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Artikel „Leopold I. (1640-1705)“ von Adam Wolf in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 316–322, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Leopold_I._(Kaiser)&oldid=- (Version vom 8. Dezember 2024, 12:41 Uhr UTC)
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Leopold I. (1640–1705), Regent von Oesterreich 1655–1704, deutscher Kaiser 1658–1705, war der zweite Sohn Kaiser Ferdinands III. aus dessen erster Ehe mit der spanischen Infantin Maria Anna und geboren am 9. Juni 1640. Seine Erzieher waren Graf Johann Ferdinand Portia und unter dessen Leitung die Jesuiten Christoph Müller und Johann Eberhard Nidhard, später Cardinal. L. wurde in seiner Jugend für den geistlichen Stand bestimmt, bis nach dem frühzeitigen Tode seines älteren Bruders, des römischen Königs Ferdinand IV., 1654 das Recht der Erbfolge in Oesterreich auf ihn überging. Er empfing die Huldigung der österreichischen Stände 1655, wurde im gleichen Jahre zum König von Ungarn und 1656 zum König von Böhmen gekrönt. Nach dem Tode seines Vaters Ferdinand III. 1657 erhielt er trotz des französischen Einflusses und nach langen Verhandlungen die deutsche Kaiserkrone (1. August 1658). Obwol die neue Wahlcapitulation die Kaisergewalt noch mehr beschränkte und der rheinische Bund (1658–67) dieselbe für eine Zeit vollkommen gebunden hielt, gelang es L., die Oberhoheit zu behaupten und die Unabhängigkeit des Reiches, namentlich gegen Frankreich zu bewahren. Er verfocht in allen seinen Kriegen ein gemeinsames österreichisches und deutsches Interesse. Durch seine eigene Macht, wie durch Bündnisse mit deutschen Fürsten, namentlich mit Brandenburg, Sachsen und Baiern ergänzte er die mangelhafte militärische Organisation des Deutschen Reichs. Statt der ordentlichen Reichsdeputation wurde 1663 der permanente deutsche Reichstag in Regensburg eingeführt. Derselbe behielt die Form der drei alten Reichscollegien, des kurfürstlichen, fürstlichen und reichsstädtischen, aber er war hinfort nur eine schwerfällige Versammlung diplomatischer Vertreter ohne eingreifende politische Bedeutung. Der Kaiser anerkannte 1692 den Herzog von Hannover als den neunten Kurfürsten und wünschte auch die böhmische Kur auf dem Reichstage vertreten zu sehen, was 1693 und 1695 oppositionelle Kurvereine veranlaßte. Als der wichtigste Schritt erschien der Kronvertrag vom 16. November 1700, in welchem Friedrich III., der Kurfürst von Brandenburg, als souveräner König von Preußen eine europäische Stellung erhielt. Derselbe verpflichtete sich dafür, 10,000 Mann für den Kaiser ins Feld zu stellen und im Reiche nur den bisherigen Rang in Anspruch zu nehmen. In Oesterreich befolgte L. die erhaltende Politik seiner Vorfahren. Er ließ den föderativen Staatsbau, die Verfassung der Provinzialstände und die feudale Verwaltung unberührt; in der Regierung stützte er sich auf den Adel und die Geistlichen, milderte jedoch nach der böhmischen Bauernrevolution 1680 die Robot und die bäuerlichen Lasten. Die katholische Religion blieb die Staatsreligion, viele neue Klöster wurden gegründet; die Jesuiten verloren zwar ihren politischen Einfluß, beherrschten aber noch immer die Hoch- und Mittelschulen, die Censur und Litteratur. Die Centralgewalt ruhte in dem geheimen Rath und in den Conferenzen. Die ersten Minister Leopolds waren Fürst Johann Portia, Fürst Johann Auersperg, gestürzt 1669, Fürst Wenzel Lobkowitz, 1674 verbannt, die Obersthofmeister Graf Max Lamberg, Graf