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Artikel „Ferdinand III.“ von Felix Stieve in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 664–671, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ferdinand_III.&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 02:33 Uhr UTC)
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Ferdinand III., deutscher Kaiser, der Sohn Ferdinands II. und der Maria Anna von Baiern, wurde am 13. Juli 1608 zu Graz geboren; † 1657. Am Hofe seines Vaters erhielt er durch Jesuiten seine religiöse und wissenschaftliche Ausbildung. Als Obersthofmeister diente ihm der Johanniter Johann Jacob v. Dhaun, ein ebenso ehrenwerther und frommer, wie kluger Mann, welchem [665] man großen Einfluß auf die geistige Entwicklung des Prinzen zuschrieb. Am 8. Decbr. 1626 wurde F. zum Könige von Ungarn, am 21. Novbr. 1627 zum Könige von Böhmen gekrönt. Seit 1626 nahm er an den Berathungen der Minister Theil und wurde in die Geschäfte eingeführt. 1630 wohnte er dem Kurfürstentage zu Regensburg an, wo sich sein Vater erfolglos Mühe gab, seine Wahl zum römischen Könige zu bewirken, und besuchte von dort aus Nürnberg, Augsburg, München und Innsbruck. Im folgenden Jahre bewarb er sich vergeblich um den Oberbefehl über das kaiserliche Heer und dann um Wallenstein’s Einwilligung in seine Theilnahme am Feldzuge. Tief verstimmt schloß er sich darauf den Gegnern des Friedländers an und wirkte eifrig zu dessen erneuter Absetzung mit. Nach Wallenstein’s Tode wurde er am 2. Mai 1634 zum Oberfeldherrn ernannt und erwarb durch die Eroberung von Regensburg und den Sieg bei Nördlingen glänzenden Ruhm, obgleich sein persönliches Verdienst an diesen Erfolgen untergeordneter Art war. In den beiden nächsten Jahren begleitete er das von Gallas geführte Heer nicht mehr auf seinen Zügen, doch ordnete er dessen Unternehmungen, in Würtemberg weilend – wenigstens dem Namen nach – an. Auch auf die politischen Verhältnisse gewann er seit Wallenstein’s Untergang Einfluß. Bei den Verhandlungen mit Sachsen, welche zum Prager Frieden führten, sowie bei denjenigen, welche danach mit dem Kurfürsten wegen gemeinsamer Kriegführung und mit den anderen evangelischen Reichsständen wegen ihres Beitrittes zu dem Vertrage gepflogen wurden, war er des Kaisers Commissar. Ob er dabei eine selbständige Thätigkeit entwickelte, läßt sich noch nicht feststellen. Am 30. Decbr. 1636 wurde er zum römischen Könige erwählt; am 15. Febr. des folgenden Jahres kam durch den Tod seines Vaters die Regierung der österreichischen Lande und des Reiches an ihn.

Beinahe zwölf Jahre lang wogte noch der Krieg in Deutschland hin und her. Wiederholt schien die kaiserliche Macht rettungslos dem Verderben verfallen, aber immer wieder erhob sie sich aufs neue zur Abwehr. Erfolgreiche Siege vermochten jedoch ihre oft schlecht geführten und stets schlecht ausgerüsteten, verpflegten und besoldeten Heere nicht mehr zu erringen und sie erlahmte mehr und mehr unter der Last ihrer eigenen Anstrengungen und der feindlichen Verheerungen. F. selbst zog nur noch zweimal für kurze Zeit zu Felde: im J. 1645, wo er durch vorzeitigen Befehl zum Angriffe den unglücklichen Ausgang der Schlacht bei Jankau mitverschuldet haben soll, und im J. 1647, wo er den Schweden die Einnahme Egers dadurch ermöglicht haben soll, daß er, um die Güter einiger Großen zu schonen, sein Heer einen Umweg nehmen ließ. Die Nothwendigkeit, am Mittelpunkte der Verwaltung und der diplomatischen Beziehungen zu weilen, Mißtrauen gegen die Ungarn und Furcht vor dem Woiwoden von Siebenbürgen, Rakoczy, der mehrmals wirklich am Kriege Theil nahm, sowie vor den Türken bestimmten der Kaiser, sich nicht öfter an die Spitze seiner Heere zu stellen.

