom Königreich Böhmen staatsrechtlich vollends loszulösen. Des noch bestehenden Lehnsnexus ungeachtet herrschte er auch hier schon „ungefähr wie ein deutscher Fürst“ – und zugleich wie ein orientalischer Sultan. Selbst seinen höheren Beamten in Gitschin drohte er zu Anfang 1632 wegen mangelhafter Steuereintreibung die Köpfe abschlagen zu lassen. Erbarmungslos verlangte er den pünktlichen Eingang seiner drückenden Steuern, seitdem Mecklenburg durch die schwedische Invasion ihm verloren ging und dadurch doch ein schwerer Ausfall in seinen Einkünften sich fühlbar machte. Erst infolge der Regensburger Beschlüsse scheint er diesen Verlust als unabwendbar erkannt zu haben. Sein Oberst Wengersky, der als sein Statthalter in Mecklenburg zurückgeblieben, hatte mit unzureichenden Kräften gethan, was möglich, um dieses Herzogthum ihm zu erhalten. Tilly selber war als kaiserlich-liguistischer Oberbefehlshaber mit rühmenswerthem Eifer, doch vergeblich bestrebt, jene Invasion abzuwehren. Was aber that der Friedländer? Die Eroberung und völlige Einnahme Mecklenburgs durch Gustav Adolf einmal vor Augen, suchte er noch zu guterletzt aus diesem Lande herauszuschlagen, [614] was er nur konnte. Ja, schon früh im J. 1631 soll er die dortigen Getreidevorräthe haben verschiffen lassen, um sie anderweitig zu Gelde zu machen. Das Schloß zu Güstrow wurde gänzlich ausgeräumt und auch sonst allerhand bewegliches Gut fortgeschafft. Noch nach der Heimkehr der von ihm vertriebenen Herzoge, im October dieses Jahres hat W. – übrigens mit Genehmigung des Kaisers – dem Dänenkönige das Anerbieten machen lassen, gewisse „Stücke“ von Mecklenburg, vermuthlich sogar einige Hafenplätze, ihm im Gegensatz zu Schweden zu verkaufen. Er liquidirte, wie man es genannt hat, sein Herzogthum in aller Form.
Nichtsdestoweniger hatte er sich schon vorher, wahrscheinlich auch schon im Frühjahr 1631, in geheime Unterhandlungen mit dem Schwedenkönig selber eingelassen, die, jenen früheren nicht zu vergleichen, ihn in einem neuen Lichte zeigen; sei es nun, daß der erste Schritt dazu von ihm ausgegangen oder von Gustav Adolf, der ihn mit Undank vom Kaiser belohnt sah. Wenn aber auch die Aussagen des böhmischen Exulanten Sezyma Rašin, damals eines rührigen Zwischenträgers zwischen beiden Theilen, nach Wallenstein’s Tode aber seines tendenziösen Hauptanklägers vor dem Kaiser, mit aller Vorsicht aufzunehmen sind, so spricht doch Manches für seine Behauptung: daß Wallenstein’s Schwager und fortan nächster Vertrauter, der Graf Trčka, im Namen desselben die Initiative ergriffen habe. Erwiesen ist durch die Correspondenz des Grafen Matthias Thurn, des vornehmsten aller böhmischen Emigranten und des bevorzugten Unterhändlers auf schwedischer Seite, daß Gustav Adolf bedingungsweise sich schnell bereit erklärt hatte, W. ein Corps von 12 000 Mann zuzustellen; er wollte, daß jener in seinem Namen damit Krieg führe, und erbot sich, ihn zum „Vicekönig“ – was sich doch nur auf Böhmen beziehen kann – zu machen. Und nach der nämlichen Correspondenz versprach W., mit 12 oder 14 000 Soldaten des Schwedenkönigs den Kaiser in seinen Erbländern anzugreifen, sich vor Wien zu legen und wol noch zeitig im Winter nach Steiermark, Kärnten und Krain vorzudringen. Allein wol infolge der Schlacht bei Breitenfeld (17. September), in welcher Tilly von Gustav Adolf aufs Haupt geschlagen wurde, erschien die stets bedenkliche Assistenz eines Friedländers den Schweden nicht mehr begehrenswerth, und die Verhandlungen wurden abgebrochen. Zur Verfolgung der Feinde über Thüringen nach Süddeutschland zog Gustav Adolf es vor, seine Truppen unter der eigenen Führung zusammen zu halten. Dem Anschein nach verhinderte er somit eine hochverrätherische Handlung Wallenstein’s, die freilich bei dem doppelten Spiel, das dieser fortan zu spielen liebte, nicht schon als zweifellos beabsichtigt angenommen werden dürfte. Gerüchte, daß er von Gitschin aus mit den Feinden des Kaisers conspirire, waren schon vorhergegangen. Dadurch indeß nicht beeinflußt, hegten einige der vornehmsten Kriegshäupter, wie Pappenheim und wie Tilly selbst, den sehnlichen Wunsch, daß er das Obercommando über die kaiserliche Armee aufs neue übernehmen möge. Und bei der Panik, die nach der Breitenfelder Katastrophe sich des Kaiserhofes bemächtigte, gewann dieser Wunsch die Oberhand. Ferdinand gab ihm den entscheidenden Ausdruck, indem er im October seinen Kriegsrath v. Questenberg, einen alten und treuen Freund Wallenstein’s, nach Böhmen sandte, um denselben zur Wiederannahme des Generalats aufzufordern, ihn außerdem auch mit einer wichtigen diplomatischen Mission zu betrauen. Dem neuen Bündniß des Kurfürsten von Sachsen mit Gustav Adolf sollte er nämlich entgegenarbeiten durch Unterhandlungen mit Arnim, der den kaiserlichen Dienst verlassen hatte und, als strenger Lutheraner durch die Politik des Restitutionsedictes abgestoßen, nunmehr Feldmarschall und Hauptberather des letzteren Kurfürsten war, jedoch mit W., seinem früheren Vorgesetzten, noch immer in Correspondenz [615] stand. Unter Arnim’s Führung fielen eben damals die Sachsen in Böhmen ein, um die Gunst der Lage, die Gustav Adolf’s Sieg auch ihnen bereitet hatte, nach Möglichkeit auszunutzen. Wie oft aber ist nicht bis heute behauptet worden, daß W. hierbei ebenfalls seine Hand verrätherisch im Spiele gehabt, daß er aus Rache gegen Ferdinand Arnim selber zu diesem Unternehmen angespornt habe. Eine Behauptung, die indeß nach Arnim’s vorliegenden Briefen und nach Wallenstein’s eigenen Anordnungen keineswegs glaubwürdig erscheint. Auch konnte es W. nicht gleichgültig sein, daß im Gefolge des sächsischen Invasionsheers eine ganze Schar böhmischer Emigranten und Exulanten angezogen kam, die in ihr confiscirtes Eigenthum unter Vertreibung der neuen Besitzer wieder eingesetzt zu werden verlangten und die Bauern aufrührerisch machten. Kam es doch aus diesem Anlaß zu Tumulten auf mehreren seiner eigenen, von ihm selbst erst durch Confiscation gewonnenen Besitzungen. In Münchengrätz erhoben sich die Bauern sogar im Einverständniß seines dortigen Schloßhauptmanns, den er deshalb zum Tode verurtheilte. Wol aber mehr zum Schein widersetzte er sich eine Zeitlang dem Hauptwunsche des Kaisers, den Oberbefehl wieder zu übernehmen, der nach der Eroberung Prags durch die Sachsen (im November) nur noch dringender war. Je größer die Gefahr zu werden drohte – dennoch entgingen seinem militärischen Blick von Anfang an nicht die Mängel des sächsischen Heerwesens –, um so höher durfte er seinen Preis diesem von namenloser Furcht ergriffenen Monarchen gegenüber bemessen.
Einem neuen Abgesandten, dem Fürsten Eggenberg, der von allen Männern am Hofe W. von jeher am nächsten gestanden, gelang es, Mitte December in einer Zusammenkunft mit ihm zu Znaim sein hartnäckiges Sträuben zu überwinden, indem er in des Kaisers Namen ihm volle Genugthuung für alles Vorausgegangene versprach.[4] Er brachte, was für die damaligen Verhältnisse allerdings bezeichnend ist, die gemessene kaiserliche Erklärung mit: daß es weder dem Beichtvater noch anderen Geistlichen gestattet werden würde, sich in Wallenstein’s Angelegenheiten zu mischen. Zunächst aber bloß provisorisch, für drei Monate, nahm dieser das Generalat wieder an – und wol kaum mehr mit reinem Gewissen. Indirect Gustav Adolf und direct Arnim, jedem von beiden gegenüber jedoch mit anderen und widersprechenden Motiven soll er sich förmlich entschuldigt haben, daß er noch einmal in den Dienst dieses Kaisers trete, an dem er sich dennoch, wie er angeblich nach beiden Seiten hin durchblicken ließ, zu seiner Zeit rächen werde. Jedenfalls war seine Sprache nichts weniger als loyal, auch wenn er den Einen wie den Anderen für jetzt nur täuschen wollte. Mit Ferdinand ganz darin einverstanden, daß Kursachsen von Schweden abgezogen und getrennt werden müsse, ging er doch alsbald schon eigenmächtig über ihn hinaus, da er, Verhandlungen zum Zweck eines Sonderfriedens mit ersterer Macht einleitend, hierbei sich rückhaltlos zu Arnim für die gänzliche Wiederaufhebung des Restitutionsedicts, das freilich die Protestanten den Schweden erst in die Arme getrieben hatte, aussprach. Arnim aber ließ sich weder in Kaunitz, wo W. bereits zu Ende November oder Anfang December mit ihm conferirte, noch in Aussig, wo Trčka im Januar 1632 die Verhandlungen fortsetzte, durch Verheißungen ködern, für die er die unerläßliche Zustimmung des Kaisers vermißte. Und ebenso wenig war er gewillt, mit dem Schwedenkönig zu brechen. Trotzdem setzte W. seine Correspondenz mit ihm fort, um ihn nun zum mindesten hinzuhalten und für die Reorganisation der stark erschütterten kaiserlichen Armee, für die neuen immensen Werbungen, zu denen er sich in Znaim verpflichtet hatte, die nöthige Zeit zu gewinnen. Seine militärischen Grundsätze waren die alten geblieben; zu Schonung, Maßhalten, Sparsamkeit, wie die Liga sie wünschte, waren die [616] Dinge nicht angethan. Nur mit äußerster Anstrengung, mit rücksichtsloser Ausnutzung aller noch vorhandenen Hülfsmittel, mit gewaltsamer Erpressung der Contributionen, wo es sein mußte, ließ sich der Erfolg erwarten, daß die kaiserlichen Streitkräfte der Summe der feindlichen wieder gewachsen dastehen würden. Friedlands Name übte wie vordem einen magnetischen Zauber aus, als er die Werbetrommel rühren ließ. Seine alten Officiere strömten ihm von neuem zu. Sein organisatorisches Talent zeigte sich noch einmal in vollem Glanze; und in wenigen Monaten hatte er, übrigens auch durch spanische Subsidiengelder viel mehr als früher unterstützt, wiederum ein Heer von etwa 40 000 Mann, das auf den Namen des Kaisers geworben war, beisammen. Dem sächsischen Heer in Böhmen, das Kurfürst Johann Georg trotz Arnim’s beständiger Warnungen in unverantwortlicher Sorglosigkeit vernachlässigte, war er schon vor Ausgang des Winters weit überlegen; und jenen fruchtlosen Unterhandlungen ließ er, seine Gelegenheit wahrnehmend, die Feindseligkeiten im Felde schnell genug folgen. Die sächsische Occupation mehr und mehr zurückdrängend, brachte er den unglücklichen Arnim schon im April in eine Lage, daß dieser die baldige Räumung Böhmens für unvermeidlich hielt. Was aber für W. selber das Wichtigste war: nach einem neuen Vertrag, den Eggenberg zu Göllersdorf am 13. mit ihm eingegangen, erfolgte seine definitive Wiederanstellung als kaiserlicher Generalissimus. Und zwar mit einer Machtvollkommenheit, die angesichts des bisher ungehinderten Siegeslaufes der Schweden im Reich sich nur aus der aufs höchste gestiegenen Angst des Kaiserhofes, der nahezu verzweifelten Stimmung Ferdinand’s II. und seiner Räthe erklären läßt. Mit Schrecken hatte Eggenberg, von Wallenstein’s Rücktritt den Untergang des Reiches fürchtend, dem Ablauf der dreimonatlichen Frist entgegengesehen, mit dem Bischof Anton von Wien um die Wette ihn selbst aber in dem Bewußtsein seiner Unersetzlichkeit noch bestärkt. Während Gustav Adolf von der Donau her, in Baiern eindringend, sich Oesterreich näherte, hatte Ferdinand durch Eggenberg flehentliche Bitten an W. gerichtet, ihn in der gegenwärtigen Noth nicht zu verlassen und W. „Alles anheimgestellt“, was er dem Interesse des Dienstes entsprechend finden würde. So hatte denn der Letztere unerhörte Forderungen stellen dürfen und in seiner neuen Capitulation bewilligt erhalten; vornehmlich die des absoluten Oberbefehls über die Armee ohne jeden weiteren Einspruch des Kaisers. Wenn auch die Obersten und Generale demselben vereidigt blieben, hatten sie doch von nun ab ausschließlich den Befehlen Wallenstein’s zu folgen. Und er wurde ermächtigt, weder Heerführer noch Truppen im Reiche zu dulden, die ihm nicht untergestellt wären, mithin auch keine von ihm unabhängigen Streitkräfte der Bundesgenossen des Kaisers: ein Punkt, der die Spanier nicht weniger als die Liga betraf. Allerdings verlor die Liga gerade in den nächsten Tagen ihren berühmten Feldherrn infolge einer schweren Verwundung im Gefecht mit den Schweden bei Rain am Lech. Sterbend noch sandte Tilly dem ehemaligen Rivalen, mit seinem Glückwunsch zur Wiederberufung, die dringendste Aufforderung zu, das Reich vor dem Verderben zu retten.
