ADB:Johann Ernst (dänischer General)

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Artikel „Johann Ernst (dänischer General)“ von Ernst Wülcker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 352–360, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Johann_Ernst_(d%C3%A4nischer_General)&oldid=- (Version vom 16. Oktober 2024, 07:17 Uhr UTC)
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Johann Ernst, Herzog zu Sachsen, ältester Sohn des Herzogs Johann und der Dorothea Maria, Tochter des Joachim Ernst von Anhalt, war geboren zu Altenburg am 21. Febr. 1594 und starb zu St. Martin in Ungarn am 4. Decbr. 1626. Der junge Prinz wuchs in einer zahlreichen Familie auf: Dorothea Maria schenkte ihrem Gemahle in 12jähriger Ehe 11 Söhne, von denen aber nur 8 ein höheres Alter erreichten. Die Zeitgenossen wissen nicht genug das liebevolle Wesen des Herzogs Johann, des ehrwürdigen Stammvaters aller jetzt regierenden Ernestiner, gegen Frau und Kinder zu rühmen und schildern uns mit lebhaften Farben das gemüthliche Familienleben, in dem J. E. aufwuchs. Vor allem aber erfahren wir, daß die Söhne die sorgfältigste Erziehung genossen und daß der Vater selbst aufs eifrigste sich bemühte, die begabten Kinder zum Fleiße und zum Studium anzuhalten und für die Herbeischaffung tüchtiger Lehrer zu sorgen. Es ist ihm dies denn auch gelungen, die Wahl eines Hortleder kann dafür zum Beweise dienen. Aber nur kurze Zeit dauerte die väterliche Leitung: schon am 31. Oct. 1605 wurde der erst 35jährige Johann durch den Tod den Seinen entrissen. Und nun begannen sogleich die mannigfaltigsten Verwickelungen: denn bei der Unmündigkeit der Kinder trat sofort die Vormundschaftsfrage in den Vordergrund. Die nächsten Verwandten des Verstorbenen waren die Söhne Johann Friedrichs des Mittleren, Johann Casimir und Johann Ernst und, da nach sächsischem Rechte der älteste der Verwandten allein Vormund wurde, so wäre Johann Casimir der alleinberechtigte [353] gewesen. Wie wir aber in der Lebensgeschichte Johann Wilhelms gesehen, hatte in Folge der Grumbach’schen Händel der Kaiser den Nachkommen des unglücklichen Johann Friedrich Erstgeburtsrecht und directe Succession abgesprochen und dem Hause Kursachsen den Vorrang übertragen. Und so kam es denn, daß gegen den Wunsch der Mutter und der ernestinischen Verwandten die Vormundschaft an Christian II., Kurfürst zu Sachsen und nach dessen Tode (30. Juni 1611) an dessen Nachfolger Johann Georg I. überging und erst 1618 erlosch. Innerhalb dieser kursächsischen Vormundschaft ereignete sich in Thüringen selbst nichts von allgemeinerer Bedeutung: drei Vorkommnisse aber, die die Gemüther lebhaft erregten und manche heftige Erörterungen hervorriefen, sollen hier erwähnt werden: der Präcedenzstreit mit Altenburg, die jülich-clevische Succession und die Erneuerung der hessisch-brandenburgischen Erbverbrüderung.

Erstgenannter Zank der Kinder Johanns mit den altenburgischen Vettern drehte sich zunächst um den Vortritt bei festlichen Gelegenheiten, in zweiter Linie um die Beerbung des sächsischen Kurhauses. Unzweifelhaft stand nach allgemeinen Rechtsanschauungen den Herzögen von Sachsen-Altenburg, als den Kindern des älteren Herzogs die Erstgeburt zu. Da aber seit längerer Zeit in der Weimarer und Altenburger Linie der Brauch herrschte, sich als eine Familie zu betrachten und bei vorkommender Gelegenheit die Mitglieder, ohne Berücksichtigung der verschiedenen Abstammung, nach dem Alter aufzuführen, so glaubten die weimarischen Prinzen diese Familienabmachung auf alle, namentlich auch auf die Reichsverhältnisse übertragen zu dürfen, während die Altenburger die Vorrechte vor der jüngeren Linie vom Gesichtspunkte des allgemeinen Rechtes überall beanspruchten. Dieser leidige Streit trat störend bei allen Gelegenheiten hervor, wo die Altenburger mit den Weimarern zusammentrafen: eine Menge Schriften und Gutachten suchten die Angelegenheit zu beleuchten, selbst der Kaiser gab sein Votum und zwar zu Gunsten der Altenburger ab. Da man aber nicht die Frage wegen des Vortritts bei Versammlungen und Urkundenausfertigungen, welche nach dem Familienrechte zu beurtheilen war, von der Erbfrage in Betreff der Lehen, wo doch die Reichsgesetze Geltung hatten, trennen wollte, so nahm der Streit kein Ende und erlosch erst, da die Altenburger Linie ausstarb.