Ueberhaupt war F. nicht kriegerisch gesinnt. Vom Anfang seiner Regierung an suchte er den Frieden. Zunächst hatte er die Absicht, denselben mit Schweden und den noch im Widerstande befindlichen deutschen Protestanten allein zu schließen, um freie Hand gegen Frankreich zu bekommen, welches er als den unversöhnlichen Feind seines Hauses und des Reiches betrachtete. Ihm gelang jedoch nur, Würtemberg, Zweibrücken und Hanau im ersten Jahre seiner Regierung durch Rückgabe ihrer Gebiete zur Annahme des Prager Friedens zu bewegen. Die Landgräfin Amalie Elisabeth von Hessen-Cassel dagegen setzte den Krieg fort, obgleich F. sich nach längerem Sträuben auf Andringen der Kurfürsten von Mainz und Baiern dazu verstand, die Reformirten in den Prager Vertrag und den Religionsfrieden einzuschließen. Die Sonderverständigung mit Schweden wurde durch Frankreich vereitelt, welches sich auch seinerseits gegenüber den späteren [666] Versuchen, mit ihm allein ein Abkommen zu treffen, ablehnend verhielt. Bei den Verhandlungen mit den beiden feindlichen Mächten und den deutschen Ständen, deren Zuziehung jene erzwangen, ging dann des Kaisers Bemühen dahin, sein und des Reiches Gebiet ungeschmälert zu behaupten, den Austrag der inneren Streitigkeiten sich und den Reichsständen vorzubehalten, die bisherige Reichsverfassung und die Rechte des Kaiserthums zu erhalten und die Zugeständnisse an die Protestanten in kirchlicher Hinsicht auf das möglich geringste Maß zu beschränken. Die Gewährung der Religionsfreiheit für seine Lande und die Wiedereinsetzung der von dort entflohenen oder durch Confiscationen bestraften „Rebellen“ in den Besitzstand von 1618 verweigerte F. unerschütterlich. Er erklärte, lieber Krone und Leben verlieren, als darein willigen zu wollen. Ihn bestimmten dabei seine kirchlichen Anschauungen, und mehr noch politische Rücksichten. Er fürchtete, daß die Bewilligung jener Forderungen unentwirrbare Verwicklungen und unerschwingliche Opfer nach sich ziehen werde. Vor allem aber wollte er nicht wieder Elemente in seine Lande aufnehmen, welche ihm, wie die Verhältnisse nun einmal lagen, unbedingt feindselig waren und unter Umständen aufs neue gefährlich werden konnten, und es erschien ihm als unverträglich mit seiner Ehre, Leute, die sich gegen ihren Landesherrn empört und all das Unheil des Krieges veranlaßt hätten, der Strafe zu entheben und auf das Reformationsrecht zu verzichten, welches der geringste Reichsstand für sich in Anspruch nahm. Auch in allen anderen Beziehungen wich F. den Forderungen seiner Gegner nur Schritt für Schritt, obgleich der Kurfürst von ihn seit 1641 immer entschiedener drängte, durch Abfindung der auswärtigen Mächte dem verwüstenden Kriege, der nur noch zu größeren Opfern, nicht mehr zu Erfolgen führen könne, ein rasches Ende zu machen. Es waren nicht allein die Größe der ihm zugemutheten Opfer, die Interessen seiner Macht und seines Hauses und die Grundsätze seines Glaubens, welche dieses Zögern veranlaßten. Noch waren die überlieferten Anschauungen von den Pflichten, der Bedeutung und der Würde des Kaiserthums, und das Gefühl für die Ehre der Nation, welche der Kaiser vertrat, am Wiener Hofe lebendig und wie Karl V. empfand F. die Schmach, daß er, der sich „Allzeit Mehrer des Reiches“ nannte, ein Minderer desselben werden sollte. Daneben freilich machte sich der Einfluß Spaniens geltend, welches den Frieden nicht wollte. Auch hielt man im Hinblick auf die Regierung Ferdinands II. unter all den Niederlagen die Hoffnung auf einen neuen, völligen Umschlag des Glückes um so mehr fest, als der fromme Sinn jener Zeit nicht glauben mochte, daß Gott eine Sache, die den Katholiken als seine eigene erschien, völlig verlassen könne. Endlich ließen sich vielleicht die kaiserlichen Gesandten eigenmächtige Intriguen zu Schulden kommen. Es bedurfte schließlich der Aussicht, daß die katholischen Stände für sich allein mit den Fremden und den Protestanten abschließen würden, um den Kaiser am 24. Oct. 1648 zur Unterzeichnung des westfälischen Friedens zu bestimmen, welcher das österreichische Elsaß mit Breisach an Frankreich, einen Theil von Pommern und die Bisthümer Bremen und Verden an Schweden überwies, die – thatsächlich freilich schon längst bestehende – Unabhängigkeit der Schweiz und der Niederlande vom Reich anerkannte, den Nachkommen Friedrichs V. die Unterpfalz und eine achte Kur zugestand, eine Reihe von Stiften den Protestanten übergab, für beide Religionsparteien den Zustand vom J. 1624 als unveränderliche Norm festsetzte, den Feinden des Kaisers in Deutschland Amnestie und Restitution gewährte und das Reich in einen lockeren Bund von beinahe ganz unabhängigen Staaten umgestaltete. Das Elend des Krieges wurde mit diesem Vertrage allerdings noch nicht geendet. Einzelne Stände weigerten sich, die Bestimmungen des ohne sie berathenen Friedens zu vollziehen, andere zeigten sich säumig in den ihnen auferlegten [667] Leistungen und die drängenden Edicte des Kaisers, sowie die Bemühungen der noch in Münster versammelten Gesandten hatten nur geringe Wirkung. Vor allem wollte Spanien nicht die Festung Frankenthal in der Unterpfalz räumen, weil es in den Frieden nicht eingeschlossen sei. So behielten denn Frankreich und Schweden ihre Heere unter den Waffen; die Schweden überschwemmten das Reich in einem Umfange, wie es während des Krieges kaum jemals der Fall gewesen, und erpreßten in ihren Quartieren ungeheure Summen; auch die Franzosen und Spanier, und der auf eigene Faust sein Kriegsvolk unterhaltende Herzog Karl von Lothringen setzten ihre Bedrückungen und Brandschatzungen fort. Erst 1650 gelang es auf einem Tage zu Nürnberg der kaiserlichen Politik, welche durch die inneren Unruhen in Frankreich und die Verhältnisse in Schweden unterstützt wurde, durch neue Verträge einerseits die Abdankung der französischen Truppen zu erwirken, anderseits die schwedischen Erpressungen zu beschränken und die Fristen festzusetzen, in welchen die für Schweden ausbedungene Kriegscontribution bezahlt und das Reich von dessen Besatzungen befreit werden sollte. Frankenthal wurde am 3. Mai 1652 von den Spaniern geräumt, nachdem der Kaiser die Reichsstadt Besançon als Landstadt an Spanien überwiesen hatte, ein Zugeständniß, wodurch er vielleicht das von seinem Vater im J. 1617 gegebene Versprechen, Vorderösterreich abzutreten, abkaufen mußte. Die letzte schwedische Besatzung wurde im Mai 1654 aus Vechta, im Stifte Münster, entlassen. Bald darnach entriß man auch Lothringen die von ihm besetzt gehaltenen Plätze.