Ferdinand Harrach und die österreichischen Hofkanzler Johann Paul Hocher, Theodor Strattmann und Johann Friedrich Bucelini. Alle unterstützten die Politik des Gesammtstaates und den Absolutismus der Krone; die einen in altständischer, [317] die anderen in mehr bureaukratischer Wese. Die oberste Leitung der Finanzen hatten Graf Ludwig Sinzendorf, welcher 1680 wegen Unterschleif sein Amt verlor, Graf Rosenberg, Bischof Kolonics, Seifried Breuner, Graf Salaburg und 1703 Graf Gundaker Stahremberg. Der Staatshaushalt blieb jedoch in der ganzen leopoldinischen Zeit in Unordnung. Neben diesen Ministern ragten in der kriegerischen Zeit die Feldherren hervor: Graf Raimund Montecuculi, Herzog Karl von Lothringen, Prinz Eugen von Savoyen, Ludwig von Baden, Graf Rüdiger und Guido Stahremberg u. a. Die Errichtung einer stehenden Armee in Oesterreich, welche schon Montecuculi verlangte, hat L. abgelehnt, aber die Dinge drängten von selbst dazu; die neuen Regimenter, welche 1672 ins Feld zogen, wurden nicht wieder aufgelöst. So friedliebend die Natur Leopolds war, brachte er doch sein Leben mit geringen Unterbrechungen im Kriege zu: gegen die Schweden 1657–60, gegen die Türken 1662–64 und 1683–99, gegen Frankreich 1672–79, von 1688–97 und 1702 bis zu seinem Tode 1705. Den nordischen Krieg übernahm L. von seinem Vater als Bundesgenosse von Polen gegen Karl X., den König von Schweden, welcher Polen bis an die Karpathen eroberte und sich mit Georg Rágózcy, dem Fürsten von Siebenbürgen, in Verbindung setzte. Nachdem sich der Kurfürst von Brandenburg 1658 dem Kaiser angeschlossen hatte, rückten die Verbündeten in Holstein, Schleswig und Jütland ein, eroberten Schwedisch-Pommern und Kurland und zwangen die Schweden nach dem Tode Karls X. zum Frieden von Oliva (3. Mai 1660), durch welchen die Unabhängigkeit Polens hergestellt und die ungarische Grenze gesichert wurde. Rágózcy wurde von der Pforte entsetzt, starb bald nachher (8. Juli 1660), nachdem er das türkische Heer bei Großwardein geschlagen hatte. Als die Pforte Siebenbürgen vollständig unterwerfen wollte, unterstützte Oesterreich den Nachfolger Rágózcy’s, Johann Kemény, welcher bald nachher, 1662, in einem Gefechte fiel. Der Parteikrieg in Siebenbürgen veranlaßte den Türkenkrieg 1662–64. Der Großvezier rückte im Frühjahre 1663 mit 120,000 Mann und 12,000 Janitscharen durch das offene Land bis Gran vor, bedrohte Wien, eroberte dann die Festung Neuhäusel und zog sich im Herbst in das tiefere Ungarn zurück. Montecuculi deckte Preßburg, konnte jedoch 1663 nichts unternehmen. Erst als 1664 die deutschen Rheinbundtruppen unter Graf Hohenlohe mit 6000 Mann Franzosen nach Oesterreich kamen, rückte Montecuculi mit seiner kleinen Armee, während de Souches den Feldzug in Oberungarn führte, über die Donau, vereinigte sich mit den deutschen und ungarischen Truppen und schlug am 1. August 1664 den Großvezier bei St. Gotthard an der Raab. Statt den Sieg zu benützen, ließ der Kaiser in Rücksicht auf die allgemeine politische Lage am 10. August 1664 den Frieden von Vasvár abschließen, in welchem die Pforte Großwardein und Neuhäusel behielt und den Fürsten Michael Apaffy als unabhängigen Herrn von Siebenbürgen anerkannte. Im folgenden Jahre wurde Graf Walther Leslie, ein Theilnehmer an der Execution Wallenstein’s für österreichische und deutsche Handelszwecke als Botschafter nach Constantinopel entsendet. Nach seiner Rückkehr berichtete er der Regierung von dem tiefen inneren Verfall des türkischen Reiches und der