Wichtiger als diese Zänkereien hätte es werden können, wenn der jülich-clevische Erbstreit günstiger für die Wettiner verlaufen wäre. Denn es handelte sich hier um Länder, die als Bindeglied des Kaiserreichs und der spanischen Niederlande von der größten Bedeutung waren. Die Wettiner und besonders die Ernestiner hatten seit früher Zeit gegründeten Anspruch darauf. Einst hatte Friedrich III. die Anwartschaft auf Jülich, Berg und Ravensberg den Wettinern Ernst und Albrecht verliehen und im J. 1511 war die Erledigung der Lehen durch den Tod des Herzogs Wilhelm, der nur eine Tochter hinterließ, eingetreten. Aber sein Schwiegersohn, Herzog Johann III. von Cleve, wußte sich auf eigenmächtige Weise des Landes zu versichern, im Besitz der Herrschaft gedachte er nur der Gewalt zu weichen. Ein Krieg stand vor der Thüre und um ihn zu vermeiden, entschloß sich Maximilian I., den factischen Besitzer, unter Wahrung der wettinischen Ansprüche, im Lehen zu bestätigen, eine Gunst, die Karl V. 1521 in gleicher Weise dem Nachfolger erwies. Diese Zustände änderten sich erst mit dem J. 1544, wo günstigere Aussichten sich wieder den Wettinern, besonders den Ernestinern eröffneten. Herzog Johann zu Cleve hatte 1527 seine Tochter Sibylla mit Johann Friedrich, Kurfürst zu Sachsen, verheirathet und stellte 1544 mit Zustimmung des Kaisers und seines Sohnes Wilhelm fest, daß, sollte er oder sein Sohn ohne Nachkommen versterben, Jülich, Cleve, Berg und Ravensberg an die Tochter übergehen, also an die Ernestiner fallen solle. Da der Kaiser diese Feststellungen in ihrem ganzen Umfange bestätigte, [354] so schien alles geordnet – da heirathete 1546 Wilhelm die Tochter Ferdinands I., Maria, und der Kaiser, der das wichtige Land nicht in protestantische Hände übergehen lassen wollte, wandelte das Mannlehen in ein Weiberlehen um. So wurde Sachsen wiederum zurückgesetzt, ja vorläufig gänzlich von der Nachfolge ausgeschlossen, denn, als im J. 1609 der einzige Sohn Wilhelms, Johann Wilhelm IV., kinderlos starb, glaubten die Schwiegersöhne und Schwiegerenkel sich berechtigt, das Land in Besitz zu nehmen. Johann Wilhelm hatte Schwestern gehabt: die älteste, Maria Leonore, war gestorben, hatte aber eine Tochter (Anna) hinterlassen, welche mit Johann Sigmund von Brandenburg, Kurfürst, verehelicht war, zwei der jüngeren Schwestern waren je mit Pfalzgraf Philipp Ludwig von Neuburg und Johann von Zweibrücken vermählt. Die Pfalzgrafen und der Kurfürst von Brandenburg drangen im erledigten Lande ein und besetzten es. Vergebens versuchten die Wettiner ihre Ansprüche geltend zu machen. Zwar wußte man den Kaiser Rudolf II. für die sächsischen Ansprüche zu interessiren, er vernichtete die Anforderungen Kurbrandenburgs und der Pfalz und belieh im J. 1610 die sächsischen Fürsten mit dem Lehen, aber eine Commission, die zu Köln tagte und die weiteren Schritte zur Besitznahme des Landes berathen sollte, ging resultatlos auseinander. Auch zerschlugen sich die Verhandlungen, die man mit Kurbrandenburg direct führte, und ebenso wenig fruchteten die Commissionen, die Matthias nach Erfurt und Dresden berufen. Kurz die factischen Besitzer der streitigen Länder wußten sich durch Eintritt in die Union und durch Bündnisse mit Frankreich zu stärken, und als die Liga im October 1610 Frieden schloß, blieb Kurbrandenburg und Neuburg im Besitze der schönen Länder, die Wettiner gingen leer aus.