In Schlesien gab F. dem westfälischen Frieden die engste Auslegung, welche sich aus seinem Wortlaute erzwingen ließ. Durch „Reductionscommissionen“ wurden in den Jahren 1653 und 1654 die protestantischen Prediger und Lehrer ausgeschafft und die Kirchen den Katholiken überwiesen. Die Herzoge von Brieg, Liegnitz und Münsterberg-Oels durften nur an ihren Hofstätten, Breslau nur in seinen Ringmauern und in den Vorstädten Kirchen und Gottesdienst behalten. Im übrigen Lande wurden den protestantischen Unterthanen, die man nicht zur Bekehrung zwingen konnte, nicht mehr als drei im Frieden ausbedungene Kirchen zugestanden. Gegen dieses in seiner Berechtigung leicht anzufechtende Vorgehen erhob nur der Kurfürst von Sachsen schwächliche Einsprache. Ueberhaupt zeigten protestantische und katholische Stände in diesen Jahren eine Gefügigkeit, welche nach der schweren Niederlage des Kaiserthums überraschen muß. Man fühlte das Bedürfniß, sich den Fremden gegenüber um den Kaiser zusammenzuschließen, und die alten Anschauungen vom Reich und Kaiserthum machten sich wie durch einen Rückschlag wiederum geltend. Dazu kam, daß Frankreich mit sich selbst zu thun hatte und Königin Christine von Schweden sich den katholischen Mächten näherte. Der westfälische Friede bestimmte, daß über die Frage, ob bei Lebzeiten des Kaisers ein römischer König gewählt werden dürfe, beim nächsten Reichstage entschieden und dort von sämmtlichen Ständen eine Wahlcapitulation verfaßt werden solle. F. dagegen wünschte natürlich, seinem Hause die Nachfolge baldigst zu sichern. Er berief daher die Kurfürsten einzeln an seinen Hof und durch seine Versprechungen und ihre eigene Eifersucht gegen die Fürsten getrieben, ließen sie sich herbei, am 31. Mai 1653, von dem gewöhnlichen Wahlorte Umgang nehmend, zu Augsburg des Kaisers ältesten Sohn Ferdinand Maria zum römischen Könige zu wählen.

Am 30. Juni eröffnete darauf der Kaiser persönlich zu Regensburg den Reichstag. Es gelang ihm hier, die Festsetzung der Wahlcapitulation zu verhüten, die Genehmigung der eigenmächtigen Abtretung Besançons zu erwirken und den Grafen von Nassau sowie den nur in seinen Landen begüterten Großen, welche von seinem Vater und von ihm in den Reichsfürstenstand erhoben worden [668] waren, Sitz und Stimme zu verschaffen. Ja, es fand nur geringen Widerspruch seitens der Protestanten, daß er am 16. März 1654 aus eigener Vollmacht eine neue Reichshofrathsordnung erließ. Um so schroffer traten freilich unter den Ständen selbst die Gegensätze zwischen Kurfürsten und Fürsten, zwischen Katholiken und Protestanten hervor. Der am 17. Mai 1654 veröffentlichte Abschied des Reichstages – er heißt der jüngste, weil nach ihm kein anderer mehr zu Stande kam – vermochte nur über das Justizwesen positive Satzungen zu treffen; in allen anderen Fragen von Belang hatte der Streit der Parteien die Beschlußfassung gehindert. Bald nach der Rückkehr des Kaisers von Regensburg starb am 9. Juli 1654[WS 1] Ferdinand Maria. F. wollte nun seinen zweiten Sohn Leopold zum Nachfolger im Reiche ernennen lassen. Jetzt aber befand sich Mazarin wieder in der Lage, Frankreichs alte Politik mit Nachdruck zu verfolgen und seine Umtriebe fanden namentlich bei den geistlichen Kurfürsten so günstigen Boden, daß die Wahl nicht herbeigeführt werden konnte. Die Feindschaft zwischen dem Kaiser und Frankreich