Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Bucquoi, Karl Bonaventura v. Longueval, Graf v.“ von Carl von Landmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 497–500, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bucquoi,_Karl_Graf_von&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 19:23 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 3 (1876), S. 497–500 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Charles Bonaventure de Longueval in der Wikipedia
Charles Bonaventure de Longueval in Wikidata
GND-Nummer 118666061
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|3|497|500|Bucquoi, Karl Bonaventura v. Longueval, Graf v.|Carl von Landmann|ADB:Bucquoi, Karl Graf von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118666061}}    

Bucquoi: Karl Bonaventura v. Longueval, Graf v. B., österreichischer Heerführer im 30jährigen Kriege, geb. 1571 zu Arras, † 1621 vor Neuhäusel. Einem Geschlechte angehörig, welches in der damals zu den spanischen Niederlanden gehörigen Grafschaft Artois zu Hause ist, zählt B. zu jener großen Reihe von Feldherren, welche die langwierigen Kämpfe in den Niederlanden im 16. Jahrhundert allmählich heranbildeten, um später auf allen Kriegsschauplätzen Europa’s oft unter wechselnder Fahne eine zumeist hervorragende Thätigkeit zu entfalten. Sein Vater war 1581 bei der Belagerung von Tournay im Heere Alexander Farnese’s gefallen, er selbst erscheint zuerst als Führer eines Regiments Wallonen in den Feldzügen des spanischen Heeres unter dem Cardinal-Erzherzog Albrecht von Oesterreich, Farnese’s Nachfolger, gegen Frankreich und die aufgestandenen Niederlande. Im J. 1596 nahm B. im April Theil an der Belagerung und Einnahme von Calais, im Mai an jener von Ardres, und als Albrecht sich nun gegen die Niederländer wandte, kämpfte er mit im Belagerungsheere vor der flandrischen Festung Hulst. Im Jahre darauf vertheidigte er die Feste Arras gegen einen Sturmversuch französischer Abtheilungen der Armee des Marschalls Biron; später brachte er Verstärkungen in die von letzterem belagerte Festung Amiens, auch befand er sich beim Heere Albrechts von Oesterreich, als dieser im September den vergeblichen Versuch zum Entsatze dieses Platzes machte. – Im Mai 1598 schloß Spanien einen Separat-Frieden mit Frankreich; bald darauf begab sich Albrecht wegen seiner beabsichtigten Vermählung mit Philipps II. Tochter nach Spanien, und der Admiral Aragon erhielt den zeitweiligen Oberbefehl über das Heer. Nachdem es im Verlaufe des Jahres zu bedeutenderen Gefechten mit den Niederländern nicht gekommen war, zog Aragon Winterquartiere halber in die benachbarten neutralen Länder der kleinen deutschen Fürsten am Rhein und in Westfalen, und B. kam als Platz-Commandant nach Emmerich a. Rh. In der Nähe dieses Ortes gerieth er bei einem Scharmützel mit Niederländern in Gefangenschaft, aus welcher er sich erst nach mehr als Jahresfrist durch hohes Lösegeld, es heißt 20000 Kronen, in Freiheit setzte. Unverzüglich begab er sich hierauf zum spanischen Heere, welches damals im westlichen Flandern stand und dessen Oberbefehl Erzherzog Albrecht, nunmehr Regent der Niederlande, wieder übernommen hatte. Bald darauf (1600) kam es zu einer blutigen Schlacht mit Moritz von Nassau-Oranien, dem Feldherrn der Niederländer, bei Nieuport am Meere, daher auch die Dünen-Schlacht geheißen. Albrecht wurde geschlagen, B., inzwischen Generalwachtmeister geworden, erhielt eine leichte Verwundung. Im Jahre darauf rückte das