Das dritte obenerwähnte Ereigniß, die Erneuerung der Erbverbrüderung mit Hessen und Kurbrandenburg, fällt nicht mehr in die Zeit der Vormundschaft Christians II. Dieser Fürst war im Juni 1611 eines plötzlichen Todes verstorben, und Johann Georg hatte statt seiner die Obhut über die ernestinischen Mündel übernommen. Wir lernen in ihm einen kleinlich denkenden Mann kennen, der besonders von Mißtrauen gegen den jungen Nachwuchs zu Weimar erfüllt war. Aber freilich dieses Mißtrauen war nicht ganz ungerechtfertigt. Denn die Ernestiner waren immer noch von der Hoffnung beherrscht, die Kurwürde wieder an ihr Haus zu bringen, und bei geringem Ländergebiete besaßen sie durch ihre Stellung zur Reformation immer noch viel Einfluß in Deutschland. Jede Bewegung im Reiche – das wußten die Albertiner – fand die Nachkommen Ernst’s auf feindlicher Seite als nicht zu verachtende, eifrige Gegner. Seit langer Zeit hatte sich Kursachsen, hauptsächlich wol um diesen Einflüssen ein Gegengewicht zu bieten, eng an die kaiserliche Politik angeschlossen, die Eifersucht wider Kurpfalz und neuerdings der Zerfall mit Kurbrandenburg, der sich naturgemäß aus dem jülich-clevischen Erbschaftsstreit entwickeln mußte, mehrten die Neigung zu Habsburg. Die Ernestiner standen im entgegengesetzten Lager. Wir kennen die Fäden, die sie bisher an Frankreich und den Kurfürsten von der Pfalz banden. Nun kam noch dazu, daß die Mutter Johann Ernst’s eine anhaltische Prinzessin war: ihr Stiefbruder aber, Christian von Anhalt, hatte fast ununterbrochen in kurpfälzischen Diensten gestanden und war der Hauptbegründer der Union gewesen. Durch diese Einflüsse wurden die Ernestiner dem mächtigen Kurpfälzer immer näher gerückt und entfernten sich immer mehr vom Kaiser und dem zu Habsburg haltenden Kurfürsten. Johann Georg, der im Präcedenzstreite durch einseitige Begünstigung der Altenburger Ansprüche Streit zwischen die Glieder des ernestinischen Hauses zu säen versucht hatte, glaubte in der Vormundschaft eine Handhabe gefunden zu haben, feindlichen Strömungen entgegen zu wirken und war wenig erbaut, als Herzog J. E., der [355] die letzten Jahre theils auf der Universität Jena, theils auf Reisen verbracht hatte, 1615 die Selbständigkeit und die Vormundschaft über die jüngeren Geschwister verlangte. Lange Verhandlungen entspannen sich hierüber – denn dem Kurfürsten war die Vormundschaft über alle Kinder Johanns übertragen worden, er hatte also ein Recht bis zur Mündigkeit des jüngsten Kindes, seinen Einfluß auf die Familie aufrecht zu erhalten. Diese Unterhandlungen fanden ihren Abschluß darin, daß der Kurfürst gegen eine sogenannte Quittung, worin J. E. versprach, nichts an den Feststellungen aus der Periode der Vormundschaft ändern, sowie sich nicht in Reichsangelegenheiten mischen oder Religionsänderungen ohne Billigung des Kurfürsten als des Familienoberhauptes vornehmen, endlich in der hennebergischen Erbangelegenheit Kursachsen nicht im Wege stehen zu wollen – die Vormundschaft über J. E. und dessen Geschwister abtrat (am 30. October 1615). Der Herzog erklärte freilich in einer Beilage, in welcher Weise er die Quittung verstanden habe und versuchte den Werth derselben möglichst abzuschwächen: der Kurfürst aber verwarf die Annahme dieser Nebenerklärung, behielt jedoch die Quittung zurück. Eine aufrichtig freundschaftlich gesinnte Politik Kursachsens gegenüber den Ernestinern hätte nun wohl den Zwiespalt ausgeglichen, aber bei dem eifersüchtigen, jedes Mittel zur Demüthigung benützenden Kurfürsten wuchs die Feindschaft immer mehr. Ohne Vorwissen desselben schlossen sich die Herzöge der 1608 gegründeten Union an. Jedoch scheinen sie zunächst nur in den Bund als correspondirende, nicht als wirkliche Mitglieder eingetreten zu sein. Als solche verpflichteten sie sich, der Union nicht entgegen zu