Zu den großen Vorrechten des Friedländers gehörte auch diesmal, nur noch weiter gehend als früher, das Recht, zum Nutzen der Armee in den kaiserlichen Erblanden, in Böhmen sogar ohne Rücksicht auf die Stände, Steuern zu erheben. Dazu das ausschließliche Recht der Verfügung über alle Confiscationen dort sowie im Reiche. Die Vertreibung des sächsischen Kriegsvolkes aus Böhmen gab ihm bald freie Hand, um von diesem Rechte zur Bestrafung der letzten Rebellion – durch seine zu Prag und Eger eingesetzte „Confiscations-Commission“ – einen tief einschneidenden Gebrauch zu machen. Großartige Entschädigung wurde ihm offenbar für sein – nach officieller Auffassung übrigens [617] nur zeitweilig verlorenes – Herzogthum Mecklenburg zugesagt. Als vorläufigen Ersatz erhielt er durch Verpfändung vom 16. April das wie Friedland und Sagan zu den kaiserlichen Erblanden gehörige Fürstenthum Glogau. Er aber wollte deutscher Reichsfürst sein und bleiben und ließ sich, da die Wiedererwerbung Mecklenburgs doch sehr zweifelhaft war, ein anderes und aller Wahrscheinlichkeit nach ein Kurfürstenthum in Aussicht stellen. Er dachte angeblich an Kurbrandenburg, wol mehr aber noch an die Unterpfalz in Verbindung mit der pfälzischen Kurwürde, deren Besitz ihm in Zukunft eine entscheidende Stimme im Rathe der Kurfürsten verhieß. Diese Frage der „ordentlichen Recompens“ mußte natürlich noch aufgeschoben werden, und wer weiß, was sonst er begehrte! Urkundlich beglaubigte Aufzeichnungen fehlen und damit der authentische Wortlaut der Capitulation. Schwerlich aber ist anzunehmen, daß diese lediglich auf mündlichen Abmachungen zwischen Ferdinand’s Vertreter und W. beruhte. Gerade nach den Regensburger Vorfällen verlangte er die möglichste Sicherstellung und, argwöhnisch wie er mehr als der Kaiser war, gewiß auch die bündigste Declaration seiner Rechte. Ob nicht indeß nach Wallenstein’s Ermordung die bezüglichen Ausfertigungen einer für den Kaiser so überaus demüthigenden Capitulation in dessen und der betheiligten Staatsmänner Interesse vernichtet worden sind? Durch seine Zugeständnisse hatte Ferdinand sich ihm „mit gebundenen Händen“ überliefert und war nur noch der Schatten eines Herrschers. W., jetzt erst vollends zum militärisch-politischen Dictator im Reich erhoben, sah sich nun freilich vor ungleich schwierigere Aufgaben als zur Zeit seines ersten Generalats gestellt. Die äußeren Machtverhältnisse hatten sich eben auch zu seinen Ungunsten durchaus verschoben. Seine Occupationen von damals, mit Mecklenburg zugleich Pommern, die Stiftslande, die Mark u. s. w. waren in schwedische Hände gefallen, Gustav Adolf war Meister des größten Theiles von Deutschland. Nach allen Richtungen über dasselbe sich ausbreitend, befanden sich unter des Königs Commando mehr als 80 000 Mann. Eine stattliche Anzahl deutscher Fürsten, an der Spitze die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg, hatte sich mit ihm verbündet; und unheimlich im Hintergrunde stand Frankreich, auch trotz seines mit dem Kaiser inzwischen wiederhergestellten Friedens stets bereit, sich auf Kosten des Reiches mit oder ohne Gustav Adolf zu vergrößern. Das aber war nun die nächste Aufgabe des kaiserlichen Generalissimus, Kursachsen als das Haupt des deutschen Protestantismus von Schweden wieder loszureißen; seine weitere war es, die Integrität des Reiches mit Vertreibung der Fremden zu erstreben. Und so viel Keime neuen Conflictes nicht bloß mit der Liga, sondern mit dem Kaiserhof und dem Kaiser selber seine beispiellosen Vollmachten auch enthielten: es läßt sich nicht leugnen, daß mit seiner ehrenvollen Wiederberufung die Brücke zwischen ihm und Gustav Adolf vollends abgebrochen, daß sein Verhalten noch einmal ein vorwiegend correctes wurde. Noch einmal die Interessen seines Herrn mit den seinigen verknüpfend, ergriff er das Schwert für ihre muthige Vertheidigung nach außen hin.
Mit der Recuperation von Böhmen hoffte er Kursachsen zur Nachgiebigkeit zu bringen, theils drohend und theils verheißend Arnim und dessen kurfürstlichen Herrn zum Abschluß des Separatfriedens mit dem Kaiser zu nöthigen. Die absolute kaiserliche Vollmacht, die er zu eben dieser Friedensschließung in Händen hatte, legte er Arnim bei einer neuen Zusammenkunft mit ihm in Rakonitz am 22. Mai vor. Nochmals versprach er ihm hier auch, in nicht mißzuverstehenden Worten, die Ausführung des Restitutionsedicts verhindern zu wollen, und ließ ihn seine Entzweiung mit den Jesuiten merken. Gleichwohl, so wenig dadurch wie durch die Wahl des protestantischen Obersten Sparr zu seinem Unterhändler vermochte er den kursächsischen Feldmarschall zur Trennung [618] von den Schweden zu bewegen. Bloß hinzuhalten suchte ihn dieser nunmehr in der Hoffnung, seine Angriffe zu verzögern oder abzuschwächen – was Prag gegenüber freilich nicht gelang; bereits am 25. Mai ward Böhmens Hauptstadt in die Gewalt der Kaiserlichen zurückgebracht. Immerhin glückte es Arnim, die drohende Vernichtung des kurfürstlichen Heeres abzuwenden und es im Juni nach Sachsen ohne Verluste heimzuführen. W. wurde es schwer, sich zu überzeugen, daß die gewünschte Sonderabmachung nicht zu erreichen war. Dann aber zauderte er nicht länger, den Entscheidungskampf mit Gustav Adolf aufzunehmen. Er hatte die Genugthuung, daß der König auf die Nachricht von der Wiedereroberung Prags sich entschlossen, in seinem Siegeslauf durch Süddeutschland einzuhalten und nordwärts zurückzukehren, um mit Sachsen, welches derselbe ernstlich gefährdet glaubte, das Fundament seiner bisherigen Erfolge sicher zu stellen. Er hatte die kaum geringere Genugthuung, daß der von den Schweden in seinen Stammlanden aufs härteste betroffene Kurfürst Maximilian von Baiern sich flehend an ihn um Hülfe wandte, ihn mit ungewöhnlichen Schmeichelworten herbeirief: „… denn Euer Liebden Gegenwart und Autorität Alles zu gutem Effect befördern wird.“ Eine glänzende Aufgabe harrte des Friedländers, als er in der Absicht, jetzt die liguistischen Streitkräfte mit den kaiserlichen unter seinem Obercommando zu vereinigen, in Eger mit dem Baiernfürsten zusammentraf und dann mit ihm nach Franken vorrückte. Gustav Adolf, der zu spät kam, um diese Vereinigung der katholischen Heere zu verhindern, bestimmte Nürnberg zum Generalrendezvous seiner Truppen und schlug hier, die ihm treue Stadt deckend, ein festes Lager auf, von dem aus er das weitere Beginnen der Feinde abwarten wollte. Einen offenen Angriff aber auf diese trefflich gewählte und wohlverschanzte Position hielt W. für ein zu großes Wagniß; und er zweifelte doch auch, ob sein Volk schon eine Schlacht mit einem solchen Gegner bestehen könne. So zog er – Mitte Juli – es denn vor, zwei Stunden von Nürnberg entfernt ebenfalls ein durch Batterien, Gräben und Schutzwehren stark befestigtes, ein noch großartigeres Lager zu errichten, wohl mit dem nächstliegenden Zweck, den Schweden wie den Nürnbergern die Zufuhr abzuschneiden. Er brachte damit beide in eine schwierige Lage, ohne indeß zu verhindern, daß der König sich durch frischen Zuzug verstärkte. Daraufhin unternahm dieser, durch die Verhältnisse gedrängt, aber voller Zuversicht, nach mehrwöchentlichem Harren am 3. September gegen das Lager des unbeweglichen oder scheinbar vielmehr seinen Rückzug vorbereitenden Friedländers einen wuchtigen Angriff, welcher alsbald zu einem mörderischen Kampf um den Burgstall, den Hauptposten der Kaiserlichen, führte. Dank der umsichtigen Fürsorge ihres Generals mißlang das schwedische Unternehmen und war so verlustreich, daß er dem Kaiser triumphirend aus seinem Feldlager schrieb: der König habe sich gewaltig die Hörner abgestoßen, „das Prädicat invictissimi nicht ihm, sondern Ew. Maj. gebühret“.
Gustav Adolf war nicht mehr Meister dieses Krieges, nicht mehr Meister von Deutschland. Ein ihm ebenbürtiger Gegner stand der kaiserliche General da, mit einer erst von diesem geschaffenen, den Schweden aber doch schon gewachsenen Kriegsmacht. Und nun ereignete sich der unerwartete Fall, daß der König den bereits vorher in seine Gefangenschaft gerathenen Obersten Sparr von Nürnberg an ihn abschickte, um ihm aus eigener Initiative Friedensunterhandlungen anzubieten. Er war bereit, ihm selber zum Ersatz für Mecklenburg ein liguistisches Stiftsland, das Bisthum Würzburg mit dem Herzogthum Franken, demnach einen Theil seiner anderweitigen Eroberungen abzutreten, während er für sich und die Krone Schweden Pommern als Lehn vom Reiche behalten wollte. Wie es heißt, war er in den nächsten Tagen nach seinem Abzug von Nürnberg [619] zu noch Größerem bereit; durch den böhmischen Emigranten zBubna, einen seiner höheren Officiere, soll er W. seinen ganzen Beistand zur Erlangung und zu dauerndem Besitz der Krone Böhmens haben anbieten wollen – was jedoch unterblieb. Der siegreiche General, der sich noch immer „Herzog zu Mecklenburg“ nannte, hatte es nicht nöthig, so chimärischer Lockungen halber sich mit Kaiser und Liga zu verfeinden. Er gab ihnen, wenn auch vielleicht nur in allgemeinen Worten, Nachricht von dem ihm durch Sparr überbrachten Wunsch des Königs, Friedenstractate anzustellen. Den Letzteren aber suchte er durch Sparr nun seinerseits hinzuhalten, bis seine Vorbereitungen zu nochmaliger und zu völliger kriegerischer Abrechnung vollendet sein würden. Die moralische Wirkung seines Erfolges vor Nürnberg in Verbindung mit der Aussicht, durch den kaiserlich-liguistischen Feldmarschall Pappenheim noch mehr verstärkt zu werden, ließ ihn noch vor Abbruch seines Lagers die kühne Erwartung aussprechen, daß es mit Gustav Adolf schnell „gethan“ sein werde. Und er ließ sich auch dadurch nicht beirren, daß derselbe sich Ende September zum zweiten Male gegen Baiern und Schwaben wandte. Er sah richtig voraus, daß der König aus ebenso zwingenden politischen wie militärischen Gründen Kursachsen nicht im Stich lassen werde, sobald er selbst nun dorthin zielbewußt zu blutiger Rache aufbrach. In der That hatte Arnim ihn schwer gereizt, da er, durch seine böhmische Niederlage nicht entmuthigt, die weite Entfernung Wallenstein’s noch im August zu einem wohlgelungenen Einfall in Schlesien benutzt hatte. Zur Vergeltung dafür hatte W. bereits seine Obersten Holk und Gallas mit grausamen Befehlen, das kursächsische Gebiet zu verwüsten, abgesandt. Das aber genügte ihm nicht, und ihn selbst, den Generalissimus, der dieses Kurfürstenthum einst ausnehmend geschont und neutral erhalten hatte, sollte es nunmehr als zürnenden Feind erst recht kennen lernen. Er meinte es erobern, den Kurfürsten zur Unterwerfung bringen zu können, bevor noch der König ihm zur Hülfe kommen würde. Aus dem Marsch durch Franken nahm er mit leichter Mühe die Stadt Coburg ein; dagegen scheiterte sein Angriff und Sturm auf die gleichnamige Veste an ihrer heldenmüthigen Vertheidigung durch den schwedischen Obersten Taupadel. Und mit diesem cooperirte Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar als Obercommandant der königlichen Armee im Norden, durch drohende Bewegungen in Thüringen, die der kaiserlichen Armee den Paß abschneiden sollten. Indeß zog W., von welchem sich jetzt, zu seinem Verdruß, die Baiern unter Kurfürst Maximilian wieder trennten, ungehindert durch das Voigtland nach Zwickau weiter, wo er am 24. October eintraf, um nach kaum zweitägiger Ruhepause sich in Altenburg mit Holk und Gallas zu vereinigen und dann sofort Leipzig zu nehmen. So geschah es und auch die Pleißenburg ergab sich dem Uebermächtigen am 2. November. Ohne Widerstand zu finden, überflutheten seine Heeresmassen das sächsische Flachland. Weißenfels und Merseburg wurden von ihnen besetzt. Er gedachte seine Winterquartiere im Kurfürstenthum zu nehmen und die Armee wieder einmal ganz von Feindesland ernähren zu lassen. Für die planmäßige Occupation und deren Vertheidigung zog er neue Verstärkungen von außen heran, und im Vertrauen auf ihr rechtzeitiges Eintreffen fürchtete er weder Arnim’s noch Herzog Bernhard’s Anmarsch. Im Vertrauen, auch Gustav Adolf bei dessen Ankunft von Baiern her überlegen zu sein, triumphirte er im voraus: „Wenn wir den König gedämpft haben, da sind die Anderen alle gefallen“. Der König kam aber schneller und früher, als er erwartet, herbei und überraschte W. mitten in seinen Vorbereitungen. Dieser mußte, ohne wie er gewollt, ihm Erfurt und Naumburg vorweg genommen zu haben, auch Weißenfels wieder räumen und von Torgau, das er den Sachsen sonst wol ebenfalls schnell entrissen haben würde, abstehen. Noch gab er Pappenheim – den er damit von einer minder [620] wichtigen Diversion nach dem Rhein abhielt – den Auftrag, das im vergangenen Jahre von den Schweden besetzte Halle mit der Moritzburg zurückzuerobern. Er selbst war entschlossen, die wegen der Verbindung mit Merseburg, Halle, Leipzig und Altenburg bedeutsame Position, die er in der Ebene von Lützen einnahm, gegen die andringenden Feinde zu behaupten, wie er den Burgstall bei Nürnberg behauptet hatte. Auch sie machte er durch Gräben und Verschanzungen so fest als möglich.
Gustav Adolf war nach Sachsen geeilt, um sich mit dem Kurfürsten zu vereinigen. Die Nachricht aber, daß die Kaiserlichen von Weißenfels retirirt – anfangs hieß es sogar, W. sei nach Leipzig zurückgegangen –, daß sie sich getheilt, daß Pappenheim nach Halle marschirt sei, erfüllte den König mit der Hoffnung, ihnen unterwegs bereits einen Vortheil abzugewinnen, ohne den Anzug der Sachsen erst abwarten zu sollen. Hinwieder ließ W. die Schweden sich seinen befestigten Quartieren nähern, bereit auf ihren Empfang, wenn nur Pappenheim ihm rechtzeitig die Hand reichte. Alles – schrieb er demselben am 15. aus Lützen – solle er stehen und liegen lassen, mit allem Volk und Geschütz von Halle eiligst aufbrechen, so daß er früh am folgenden Morgen sich hier bei ihm befinde. Gefahr war im Verzug und Pappenheim gehorchte. Wenigstens mit seiner Reiterei kam er noch zur rechten Zeit, um in die von Gustav Adolf am Vormittag des 16. eröffnete Schlacht wirksam einzugreifen. Aber weder sein Fall – tödtlich verwundet, wurde er vom Schlachtfeld nach Leipzig gebracht – noch auch der Fall des Königs, der auf dem Felde sein Leben aushauchte, vermochte dem wilden Treffen bei Lützen ein Ziel zu setzen. Mit einer nie erhörten Wuth focht man nach W. auf beiden Seiten. Auch ihn streifte eine Musketenkugel, jedoch ohne Schaden zu thun. Unerschrocken, rastlos am Gefechte theilnehmend, hielt er mit sicherem Feldherrnblick das Gros der Seinigen aufrecht – bis zur Nachtzeit, wo sie tief erschöpft und kaum mehr zu halten waren. Daher beschloß er, in Uebereinstimmung mit seinen höheren Officieren, noch während der Nacht den Rückzug nach Leipzig anzutreten. Trotz der von den Feinden behaupteten Oberhand war er nicht besiegt worden. Gustav Adolf’s Tod aber würde auch eine Niederlage ausgewogen haben. Der Kaiser, in den Wahn versetzt, als habe sein General vielmehr einen großen Erfolg davon getragen, gratulirte ihm und sich selber hierzu, sowie zu dem Hingang des furchtbarsten aller seiner Gegner. Der General frohlockte, daß die Protestanten ihr Haupt verloren. Er erwartete davon einen durchgreifenden Umschwung der Dinge und rechnete für den nächsten Sommer auf große militärische Fortschritte. Zunächst aber sah er sich doch genöthigt, seine Winterquartiere anderswo als in Sachsen zu nehmen. Der Plan, das Kurfürstenthum ganz in seine Gewalt zu bringen, war gescheitert; der Vereinigung der Schweden und Sachsen daselbst stand nichts im Wege. Sein eigenes Heer war allzu abgemattet und von Verlusten kaum weniger als das schwedische betroffen – wie er selber schreibt, waren in der Schlacht etliche tausend Mann auf seiner Seite geblieben und außer Pappenheim die meisten Officiere todt oder verwundet. Wegen Mangels an Pferden, die theils getödtet, theils versprengt waren, hatte er viele Kanonen auf der Wahlstatt zurücklassen müssen. Seine Vorsicht gebot ihm, zumal drückender Mangel an Lebensmitteln hinzukam, von Leipzig ohne Aufenthalt nach Böhmen zu retiriren. Hinter seinem Rücken ging dann aber der Rest seiner Plätze in Sachsen an die verbündeten Feinde schnell verloren.