spanische Heer vor Ostende, wo der tapfere Britte de Vere befehligte. Während der langwierigen Belagerung dieses Platzes zeichnete sich B. verschiedene Male hervorragend aus; 1602 zum General-Feldzeugmeister ernannt, war ihm namentlich die Leitung der Belagerungs-Arbeiten übertragen. Da Albrecht zeitweilig wegen anderer Unternehmungen sich vom Umschließungsheere entfernen mußte, so ernannte er im October 1603 einen besonderen Befehlshaber für dasselbe. Daß seine Wahl auf den Genueser Ambrosio Spinola fiel, der erst seit 1602 im Heere stand, war etwas kränkend für B. und andere spanische Offiziere, die schon länger dienten; indeß zeigte Spinola sich in der Folge seiner Aufgabe gewachsen, wenngleich vielleicht B. diesen Posten auch ausgefüllt hätte. Mit erhöhter Thatkraft wurden nun die Angriffsarbeiten fortgesetzt, und am 20. Sept. [498] 1604 ergab sich Ostende, nachdem die Belagerung über 3 Jahre gedauert hatte. – 1605 zog Spinola an den Rhein, wo Moritz von Nassau in den deutschen Grenzländern Fortschritte gemacht hatte. B. wurde in diesem Feldzuge zu selbständigen Unternehmungen verwendet und eroberte einige Plätze im Cleve’schen. Im Jahre nachher half er Groll entsetzen und zeichnete sich bei der Belagerung von Rheinberg aus. Die folgenden Jahre vergingen hauptsächlich mit Friedensunterhandlungen, welche schließlich im April 1609 zu einem 12jährigen Waffenstillstande führten, worin die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten anerkannt wurde. B. waltete während dieser und der folgenden Zeit als Statthalter im Hennegau, wozu ihn Albrecht von Oesterreich 1606 ernannt hatte; 1610 wurde er beim Ableben Heinrichs IV. von Frankreich als Gesandter an den Pariser Hof geschickt. In diese Zeit fällt auch seine Vermählung mit Magdalena v. Biglia aus Mailand. – In den Feldzügen unter Spinola hatte B. sich den Ruf eines bewährten Kriegsmannes erworben, und als nun 1618 Kaiser Matthias sich nach einem Feldherrn umsah, um sein Heer gegen die aufständischen Böhmen zu führen, fiel seine Wahl auf B.; als Feldmarschall trat dieser in seine Dienste. Günstig waren die Verhältnisse nicht, welche B. beim Antritt des Oberbefehls über das kaiserliche Heer antraf. Dasselbe war schwach an Zahl und in schlechtem Zustande, dazu fehlte es an Geld; von nachtheiligem Einflusse war ferner der Umstand, daß Dampierre, welcher unter B. einen selbständigen Heerhaufen befehligte, sich nur mit Widerwillen dem neuen Oberbefehlshaber unterordnete. Nachdem Bucquoi’s Plan, mit der gesammten Macht auf Prag zu marschiren, nicht durchgedrungen war, brach er im August allein mit 9000 Mann zu Fuß und 3000 Mann zu Pferd aus Oesterreich dahin auf; Dampierre rückte mit 3000 Mann durch Mähren vor. Gegenüber standen, in zwei Heere getheilt, die mindestens doppelt so starken Böhmen unter Mansfeld und Thurn. B. konnte vor Prag nichts ausrichten und rückte nun gegen Pilsen, das eben von Mansfeld belagert wurde. Auch hier mußte er der Uebermacht weichen und zog sich daher in die Festung Budweis zurück. Pilsen fiel am 21. Nov. in Mansfeld’s Gewalt, worauf derselbe zur Belagerung von Budweis vorrückte. Thurn hatte indessen Dampierre’s Corps zurückgedrängt und war bis 9 Meilen vor Wien gerückt, ging aber dann in die Winterquartiere nach Böhmen zurück. B. sah ein, daß er mit seinen schlechten Truppen angriffsweise unmöglich Erfolge erzielen könne, er begnügte sich daher mit einer andern Kriegsweise, die sich in der Folge bewährte. Er sicherte sich möglichst durch Befestigung