arbeiten, ihre Pläne thunlichst zu fördern und in vertraulicher Correspondenz zu bleiben. Anders aber gestalteten sich die Dinge, als Friedrich zum Böhmenkönig erwählt wurde und in dieser, seiner neuen Würde auf dem Correspondenztage der Union in Nürnberg erschien. Dort, wo die Wünsche des Fürsten im Ganzen wenig Befriedigung fanden – man beschloß, Friedrichs Erblande zu schützen, den Böhmen gegenüber neutral zu bleiben und verbot, Unionstruppen in Böhmen zu verwenden – mag es zwischen dem kriegslustigen Herzog J. E. und dem böhmischen Könige zu Abmachungen gekommen sein, die niemals authentisch bekannt wurden, die aber gerüchtweise sich verbreiteten und darauf hinausliefen, daß der Herzog als wirkliches Mitglied der Union beitrat, seine thätige Unterstützung verhieß, der König ihm dagegen die böhmischen Lehen, welche Kursachsen und die Ernestiner trugen, versprach, ja sogar die Kurwürde in Aussicht stellte. Nach außen hin suchte sich J. E. dadurch zu rechtfertigen, daß er erklärte, er sei böhmischer Lehensmann und durch alte Verträge den Böhmen zu Schutz und Trutz verbunden. Am wenigsten erbaut von dieser Politik war natürlich Johann Georg, der die Versprechungen der Quittung hier schnöde mißachtet sah, da er aber kein Freund von durchgreifenden Maßregeln war, und die Macht der Ernestiner durch die Anlehnung an die Union ihm gefährlich schien: so versuchte er dem Herzog dadurch Abbruch zu thun, daß er die Vertreter der älteren Linie, J. E. von Eisenach und Johann Casimir zu Coburg zu sich lud und sie gegen die Weimarer Vettern einzunehmen suchte, getreu der schon früher eingeschlagenen Politik, da der Kurfürst Altenburg mit Weimar zu entzweien suchte. Diesmal aber war des Herzogs Streben ohne Erfolg: die Herzöge wiesen alle Erklärungen und Zumuthungen zurück und forderten Johann Georg auf, sich direct an J. E. mit seinen Anklagen zu wenden, da derselbe seine Handlungsweise sicherlich am besten zu vertheidigen wisse. Verstimmt verließen die Brüder Dresden. Sie gingen zunächst nach Weimar, denn Johann Georg hatte sie gebeten, den Herzog zu vermögen, sich freundlich zu verständigen oder seine Handlungsweise zu rechtfertigen. Dazu aber war von keiner Seite guter Wille vorhanden, und so ist es nicht zu verwundern, [356] wenn die Angelegenheit keine weitere Beachtung erhielt. Gelegenheit, seine Politik zu bekennen und die Gründe dazu klar zu legen, fand J. E. bald genug. Denn bei dem gefährlichen Anwachsen der böhmischen Empörung berief Johann Georg den obersächsischen Kreis auf Februar 1620 zu einem Kreistage nach Leipzig. Dieser Tag nahm denn auch seinen Verlauf: man beschloß zunächst den Böhmen keine Hilfe zu leisten, eine Deputation ihres Königs, die ein Bündniß suchte, wurde abschlägig beschieden. Nur soweit wolle man sich rüsten, als es zur Defension nöthig sei, an den niedersächsischen Kreis habe man Anlehnung zu suchen, um etwaigen Stürmen wirksam entgegentreten zu können. Natürlich war Sachsen-Weimar auch nach Leipzig geladen gewesen, aber weder der Herzog, noch seine Räthe waren gekommen – der leidige Präcedenzstreit mit Sachsen-Altenburg hinderte sie zu erscheinen. So hatte denn J. E. sein Votum eingesandt. In demselben verwarf der Herzog die Neutralität und theilte seinen Entschluß mit, den Kaiser nicht zu unterstützen, vielmehr für die Böhmen einzutreten. Die Gründe, die er als maßgebend für sein Verfahren angiebt, sind kurz folgende: der Kaiser habe alle Vermittelungsvorschläge, die man ihm seitens Böhmens gemacht, abgewiesen: er beweise dadurch, daß ihn in seiner Politik nur der Wunsch leite, die Böhmen sich zu unterwerfen – ein Eingehen auf ihre berechtigten Forderungen werde nicht in Aussicht gestellt. Ein solches Verfahren zu unterstützen, sei man moralisch nicht verpflichtet. Der Kaiser trete in diesen Händeln aber auch nur als ehemaliger