Die ungestörte Winterruhe, die diese, unter sich selbst nicht einig, ihm in Böhmen gewährten, benutzte W. zu vollkommener Wiederherstellung seiner Armee. Doch gab er der Schlacht noch ein herbes und blutiges Nachspiel, indem er eine Anzahl von Officieren, die vor dem Feinde „ausgerissen“ waren, standrechtlich verurtheilen [621] und am 14. Februar 1633 zu Prag theils hinrichten, theils für ehrlos erklären ließ. Ohne Rücksicht auf ihre vornehme Herkunft strafte er mit exemplarischer Strenge, wie er andererseits Officiere und Regimenter, die sich bei Lützen ausgezeichnet hatten, mit königlicher Freigebigkeit beschenkte. Umfassende Vorbereitungen wurden getroffen, um auf den beiden großen Kriegsschauplätzen im Nordosten und im Süden des Reiches den Feinden im Frühjahr gewachsen zu sein. Wie aber hätte W. von seiner alten Maxime lassen können, während der eifrigsten Rüstungen zur Fortsetzung des Krieges ihnen Unterhandlungen anzubieten! Dabei war es ausgesprochener als je seine Absicht, Zwietracht unter ihnen zu säen. Er wollte, wie Questenberg ihn sagen läßt, diesen Winter über den Krieg durch „Praktiken“ führen; und die Entwicklung der Dinge nach dem Tode Gustav Adolf’s schien dafür günstig zu sein. Denn die Wege und Ziele der schwedischen und der kursächsischen Politik gingen fortan in wichtigen Punkten aus einander. Mißgriffe zum Schaden der gemeinsamen evangelischen Sache traten hier und dort hervor. Nicht der kleinste war es, daß Oxenstierna, der berufene politische Nachfolger des Königs, dem kursächsischen Obercommando in Schlesien, mit anderen Worten Arnim, dem neu ernannten Generallieutenant des Kurfürsten Johann Georg, ein selbständiges Sondercommando über die dort befindlichen schwedischen Truppen an die Seite stellte – und daß er es noch dazu einem erklärten persönlichen Feinde Arnim’s, jenem böhmischen Emigrantenhäuptling Graf Thurn übergab. Jedoch noch vor dieser verhängnißvollen Wahl hatte der Friedländer seine Trennungspolitik wieder aufgenommen. Zu Beginn des Jahres hatte er noch einmal seinen aus der schwedischen Kriegsgefangenschaft ausgelösten Obersten Sparr nach Dresden gesandt, um Kursachsen durch Lockungen und Drohungen den Schweden abtrünnig zu machen. Er versprach durch Sparr, so hieß es, den Kaiser auch gegen dessen Willen zur Annahme seiner billigen Friedensvorschläge zu bringen, während er andererseits dem widerstrebenden Kurfürsten eine schleunige Belagerung seiner Hauptstadt durch 50 000 Kaiserliche in Aussicht stellte. Umsonst; die Bundestreue, die Sachsen den Schweden schuldig war, ließ sich dadurch noch nicht erschüttern. Und umgekehrt hatte W. auch kein Glück, als er den schwedischen Obersten Duwald in Schlesien, von dessen Insubordination gegen Arnim er hörte, mit seinem Volk zu sich „herüberzubringen“ versuchte. Dürfte man aber wieder anderen Aeußerungen von ihm aus den ersten Monaten dieses Jahres Glauben schenken, so hätte er damals auf ein allgemeineres Friedensbedürfniß gerechnet. An seinen Feldmarschall Gallas schrieb er aus Prag: er glaube wol, daß die Schweden nach Hause wollten und Frieden begehrten; die beiden evangelischen Kurfürsten sähen, in welch’ einem Labyrinth sie steckten. Und dem Grafen v. Wartensleben, einem Abgesandten des Dänenkönigs, der allerdings nun entschieden für Herstellung des Friedens im Reiche eintrat, erklärte er: er selber habe niemals größere Sehnsucht als jetzt darnach gehabt, obwol er niemals größere Vorbereitungen zum Kriege getroffen. Für sich selber könne er in diesem nichts weiter gewinnen, und er fühle jetzt, daß er alt werde; von Krankheit geplagt, sei er der Ruhe bedürftig. Die Kriegspartei am Kaiserhof war indeß anderer Ansicht. Allzu lange währte ihr die Unthätigkeit Wallenstein’s als Stratege, die unerklärlich nach seinem angeblichen Siege bei Lützen, außerdem auch im Mißverhältniß zu seinen, die größten Opfer erfordernden und die Erblande überaus schwer belastenden Rüstungen erschien. Sein Hinhalten – noch Mitte April behauptete er nicht fertig, nicht feldtüchtig genug zu sein – gab namentlich den Jesuiten, die von einem Pactiren mit den Protestanten, von toleranten Bedingungen durchaus nichts wissen wollten, Anlaß zu allerhand Verdächtigungen gegen ihn. Und auch sein Verhältniß zum Kurfürsten von Baiern war wiederum ein äußerst gespanntes geworden. Maximilian befürchtete [622] eine Eroberung der Oberpfalz und Regensburgs durch die Schweden. Auf seine wiederholten Gesuche um Hülfe empfing er solche aber nur in unzureichendem Maße, mit der schlechten Vertröstung: W. werde die kurfürstlichen Lande durch eine Diversion, die er gegen den Feind in Schlesien vorhabe, befreien. Dem kaiserlichen Feldmarschall Aldringen, der dem Baiernfürsten zuvor schon mit einigen Regimentem beigegeben, waren von W. die Hände gebunden. Ihn selbst, den Fürsten, behandelte der Generalissimus als Ignoranten im Kriegswesen und verwarf seine Anträge zu aggressivem Vorgehen an der Donau als einen gefährlichen und dem Kaiser geradezu verderblichen Hazard. Wenn gleichwol Maximilian, den seine unfreiwillige Abhängigkeit von W. erbitterte, mit seinen inständigen Klagen ein offenes Ohr bei Ferdinand fand, so war doch auch Letzterer schon aus anderen Gründen mißgestimmt, insbesondere wegen der harten Steuerauflagen seines Generals in den Erblanden. Der aber, von Natur argwöhnisch, durchschaute wol, wie bairische und jesuitische Umtriebe am Hofe wider ihn thätig waren; und so war denn auch er voller Unmuth.
Kurzum, sein Verhältniß selbst zum Kaiser begann sich im Frühjahr 1633 aufs neue zu trüben. Und merkwürdig, wie schnell Gerüchte von ärgeren Mißhelligkeiten zwischen ihm und den Geheimen Räthen sich nach außen hin verbreiteten, von den böhmischen Emigranten, von Schweden und Franzosen frohlockend aufgenommen, durch das Märchen von einem nahen Abfall des Friedländers von Ferdinand, von seinem vermeintlichen Trachten nach der Krone Böhmens erweitert wurden. Die Ersteren, wie überhaupt die böhmischen Mißvergnügten, waren in ihren Ansichten in Bezug auf W. getheilt; wol nicht wenige blieben nach seinem früheren Verfahren ihrem und seinem Vaterlande gegenüber von unüberwindlichem Mißtrauen erfüllt. Andere aber, und darunter gerade die angesehensten Magnaten, wollten ihm Alles verzeihen, wenn er die von dem tödlich gehaßten Kaiser gebrochene Selbständigkeit Böhmens wieder herzustellen bereit war. Ja, sie wollten unter thatsächlicher Restitution des Wahlreiches ihn selbst zu ihrem König erheben, in der Hoffnung, durch den Glanz der Krone ihn zu sich hinüberzuziehen und so erst recht zum Bruch mit dem Kaiser zu treiben. Graf Thurn, „der alte Königsmacher“ aus dem Beginn des dreißigjährigen Krieges, rühmte sich, W. längst schon die Krone zugedacht zu haben. Und jetzt, gegen Ende April, ergriff er insofern die Initiative, als er die directe schriftliche Aufforderung an ihn zu richten wagte: er möge sich die böhmische Krone aufs Haupt setzen. W. antwortete dem Grafen durch die Aufforderung, ihren gemeinsamen Landsmann und einst auch beiderseitigen Vertrauten zBubna, der damals unter Thurn’s Commando in Schlesien als schwedischer Generalmajor stand, zu ihm nach Gitschin zu senden. zBubna kam, und nach seinen zuverlässigen Aufzeichnungen sprach W. sich zu ihm in einer Mainacht, alsbald nach seiner Ankunft, in sehr bedenklicher Weise aus. Fast von jedwedem Pfaffen und Bärenhäuter lasse der „fromme“ Kaiser sich anführen und verleiten. Ging der Friedländer auch nicht auf die von diesem Sendling Thurn’s mündlich wiederholte Aufforderung ein, die böhmische Krone „auf sich zu ziehen“, so bezeichnete er ihm doch offen als seine Absicht, vor allem die Herstellung der Freiheiten seines Vaterlandes und die Zurückführung der Exulanten in die Hand zu nehmen. Nach dem im Ganzen ebenfalls wohlinformirten Grafen Kinsky, dem Schwager von Wallenstein’s Schwager Trčka, welch letzterer der Unterredung beiwohnte, hätte er gesagt: „Wenn der Graf v. Thurn mit der Armee zu uns stößt, so wollen wir euch Böhmen alle miteinander wieder in Böhmen einsetzen“. Bestand doch das Officiercorps der schwedischen Armee in Schlesien gleich Thurn und zBubna zum größeren Theil aus böhmischen Emigranten. Ueber den Kaiser hinweg, der nach seinen Worten in dieser Sache nichts zu schaffen haben sollte, [623] verhieß W. wie mit souveräner Selbständigkeit, gestützt auf seine und auf diese schwedisch-böhmische Armee, einen allgemeinen Frieden zu allgemeiner Wohlfahrt für Evangelische und Katholische „mit einerlei Recht und Gerechtigkeiten“, mit Freiheit der Religion auf beiden Seiten, unter Restitution aller „Unrecht Leidenden“ stiften zu wollen; die Pfaffen nicht weniger als den Kaiser ungefragt; Kursachsen aber und Kurbaiern würden „Geld her schwitzen müssen“ und heimgesucht werden. Seine Trennungspolitik hatte er demnach auch jetzt noch nicht aufgegeben, nur daß er diesmal anstatt der Sachsen die Böhmen und Schweden in corpore an sich zu ziehen suchte. Im nämlichen Maße, wie er Gustav Adolf und weiterhin auch Oxenstierna rühmte, sprach er sich geradezu verächtlich über den Kurfürsten Johann Georg und dessen Unfähigkeit zur Führung der Evangelischen im Reiche aus. Schließlich ließ er zBubna durch Trčka auffordern, dem schwedischen Reichskanzler von Allem Mittheilung zu machen, und zeigte sich geneigt, in unmittelbare Beziehungen zu diesem zu treten.
Auf die Sachsen schien es wenigstens in erster Linie abgesehen zu sein, als er in den nächsten Tagen seine so lange unterbrochene militärische Thätigkeit endlich wieder aufnahm, mit etwa 25 000 Mann, dazu mit fürstlicher Pracht umgeben, in Schlesien einrückte, Gallas daselbst an sich zog und Nimptsch erstürmen ließ. Eine Entscheidungsschlacht schien bevorzustehen, als sich auf beiden Seiten die Streitkräfte concentrirten. Da aber geschah das Unerwartete und dennoch bei einem Wallenstein kaum mehr Ueberraschende, daß er dem kursächsischen Generallieutenant eine persönliche Unterredung antragen, ihn deshalb, nachdem er Trčka als Mittelsmann vorgeschickt, in sein Hauptquartier bei Strehlen einladen ließ. Und in dieser vertraulichen Unterredung, die zu Anfang Juni stattfand, bot er dem noch soeben von ihm geschmähten Arnim die Einstellung der Feindseligkeiten zwischen beiden Armeen, d. h. der kaiserlichen und der sächsischen an – mit dem schwerwiegenden Zusatz: daß sie mit vereinigten Kräften ohne Rücksicht auf irgendwelche Person die Waffen wider diejenigen wenden sollten, die sich unterfangen würden, das Reich noch weiter zu beunruhigen und die Freiheit der Religion zu hemmen. Arnim faßte das als Bestätigung dafür auf, daß W. das Reich in den Zustand, wie es vor dem Kriege von 1618 gewesen, wiederherstellen wolle. Allein wie vieldeutig war nicht, was Jener im übrigen forderte! Unter den zu bekämpfenden Friedensstörern ließen sich nicht minder die Liga und der Kaiser selbst, als Frankreich und wol auch Schweden verstehen; und Arnim, der sein volles Mißtrauen gegen ihn bewahrte, hielt es in der That für ebenso möglich, daß W. etwas Gefährliches gegen seinen kaiserlichen Herrn wie gegen die mit Sachsen verbündeten Schweden vorhabe. Er blieb eben skeptisch und jedenfalls zurückhaltender, als der schwedische Reichskanzler, welcher[5] durch die Botschaft zBubna’s sich alsbald zu „näherem Sondiren“ bewogen fand. Zu viel nur verlangte Oxenstierna, wenn er, freilich noch ohne Ahnung von den Strehlener Vorgängen, in der nämlichen Zeit W. durch zBubna proponiren ließ, zur Begründung einer schwedisch-friedländischen Allianz sich der Krone Böhmen und der zugehörigen Länder zu bemächtigen. Ward doch von schwedischer Seite selber diese Krone drastisch einem Igel verglichen, der sich ohne Handschuhe nicht anfassen lasse. Wol ohne directe Ablehnung wich W. mit höflichen Redensarten aus – während er auf seinen Antrag an Arnim von den beiden evangelischen Kurfürsten verschiedene Antworten, in der Hauptsache doch aber den Bescheid bekam, daß der gewünschte Universalfriede anders als durch geheime Separatabmachungen erzielt werden sollte. Nach dreiwöchentlichem Waffenstillstand erfolgte nun im Beginn des Juli die Wiedereröffnung des Krieges. W. rückte sogleich auf das nahe Schweidnitz los, um diesen wichtigen [624] Posten dem Feinde durch Ueberfall zu entreißen. Die Wachsamkeit der Besatzung und der Eifer des sächsischen Feldherrn vereitelte es, zu nicht geringem Nachtheil für Wallenstein’s militärischen Ruf, den seine Gegner in Wien und in München unter Hinweis auf jenen als nutzlos, ja schädlich verschrieenen Waffenstillstand zu untergraben bemüht waren. Daß er gerade damals von seinem alten Gichtleiden vielleicht härter als je betroffen, kümmerte diese Fanatiker nicht, die ihn zugleich auch bezichtigten, den Ketzern Zugeständnisse zu unmittelbarem Schaden der katholischen Kirche zu gewähren. Er sah sich u. a. genöthigt, nach Wien hin gegen die – wiederholt schon auftretende – Annahme, daß er das Jahr 1618 zum Normaljahr machen wolle, zu protestiren. Ohne Scrupel stellte er dies in Abrede und gab damit nach Eggenberg „gewiß große Satisfaction“. Verdächtig blieb er aber dennoch: schon deshalb, weil er, offenbar noch im Besitz der Vollmacht zum Frieden mit Kursachsen, dem Kaiser den näheren Inhalt seiner Verhandlung mit Arnim, die er an sich nicht abzuleugnen brauchte, vorenthielt. Vollends schwieg er natürlich von seinen neulichen Eröffnungen an die böhmisch-schwedische Partei. So entfernt er von Abfall und effectivem Verrath auch noch war, unleugbar ist bereits seine anhaltende, seine wachsende Illoyalität gegen den Kaiser.