von Stellungen, worin er im niederländischen Kriege viel gelernt hatte, und vermied jede Entscheidung in offener Feldschlacht, suchte dagegen den Feind zu verleiten, sich Blößen zu geben, die er dann rasch ausnützte. Er legte weitere Befestigungen bei Budweis an und zog während des Winters Verstärkungen an sich. Im J. 1619 rückte Thurn zur Belagerung Wiens vor, Mansfeld erhielt den Auftrag, Budweis zu nehmen und B. zurück zu drängen. Letzteres gelang jedoch nicht: B. verleitete den Mansfelder am 10. Juni zum Angriff auf eine vorbereitete Stellung bei Natolitz und schlug ihn vollständig, sodaß er die Belagerung von Budweis aufgeben und den Rückzug antreten mußte. Wien war durch diesen Sieg befreit: am 22. Juni hob Thurn die Belagerung auf und zog sich ebenfalls zurück. B. rückte nun nach Böhmen vor und nahm dem Feinde einen Platz nach dem andern ab. Daß er hierbei der Zerstörungswuth seiner Truppen zu wenig Einhalt gethan, muß ihm vorgeworfen werden. Als bald darauf der neu gewählte Ungarn-König Bethlen Gabor von Siebenbürgen durch Ungarn vordrang, wurde B. mit dem Haupttheil seines Heeres, 12000 Mann, nach Wien gerufen, um im Vereine mit 6000 Mann unter Dampierre die Hauptstadt zu schützen. Im October rückte Thurn, dem Bethlen Gabor vorläufig 12000 Mann zu Hülfe [499] geschickt hatte, nun mindestens 30000 Mann stark gegen Wien heran; Bethlen selbst kämpfte indessen vor den kaiserlichen Plätzen in Ungarn, Mansfeld vor jenen in Böhmen. B. bezog auf dem linken Donauufer nächst der Taborbrücke eine vortheilhafte Stellung und erwartete Thurn’s Anrücken. Am 24. Octbr. griff dieser mehrere Male an, wurde aber stets zurückgeschlagen; ebenso an den beiden folgenden Tagen. B. ging nun auf das rechte Ufer, brach die Brücke ab und zog sich in die Stadt zurück. Inzwischen war auch Bethlen Gabor angekommen, nachdem er bei Fischament die Donau überschritten, und Wien wurde nun von allen Seiten eingeschlossen. Die Kaiserstadt schien verloren, da trennten sich plötzlich die beiden feindlichen Heerführer. Bethlen sah sich in seinen Hoffnungen hinsichtlich der böhmischen Krone getäuscht, auch war sein Unterführer Rakoczy in Ungarn geschlagen worden; er ließ sich daher in Unterhandlungen mit dem Kaiser ein und ging nach Ungarn zurück. Thurn fühlte sich zur Fortführung der Belagerung allein zu schwach und zog in die Winterquartiere in der Gegend von Wien. – Im J. 1620 erhielt Kaiser Ferdinand Hülfe von der Liga unter Herzog Maximilian von Baiern. In Erwartung derselben stand B. westlich Wien, stets in Fühlung mit dem Feinde, ohne sich einem Nachtheil auszusetzen. Am 12. Juli legte er Thurn einen Hinterhalt bei Eggenburg wenige Tagemärsche nordwestlich von Wien und schlug ihn mit großem Verluste zurück. Nachdem Christian von Anhalt, der neue Oberbefehlshaber der Böhmen, mit Verstärkungen angekommen war, nahm B. eine verschanzte Stellung bei Heidersdorf und erwartete den Feind in Schlachtordnung. Anhalt, nicht gewillt, sich den Kopf anzurennen, ließ B. auffordern, er solle sich wie ein Soldat zeigen und zu einer offenen Feldschlacht vorrücken. Dieser ließ sich jedoch nicht irre machen und blieb hinter seinen Verschanzungen, worauf Anhalt wieder in die Quartiere zurückmarschirte. In der nächsten Zeit bis zur Ankunft des Herzogs von Baiern konnte Anhalt nichts unternehmen, denn die meisten böhmischen Regimenter befanden sich wegen rückständigen Soldes im Aufruhr gegen ihre Befehlshaber. – Am 8. Sept. vereinigte sich B. mit Maximilian, dem der Oberbefehl