Böhmenkönig auf, gegen letzteren, nicht gegen ersteren wende sich die ganze Erhebung – so sei also ein deutscher Reichsfürst nicht politisch verpflichtet, ihm Gehorsam zu leisten. Friedrich erkläre nichts gegen den Kaiser, als solchen vornehmen zu wollen. Da nun aber die Wettiner den Böhmen durch alte Verträge verbunden seien, so müsse der obersächsische Kreis zunächst seine Anstrengungen darauf richten, sie mit dem Kaiser auszusöhnen, im gegentheiligen Falle aber, so läßt der Herzog durchblicken, sie gegen Ferdinand factisch unterstützen. Die Verträge mit Böhmen, auf die gestützt J. E. es für geboten erachtete, thätig in die Verhältnisse einzugreifen, waren in keiner Weise zwingend. Dieselben konnten als nur mit den Königen geschlossen aufgefaßt werden. Während J. E. den Pfalzgrafen für den rechtmäßigen Fürsten hielt und ihm und dem Volke die Verträge halten wollte, that Kursachsen ein gleiches dem Kaiser gegenüber und führte dieselben Verträge zu seiner Rechtfertigung an. Bei J. E. sind aber diese angeführten Gründe gewiß erst in zweiter Linie maßgebend gewesen: Kriegslust, Hoffnung, bei den schwankenden Verhältnissen vielleicht seinem Hause die vormalige Stellung wieder zu verschaffen und vor allem der feurige Wunsch, den Protestanten beizustehen, deren Sache allerdings insofern vor allem seine eigene war, als die Macht der Ernestiner, mehr eine ideelle, als eine reelle, mit der Niederlage der Protestanten fiel – diese Gründe werden die Entscheidung gegeben haben. König Friedrich zog den Herzog sofort in seine Dienste; durch ein Patent vom 16./26. Januar 1620 wurde er zum böhmischen Obersten über ein Regiment von 2000 Mann bestellt und beauftragt, in Deutschland Truppen zu werben. Sofort begab sich der Herzog an den Niederrhein, wo er Werbeplätze eröffnete. Mitte März ist er wieder in Weimar und im Mai trifft er mit einem Theile seiner Truppen in Böhmen ein. Die übrigen wurden ihm im Juli zugeführt. Am 8. Novbr. wurde die Schlacht am weißen Berge geschlagen. Das Schicksal des Königs muthig theilend, focht auch der Herzog tapfer mit und begleitete den geschlagenen Fürsten auf seiner Flucht bis nach Breslau. In Weimar war man lange Zeit über des Landesfürsten Schicksal in Angst und Sorge. Endlich erfuhr man, daß derselbe gerettet und wohlauf sei, aber den Entschluß gefaßt habe, seinem Lande vorläufig ferne zu bleiben. Und so war es in der That. Berief er doch [357] am Schlusse des J. 1620 seine Räthe nach Aschersleben, wohin er sich begeben hatte, um über die Form der Regierung während seiner Abwesenheit zu verhandeln – die Bitte der Weimarer Stände, er möge allen Verkehr mit des Kaisers Feinden abbrechen und in sein Land zurückkehren, blieb unberücksichtigt. Es begann nun für den Herzog ein ruheloses Wanderleben, seine Heimath sah er nur für ganz kurze Zeit wieder. Die folgenden Jahre seines Lebens sind ausgefüllt von Unternehmungen, meist gegen den Kaiser, zu Gunsten der Bekenner der evangelischen Religion. Die ganze Charakterfestigkeit seines Geschlechts, die manchmal nahezu an Starrsinn grenzt und die uns bei Johann Friedrich und Johann Wilhelm entgegentrat, finden wir im Enkel wieder. Ehe er sich vor Kursachsen und dem Kaiser demüthigt, verläßt er lieber die Heimath, verliert seine Herrschaft und nimmt in der Fremde oft bescheidene Dienste an. Seine Freunde und Räthe haben ihn eifrig bestürmt, sich dem Kaiser zu unterwerfen und dadurch die Möglichkeit zu gewinnen, in seine Herrschaft zurückzukehren. Neben dem Wunsche, den beliebten Fürsten dem Lande zu erhalten, schien auch sonst die bedenkliche Lage, in die das Land durch des Herzogs Politik gekommen war, eine Versöhnung mit dem Kaiser dringend zu fordern. Wenn die Spanier unter Spinola die Pfalz überschwemmten, um den flüchtigen Winterkönig wegen seiner Rebellion gegen den Kaiser zu