wurde durch die Aussicht, daß die spanische Linie der Habsburger erlöschen werde, gesteigert. Philipps IV. Sohn Balthasar war gestorben. Seine 1649 geschlossene Ehe mit des Kaisers Tochter Maria Anna schien keine Hoffnung auf Nachkommenschaft zu gewähren. Mazarin wollte daher Ludwig XIV. mit Philipps ältester Tochter verheirathen, um so Anspruch auf das Erbe zu gewinnen, und Spanien fürchtete, den Frieden mit dieser Ehe erkaufen zu müssen. Dadurch fühlte der Kaiser seine Rechte und seine politischen Interessen aufs höchste bedroht. Er wollte freilich den Münster’schen Frieden nicht brechen, aber er wandte sich gegen den Bundesgenossen Frankreichs in Italien, den Herzog von Modena, ihm als Reichsvasallen den Angriff auf das Reichslehen Mailand verbietend, und schickte dann 1656 als Oberstlehnsherr ein Heer über die Alpen, um die Spanier zu unterstützen. Schon sah er sich auch zu einem neuen Kriege gegen Schweden gezwungen. Karl Gustav, welcher der friedlichen Christine gefolgt war, hatte Polen angegriffen und es stand zu fürchten. daß er das Königreich in seinen Besitz bringen werde. Ein solches Anwachsen der schwedischen Macht erschien dem Kaiser als eine Gefahr, die er unbedingt abwehren müsse. Er rief das Reich und den Moskowiter gegen Schweden auf, begann Verhandlungen mit Dänemark und Brandenburg über einen gemeinsamen Angriff und schloß am 31. März 1657 mit König Johann Casimir von Polen ein Bündniß. Ehe jedoch noch sein Heer ins Feld rücken konnte, raffte der Tod am 2. April 1657 den Kaiser hinweg.

Ferdinand III. führte den Wahlspruch: „Fromm und gerecht“. Den Werken kirchlicher Frömmigkeit widmete er sich mit regem Eifer; in hohem Maße hatte er sich „jene beiden Grundzüge der habsburgischen Religion, die Verehrung des Altarssacramentes und der hl. Maria“ angeeignet, in seinen Sitten war er „rein, wie ein Engel“; er wußte jene Unzugänglichkeit für Zorn und jenen Gleichmuth im Unglück zu zeigen, welche von den Jesuiten als Kennzeichen eines heiligen und über die irdischen Dinge erhabenen Sinnes gepriesen wurden, und er bewies gegen Geistliche und Kirchen die gebührende Verehrung und Freigebigkeit. Wie für sein Privatleben waren ihm ferner die ihm von Jugend auf eingepflanzten religiösen Anschauungen und Grundsätze auch für seine Regierung in erster Linie maßgebend; er meinte, um ihretwillen politische Rücksichten beiseite setzen zu müssen, er unterdrückte die Reste des Protestantismus und förderte den Katholicismus in all seinen Landen mit polizeilichen Maßregeln und er pflegte in allen kirchliche Dinge berührenden Fragen, die zur Entscheidung gestellt wurden, das Gutachten seines Beichtvaters, seines „Gewissensrathes“ und seiner Theologen einzuholen. Hinwiederum wahrte er freilich auch die staatlichen Rechte gegenüber der Curie und der gesammten Hierarchie, ließ bei der Vertretung der [669] kirchlichen Interessen den weltlichen Vortheil nicht aus den Augen und opferte jene, über den Widerspruch des Papstes, anderer Geistlichen und sogar seines Beichtvaters hinwegschreitend, wenn er sich in Uebereinstimmung mit seinem Gewissensrathe durch das Gebot der Selbsterhaltung dazu berechtigt glaubte. Kurz, seine kirchliche Haltung glich der Ferdinands II., doch war sein Eifer minder übertrieben, äußerlich und rücksichtslos und seine Frömmigkeit mehr in bewußter Ueberzeugung begründet.