Wallenstein’s Verhängniß aber wollte, daß seine Feinde im eigenen Lager einen neuen gefahrvollen Zuwachs erhielten durch die Entfremdung, die zwischen ihm und den ihm bisher vorwiegend freundlich gesinnten Spaniern eintrat. König Philipp IV. wünschte die Verbindung seiner Monarchie mit den Niederlanden durch eine Kette von Stationen auf deutschem Boden wieder zu befestigen; und er hatte zu diesem Zweck den Gouverneur von Mailand, Herzog von Feria, ausersehen, eine Armee von 24 000 Mann im Elsaß zu formiren, wo dieselbe dauernd festen Fuß gefaßt haben würde. Einem früheren Wunsche des Königs, der den Durchzug spanischer Truppen von Mailand durch deutsches Gebiet nach dem von den Holländern arg bedrohten Flandern betraf, würde der kaiserliche General gern nachgekommen sein; er würde, insofern es sich eben nur um einen Durchzug handelte, ihm unbedenklich Schutz und Geleit gewährt haben. Durchaus widerstrebte er dagegen ihrer dauernden Festsetzung und Ausbreitung auf dem Reichsboden, unbeirrt durch die Vorstellung, daß Feria mit der Vertheidigung des Elsaß gegen Schweden und Franzosen zugleich die Schwabens, Burgunds, Lothringens, Baierns auf sich nehmen, auch den nach den Niederlanden Durchmarschirenden den Weg bahnen sollte. Für alle dies war den Spaniern doch wieder eine größere deutsche Hülfe unentbehrlich, und sie beanspruchten thatsächlich eine solche in Unterordnung unter das Commando Feria’s. W. aber wollte, wozu seine Capitulation ihn ja berechtigte, keinen unabhängigen Heerführer und kein selbständiges Heer neben sich dulden, ein spanisches um so weniger, als diese Macht in Deutschland sehr verhaßt war und bei ihrem feindlichen Gegensatz zu Frankreich die Gefahr für das Reich von dort erst recht herbeizuziehen drohte. Sein Ehrgeiz als Feldherr und sein politischer Ehrgeiz, dereinst den Reichs- und Religionsfrieden gerade mit Ausschluß der Fremden wiederherzustellen, wirkten zusammen. Er ignorirte den Groll der ihn des Undanks beschuldigenden Spanier, solange der Kaiser, welcher ihn fürchtete, seiner Verpflichtungen gegen ihn eingedenk blieb. Sie indeß wußten durch Intriguen und durch Ausmalung von Kriegsgefahren, aus denen sie allein würden Rettung bringen können, dem schwachen Ferdinand nach einer anderen Richtung hin Furcht einzuflößen. Und so erreichten sie, daß er über seinen General hinweg oder höchstens auf ihre Zusage hin, daß Feria mit dessen Rathschlägen sich „conformiren“ werde, noch im Juli die rechtswidrige Erlaubniß zum Einmarsch der spanischen Truppen ins Reich gab. W. war außer sich über die ihm damit [625] zugefügte Kränkung und dachte nun auch nicht mehr an Unterstützung ihres Durchzugs nach den Niederlanden. Alles schlug er ab, während er selber nach seinem letzten Mißerfolg im Felde unthätig in seinem Lager vor Schweidnitz stehen geblieben war. Die Unzufriedenen am Hofe tadelten und verdächtigten ihn immer mehr. Der Kaiser sah sich genöthigt, zu einer näheren Auseinandersetzung mit ihm den Präsidenten des Hofkriegsraths – und das war damals der Graf Schlick – an ihn abzufertigen. Unfreundliche Gerüchte gingen dieser Sendung voraus und drangen aller Wahrscheinlichkeit nach bis zu W. Schon hieß es, er solle des Commandos im Reiche entsetzt werden, Schlick oder Feria dasselbe erhalten. Zweifellos in tiefster Erregung, suchte er noch einmal, früh im August, mit dem sächsischen Oberfeldherrn anzuknüpfen. Zögernd nur ließ sich Arnim herbei, im Felde vor Schweidnitz – inmitten beider Heerlager – seine neuesten Anträge entgegenzunehmen. Diese aber, mündlich wie die früheren von W. vorgebracht, richteten ihre feindliche Spitze unverhüllt gegen Feria. Er gedachte dabei auch des ihm vor drei Jahren in Regensburg zugefügten Affronts. Er erklärte sich rächen zu wollen, wenn Kursachsen und Schweden ihm auf allen Fall beistehen würden. Vom schwedischen Feldmarschall Horn erwartete er, daß er sich Feria in Oberdeutschland entgegenwerfen, von Bernhard von Weimar, daß er den Kurfürsten von Baiern zu ruiniren suchen werde. Er selber erbot sich, wenn er des verlangten Beistands versichert wäre, mit seiner Armee nach Böhmen zurückzugehen und von da in Oesterreich und Steiermark einzufallen – mithin den Kaiser direct anzugreifen. Soweit man sieht, ist es das erste Mal, daß W. als activer kaiserlicher General einen derartigen Gedanken aussprach; und das erste Mal, daß er deshalb mit Sachsen und zugleich mit Schweden gemeinsame Sache machen zu wollen erklärte. Wie schnell war es dahin gekommen!
Um aber bei Oxenstierna durch Arnim „dieses Werk unterbauen“ zu lassen, schloß er mit Letzterem gleich auf vier Wochen einen neuen Waffenstillstand ab, der am 22. August oder etwas früher begann. Arnim ging hierauf um so lieber ein, als er dadurch einer zweiten verheerenden Invasion der wilden Scharen Holk’s in Kursachsen, die W. eben noch angeordnet hatte, ein Ende zu machen hoffte. Seinem politischen Grundsatz, gleichzeitig zu drohen und zu locken, blieb der Friedländer immerdar treu. Ausdrücklich verhieß er Arnim, Holk zum Angriff auf Baiern dem Herzog Bernhard beiordnen zu wollen. Mit nur zu gerechtem Argwohn aber, obwol über alle das ganz im Unklaren, nahmen die Kaisertreuen die Kunde von der neuen langen Waffenruhe auf: insbesondere Graf Schlick, der als Abgesandter Ferdinand’s im Lager des Generals nach seinem Bekenntniß nur einen Tag zu spät erschien, um den Abschluß des Stillstands zu verhindern. Mit dem größten Mißtrauen standen W. und Schlick, die alten Waffengefährten in ruhmreicher Kriegszeit, jetzt einander gegenüber. Und dennoch hatte die Mission des Grafen einen Erfolg, der hiernach desto überraschender erscheint. Vielleicht aber gerade auch darum, weil sie sich der erwarteten Demüthigung Wallenstein’s vollkommen enthielt, bewirkte sie, daß er seinen absoluten Widerstand gegen das Vorrücken der spanischen Truppen aufgab, daß er, wenn schon bedingungsweise und selbstverständlich unter ausdrücklichem Vorbehalt seines Generalcommandos im Reiche, Feria immerhin den Paß durch das Elsaß gestattete. Von besonderer Bedeutung wird hierbei aber auch der Umstand für W. gewesen sein, daß Breisach, die damals direct von den Schweden und indirect von den Franzosen arg gefährdete Hauptfestung am Rhein, ohne den verheißenen Beistand der Spanier allerdings kaum noch zu retten schien. Und dann wäre das Elsaß selber so gut wie verloren gewesen. Dahin jedoch durfte es W. unter keinen Umständen gelangen lassen; so zwang denn den Widerwilligen die Noth, sich der Spanier noch einmal zu bedienen. [626] Sie durften kommen – um in erster Linie Breisach zu entsetzen. Und eben deswegen gab er, mit weiterer Ueberwindung seines ursprünglichen Widerstrebens, seinem Feldmarschall Aldringen sodann den Befehl, sich mit Feria zu vereinigen. Es war eine Wendung, die im schroffsten Gegensatz zu dem stand, was er Arnim kurz zuvor eröffnet hatte. Für diesen, der aus dem angegebenen Grunde inzwischen zu Oxenstierna nach Gelnhausen gereist war, konnte eine bittere Enttäuschung nicht ausbleiben. Sie trat, als Arnim am 25. September ins kaiserliche Lager bei Schweidnitz zurückkehrte, unter den peinlichsten Auslassungen ein.[6] Da doch kein beständiger Friede ohne die Hinwegschaffung der Fremden vom Reichsboden gemacht werden könne, verlangte W. nach kurzen Umschweifen die Vereinigung der kursächsischen mit seiner Armee und unter seinem Oberbefehl – zur Vertreibung der Schweden. Grundsätzlich war und blieb er zwar, nach seiner Unterredung mit Arnim’s Feldmarschall, dem Herzog Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg am folgenden Tage, auch Willens, die Spanier sowie die Franzosen hinauszuweisen; allein mit den Schweden müsse der Anfang gemacht werden. Umsonst erinnerte ihn Arnim an sein letztes Anerbieten, mit ihnen gleichfalls sich alliiren zu wollen; umsonst forderte er von ihm wenigstens Neutralität in dem Kampfe zwischen Aldringen und Spaniern auf der einen und Horn mit dessen Adhärenten auf der andern Seite. Wie über eine unerhörte und schmachvolle Zumuthung schrieb W. jetzt darüber an den schlecht unterrichteten Kaiser; er verstand sich noch einmal vor ihm rein zu waschen. Und bei alledem unterließ er doch nicht, auf Arnim’s Erinnerung an seine früheren Vorschläge, diesem die Erklärung zu geben: „Er sei noch der Meinung, aber das wolle er bis zuletzt sparen“; d. h. er behielt sich seinen Abfall vom Kaiser für später immer noch vor. Von seinen Widersachern am Hofe auf Schlimmes gefaßt bleibend, wollte et sich jedenfalls eine Hinterthür offen halten, und seine protestantischen Feinde sollten den Glauben an ein Zukunftsbündniß mit ihm nicht verlieren. Aufs äußerste entrüstet aber sprachen sich diese, Schweden wie Sachsen, über des Friedländers Wankelmuth und Treulosigkeit aus. Niemand werde ihm fortan Glauben schenken; Betrug pflege Keinem mehr als seinem eigenen Herrn zu schaden; so schrieb Arnim prophetisch. Nur darin täuschte er sich, daß er annahm, die kaiserliche Armee habe während des Stillstands beträchtlich abgenommen. Die Wahrheit ist, daß beide Theile denselben unter der Hand, soviel immer möglich, zur Verstärkung ihrer Streitkräfte benutzt hatten. Für die nunmehr ernster bevorstehende Entscheidung der Waffen kam es vor Allem aber darauf an, wer von den beiden Feldherren der strategisch Ueberlegene war.
Und ohne Zweifel hat W. sich als solcher erwiesen. Arnim beging den verhängnißvollen Fehler, daß er, von den Schweden ohnedies nicht nach Wunsch unterstützt, die kursächsische Armee theilte und Schlesien von nun an hinter Sachsen wieder zurücksetzte. Einen Fehler, den er dadurch noch vergrößerte, daß er die zur Vertheidigung der schlesischen Posten kaum mehr zureichenden Truppen damals selber dem Commando eines so unfähigen Heerführers, wie jener Graf Thurn war, überließ. So verhalf er seinem nur zu sehr unterschätzten Gegner zu einem unblutigen Sieg und einem glänzenden Erfolg. Am 11. October traf W. auf den schlecht vorbereiteten Grafen bei Steinau a. O. und zwang ihn mit seinem Heere zu schimpflicher Capitulation. Die unmittelbare Folge davon war, daß sich ihm Liegnitz und Glogau ergaben. Schnell sah er im Geiste ganz Schlesien wieder erobert; mit Arnim selber hoffte er in Kurzem fertig zu werden. Die moralische Depression, die dieser Schlag bei Steinau im feindlichen Lager verursachte, insbesondere die alsbald offen hervortretenden Mißhelligkeiten zwischen der schwedischen und der sächsischen Heeresleitung glaubte er mehr denn je ausbeuten [627] zu können. Ja, er ließ Oxenstierna durch eine Botschaft förmlich vor Arnim warnen, als habe dieser die Schweden in Schlesien absichtlich in Gefahr gebracht, als sei er überhaupt der schlimmste Feind der Krone Schweden. Seinem alten Bestreben, Zwietracht zwischen den Verbündeten zu säen, entsprach es, daß er gleichzeitig aber auch mit diesem von ihm so hinterrücks verleumdeten Arnim, überhaupt mit Kursachsen wie mit Kurbrandenburg bereits neue Friedensunterhandlungen anzuknüpfen versuchte. An beide Kurfürsten stellte er nochmals das Ansinnen, zur Errettung des Reiches vor der Beraubung durch fremde Völker ihre Waffen mit den kaiserlichen zu vereinigen und vertrauensvoll seinem Commando zu untergeben. Und auch diesmal fehlte nicht seine mehrdeutige Lockung, mit ihrer Hülfe den Religionsfrieden, wie er vor dem großen Kriege gewesen, wiederherstellen, ihn gegen jedweden Friedensstörer aufrecht erhalten zu wollen. Aber trotz der gefährlichen Lage, in welche beide Kurfürsten die Katastrophe von Steinau gebracht hatte, verrechnete er sich. Gefährlicher noch als seine unwiderstehlichen Einfälle in Lausitz und Mittel- und Neumark erschien ihnen gerade jetzt ein Separatabkommen, das sie ihm gegenüber völlig wehrlos gemacht haben würde. Daß sie es abschlugen, erhöhte freilich seine außergewöhnliche Rührigkeit und Energie im Felde nur noch mehr. Seine täglich wachsenden Erfolge sollten diese evangelischen Fürsten „mit Gewalt zur Raison bringen“. Kaum einen Monat nach dem Tage von Steinau fühlte er, im Besitz von Görlitz und Bautzen, sich bereits als Herrn der Lausitzen und betrachtete, da er auch Frankfurt a. O. und Landsberg den überraschten Schweden hatte entreißen lassen, sich fast schon als Meister von Kurbrandenburg. Während ihm vom Rhein die trostreiche Nachricht zukam, daß Dank der Vereinigung Aldringen’s mit Feria Constanz und Breisach entsetzt, mithin vor der Gewalt der Schweden und Franzosen gerettet waren, ließ er seine Kroaten über die Mark hinweg sogar schon Pommern wieder durchstreifen. Auf Stettin, Stralsund, Greifswald – auf die Ostseeküste warf er von neuem sein Auge. Auch die Stifter Magdeburg und Halberstadt hoffte er den Schweden bald wieder abzunehmen und ihnen überhaupt im Reiche, wie er sich ausgedrückt haben soll, die letzte Oelung zu geben. Nur beging er dabei den unleugbaren Fehler, über dem Kriegsschauplatz an der Oder den an der Donau zu vernachlässigen.