züchtigen, wenn Christian zu Anhalt in die Acht gefallen war, so war auch zu befürchten, daß den Herzog ein gleiches Geschick treffen könne, daß sein Land von Fremden besetzt würde, daß vielleicht an Johann Georg der Befehl erginge, wie die Lausitzen, so auch das Ernestinerland einzunehmen. In Aschersleben, wo J. E. mit seinen Brüdern Friedrich, Wilhelm, Ernst und Bernhard, sowie mit seinen Räthen zusammentraf, stand man unter dem Drucke dieser Befürchtungen. Dem Drängen nach Versöhnung nachgebend, legte der Herzog seinen Vertrauten ein Schreiben an den Kurfürsten vor, um denselben zu einer Intercession bei dem Kaiser zu bestimmen. Hier sucht er nun, von den gleichen Gesichtspunkten ausgehend, die er einst in seinem Kreistagsvotum entwickelt, seine Politik zu rechtfertigen und erklärt, der Kaiser habe es auf die Vernichtung der Protestanten abgesehen. Denn sonst würde man nicht in die pfälzischen Lande eingedrungen sein, sondern sich mit der Eroberung Böhmens begnügt haben. Ferdinand möge den Kurfürsten von der Pfalz im Besitze seines angestammten Landes belassen, die böhmischen Angelegenheiten als außerdeutsche ansehen und jetzt nach glücklich geführtem Kriege denen, welche sich ihm um Böhmens willen entgegengestellt, Verzeihung angedeihen lassen, denn kein Fürst sei gebunden, zum Kaiser zu stehen, wenn es sich um dessen außerdeutsche Besitzungen handle. Wenn diese Ideen Eingang bei Ferdinand fänden, verspricht der Herzog, ihm treu dienen zu wollen. Den Kurfürsten bittet er, dem Kaiser diese Betrachtungsweise zu empfehlen. Im entgegengesetzten Falle, wenn Habsburg auf dem eingeschlagenen Wege beharre, wolle er Ferdinand alle Lehen aufkündigen und in der Voraussicht, daß derselbe sie einem seiner jüngeren Brüder übertrage, anderwärts sein Glück versuchen. Dieser Entwurf wurde von den Räthen auf das entschiedenste verworfen, ganz besonders mißfiel der Gedanke, die Lehen aufschreiben zu wollen. Denn man könne gar nicht wissen, wem sie alsdann der Kaiser übertragen werde. Und so entschloß sich denn J. E., zumal auch die weimarischen Landstände ihn dringend baten, die Aussöhnung zu suchen und bald wieder in sein Land zurückzukehren, das Schreiben in sehr gemäßigter Form unter Weglassen des letzten Passus auszufertigen und allerdings sehr kühl und kurz um Fürsprache beim Kaiser zu bitten. Die Landstände versuchten ihrerseits auch das möglichste zu erreichen, baten J. E. den älteren und Johann Casimir um Intercession bei Kursachsen und wandten sich selber an Johann Georg. Aber alle drei [358] Fürsten erklärten jeden Schritt für aussichtslos, so lange J. E. in seiner stolzen Haltung dem Kaiser gegenüber verharre und mit dem Feinde in Verbindung bleibe. So war denn vorläufig wenig Aussicht für die Aussöhnung des Herzogs mit Ferdinand vorhanden, und um das eigene Land möglichst wenig in seine persönlichen Schicksale zu verwickeln, entschloß sich J. E., in fremde Dienste zu gehen, bis die Lage zu Hause sich bessere. Nun galt es, für des Herzogs Abwesenheit die Landesverwaltung zu ordnen, und man beauftragte die in Aschersleben anwesenden Räthe, in dieser Beziehung sich mit den herzoglichen Brüdern zu benehmen. Das Resultat war: daß Herzog Ernst zum Stellvertreter eingesetzt wurde, aber nur so lange, bis Herzog Albrecht aus Frankreich eingetroffen sei. Der weitere Vertrag ordnete die Geldangelegenheiten der Brüder und Herzog J. E. entlieh 15000 Gulden, um die geworbenen Truppen befriedigen zu können, da die von anderer Seite erwarteten Gelder nicht eingingen. Nach Ordnung dieser Verhältnisse wandte J. E. Deutschland den Rücken. Bis zu seinem Lebensende blieb er in fremdem Dienste. Zuerst trat der Herzog in holländische Dienste ein. Er nahm mit der Stellung eines Rittmeisters fürlieb und kämpfte tapfer gegen die Spanier, gerieth auch zeitweilig in die Gefangenschaft