An Gewissenhaftigkeit in der Rechtspflege stand F. seinem Vater nicht nach. Wie bei diesem entsprang sie zum Theil seinen religiösen Anschauungen, zum Theil seinem Charakter. Er war edel gesinnt, wohlwollend und mit tiefem Gefühle begabt. Dreimal verheirathet – zuerst am 20. Februar 1631 mit Maria Anna, der Schwester Philipps IV. von Spanien, deren Klugheit man großen Einfluß auf ihn zuschrieb, dann am 2. Juli 1648 mit seiner Base Maria Leopoldina von Tirol und endlich am 30. April 1651 mit Eleonore von Mantua – stand er mit seinen Gemahlinnen und seinen zahlreichen Kindern im innigsten Verhältnisse. Anderen war es nicht leicht, sein Vertrauen zu gewinnen und gegen das Ende seines Lebens hin ward er mißtrauisch und ließ sich vom ersten Eindruck bestimmen. Stets verkehrte er jedoch freundlich und herablassend mit seiner Umgebung, und seinen Dienern war er allezeit ein gnädiger Herr, bis ihn in späteren Jahren gichtische Lähmungen mitunter ungeduldig und verdrießlich machten. Allen, die sich ihm nahten, und besonders den Armen und Geringen, begegnete er mit ungemeiner Güte, und jene Leutseligkeit, welche unter den deutschen Habsburgern erblich schien, besaß er in hinreißender Fülle. Ernst und schweigsam von Natur, verband er jedoch damit eine Würde, deren imponirendem Eindrucke sich niemand zu entziehen vermochte. Er war sich seiner Stellung bewußt und sehr bedacht, sein Ansehen zu wahren, dabei aber frei von Hochmuth und Eitelkeit, und obgleich er sich gern rühmen und loben hörte und es liebte, daß man ihm mit Ehrfurcht begegnete, haßte er die Schmeichelei und verachtete die Kriecher. Ihn erfüllte ein fürstlicher Stolz und Ehrgeiz, dem sich zugleich nationales Gefühl verband. Ausländisches Wesen und die Fremden, namentlich die Italiener liebte er nicht, und seine Verbindung mit den Spaniern beruhte mehr auf der Gemeinsamkeit der politischen Interessen und der durch die Leere seiner Cassen verursachten Abhängigkeit, sowie auf dem Einflusse seiner von Spanien besoldeten Minister, als auf persönlicher Neigung.

Die von der Mutter ererbte Schwäche des Körpers, welche in seiner Jugend große Besorgniß erregte, hatte F. durch Schwimmen, Reiten, Jagen und ritterliche Uebungen, in welchen er sich auszeichnete, gekräftigt. Bei seinem ersten Kriegszuge bewies er in Gefahren festen Muth und gewann durch sein Auftreten die Zuneigung und das Vertrauen des Heeres. Man erwartete damals, daß er als Regent mehr mit dem Schwerte als mit der Feder wirken werde. In der That scheint er strategische Begabung besessen zu haben. Noch als Kaiser erließ er zahlreiche eigenhändige Befehle an seine Generale und befaßte sich eifrig mit den Kriegswissenschaften, und namentlich mit Festungsbaukunst. Den gelehrten Studien widmete sich F. von Jugend an mit reger Wißbegierde. Er sprach neben der deutschen Sprache vortrefflich die lateinische, böhmische, magyarische, französische, spanische und italienische. Der letzteren bediente er sich gewöhnlich im Verkehr mit Ausländern. In allen Wissenschaften, und besonders in der Philosophie, hatte er sich große Kenntnisse erworben. Später beschäftigte er sich viel mit Mathematik, Astronomie, Chemie und Naturwissenschaften. Er liebte es, mit Gelehrten zu verkehren und sie an seinen Hof zu fesseln; beim Regensburger Reichstage stellte Otto v. Guericke vor ihm Versuche mit der Luftpumpe an. Auch den Künsten, vor allem der Musik, brachte er Neigung und Verständniß [670] entgegen. Er selbst malte, drechselte in Elfenbein, versuchte sich in Versen und componirte mit Geschick. Seine gewandte und eindringliche Beredsamkeit, seine