Seit dem Unglück der protestantischen Waffen in Schlesien hatte Bernhard von Weimar als schwedischer Heerführer einen energischen Einfall in Baiern für das wirksamste Mittel erkannt, „den ins Sinken gerathenen evangelischen Staat aufrecht zu halten und den Feind aus den Sprüngen seiner eingebildeten völligen Victorie zu bringen“. Gegen Ende October war er vor Regensburg erschienen, das Kurfürst Maximilian noch auf des sterbenden Tilly Rath als unentbehrlich für die Behauptung der Oberpfalz, für die Erhaltung Baierns und der Communication mit den österreichischen Erblanden eingenommen hatte. Gleichwol nur ungenügend besetzt, mußte es schon Mitte November sich Bernhard ergeben – wie W. behauptete, wegen der Nachlässigkeit der Besatzung von Ingolstadt sowie durch die Unvorsichtigkeit Feria’s und Aldringen’s, die, unfern von diesem Feinde, seine Bewegungen nicht verfolgt hätten. Allein er konnte es nicht verhindern, daß ihn als den Oberfeldherrn nun von allen Seiten der Hauptvorwurf traf. Hatten doch seit Beginn der Gefahr für Regensburg Kurfürst und Kaiser die dringendsten Vorstellungen an ihn gerichtet, die er aber hintangesetzt, weil er selber diese Gefahr thatsächlich für eine eingebildete gehalten. Ja noch zwei Tage vor Regensburgs Fall hatte er „seine Ehre zu Pfande gesetzt“, daß der von Weimar nicht nach Baiern, sondern nach Böhmen oder Kursachsen gehen werde. Weit entfernt, die strategische Bedeutung jenes Platzes zu verkennen, war er zum Entsatz erst allzu spät aufgebrochen. Einen [628] Moment schien es darauf wohl, als ob er seine Versäumniß wieder gut machen und, indem er seinen Marsch über Pilsen nach der Donau eifrig fortsetzte, dem Weimaraner Halt gebieten, ihm Abbruch thun werde. Indeß er kam nur bis Furt und stand, im Widerspruch mit seinen kriegslustigen Obersten, davon ab, das nahe, von den Schweden besetzte Cham am Regen zu belagern. Es genügte ihm vorläufig, Passau gegen weitere Fortschritte Bernhard’s längs der Donau durch den Obersten Graf Strozzi zu decken. Für sich selber rechnete er, da auch der Winter plötzlich in voller Strenge eintrat, zunächst auf keinen Erfolg mehr und zog es vor, auf halbem Wege wieder umkehrend, in Böhmen seine Winterquartiere zu nehmen. Zu dieser unerwarteten Umkehr ward er aber insbesondere auch durch die Besorgniß für seine nordischen Eroberungen bewogen; er führte sie auf das erste, noch dazu falsche Gerücht aus, daß Arnim sich Frankfurts a. O. bemächtigt habe. Indem er Gallas nun noch mit mehr Truppen nach Schlesien und der Mark detachirte, behielt er selber um so weniger für eine Offensive gegen Bernhard übrig. Er tröstete sich und andere mit der Vorspiegelung, daß man im folgenden Sommer Regensburg zu jeder Zeit wieder haben könne, und sah, nachdem er doch auch noch ein paar Regimenter zur Vertheidigung von Oberösterreich ausgeschickt, seine wichtigste Aufgabe für jetzt darin, Böhmen vor feindlichen Angriffen von Nord und Süd her zu decken. Er schien sich dort gleichsam wie ein Keil zwischen Bernhard und Arnim einschieben zu wollen, da er, nur wieder fälschlich, ihre schleunige Vereinigung und ihr gemeinsames Vorgehen in erster Reihe gegen Böhmen erwartete. Anderer Ansicht waren der so schwer schon geschädigte Kurfürst von Baiern und der von unüberwindbarer Angst für Oesterreich und sein Erzhaus erfüllte Kaiser, dem überdies die drückende, von seinem General mit längst gewohnter Willkür vorgenommene Austheilung der Winterquartiere in Böhmen äußerst zuwider war. In Bezug hierauf gebrauchte Ferdinand damals das Wort: die fremden Potentaten möchten argwöhnen, daß er „gleichsam einen Corregem an der Hand“ und in seinen eigenen Landen keine freie Disposition mehr habe. Schwerer noch, als Wallenstein’s ursprüngliche Verspätung gegenüber Regensburg, empfanden Kaiser und Kurfürst seinen plötzlichen Rückzug nach Böhmen. Und von ihren ihm mißgünstigen Räthen eingenommen, mutheten sie ihm trotz der widrigen Jahreszeit zu, dies zu verlassen und jenes zurückzuerobern. Kaiser Ferdinand ermannte sich zu einer energischen Sprache „praeter solitum stilum“. Durch ein scharfes und schon in der Form verletzendes Rescript vom 9. December ertheilte er ihm ohne Rücksicht auf die unbegrenzte militärische Vollmacht, die er ihm zuvor gegeben hatte, den gemessenen Befehl, die Hauptarmee unverzüglich gegen Bernhard zu führen und über die Donau vorzudringen. Questenberg und dem Grafen Trautmannsdorf ward die heikle Mission übertragen, W. auf mündlichem Wege dem kaiserlichen Willen gefügig zu machen. Die Wirkung war, wie sich vorhersehen ließ, eine völlig andere. W. berief am 16. in seinem Hauptquartier Pilsen seine Obersten zu einem Kriegsrath, damit dieser ihm die Unmöglichkeit eines Winterfeldzugs nach der Donau, ebenso wie die Unmöglichkeit, Böhmen und die Winterquartiere zu verlassen, mithin die Unausführbarkeit der kaiserlichen Weisungen bescheinige. Einstimmig, wie es heißt, geschah das – wobei es doch auffällig bleibt, daß die nämlichen Obersten sich noch kurz vorher nicht weniger einstimmig für die Belagerung von Cham und so für die Fortsetzung der militärischen Operationen im Gegensatz zu ihrem Oberfeldherrn ausgesprochen haben sollen. Wol mochte die wachsende Ungunst der Verhältnisse sie inzwischen eines anderen belehrt haben; Wallenstein’s Feinde aber schrieben diesen Wandel einer künstlichen Pression zu, die er auf sie ausübe. Zweifellos ist, daß er sie seinen Unwillen über den Kaiserhof merken ließ und daß er zu ihrer Bestürzung drohte, deshalb seinen Abschied nehmen zu [629] wollen. Einen jeden seiner Officiere würde er dadurch empfindlich betroffen, er würde sie ohne seine Bürgschaft in Bezug auf die Gelder gelassen haben, die der Kaiser ihnen seit lange schuldig geblieben. So hielten sie denn um so mehr zu W., und er setzte hier zum ersten Male den Willen seiner Armee dem des Kaisers entgegen. Wie unbedingt er selber auf seiner kriegsfürstlichen Stellung bestand, zeigt der Umstand, daß er dem Oberstfeldwachtmeister Suys, dem der Kaiser befohlen, zur Deckung Baierns aus Oberösterreich über den Inn zu marschiren, den Gegenbefehl gab: da dies nicht nöthig, sondern ruinös sei, mit seinem Volk nach Oberösterreich zurückzukehren. Und Suys, für seinen Kopf fürchtend, wagte nicht, sich dem Befehl des Generals zu widersetzen.
Mit diesen Vorgängen aber erweiterte sich die Kluft zwischen Hauptquartier und Hof außerordentlich. Die Zahl der Anhänger Wallenstein’s in Wien schmolz schnell zusammen, indeß seine Gegner, mit der Mehrheit des Hofkriegsrathes und den Jesuiten, wider ihn schürten. Schon wurde im Rathe des erbitterten Kaisers insgeheim die Absetzung des renitenten Mannes erwogen. Allein man fürchtete davon unberechenbare Weiterungen, und wer sollte ihn im Commando ersetzen? Dem Vorschlage, dies dem Könige von Ungarn, dem jugendlichen Ferdinand III. anzuvertrauen, widerstrebte der eigene kaiserliche Vater, während vornehmlich die Spanier den Thronerben, den sie ganz als ihnen ergeben betrachteten, unter Beseitigung des Friedländers an die Spitze der Armee gestellt zu sehen wünschten. Denn ihr Verhältniß zu Letzterem hatte sich ebenfalls wieder völlig getrübt. Der Fall von Regensburg, für den sie ihn allein verantwortlich machten, hatte den schwedischen Waffen ein Uebergewicht in Oberdeutschland verschafft[7], das mit den kaiserlichen und bairischen zugleich ihre und insgemein die katholischen Interessen hart berührte. Dazu zeigte sich W. in den Augen der Spanier auch gegen Feria äußerst undankbar, weil er ihm nach dem glücklichen Entsatz von Breisach Aldringen und dessen Hülfscorps rücksichtslos entziehen wollte. Gedachte er doch gerade Aldringen nach der Regensburger Katastrophe zur Verhütung weiterer schlimmer Folgen Donau-abwärts zu verwenden. Den Spaniern aber wurde damit seine Schuld an jenem Fall erst recht empfindlich und andererseits sein Widerwille gegen Feria, der ohne dauernde Verbindung mit Aldringen sich überhaupt schon nicht mehr zu halten im Stande war, ein Grund persönlichen Hasses gegen W. Sie hatten den moralischen Trost, den Kaiser und den Hofkriegsrath hier auf ihrer Seite zu wissen. Denn auch diese hielten die Abberufung Aldringen’s von Feria für unausführbar, da nicht bloß der Letztere dann isolirt und verloren gewesen, sondern auch König Philipp dadurch schwer verletzt und die spanische Subsidienzahlung, die der Kaiserhof seit undenklichen Jahren nicht entbehren konnte, sicher eingestellt worden wäre. Ohne Rücksicht auf die Capitulation hatte Ferdinand seinem Generalissimus schon zu Anfang December wider dessen Willen zugemuthet, nach ausreichender Besetzung Breisachs Aldringen mit Feria vereint – da Elsaß und Breisgau damals von Lebensmitteln stark entblößt waren – in Württemberg Winterquartiere beziehen zu lassen. Zu Ende dieses Jahres aber richtete er, von den Spaniern gedrängt, eine noch viel weitergehende Zumuthung an W., welche dessen Ergebenheit erst auf die härteste Probe stellen sollte.
Als Nachfolger der Infantin Isabella in der Verwaltung der belgischen Niederlande bereits früher ausersehen, wollte der Cardinal-Infant Don Fernando, der thatkräftige Bruder König Philipp’s IV., nach dem soeben erfolgten Tode der Infantin keinen Moment mehr zögern, sein schwieriges Amt anzutreten: zumal es ernstlich galt, der spanischen Krone die nahezu in Aufruhr befindlichen Landschaften zu erhalten. Ihm und seinen aus Italien herbeizuführenden Truppen den Weg durch Deutschland nach den Niederlanden zu bahnen, war Feria im [630] voraus berufen worden. Nun jedoch traten die beiden spanischen Gesandten in Wien noch mit einer außerordentlichen Forderung hervor: Feria sollte, um dieser wichtigen Aufgabe entsprechend seine zusammengeschmolzene Cavallerie zu verstärken, einen Succurs von 6000 Reitern des kaiserlichen Heeres erhalten. Und mehr noch; wegen des durch die Franzosen ernstlich bedrohten Durchzuges durch die Rheinlande sollte der Cardinal-Infant, nach seinem Eintreffen von Mailand in Linz, seinen Weitermarsch quer durch Böhmen und Deutschland, ja direct über Pilsen und Eger nehmen dürfen und von dort aus prompten Geleits nach dem Niederrhein gewärtig sein. Ferdinand, der in den bedrohten Niederlanden ein kostbares Juwel seines Hauses erblickte, machte sich selber zum Fürsprecher dieser Forderungen durch ein Schreiben an W. und durch die Absendung des spanischen Beichtvaters der Königin von Ungarn, seiner Schwiegertochter und der Schwester des Cardinal-Infanten, – des Capuziners P. Quiroga, der in den ersten Tagen von 1634 das Lager zu Pilsen erreichte. Aus den Schwierigkeiten aber, die W. dem zweifachen Ansinnen, wenn auch unter eingehender Begründung, entgegensetzte, gewann dieser Geistliche schnell die Ueberzeugung, daß sein König so gut wie nichts mehr von ihm zu erwarten habe. Seinen Mißmuth darüber keineswegs verhehlend, reizte er W. doch nur zu Erwiederungen, die ein schonungsloses Urtheil über die Fehler der spanischen Politik in den letzten Jahren, besonders in Betreff Italiens enthielten und es offen als die Absicht des Generals constatirten, die Unterdrückung der deutschen Freiheit durch Spanien nicht zu dulden. Dieser Auslassungen rühmte sich W. unmittelbar darauf dem Grafen Kinsky und noch einem anderen böhmischen Emigranten, dem Obersten v. Schlieff, gegenüber, die ihn eben damals in geheimer Mission von Dresden aus in Pilsen besuchten.
Im nämlichen Maße, als er dem Kaiser und den Spaniern sich entfremdete, wuchs ihm wie natürlich das Bedürfniß, einen Rückhalt an Kursachsen und dadurch in der Folge auch an anderen protestantischen Reichsständen zu finden. Das Mißtrauen, das er selber den Sachsen eingeflößt hatte, meinte er durch glänzende Versprechungen beseitigen zu können; und zwar unter Zuziehung und Vermittlung jener vornehmen Böhmen, die damals in Dresden ihren Sitz hatten und dort immer eine Rolle spielten. Mit Hülfe seines Schwagers Trčka, der, ihm beständig zur Seite, noch officiell einen höheren Posten im kaiserlichen Heere bekleidete, im Herzen aber längst Rebell war, hielt er seine Verbindungen mit den böhmischen Emigranten aufrecht. Indem er ihnen wol nun mehr als je mit der Hoffnung auf Wiederherstellung der böhmischen Freiheiten, auf Erfüllung ihrer patriotischen Wünsche schmeichelte, wußte er sie an sich zu fesseln, und bereitwillig leisteten ihm der sanguinische Kinsky, der durchtriebene Schlieff die begehrten Dienste. Durch sie suchte er von nun an sogar mit Bernhard von Weimar, seinem gefährlichsten Feind im Felde, anzuknüpfen – vermuthlich ebenso im Gegensatz zu Spanien und Baiern, als mit dem Wunsch, ihn durch persönliche Versprechungen von den Schweden zu trennen. Nach dem Zeugniß des Feldmarschalls Ilow, „mit Trčka seines vornehmsten Vertrauten“, hatte er noch keine Neigung zu einer Allianz mit Schweden. Und auch bloß scheinbar, vielleicht doch nur in den Augen Trčka’s und Kinsky’s, die sich allzu leicht in Illusionen wiegen ließen, wünschte er sich mit Frankreich zu verbinden, höchstens aber indirect und partiell mit dieser Macht zu cooperiren. Nach seiner Unterredung mit Schlieff wollte er die Franzosen mit nichten über den Rhein kommen lassen, sie dagegen augenscheinlich nach den belgischen Niederlanden und nach Italien wider die Spanier ablenken; und allerdings wollte er, wie er sagte, diese selber von dort vertreiben helfen. Noch immer fühlte er als Generalissimus und Reichsfürst sich berufen, die Integrität des Reiches zu wahren. Kaiser und Reich aber [631] waren, wie die Dinge lagen, ihm längst nicht mehr identische Begriffe. Er unterschied um so schärfer zwischen ihnen, je tiefer seine Geringschätzung Ferdinand’s II. mit seinem Groll und seiner Rachgier wurde. Der Kaiser und der Kurfürst von Baiern müssen „weg“, sagte er in seiner freilich unberechenbaren Aufwallung zu Schlieff. Und fast in demselben Athemzuge ließ er durch ihn den Kurfürsten von Sachsen wieder versichern: er werde, wenn dieser Neigung zum Frieden habe, durch die That beweisen, wie all sein Absehen auf des H. R. Reiches Wohlfahrt gerichtet sei. Auch ließ er alsbald durch Schlieff – während er Arnim zu näheren Unterhandlungen aufs sehnlichste erwartete – Kursachsen als Preis der Verständigung die Stifter Magdeburg und Halberstadt neben den beiden Lausitzen zu erblichem Besitz anbieten.