derselben, wurde aber bald wieder ausgelöst. Bis zum Beginne des J. 1625 scheint er in dieser Stellung verblieben zu sein; aber die dienstlichen Verpflichtungen haben ihn nicht gehindert, von Zeit zu Zeit nach Weimar zu kommen und wichtigere Geschäfte dort zu erledigen. So errichtete er mit seinen Brüdern am 13. Febr. 1622 einen neuen Vertrag zu Weimar, in welchem man sich besonders wegen der Besserung der verschlechterten Münze berieth und wegen der Erhöhung des Einkommens der Prinzen, die da beim Steigen aller Preise nothwendig wurde, verhandelte. Zugleich besprach man Vorkehrungen, durch welche etwaige Einquartirungslasten für die Einwohner gemildert würden. Am 22. März 1623 kam alsdann ein neuer Vertrag zu Stande, der das Einkommen der Prinzen wiederum herabsetzte, der neue Erleichterungen für die schwer gedrückten Einwohner des thüringer Landes feststellte. Ein dritter Vertrag endlich von 1624 übertrug dem Herzog Albrecht die Regierung, die bis dahin immer noch Ernst geführt und stellte die Einkünfte von neuem fest. Außerdem berief man die Stände, um mit ihnen über die Abtragung der Schulden zu verhandeln. Den Zusammentritt des Landtages hat J. E. nicht abgewartet: er kehrte baldmöglichst nach Holland zurück in der Absicht, sein bisheriges Dienstverhältniß aufzulösen. Er scheint der untergeordneten Rolle, die er spielte, müde gewesen zu sein: Dienste, die ihm glänzendere Aussichten boten, lockten ihn an. Die Zeit, die er in Weimar verbracht, hatte er noch einmal dazu benutzt, eine Annäherung an den Kaiser zu versuchen – er scheint aber mehr dem Drängen seiner Umgebung als dem eigenen Wunsche gefolgt zu sein. Kurfürst Johann Georg hatte sich geneigt gefunden, beim Kaiser zu intercediren, verlangte aber zuvor die rückhaltlose Anerkennung der Quittung, der Kaiser gebot persönliches Erscheinen am Hofe und stellte einen Verweis in Aussicht. Der Herzog, der darauf bestand, daß er gegen den Kaiser in seiner Eigenschaft als König von Böhmen zu dienen berechtigt gewesen sei, konnte sich nicht zur Unterwerfung entschließen, und so zerschlug sich auch dieser Versöhnungsversuch. Nun, da diese Hoffnungen vernichtet, gesellte sich der Herzog wieder den unmittelbaren Feinden des Kaisers zu, quittirte den holländischen Dienst, um seine Kräfte einem neuen Kriegsfürsten zu widmen. Dieser Feldherr war Christian IV., König von Dänemark. Ihm bot der Herzog seine Dienste an, und Christian, hocherfreut über den Beitritt des tapferen und erfahrenen Mannes, übertrug ihm sofort die Stelle eines Generals der Cavallerie. Der König war vom niedersächsischen Kreise zum Feldherrn erwählt worden, [359] seine Aufgabe war zunächst, im Verein mit dem Grafen Mansfeld und dem Herzoge Christian von Braunschweig, unterstützt von Holland und England, Niederdeutschland gegen Tilly und Wallenstein zu schützen. Mit wechselndem Glücke wurde im Hannöverschen gekämpft, die eintretende Winterszeit zwang die Kämpfenden, die Waffen zeitweilig niederzulegen und die Winterquartiere zu beziehen. Großartige Pläne wurden in dieser Zeit der Ruhe geschmiedet, auch um den Frieden bemühte man sich, doch vergebens. Vor allem aber faßte man den Entschluß, den Krieg in Feindesland zu tragen und bei der Ausführung dieses Entschlusses spielt Herzog J. E. eine besonders hervorragende Rolle. Den Festsetzungen gemäß drang der Herzog im Frühjahre 1626 in Westfalen ein, besetzte Osnabrück, während Mansfeld ins Dessauische vorging, um von dort aus nach Beseitigung Wallenstein’s, weiter nach Osten vorzudringen, Schlesien zu erreichen, endlich nach Ungarn zu gelangen und sich mit Bethlen Gabor zu verbinden. Aber der ganze kühne Plan wurde in Frage gestellt: die Zurückdrängung Wallenstein’s mißlang, vielmehr wurde Mansfeld am 25. April 1626 an der Dessauer Brücke total geschlagen, sein ganzes Heer stob