rasche Auffassungsgabe, sein ungemeines Gedächtniß, sein eindringendes Urtheil und seine außerordentliche Menschenkenntniß erregten Bewunderung. Vor seinem Regierungsantritte zeigte er auch Entschiedenheit und Selbständigkeit der Entschließung. Nie, versicherte er, werde er sich von Ministern abhängig machen, und man glaubte am Hofe, daß er in der That einst seinen eigenen Willen haben und mehr Gehorsam fordern werde, als der Vater. In schroffem Gegensatze zu diesem bewährte er damals zugleich eine zähe, wenn auch keineswegs knauserige Sparsamkeit. Sein Grundsatz sei: „Genau gerechnet und wohl bezahlt“, sagte man in jener Zeit und erzählte sich, daß er dem Kaiser, als dieser ihn eines Tages gefragt, was er studire, erwidert habe: er forsche nach, ob der Sohn die vom Vater vergebenen Güter wiedererlangen könne. Auch äußerlich war F. dem Vater unähnlich. Er war groß und schlank; schwarzes, langwallendes Haar und dunkle Augen unter hochgeschwungenen Brauen gaben seinem blassen Gesichte ein mehr spanisches, als deutsches Gepräge; seine schönen, ausdrucksvollen und scharfgeschnittenen Züge erinnerten die Zeitgenossen wie sein ganzes Wesen lebhaft an den Bruder seiner Mutter, Maximilian von Baiern. Die Hoffnung, daß er diesem auch in seinem Wirken als Herrscher gleichen werde, erfüllte jedoch F. nicht. Allerdings beschränkte er gleich nach seinem Regierungsantritt die Ausgaben für den Hofstaat, die Jagd und die Capelle, zog unehrliche Beamte zur Rechenschaft, ordnete strenge Aufsicht über das Geldwesen an, suchte entfremdete Einkünfte wiederzugewinnen und die Einnahmen zu steigern und nahm in der ganzen Verwaltung Reformen in Angriff. Aber die beinahe übermenschliche Aufgabe, die von seinem Vater zerrütteten Finanzen unter den fortdauernden Anforderungen der Kriegsjahre und der Verarmung seiner Länder ins Gleichgewicht zu setzen und in der Beamtenwelt straffe Zucht und Ordnung zu schaffen, löste er nicht. Nach einigen Jahren überstieg sogar der regelmäßige Aufwand für seinen Hofhalt den Ferdinands II., obgleich er höchst einfach lebte und seiner Neigung zu glänzendem Auftreten nur bei außerordentlichen Anlässen nachgab, und gegen das Ende seines Lebens verwandte auch er nicht geringe Summen für Jagd und Musik, welche allmählich seine einzige Erholung bildeten. In der Verwaltung und im Finanzwesen wurden auch nach dem Kriege die alten Zustände wenig gebessert und neue Quellen des Wohlstandes, soviel ersichtlich, nicht eröffnet. Nur die Verschwendung seines Vaters in Gnaden und Geschenken ahmte er niemals nach; er war nicht karg im Geben, denn er versagte ungern einer Bitte die Gewährung und ließ sich mitunter durch Zudringlichkeit besiegen, aber er hielt alle Zeit Maß.

Den Staatsangelegenheiten widmete er sich bis an sein Lebensende mit demselben Fleiße und Pflichteifer, wie Ferdinand II. Er zeigte auch lebhaftes Interesse für sie, bis in späteren Jahren sein zur Schwermuth neigender Sinn durch die Wucht des unablässigen Mißgeschicks niedergebeugt und abgestumpft wurde, und ihn dann seit dem Tode seines ältesten Sohnes eine Stimmung überwältigte, welche ihn Ekel an den Geschäften empfinden ließ. Die Leitung der Politik und Verwaltung, die Entscheidung in sachlichen und Personenfragen aber überließ er von Anfang an dem Grafen Maximilian v. Trautmannsdorf, welcher seit 1628 sein Obersthofmeister war. Nach dessen am 8. Juni 1650 erfolgten Tode ging die Regierung an den Grafen Johann Weikhard v. Auersperg über, der 1653 zum Reichsfürsten erhoben wurde. Wie der Kaiser diesen Männern gestattete, den geheimen Rath mit unbedeutenden, ja