Wie er so aber, in Wirklichkeit weniger denn je um den Kaiser bekümmert, den Feinden die Hand hinreichte, suchte er in noch bedenklicherer Weise als bisher auch auf seine Armee einzuwirken. Sogleich nach den eben erwähnten Anerbietungen, am 11. bis zum 13. Januar versammelte er in Pilsen die Kriegshäupter in sehr stattlicher Anzahl um sich. Und daß auch diese Versammlung unter dem frischen Eindruck der verunglückten Mission des Spaniers Quiroga stand, ließ er sie durch Ilow’s Mund erkennen, ohne daß von Feria, der nach mannichfachen Schicksalen gerade zur nämlichen Zeit einem Fieber in München erlag, weiter die Rede war. Unmögliche und der Ehre widerstreitende Dinge würden durch den übelberathenen Kaiser von dem General gefordert; so der Zug nach Regensburg, die Sendung von ein paar tausend Mann nach Baiern, vor allem nun die der 6000 Pferde für den Cardinal-Infanten. Hierdurch würde der größte Theil seiner verfügbaren Cavallerie in der herrschenden Kälte auf weiten Märschen, auf unsicheren Wegen dem Verderben ausgesetzt werden und der Totalruin der Armee selber folgen. Darum und angesichts anderer Widerwärtigkeiten, der gegen ihn gerichteten Intriguen und Injurien, auch wegen Verweigerung des nöthigen Unterhalts für die Armee sei er zur Abdankung entschlossen. Der inständigen Bitte seiner noch mehr als früher bestürzten Obersten, sie nicht zu verlassen, gab er diesmal aber erst daraufhin nach, daß sie durch einen schriftlichen Revers an Eidesstatt sich verpflichteten, bis zum letzten Blutstropfen bei ihm auszuharren. Bei einem von Ilow veranstalteten Bankett, einer „vollen Mette“, wurde der Revers von den meisten Obersten, unter denen zahlreiche betrunken waren, und am folgenden Tage, nach neuen eindringlichen Vorstellungen des Herzog-Generals, auch von den bisher noch zurückhaltenden unterzeichnet. Ob die vielberufene Clausel, wonach ihre Verpflichtung auf die Zeit seines Verbleibens im Dienste des Kaisers beschränkt sein sollte, ursprünglich in dem Revers gestanden, ob sie auf Wallenstein’s unmittelbaren Befehl vor der Unterzeichnung unterdrückt worden sei, ist authentisch nicht aufgeklärt worden. In Wien aber war man auf die Kunde von diesem, nachher sogenannten ersten Pilsener Schluß nur zu geneigt, das Schlimmste zu glauben. Fürst Eggenberg, einst der treueste und entschiedenste Anhänger Wallenstein’s daselbst, war kurz zuvor schon von ihm abgefallen. Jetzt trat auch der Bischof Anton von Wien von ihm zurück. Eine aus diesen Männern und dem Grafen Trautmannsdorf gebildete Commission, welcher der kaiserliche Beichtvater Lamormaini und der spanische Gesandte Graf Oñate eifrig schürend zur Seite standen, hatte die gegen W. zu ergreifenden Maßregeln zu berathen; und bereits vom 24. Januar datirt das kaiserliche Absetzungsdecret, in welchem auch der Pilsener Versammlung vom 11. mit nachdrücklichem Tadel gedacht wird. Anstatt des „gewesenen General-Obersten-Feldhauptmanns“ wurde der Generallieutenant Graf Gallas bis auf weiteres zum Commandirenden über die gesammte kaiserliche Armee ernannt, Officiere und Soldaten wurden [632] ihrer Pflichten gegen Ersteren entbunden und, eben vorläufig, an den Letzteren gewiesen. Die nöthigen Handlungen zur Ausführung dieses – zunächst jedoch nur auf dem Papier stehenden – Decrets, wobei es namentlich auf die Gefangennehmung Wallenstein’s und seiner Hauptcomplicen abgesehen war, sollte Gallas in Gemeinschaft mit Aldringen und Piccolomini vornehmen, Alles aber bis dahin strengstes Geheimniß bleiben. Auf die hier genannten Generale glaubte man sich unbedingt verlassen zu können; und durch die Aussicht auf reiche Belohnung wurden sie in ihrer Hingebung an den Befehl des Kaisers nur bestärkt. Dennoch, welche Schwierigkeiten und Gefahren galt es hierbei immer noch zu überwinden! Es lag in den Verhältnissen, daß Gallas, von dem Alles abhängen sollte, trotz ausgedehntester kaiserlicher Vollmacht am meisten zögerte. Denn erst eben durch W. von Schlesien nach Pilsen zu längerem Aufenthalt abberufen, sah er sich genöthigt, ihm hier formell noch alle Ehren wie bisher zu erweisen; und W. verstand es auch noch, ihn momentan für sich einzunehmen. Inzwischen aber waren, von Pilsen fern genug, die beiden anderen Unterfeldherren, so viel sie nur konnten, auf eigene Hand als Verschwörer gegen ihren alten Chef thätig. Ebensowol Aldringen, der mit ihm längst nicht mehr im Einklang, als Freund der Spanier nicht zum wenigsten durch sein abstoßendes Verhalten gegen Feria verletzt worden war, wie Piccolomini, der gleich Gallas anscheinend zwar noch bis vor Kurzem auf eine Wendung Wallenstein’s zum Guten gehofft, sich dann aber nur um so schroffer für seinen Sturz erklärt hatte. Auf die Kunst der Verstellung verstanden sich Beide ohnehin noch besser als Gallas. In ununterbrochener Correspondenz unter einander wie mit Oñate, fanden sie an dem Letzteren, was sie suchten, den Agitator bis zum Aeußersten am Hofe. Oñate erblickte in W. den Gegner der Weltmacht Spaniens, weil er die Verbindung zwischen Italien und Flandern, die dieser Monarchie unentbehrlich erschien, durch seinen Widerstand zu zerstören drohte und die Wiederherstellung des spanischen Dominats im Reiche hintertrieb. Und darum verdächtigte er ihn als Feind des Hauses Oesterreich insgemein, bezichtigte ihn vor dem Kaiser auf vage Gerüchte hin einer vollendeten Conspiration mit Frankreich wie mit den evangelischen Kurfürsten; auf ihre und seine Waffen gestützt, wolle er sich zum König von Böhmen wählen lassen, den Kaiser aus Deutschland verjagen, überhaupt sein Glück und seine Größe auf den Ruin desselben und den Niedergang des Hauses Oesterreich aufbauen. Und es gelang dem scrupellosen Spanier, nicht bloß das Ohr des Kaisers zu gewinnen, sondern auch neben dem König von Ungarn zu jener Commission in Wien unmittelbar hinzugezogen zu werden. Er stellte den Friedländer wie einen todeswürdigen Verbrecher hin und erklärte es nach altspanischer Praxis für das Beste, „ihn gleich gar umzubringen“. Bereits früh im Februar konnte er Aldringen von der geheimen Entschließung Ferdinand’s, „sich seiner durch Gefangennehmung oder durch Tödtung zu versichern“, Mittheilung zukommen lassen. Eine neue Weisung also, die wie ein „expresser“ Befehl des Kaisers von Aldringen und Piccolomini aufgenommen wurde! Wenn auch unter einigen Schwankungen, machte dieser thatenlustige Italiener sich zur Ausführung bereit und eilte nur wenige Tage später nach Pilsen. Allein nach kurzem Aufenthalt daselbst kehrte er, am 17. Nachts, unverrichteter Sache nach Linz in sein damaliges Quartier zurück. Hatte doch W. die Pilsener Garnison soeben verändert, in die Stadt und deren Umgebung Officiere und Truppen gelegt, die ihm unbedingt vertrauenswürdig erschienen und in gleichem Maße dem Grafen Piccolomini unzuverlässig, für den geplanten Handstreich demnach ungeeignet erscheinen mußten. Während er die Maske aber noch nicht zu lüften wagte, wußte er sich selbst durch Vorspiegelungen das blinde Vertrauen zu bewahren, das jener sonst so argwöhnische Mann gerade ihm – wie es heißt, von seinem astrologischen Aberglauben geblendet, auf [633] Grund der angeblichen Gleichartigkeit ihrer Nativitäten – einmal geschenkt hatte. Fast gleichzeitig war es auch Gallas geglückt, unter einem leeren Vorwande Pilsen verlassen zu dürfen und so der Machtsphäre des Gefürchteten zu entrinnen.
Im übrigen aber war es mit der Politik der Verstellung und des Hinhaltens jetzt vorbei. Um den behaupteten Anschlägen des Friedländers zuvorzukommen, galt es nach Oñate’s Berichten, die Kräfte des Kaisers zu vereinigen durch Trennung der Getreuen von den Ungetreuen. In diesem Zusammenhang gedenkt er auch eines neuen kaiserlichen Patents, wodurch die Obersten, je nach den Provinzen, wo sie lagen, an die Befehle Gallas’, Aldringen’s, Marradas’, Piccolomini’s und Colloredo’s bis auf weiteres gewiesen wurden. Es ist das Patent vom 18. Februar, das Wallenstein’s Absetzung nochmals aussprach, und zwar in ungleich schärferen Worten als das vom 24. Januar, da es gegen ihn als Verleumder der kaiserlichen Person, als eidbrüchigen Verschwörer wider das Herrscherhaus und die Krone die schwersten Anklagen enthielt und schlechthin als bewiesen annahm. Anders als jenes erste Patent sollte es die schleunigste und weiteste Verbreitung finden; und hierfür entscheidend war die angeblich sichere Kunde, daß Friedland in kürzester Frist nach Prag ziehen, dort seine böse Absicht ausführen wolle. Auch dieses alarmirende Gerücht hatte der spanische Graf als Thatsache erscheinen lassen. Für die rebellischen Wünsche Trčka’s und Kinsky’s ist aber W. noch keineswegs ohne weiteres verantwortlich zu machen, und schwerlich auch – es fehlen bündige Beweise – für ihre thatsächlichen Bemühungen, durch Briefe und Boten wie in seinem Namen verrätherische Beziehungen zu Frankreich, zunächst zu Feuquières, dem außerordentlichen Gesandten König Ludwig’s im Reiche, sowie unmittelbar nun auch mit den Schweden, mit Oxenstierna anzuknüpfen. Das tiefe Mißtrauen dieser fremden Staatsmänner gegen W. und seine persönliche Zurückhaltung ihnen gegenüber ließ – bis es nachher zu spät war – greifbare Annäherungen nicht zu, geschweige denn Vereinbarungen mit ihm. Wer indeß könnte leugnen, daß er durch seine ganze Haltung, nicht zum wenigsten durch seinen intimen Verkehr mit jenen Emigranten, den Kaisertreuen mit Recht aufs äußerste verdächtig war! Und es half ihm hiergegen auch nichts, wenn er schließlich noch einmal den Ton der Loyalität anzuschlagen versuchte. Officiell hatte er allerdings fortgesetzt bis tief in den Februar hinein mit dem Kaiser als dessen „gehorsamster Fürst und Diener“ über laufende militärische Angelegenheiten von geringerem Belang weiter correspondirt – nicht anders aber, als mit ihm selbst der Kaiser, der ihn sogar noch kurz vor Erlaß des letzten Patents in seinen amtlichen Schreiben seiner gnädigsten kaiserlichen Huld und Gewogenheit versicherte, ihn bis dahin überhaupt noch ganz als seinen activen Obergeneral behandelte. Auf beiden Seiten war man falsch und hatte, zur Abwendung des Verdachtes, sich so lange als möglich betrogen. W. ahnte noch nichts von den verschiedenen feindlichen Schritten Ferdinand’s gegen ihn, er hatte offenbar noch keine Vorstellung von der ungeheuren Gefahr, die über ihm schwebte, als er seine Obersten zu einer nochmaligen großen Versammlung nach Pilsen berief – nach dem wohleingeweihten Schlieff zu dem Zweck, sich ihrer noch mehr zu versichern durch „einen festen unauflöslichen Band, der weder vom Kaiser noch von Spanien werde getrennt werden können“. Als diese Versammlung nun am 19. und 20. Februar tagte, da war er freilich soeben durch gewisse Vorgänge stutzig geworden, die ihn die Abwesenheit Gallas’, Aldringen’s und zumal Piccolomini’s peinlich empfinden, sie ihm in dem neuen Lichte der Untreue erscheinen ließen. Desto mehr aber hielt er es für geboten, den Anwesenden, die seinem Rufe gefolgt waren, zu betheuern, daß er niemals etwas gegen den Kaiser zu tractiren gedacht habe. Ja, sein zweiter, am 20. Februar vollzogener Pilsener Schluß protestirte förmlich gegen [634] die Auffassung, als sei dies die Tendenz des ersten Schlusses gewesen. Er enthielt sogar die Erklärung, daß der Herzog-General seine Officiere, wenn sie ihn das Geringste wider den Kaiser und die katholische Religion unternehmen sehen würden, ihrer Verpflichtungen gegen ihn losspreche. „Sonst aber“ versehe er sich zu ihnen, daß sie, was sie ihm seiner Sicherheit halber versprochen, auch wirklich erfüllen würden. Und noch einmal verpflichtete er sie darnach, bis zum letzten Blutstropfen unausgesetzt bei ihm auszuhalten. Sein Hauptzweck war, nur in milderer Form und ein wenig verhüllter, der alte geblieben: allen höfischen Intriguen gegen ihn, zumal einer gewaltsamen Absetzung sollte der Wille der Armee entgegengestellt werden. Zwischen den ihm Mißgünstigen am Hofe und dem Kaiser scheinbar noch unterscheidend, bekannte er gleichzeitig, daß er einen Schimpf befürchte und deshalb seine Regimenter nach Prag zusammenrufen lasse. Gewiß kam auf die Hauptstadt des Landes militärisch das Meiste an; welch’ eine Handhabe aber gab er mit dieser Entschließung dem spanischen Gesandten für dessen längst ausgesprochene Verdächtigungen. Und harmlos war sein Vorhaben allerdings nicht gemeint. Für den sächsischen Generallieutenant, den er in Prag erwarten wollte und deshalb umgehend dorthin einlud, verhieß er Alles zu thun, was derselbe begehren werde, wogegen er von ihm die Bereithaltung etlicher tausend Pferde im Meißener Land an der böhmischen Grenze, zu seinem Beistande im Nothfall, begehrte. Noch unmittelbar vor dem letzten Pilsener Schluß, auf welchen damit ein grelles Streiflicht fällt, am 18. richtete er dieses Ansinnen an Arnim durch dessen Feldmarschall, den Herzog Franz Albrecht von Lauenburg, der damals als kurfürstlicher Abgesandter und gewissermaßen als Vorbote Arnim’s bei ihm in Pilsen weilte. Aber mehr noch; am 18. bewog er auch schon diesen kaiserfeindlichen Herzog, auf eigene Hand zu Bernhard von Weimar nach Regensburg zu reisen, um auch bei dem nun gegebenen Falls um Hülfsbereitschaft gegen seine „Widerwärtigen“ zu werben. Und noch bedenklichere Forderungen ließ er unter den stürmischen Eindrücken der nächsten Tage folgen.