auseinander, alle Bagage, sämmtliche Kanonen fielen dem Gegner in die Hände. Der Graf eilte in die Mark Brandenburg, um sich von dem schweren Schlage einigermaßen zu erholen. Aber vorläufig war er nicht im Stande, wieder allein dem Feinde entgegenzutreten und so zog er denn den Herzog J. E. heran, der sich entschließen mußte, nach Südosten vorzugehen, um die sich wieder sammelnden Kräfte Mansfeld’s zu decken und nach Vereinigung mit den eigenen den früher gefaßten Plan durchzuführen. Das Marschziel beider Heerführer war zunächst Schlesien. Glücklich gelangte man dorthin. Wallenstein ließ sich über des Gegners Märsche täuschen, so daß er erst aufgeklärt wurde, als der Feind schon genügenden Vorsprung gewonnen. Unverzüglich sandte er den General Pechmann dem Gegner nach, er selbst folgte mit dem bei weitem größten Theile des Heeres. Während den verbündeten Feldherren der Vormarsch hier gelang, erlitt König Christian, der sich Wallenstein’s Abmarsch zu Nutz machen wollte und durch Thüringen nach Süden vorzudringen gedachte, die schwere Niederlage durch Tilly bei Lutter am Barenberg, die ein weiteres Vorgehen seinerseits vereitelte. Herzog J. E. unterwarf fast ganz Schlesien, Mansfeld drang nach Ungarn vor. Ihm folgte Wallenstein, die Generale Schlick und Serini wurden gegen J. E. gesandt. Letzterer aber wußte nicht nur sich gegen sie zu behaupten, sondern schlug sie entscheidend. Nach diesem glücklichen Erfolge theilte der Herzog sein Heer, ließ die eine Hälfte als Besatzung in Schlesien zurück, die andere sandte er nach Mähren, wo er verschiedene wichtigere Plätze unterwarf. Währenddem war dem Grafen Mansfeld eine Vereinigung mit Bethlen Gabor gelungen; die Truppen, die er aus Deutschland mitgebracht, unterstellte er dem Siebenbürger. Auch mit den Türken trat man in Verhandlung. Aber während hier sich eine neue Gefahr für den habsburgischen Staat zu bilden schien, gelang es dem Kaiser, Gabor zur Unthätigkeit zu veranlassen. Mansfeld fand in diesen Tagen unerwarteter Weise den Tod. Nun konnte sich der Kaiser mit ganzer Kraft gegen J. E. wenden. Wallenstein mußte zunächst nach Schlesien vordringen und der Kaiser gedachte endlich die Acht gegen den Herzog zu verhängen. Der Fürst schien verloren. In seiner großen Noth entschloß er sich, des Kaisers Gnade und Verzeihung zu erbitten und verhandelte mit Landgraf Georg von Hessen-Darmstadt über Intercession am Wiener Hofe. Wilhelm, Johann Ernst’s Bruder, bemühte sich eifrig für ihn, schrieb an den Kaiser wegen Aufschub der Achtserklärung und erbot sich, Boten an den Herzog zu senden, um die Unterwerfung herbeizuführen. Ferdinand ging auf diese Vorschläge ein und versprach, wenn der Herzog sofort die habsburgischen Erblande räumen würde, mit der [360] Acht nicht vorgehen zu wollen. Aber J. E. konnte sich zur Räumung des besetzten Gebietes nicht entschließen: er ließ die Truppen in den occupirten Städten und drang an der Spitze des größten Theiles seines Heeres nach Ungarn – da, als sich alles zu einer Katastrophe vorzubereiten schien, hat den Herzog unvermuthet der Tod hingerafft. Der Genuß einer ungaren Speise warf ihn aufs Krankenbett, ein unbesonnener Versuch, sich durch Gewaltmittel zu curiren, verschlimmerte das Uebel, das am 4. December 1626 zu St. Martin in Ungarn seinem Leben ein Ziel setzte. Seine Leiche wurde mit kaiserlicher Erlaubniß nach Schlesien geführt und von da nach Weimar verbracht, wo sie in der Stadtkirche am 18. Juli 1627 beigesetzt wurde.

Vgl. Hellfeld, Leben Johann Ernst des Jüngeren, Herzog zu Sachsen-Weimar (1784). Heermann, Beytrag zur Ergänzung und Berichtigung der Lebensgeschichte Johann Ernst des Jüngeren, Herzog zu Sachsen-Weimar (1784). Derselbe, Nachlese zu dem Beytrage der Lebensgeschichte Johann Ernst’s (1786). Röse, Bernhard der Große, Herzog zu Sachsen-Weimar (1828), Bd. I.