unwürdigen Männern zu besetzen, so ernannte er sogar seine Generale in der Regel nach ihren Rathschlägen. Der erbärmliche Savelli und der „Heerverderber“ Gallas verdankten den Oberbefehl [671] Trautmannsdorf, welchem sogar Erzherzog Leopold Wilhelm, des Kaisers Bruder, weichen mußte. Dieses völlige Hingeben an den Willen eines Ministers muß bei der geistigen Begabung Ferdinands und bei der Art, wie er vor seiner Thronbesteigung sich aussprach und auftrat, befremden. Es erklärt sich wol nur zum Theil daraus, daß es dem Kaiser an frischer, unternehmender Thatkraft fehlte und eine gewisse Zaghaftigkeit und Unsicherheit in ihm war, welche ihn später unentschlossen machte und ferne Gefahren ängstlich ins Auge fassen, namentlich aber ansteckende Krankheiten so sehr fürchten ließ, daß er nicht einmal davon reden hören mochte. Der venetianische Gesandte Nani, der berühmte Geschichtschreiber der Republik, sagte im J. 1658 von F. und seinem Nachfolger: „Obgleich die Kaiser außerordentliche Einsicht besitzen und in einigen ihrer Minister mehr als mittelmäßige Schwäche erkennen, geben sie sich doch nach festem Gebrauche in jeder Beziehung völlig ihrem Gutachten hin, indem sie glauben, ihre Gewissen leichter bei dem beruhigen zu können, was ihnen die Mehrheit fremder Urtheile, als bei dem, was ihnen ihr eigenes empfiehlt: ein Grundsatz, der ihnen namentlich von ihren Beichtvätern eingepflanzt wird.“ F. III., von welchem versichert wird, daß er die Jesuiten nicht geliebt habe, und welcher denselben in der That keineswegs blindlings ergeben war, hatte im Beginn seiner Betheiligung an den Staatsgeschäften den spanischen Kapuziner Quiroga zum Beichtvater. Im Februar 1635 nahm er – wir wissen nicht, weshalb, doch wie es scheint, nicht ohne Einwirkung Lamormaini’s – den Jesuiten Heinrich Philippi, seinen ehemaligen Lehrer, als Seelenführer an. Schon in demselben Jahre begleitete er das Heer nicht mehr ins Feld; ob das der Einwirkung Philippi’s zuzuschreiben ist, steht dahin; auffallend ist das Zusammentreffen gewiß, zumal, wenn man die Stellung der Jesuiten zum Papste und Urbans VIII. Haß gegen Habsburg erwägt. Wie dem aber auch sei, wir werden nicht bezweifeln können. daß Nani die eigentliche Ursache der Entsagung Ferdinands auf selbständige Thätigkeit richtig vermuthete, wenn wir uns erinnern, daß nach des Nuntius Caraffa Zeugniß Ferdinand II. durch den Jesuiten Villery angeleitet wurde, die Entscheidung seinen Räthen zu überlassen. Es lag das im theologischen System des Ordens. Auf die Regierung Ferdinands III. hatten übrigens Philippi und dessen Nachfolger P. Ganß, soviel ersichtlich ist, nur in der Weise Einfluß, daß sie – mitunter im Auftrage des Kaisers durch die Minister – befragt wurden, ob die gefaßten Beschlüsse ohne Sünde ausgeführt werden könnten. Inwieweit F. persönlich auf die Maßregeln, die in seinem Namen erfolgten, einwirkte, läßt sich bei der Dürftigkeit der bisher veröffentlichten Quellen nicht feststellen. Sogar in Hinsicht auf die Durchführung der Restauration in seinen Landen und die Behandlung der kirchlichen Fragen ist es nicht nothwendig, auf seine Initiative zu schließen, da eben auch seine leitenden Minister den Grundsätzen der Restaurationspartei anhingen.

Nicol. Avancinus S. J.. Sapientia terrarum coelique potens sive panegyricus funebris ad solennes exequias … Ferdinandi III … dictus. 1657. – M. Koch, Geschichte des deutschen Reiches unter der Regierung Ferdinands III. 2 Bände. 1865 u. 66. Vgl. die Citate zur Biographie Ferdinands II., sowie Oettinger und Waitz.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1645