Am 21., als er seinen Obersten Mohr v. Wald mit gleißnerischen Loyalitätsbetheuerungen noch an den Kaiser abzufertigen wagte, erfuhr sein Schwager Trčka auf dem Wege nach Prag, daß dies – durch die Vorsorge und Umsicht der kaiserlichen Generale – W. bereits abgeschnitten und von einer ihm feindlichen Garnison besetzt sei. Und am nämlichen Tage erfuhr es, nach einer Andeutung Ilow’s, W. selber mit dem Zusatz: neben Marradas, dem General im Königreich Böhmen, hätten Gallas und Piccolomini Befehle ertheilt, ihm nicht mehr zu gehorchen. Sofort erließ er die schärfsten Gegenbefehle und beschloß, anstatt nach Prag nach Eger zu gehen. Jedenfalls im Hinblick auf seine noch beträchtlichen Grenzposten in der Umgegend wollte er dort die Reste seiner Truppen sammeln und glaubte dort auch desto eher die nun dringend erbetenen Hülfstruppen des Herzogs Bernhard zur Hand haben, überdies mit dem benachbarten Markgrafen von Brandenburg-Culmbach in Verbindung treten zu können. Aber auch Arnim ließ er durch einen expressen Boten nunmehr nach Eger, zu schleunigster Unterredung mit ihm „in hochwichtigen Geschäften“, einladen. Am 22. durch eine drohende Bewegung Piccolomini’s selbst zu sofortigem Aufbruch aus Pilsen gedrängt, hoffte er doch auch diesen Platz, wo sich das meiste Geschütz befand, durch das Volk Bernhard’s für sich zu retten. Sein ständiger Begleiter Ilow forderte aber den Letzteren alsbald schon ungescheut zur Occupation von Passau, ja zur Schürung eines neuen Bauernaufstandes in Oberösterreich auf. Und bei alledem war W. noch eifrig um die Fiction seiner Kaisertreue nach außen hin bemüht. Es lag ihm ersichtlich daran, die Zweifelnden und Schwankenden bei sich festzuhalten und außerdem Zeit zu gewinnen. Obgleich ihm Pilsen widerstandslos [635] wie Prag entrissen wurde, obgleich ihn der Abfall seiner vornehmsten Kriegshäupter, der Verlust so zahlreicher Truppen aufs tiefste kränkte und er selber nun die Entlassung unfreundlicher Elemente für gerathen hielt, so rechnete er doch wol noch auf einen größeren Theil seiner Armee. Obwol von der Gicht wieder hart geplagt, wird er dennoch nicht als ein äußerlich und innerlich gebrochener Mann zu bezeichnen sein. Von seiner politischen Mission als Reorganisator des Reiches durchdrungen, soll er vielmehr gerade jetzt erst den ehrgeizigen Plan gefaßt haben, alle Unterordnung von sich abzustreifen und zur Durchführung dieser Mission sich von dem widerwärtigen Kaiser völlig unabhängig, sich selbst zum Souverän zu machen. So groß wie nur je war freilich die Verwirrung, und Alles stand auf der Spitze des Schwertes.
Noch während seines Marsches zog er denn andererseits wieder von Truppen an sich, was er konnte. Den Obersten Butler, auf den und dessen Regiment er zufällig stieß, nöthigte er, ihn nach Eger zu begleiten. Mit verdächtiger Leutseligkeit, dabei doch den Kaiser nun persönlich des Undanks oder der Sorglosigkeit gegen seine verdienten Officiere anklagend, suchte er Butler durch abnorme Gnadenversprechungen zu ködern. Und dessen geheuchelte Dankbarkeit für Ernst nehmend, glaubte er seiner sicher zu sein; nicht weniger, als er das in Bezug auf den Commandanten von Eger, Oberstlieutenant Gordon, und auf Lesley, den Oberstwachtmeister desselben, nach seinen ihnen erwiesenen Gunstbezeigungen annahm. Waren diese Beiden ohnehin doch Schotten und Protestanten, den Spaniern und der eifrig katholischen Faction am Hofe, von der sich W. offen getrennt hatte, unmöglich zugethan. Allein er übersah, daß sie so wenig, als der irische Katholik Butler, sich des Diensteides gegen den kaiserlichen Kriegsherrn entbunden fühlten. Vor die Wahl gestellt, entweder auf Grund der nun vorliegenden Patente W. nicht ferner zu gehorchen oder nach dem Befehl des Letzteren den kaisertreuen Generalen und damit dem Kaiser selbst den Gehorsam zu verweigern, kamen diese Männer wol in Verlegenheit, dennoch, ihrer Pflicht eingedenk, keinen Augenblick in Zweifel. Am 24. Nachmittags war W. in Eger eingetroffen, und in der Nacht darauf scheint er durch eine Eilbotschaft von Prag seine förmliche Absetzung durch Ferdinand, das Patent vom 18. Februar erfahren zu haben. Nur um so mehr aber soll er zunächst auf Lesley eingeredet, soll er diesem seine verrätherischen Beziehungen zu Bernhard von Weimar und Arnim entdeckt haben. Und Ilow versuchte am nächsten Morgen, Butler, Gordon und Lesley in Wallenstein’s Sinne weiter zu bearbeiten; auch habe er, heißt es, frohlockend erzählt, daß die Schweden im Anzuge seien. Bei mehrfacher Abweichung der Berichte unter einander, stimmen die besten Quellen doch darin überein, daß die – an sich unbegründete – Besorgniß vor einer unmittelbar bevorstehenden Annäherung der Feinde, hier Arnim’s und dort Bernhard’s, für jene fremdländischen Officiere entscheidend war: sie fanden sich in dem von Butler bereits erwogenen, angeblich aber erst von Lesley in Worte gebrachten Beschluß zusammen, der verlangten Vereinigung mit W. durch dessen Tödtung zuvorzukommen. Eigenmächtig ward der Beschluß in Eger nur wenige Stunden vor der Ausführung gefaßt – unabhängig von dem kaiserlichen Geheimbefehl, den Oñate etwa drei Wochen früher erwirkt hatte, und zweifellos noch vor Empfang einer Weisung, die Piccolomini unter dem Eindruck dieses Befehls von Pilsen aus an Butler richten ließ, W. lebendig oder todt herbeizuschaffen. Unter Anleitung Butler’s, der sich nachher noch rühmte, „das Directorium bei der Friedländischen Execution“ gehabt zu haben, wurden die nöthigen Anordnungen getroffen. Und demnach wurden am Abend dieses 25. bei einem Gelage auf der Burg die ahnungslos anwesenden Gefährten Wallenstein’s, Trčka, Ilow, Kinsky und der von ihm häufig als Schriftführer gebrauchte Rittmeister Neumann, [636] durch Buttler’s Irländer überfallen und niedergemacht. Nach kurzem Bedenken und nach nochmaligem Hinweis auf die drohende Nähe der Feinde bereiteten die Verschwörer ihm selbst die Nacht darauf das gleiche Schicksal: in seiner Wohnung, die sich in dem ehemals Pachelbel’schen, damals aber eigentlich herrenlosen und von der Stadt administrirten Patricierhause am Unteren Ring befand. Dem Gelage fern geblieben, hatte der von seiner Krankheit heimgesuchte Herzog-General sich frühzeitig zur Ruhe begeben wollen. Wol durch den plötzlichen Lärm von außen aufgeschreckt, stand er bloß im Hemde, dem Fenster zugewandt da, als der irische Hauptmann Deveroux vom Butler’schen Regiment mit einigen Soldaten in sein Schlafzimmer drang und die Partisane gegen seine Brust richtete. Von ihr durchbohrt, stürzte der Unglückliche lautlos zu Boden. Gerade in der Stadt, von der er einst unter glänzenden Auspicien als Heerführer ausgegangen war, fand er sein trauriges Ende.
Die Kunde von der Egerer Blutthat wurde von seinen Feinden, namentlich von den Spaniern mit lautem Jubel aufgenommen. Ja, diese priesen die Ermordung ihres verabscheuten Widersachers als eine Gnade Gottes. Und freilich kamen den katholisch-spanischen Interessen die Aenderungen, welche demnach im Heerwesen und in der Politik eintraten, vornehmlich zu gute. Arnim dagegen, der berufene nationale Vertreter der deutsch-protestantischen Interessen, ward durch jene Kunde aufs peinlichste berührt. Nach langem, höchst bedächtigem Zaudern den wiederholten und immer dringender gewordenen Einladungen Wallenstein’s gegenüber hatte er seinen Abfall von Ferdinand, diesen großen Zwiespalt im kaiserlichen Heerlager „ex jure belli“ strategisch auszubeuten beschlossen. Nicht das bloß, auch seine Hoffnung, durch Wallenstein’s Zuthun bei alledem noch einen annehmbaren Frieden für das Reich zu erlangen, war jetzt von Grund aus vereitelt worden. Darum wol um so schärfer verdammte er die Mordthat als unerhört „bei eines christlichen Kaisers Regierung“. Allein dem frommen Ferdinand II. kam solches schwerlich zu moralischem Bewußtsein. Daß er dreitausend Seelenmessen für W. und die Genossen seines Schicksals lesen ließ, ist irrthümlich von protestantischer Seite als ein Ausdruck der Reue über die Ermordung gedeutet worden. Einmal dahin gebracht, mit den Augen der Spanier zu sehen, bezeugte er durch die reichen Belohnungen, die er den Mördern, Butler, Gordon und Lesley sowie ihren Werkzeugen bei der Execution, zu Theil werden ließ, seine wahre Gesinnung. Zwar hinderte der ausdrückliche Beifall, den er Butler und Gordon zollte, ihn oder seine Staatsmänner nicht, gelegentlich aus politischen Rücksichten ihr Vorgehen wiederum als ein willkürliches und ohne seinen Befehl erfolgtes zu desavouiren. Die drei Hauptverschworenen aber, Piccolomini, Aldringen und Gallas, die sich im voraus mit dem Kaiser in vollem Einverständniß hinsichtlich der Execution Wallenstein’s befunden hatten, wurden nur um so mehr ausgezeichnet. Ihnen vor Allem wurden die Güter der Ermordeten, so Aldringen die Kinsky’sche Herrschaft Teplitz, Piccolomini die Trčka’sche Herrschaft Nachod, Gallas aber die Wallenstein’schen Herrschaften Friedland und Reichenberg zugesprochen. Das grausame Confiscationsverfahren, das der Friedländer einst gegen seine Feinde durchgeführt, rächte sich somit an ihm und an seiner Schöpfung – trotz des Privilegs, das er sich vorsorglich von dem nämlichen Kaiser schon im Mai 1627 zum Schutz seines böhmischen Herzogthums gegen Einziehungen ob crimen laesae majestatis hatte ertheilen lassen. Eine ausführliche officielle Denkschrift sollte die Execution im selben Maße vor der Oeffentlichkeit rechtfertigen, wie sie bestimmt war, Wallenstein’s und seiner Anhänger „abscheuliche Prodition“ als feststehendes Factum zu verkünden. Die Schrift ist dadurch merkwürdig, daß sie deutlich die Erweiterung des ursprünglichen kaiserlichen Befehls, ihn und sie zu verhaften [637] und ihnen den Proceß zu machen, erkennen läßt durch den Zusatz: „oder doch sich seiner lebendig oder todt zu bemächtigen“. Ein Zusatz, den man heute nicht mehr als sententiam post mortem zu deuten braucht. Sehr beachtenswerth ist aber auch, daß alsbald ein von Deputirten des kaiserlichen Geheimen Raths verfaßtes Gutachten, das nichts weniger als Partei für W. nahm, viele in obiger Denkschrift enthaltene Klagepunkte als juristisch „noch nicht erwiesen“ bezeichnete; ausdrücklich den, daß er dem Kaiser nach Land und Leuten getrachtet hätte. Und nicht bloß als unerwiesen, sondern als feindliche Verleumdung oder mindestens als verleumderisch weit übertrieben kann nach dem Stande der heutigen Forschung vieles von dem gelten, was dem einst bewunderten, überwiegend aber nun verhaßten Manne damals und in der Folge nachgesagt worden ist. Wer dürfte darum leugnen, daß „ein groß Theil eigener Schuld“ ihn in das Verderben gerissen hat! Anklage und Vertheidigung aber dahingestellt, gilt es zu einer ruhigeren geschichtlichen Beleuchtung zu gelangen. Und man vergesse dabei nie, daß eben schon die beispiellose Generalats-Vollmacht, die der Kaiser in seiner Furcht vor Gustav Adolf’s siegreichen Fortschritten ihm eingeräumt hatte, die Keime späteren unausbleiblichen Conflictes in sich trug. Zwei Mal, betont man wol, habe W. das Haus Habsburg gerettet. Allein auch als er es dann durch seine irrigen strategischen Berechnungen vom November 1633 aufs neue in Gefahr gebracht, den Kaiser in noch größere Angst und Aufregung versetzt hatte, hielt er sich für berechtigt und für berufen, den Wünschen desselben zu widerstehen. Des Kaisers Vertrauen zu ihm war von da ab erschüttert; er aber fuhr fort, an seinen Stern zu glauben, und ließ den Monarchen nun erst recht seine Abhängigkeit von der ihm einmal übergebenen Dictatur fühlen. Nur um so entschiedener bestand er auf dieser und auf seinem Eigenwillen, als Jesuiten und Spanier, denen er selbst einst nahe verbündet gewesen, den Kaiser mehr und mehr gegen ihn einzunehmen wußten – als hauptsächlich die Spanier ihm mit Ansprüchen in den Weg traten, die er für sich wie für sein Heer verderblich fand. Wenn er dann wirklich zum Schluß den Gedanken faßte, sich von diesem ihm mehr als undankbar erscheinenden Hause Habsburg loszureißen, so geschah es doch sicher nicht nach einem vorgefaßten und vorbereiteten Plane, sondern, unter beiderseitigem Verschulden, „durch den Drang der Umstände“. Aber freilich hatte er auch vorher schon, als die Dinge noch lange nicht soweit gediehen waren, ungescheut die Absicht gehegt, hinweg über diesen Kaiser Ferdinand, an den ihn kein ethisches Band fesselte, die Annahme seiner höheren politischen Beschlüsse zu erzwingen. Und in Momenten besonderen Unmuths, seines von den Zeitgenossen oft erwähnten „Schiefers“, hatte er in Unterredungen mit den Feinden längst auch eine Gesinnung gegen seinen kaiserlichen Herrn zur Schau getragen, für die der Ausdruck „untreu“ milde erscheinen könnte – die es immerhin erklärlich macht, wenn ihm Abfall und Verrath sehr früh schon auf allen Seiten zugetraut worden sind. Er spielte gleichsam mit dem Verrath; gesetzt aber auch, er habe die Feinde damit lediglich mystificiren wollen, so deutet doch dieser Mangel an Ehrfurcht und wahrem Ehrgefühl auf die Verwilderung seines Zeitalters hin, das zugleich wieder, von macchiavellistischer Denkart erfüllt, das raffinirte Zeitalter eines Richelieu war. Mit Letzterem theilte W. die Kunst der diplomatischen Intrigue. Sein Erfolg war aber der, daß in den letzten kritischen Stunden die nur zu häufig getäuschten, durch seinen Wankelmuth und seine Treulosigkeit abgestoßenen Evangelischen ihn entweder, wie Bernhard, im Stich ließen oder, wie Arnim, zu spät für ihn kamen. „Ich wollte keinen Hund satteln lassen oder vertrauen“, hatte der Weimaraner auf Franz Albrecht’s Bitten um Hülfe für W. erwiedert.