ausbedungen war und der inzwischen Oberösterreich zum Gehorsam zurückgeführt hatte, bei Neupölla nördlich von Krems; auf die Nachricht hievon räumte Anhalt Niederösterreich und zog nach Böhmen. Nun handelte es sich um den Kriegsplan: B. rieth, in Mähren Winterquartiere zu nehmen und erst im nächsten Jahre den Krieg fortzusetzen; Maximilian ging darauf nicht ein, sondern blieb dabei, gerade auf Prag zu marschiren. Nach verschiedenen kleineren Gefechten, unter anderen bei Rakonitz, wo B. leicht verwundet wurde, kam das vereinigte Heer vor Prag, 44000 Mann stark, an, wo die Kriegsmacht des Winterkönigs mit 21000 Mann unter Christian von Anhalt am weißen Berge eine theilweise verschanzte Stellung genommen hatte. In der Schlacht vom 8. Nov. standen die kaiserlichen Truppen unter Tiefenbach auf dem rechten, die der Liga unter Tilly auf dem linken Flügel; B. befand sich im Stabe des Herzogs von Baiern. Mit andern kaiserl. Offizieren wurde B. nach errungenem Siege von Maximilian dem Kaiser Ferdinand zu besonderer Gnade empfohlen. In Prag ließ B. seine bei Rakonitz erhaltene Wunde vollständig heilen und rückte dann im December mit dem kaiserlichen Heere vor Karlstein. Nach Einnahme dieses Platzes drang er in Mähren ein, um dasselbe wieder dem Kaiser zu unterwerfen, indessen Tilly mit den bairisch-ligistischen Truppen gegen Mansfeld kämpfte. Im Januar 1621 kehrte Mähren unter kaiserl. Oberherrschaft zurück, und B. begab sich nun, nachdem er den Oberbefehl an Verdugo übergeben, an den Hof nach Wien, um dem Kaiser die von seinen Truppen eroberten Fahnen persönlich zu übergeben. Mit Ehren überhäuft, mit den böhmischen Herrschaften Rosenberg und Gratz und mit neuen Würden belohnt, [500] kehrte er im Februar zum Heere zurück. – Inzwischen hatte Bethlen Gabor sich wieder gegen den Kaiser erklärt, und B. mußte nun zur Eroberung Ungarns aufbrechen. Siegreich drang er vor, Preßburg ergab sich ihm am 7. Mai nach kurzem Widerstande, ebenso noch andere ungarische Plätze. Im Juni rückte er vor Neuhäusel; die Festung zeigte wider Erwarten großen Widerstand und machte eine förmliche Belagerung nothwendig. Schon war die von Thurn befehligte Vorhut des ungarischen Entsatzheeres in der Nähe von Neuhäusel angekommen, als B. am 10. Juli in einem Scharmützel getödtet wurde, ob bei Bekämpfung eines Ausfalles oder auf einer Streife nach Lebensmitteln, ist nicht erwiesen. Die kaiserl. Truppen, bestürzt durch den Tod ihres Führers – und bald darauf von Thurn’s Reitern angegriffen, hoben die Belagerung auf und räumten in der Folge Ungarn wieder. Bucquoi’s Leichnam wurde auf kaiserl. Befehl nach Wien verbracht und dort mit großer kriegerischer Pracht beerdigt, später jedoch in Rosenberg beigesetzt. Die großen Ehren, welche B. zu Lebzeiten und nach seinem Tode erwiesen wurden, sprechen dafür, daß er beim Kaiser in hohem Ansehen stand. Zugleich ein guter Heerführer und ein treuer Diener hat er seinen Namen eng verbunden mit der Geschichte jener für das Haus Habsburg so schweren Zeit. Nicht in so dankbarer Erinnerung hat sein Name sich in den Ländern Oesterreichs erhalten, welche von seinen Kriegsvölkern überzogen wurden, da er schon damals jene barbarische Art der Kriegführung duldete, welche man sonst als besonderes Kennzeichen späterer Abschnitte des 30jährigen Krieges zu bezeichnen pflegt.

Bentivoglio, Les guerres de Flandre, Paris 1770. Müller, Fünf Bücher vom böhmischen Kriege, 1618–21. Dresden 1841. Schweigerd, Oesterreichs Helden und Heerführer. Wien 1852.