Dennoch, ihrer falschen und unreinen Zuthaten entkleidet, weist seine Politik [638] Bestrebungen und Entwürfe auf, die hoher Anerkennung werth sind. Und das mehr während seines zweiten Generalats als während des ersten, welches politisch und militärisch an sich glänzender, aber vielleicht auch noch reicher an verhängnißvollen Fehlern ist, wie es sein Vorgehen wider Stralsund, seine Besitzergreifung von Mecklenburg, seine damals unleugbare Begünstigung der katholischen Reaction in Norddeutschland, trotz seiner früh erklärten Abneigung gegen das Restitutionsedict, zeigen. Nachher zur Einsicht gelangt, daß ohne Verständigung und Compromiß mit den deutschen Protestanten die Herstellung des Reichsfriedens unmöglich sei, wollte er, der niemals ein Glaubensstreiter in Tilly’s Sinne gewesen, von clericaler Unduldsamkeit erst recht nichts mehr wissen. Die Wiederaufrichtung des Religionsfriedens mit Beseitigung aller störenden Momente, die Gleichberechtigung und das Gleichgewicht der herrschenden Bekenntnisse, unter Annahme eines status quo ante in Hinsicht auf den unseligen Krieg um den Besitz der geistlichen Stifter, ferner die Erhaltung der Reichsintegrität unter Ausschließung aller fremden Mächte: es waren Pläne eines großen Staatsmannes würdig. Und wäre er der Kaiser gewesen, so hätte er wol jenes, in Folge davon aber nach und nach vielleicht auch dieses bei einsichtiger Bekämpfung der vorhandenen Schwierigkeiten zu erreichen vermocht. So aber war er, trotz seiner außerordentlichen Machtbefugnisse, gleichwol nicht im Stande, den bigotten Ferdinand zur Nachgiebigkeit im Punkte der Religion, der für ihn selber eine rein politische Frage bildete, zum Eingehen auf seine grundlegenden Friedensbedingungen zu zwingen. Dazu nun stellten, durch seine falsche diplomatische Taktik verletzt, auch die evangelischen Kurfürsten sich jenen Friedensentwürfen skeptisch und abweisend gegenüber und dachten um so weniger daran, seinem Wunsch entsprechend mit den Schweden zu brechen. Diesen „die letzte Oelung“ zu geben, durfte W. nach dem Fall von Regensburg nicht mehr hoffen. Weit mehr denn die Schweden haßte er aber die Spanier, von denen der Kaiser sich nicht trennen wollte, als Friedensstörer des Reiches und als diejenigen, die seinem zum Segen der Reichsstände bestimmten Unternehmen zumeist hinderlich wären. Hier war er doch wieder voller Ehrgeiz und fühlte eben darum sich hier am schwersten gekränkt. Auch war dies mehr als ein bloß egoistischer Ehrgeiz, wie man ihn vorwiegend in seinen dynastischen Ansprüchen findet. Was die letzteren betrifft, so lagen sie, als die Katastrophe hereinbrach, indeß noch ganz im Unklaren. Die Satisfaction für sein früheres Herzogthum Mecklenburg, an die er zu wiederholten Malen erinnert hatte – die ihm zugeschriebene Absicht auf Württemberg, auf die Rheinpfaz mit Einschluß der Kurwürde – dies und Anderes hatte er stets noch zurücksetzen müssen, da dringendere Sorgen bis zum Ende ihn beschäftigten. Die Usurpation der böhmischen Krone war „mehr ein Wunsch seiner Umgebung“, wenigstens bis auf seine letzten regellosen Tage, wo er selbst Schweden und Franzosen ohne fernere Scrupel herangezogen haben würde, jedoch auch Feuquières’ Abgesandter de la Boderie ihn nicht mehr erreichte. Unter normaleren oder ruhigeren Verhältnissen hätte diese Krone ihn unmöglich locken können, zumal er auch den Ehrgeiz des Emporkömmlings besessen, eine dauernde und anerkannte Dynastie zu begründen – wenn er gleich ohne männliche Erben war. Denn sein einziger Sohn, den ihm seine unverkennbar von ihm geliebte Gemahlin, Isabella Katharina v. Harrach, geboren, war als kleines Kind bereits im Januar 1628 gestorben. Nach seinen Anordnungen sollte ihm in seinen Herrschaften nun eine Seitenlinie mit allen fürstlichen Ehren succediren. Die Katastrophe vereitelte es, was aber spätere Nachkommen dieser Linie nicht abhielt, sich seiner dankbar und pietätvoll zu erinnern. Erst 1636 hatte sein Leichnam, der bis dahin unbestattet in der Minoritenkirche zu Mies (unweit Eger) gelegen, ein schlichtes Begräbniß „sine [639] honore“ in der Kartause Walditz bei Gitschin gefunden. 1744 aber einem kostbaren Metallsarg einverleibt, der eine für Wallenstein’s Andenken höchst ehrenvolle Aufschrift trug, erhielt er, nach Aufhebung dieser Kartause unter Josef II., 1785 eine neue Ruhestätte, indem die Grafen Ernst und Immanuel v. Waldstein ihn mit großer kirchlicher Feierlichkeit in die Schloßcapelle St. Anna zu Münchengrätz überführen ließen.
Wallenstein’s Fürstenberuf an sich ist zweifellos und steht, sowol auf dem Gebiete rationeller Staatsverwaltung als in cultureller Beziehung, fast ohne Beispiel in seiner trüben Zeit da. Sein rastlos schaffendes organisatorisches Genie hat andererseits auch den Grund zu seinem Feldherrnthum gelegt. Wie kein Zweiter hatte er es verstanden, Armeen gleichsam aus der Erde zu stampfen; und Heeresschöpfer, war er, Dank seiner Fürsorge für die Soldatesca in der Auswahl der Quartiere, durch gute Löhnung und reichliche Verpflegung, auch Heereserhalter. Empfehlungen und Günstlinge des Hofes grundsätzlich zurückweisend, war er gewohnt, allein nach militärischem Verdienst zu befördern, wobei neben Tapferkeit die strengste Subordination ihm gegenüber eine Hauptbedingung war. Hart bis zur Grausamkeit im Bestrafen, konnte er überfreigebig im Belohnen sein. Von magnetischer, dämonischer Gewalt über die Geister, war er eben auch ein geborener Kriegsfürst: allerdings ohne Gustav Adolf’s heroische Erscheinung, ohne dessen sympathische Züge, früh gealtert und durch das Podagra mehr und mehr gezwungen, sich der Sänfte zu bedienen. Indeß, sein hageres Antlitz war männlich, war energisch und klug. Als Feldherr – Taktiker wie Stratege – ist er von jeher sehr verschieden beurtheilt worden. Seine Ueberlegenheit über die Feinde wollten schon viele der Mitlebenden vornehmlich bloß in seinem numerischen Uebergewicht und in seiner besseren Ausrüstung sehen. Nicht selten hatte er das Glück, minderwerthige Gegner mühelos zu schlagen. Höher steht doch die Thatsache, daß er Gustav Adolf Stand gehalten und ihm in seinem Siegeslauf Einhalt geboten hat. Die strategische Niederlage aber, die ihm dann Bernhard von Weimar an der Donau beibrachte, sollte für seinen Ruhm wie für seine Existenz verhängnißvoll werden. Und der sichtliche Rückgang seines kriegerischen Nimbus hat gewiß nicht wenig dazu beigetragen, daß ihm schließlich die Stützen versagten, auf die er immer noch gerechnet hatte. Künstlich suchte er seine höheren Officiere durch Reverse, die sie unterschreiben mußten, und, auf ihren Eigennutz bauend, durch glänzende Versprechungen noch an sich zu fesseln. Einmal aber im Zwiespalt mit dem Kaiser, überschätzte er, der in Hinsicht der Treue selber ohne Gewissen war, die papiernen Verträge ebenso, wie er die Männer, die seinetwegen nicht eidbrüchig gegen die Monarchie werden wollten, unterschätzte. Das Vertrauen, das er Piccolomini und Butler geschenkt, steht in seltsamem Widerspruch zu seinem natürlichen Argwohn. Finden sich nicht aber sonst auch Gegensätze und Widersprüche in seinem Charakter? Bleibt es nicht immer auffällig, daß eine so großartig angelegte, in mancher Hinsicht so weit überlegene Persönlichkeit, ein vorwiegend so kühl und scharf urtheilender „Realpolitiker“ so tief wie nur einer seiner Zeitgenossen in astrologischem Wahn befangen war? Trotz der Warnung Kepler’s, aus den Gestirnen und Himmelszeichen den Lauf der irdischen Dinge berechnen zu wollen, war er in dieser Manie durch seinen Hausastrologen Seni oder richtiger Zenno bestärkt worden und hatte sich von ihm angeblich noch zuletzt durch eine falsche Prophezeiung bethören, im allgemeinen jedenfalls zu seinem Unheil beeinflussen lassen. Das Phantastische, sagt man, war in ihm mit praktischer Geschicklichkeit gepaart. Diese Geschicklichkeit aber verleugnete er schon durch jähe Sinnesänderung, durch seine Unzuverlässigkeit nur zu oft. Mit Recht ist bemerkt worden, daß er im Reden und im Handeln ein Anderer war. Allein [640] auch seine Sprache konnte eine sehr verschiedene sein. Großsprecherisch im höchsten Maße, liebte er es, besonders Gegner, mit denen er unterhandelte, durch volltönende Bravaden einzuschüchtern und in Furcht zu setzen. Gelegentlich aber compromittirte er durch Auslassungen voll wegwerfenden Tadels über die eigene Partei sich selbst vor seinen Gegnern in einer Weise, die wiederum ermuthigend auf sie wirken mußte. Allzu häufig von verblüffender Unvorsichtigkeit im Sprechen, war er, und später noch mehr als früher, der vorsichtigste Mann im Gebrauch der Feder. Nichts gab er schriftlich von sich, was ihm ernstlich zur Last hätte gelegt werden können. Daher hat wol auch die feindliche Behauptung von einer großartigen Schriftenverbrennung, die er noch am Tage vor der Katastrophe ausgeführt haben soll, schwerlich viel auf sich. Und selbst, wenn schriftliche Aufzeichnungen intimster Art von ihm vorlägen, würden doch unausfüllbare Lücken, würde Dunkelheit in vielen Punkten und insgemein das Problematische dieses Charakters bleiben, wie es einmal ist nach dem Worte des Dichters: ein Geist nicht zu fassen wie ein anderer; „wie er sein Schicksal an die Sterne knüpft, so gleicht er ihnen auch in wunderbarer geheimer, ewig unbegriffner Bahn.“ Die Launenhaftigkeit, unter der er, nervös so überaus reizbar, litt und jeden seines Umgangs leiden ließ, erhöht nur, die Contraste noch vermehrend, die Schwierigkeit seiner Beurtheilung. Nicht zu gedenken der bizarren Auswüchse seines Wesens, die, zumal wenn er „schiefrig“ war, ihn als despotischen Sonderling erkennen ließen. Die Quelle seines Unglücks aber war sein überspanntes und eben auf seine astrologischen Illusionen begründetes, dagegen nicht im Verhältniß zu seinen militärischen und politischen Erfolgen stehendes Selbstgefühl. Zum Herrn über Krieg und Frieden glaubte er sich auserlesen; ohnehin zum Befehlen und Herrschen, nicht aber zum Gehorchen geboren, hatte er frühe schon geäußert: es sei ihm unmöglich, seine Natur so weit zu ändern, daß er von Anderen abhinge. So mußte er denn der über ihm stehenden Macht, dem Hause Oesterreich und der Autorität des kaiserlichen Namens erliegen.
„Eine psychologische Erscheinung, welche in der neueren deutschen Geschichte kaum ihres Gleichen findet“, hat W. den Historiker wie den Poeten mächtiger als viele andere und größere Männer angezogen. Und wennschon im ganzen unvergleichbar, hat er durch seine Vielseitigkeit dennoch zu den verschiedenartigsten Vergleichen nach dieser oder jener Richtung hin Anlaß gegeben zu Vergleichen, die sich über die Weltgeschichte, von Philipp von Macedonien bis in die neueste Zeit, auf unseren größten Staatsmann, erstrecken. Berechtigter, weiter und tiefer greifend erscheint, unter Hinweis auf das Ziel seiner politischen Pläne, der Vergleich zwischen W. und dem Kurfürsten Moritz von Sachsen, der, schon ursprünglich versucht oder angedeutet, von Ranke wieder aufgenommen worden ist. Dieser hat aber auch den gewaltigen Unterschied hervorgehoben: Moritz war der Kriegsherr seiner Truppen, W. immer nur ein vom Kaiser eingesetzter General. Und waren Beide auch Reichsfürsten, so war es der Letztere, im Gegensatz zu dem angestammten evangelischen Fürsten, doch nur von der Gnade jenes bigott-katholischen Ferdinand II., die, in Ungnade verwandelt, ihm den Boden unter den Füßen entzog. Kurfürst Moritz konnte der Befreier Deutschlands von dem spanisch-römischen Joche Karl’s V. werden. Ein ähnliches Ziel hatte W. vor Augen; indeß zu den beiden großen Reichsparteien in eine durchaus schiefe Stellung gerathen, scheiterte er wie sein Unternehmen.
- Die überaus reiche Wallenstein-Litteratur findet sich nahezu vollständig zusammengestellt von Georg Schmid in den Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen: 17. Jahrgang (1879), mit zwei Ergänzungen: 21. Jahrg. (1883) und 23. Jahrg. (1885); von Victor Loewe s. daselbst die dritte Ergänzung: 34. Jahrg. (1896). Diese Zusammenstellung [641] umfaßt bis dahin 1865 Nummern. Erwähnt seien hier außerdem: Arthur Heinrich, Wallenstein als Herzog von Sagan (Breslau 1896); Felix Stieve, Wallensteins Uebertritt zum Katholizismus, in den Sitzungsberichten der philos.-philol. und der histor. Classe der k. b. Akademie der Wissenschaften zu München (1897); Hans Schulz, Wallenstein und die Zeit des dreißigjähr. Krieges (Bielefeld u. Leipzig 1898). Ferner die hinterlassenen Schriften Stieve’s: Zur Geschichte Wallensteins, in den ebengenannten Sitzungsberichten (1898); Wallenstein bis zur Uebemahme des ersten Generalats, in der Histor. Vierteljahrsschrift (Leipzig 1899). Nach diesen erschien noch eine Schrift von Paul Schweizer: Die Wallenstein-Frage in der Geschichte und im Drama (Zürich 1899).[8] – Von ungedruckten Quellen sind in dem vorstehenden Artikel besonders die – zum größten Theil überhaupt noch nicht veröffentlichten – spanischen Papiere im Belgischen Staatsarchiv zu Brüssel benutzt.
[582] *) Zu Bd. XL, S. 735, vergl. die dortige Anmerkung. Als „Nachfolger“ des ersten Bearbeiters war zunächst der jetzige Bearbeiter Herr Professor Wittich ins Auge gefaßt; er sah sich aber damals wegen Erkrankung genöthigt abzulehnen. Es entschloß sich dann Stieve diese Biographie zu übernehmen; er ward aber 1898 mitten unter der Arbeit uns und der Wissenschaft entrissen. Dann erst unterzog sich, inzwischen in erfreulicher Weise genesen, Professor Wittich endlich doch der durch so viel Mißgeschick verzögerten Arbeit, deren Druck aber, da inzwischen auch das Ende des W. überschritten war, bis hieher verschoben bleiben mußte.
[Zusätze und Berichtigungen]
- ↑ S. 590. Z. 4 v. u. l.: „ganz“ statt „ganze“. [Bd. 45, S. 677]
- ↑ S. 600. Z. 24 v. o. l.: „seinen Sohn (Ferdinand III.) krönen lassen“ statt „sich krönen lassen“. [Bd. 45, S. 677]
- ↑ S. 607. Z. 6 v. u. sind die Worte „unzeitig oder voreilig erlassen“ zu streichen. [Bd. 45, S. 677]
- ↑ S. 615. Z. 26 v. o. l.: ihm volle Genugthuung von Jedermann verhieß. Noch bestand der Plan, ihm den Kaisersohn Ferdinand III. im Felde mitzugeben oder richtiger W. demselben, wenn auch mehr nominell, zu subordiniren – ein Plan, der jedoch bald aufgegeben wurde. Eggenberg brachte“ u. s. w. [Bd. 45, S. 677]
- ↑ S. 623. Z. 15 v. u. l.: „Bei aller Vorsicht neuen Friedensverhandlungen keineswegs abgeneigt, ward Arnim doch veranlaßt, hier zurückhaltender zu bleiben, als auf der andern Seite der schwedische Reichskanzler, welcher“ u. s. w. [Bd. 45, S. 677]
- ↑ S. 626. Z. 7 v. o. l.: „Sie trat … unter den peinlichsten Auslassungen offen zu Tage“. [Bd. 45, S. 677]
- ↑ S. 629. Z. 24 v. o. l.: „verschaffen helfen“ statt „verschafft“. [Bd. 45, S. 677]
- ↑ S. 641. Z. 11 v. o. ist, als eben erschienen, noch hinzuzufügen: Walter Struck, Johann Georg und Oxenstierna (Stralsund 1899). [Bd. 45, S. 677]