allgemeinen Unzufriedenheit der Ungarn. Die Bedrückung der Protestanten und die Willkür der Regierung, welche seit 1658 statt des Reichstages von der Krone ernannte Notabeln berief, führten zu einer weitverzweigten Verschwörung, anfangs zum Schutze der Verfassung, dann zur Losreißung von Oesterreich mit Hülfe Frankreichs und der Pforte. Die Führer derselben waren die Palatine Graf Franz Wesseleny, welcher schon 1667 starb, der Hofrichter Graf Franz Nádasdy, der Ban von Kroatien Peter Zriny, dessen Schwager Graf Franz Frangepani, der steierische Edelmann Graf Hanns Erasmus von Tattenbach und Graf Karl von [318] Thurn, Landeshauptmann von Görz. Nádasdy und Zriny unterwarfen sich 1669. Sie setzten jedoch ihre geheime Verbindung fort, welche von der Pforte und einigen Mitverschworenen angezeigt wurde. Nádasdy, Zriny und Frangepani wurden in Wien festgenommen und 1671 mit dem Schwerte hingerichtet. Tattenbach wurde in Graz hingerichtet und Thurn kam in lebenslängliche Haft. Von 1672–79 wurde Ungarn wie ein erobertes Land betrachtet, die Verfassung gestürzt, 1673 eine absolute Regierung unter dem Gubernator, dem Deutschmeister Kaspar Ampringer eingeführt und gegen die Protestanten eine harte Verfolgung geübt. Nach wenigen Jahren, 1679, als sich die nationale und protestantische Partei unter Graf Emerich Tököly abermals erhob, wurde die deutsche Regierung wieder aufgelöst, die Verfassung und das Palatinat hergestellt und der Kaiser gewährte auf dem Reichstage zu Oedenburg 1681 den Protestanten eine beschränkte Religionsfreiheit. Nach dem Tode des Großvezier Achmed Köprili, welcher den Frieden mit Oesterreich wollte, begannen die Türken sich wieder in die ungarischen Verhältnisse einzumischen. Von den Empörern in Ungarn zu Hülfe gerufen und von König Ludwig XIV. angespornt, stürmten die Türken 1683 mit einem Heere von 200,000 Mann unter dem Großvezier Kara Mustapha durch Ungarn bis vor Wien, das sie einschlossen und vom 13. Juli bis 12. September belagerten. Während Graf Rüdiger Stahremberg mit der Besatzung und den Bürgern die Stadt tapfer vertheidigte, rückte ein von den Kurfürsten von Sachsen und Baiern geführtes Reichsheer und ein polnisches Corps von 26,000 Mann unter König Johann III. Sobiesky zum Entsatze heran. Herzog Karl von Lothringen, seit 1678 Schwager des Kaisers, vereinigte die kaiserlichen, deutschen und polnischen Truppen, im Ganzen 84,000 Mann bei Tuln an der Donau (7., 8. September), führte sie über den Kahlenberg in die Ebene von Wien und erfocht dort am 12. September 1683 den glänzenden Sieg über die Türken, welcher die Stadt befreite und Wien aus einer befestigten Grenzstadt wieder zu einer bedeutenden Handelsstadt und dem Mittelpunkt der Macht Oesterreichs erhob. Die folgenden Kriegsjahre bezeichnen den Niedergang des türkischen Paschaliks in Ungarn und die Gründung der Machtstellung Oesterreichs im Osten. Karl von Lothringen siegte 1683 und 1685 bei Parkany und Gran, eroberte 1686 Ofen, welches 145 Jahre unter türkischer Herrschaft gestanden, schlug die Türken 1687 bei Mohacs. Der Kurfürst eroberte 1688 Belgrad, Ludwig von Baden erfocht 1691 den Sieg bei Salankemen und Prinz Eugen 1697 (11. September) den berühmten Sieg bei Zentha an der Theiß. Diesen glorreichen Feldzügen folgte 1699 (26. Januar) der Friede von Karlowitz, in welchem die Pforte den Besitz von Slavonien, Siebenbürgen und Ungarn mit Ausnahme des Banates an Oesterreich, Morea an die Republik Venedig und Podolien mit einem Theile der Ukraine an Polen abtrat. Der Führer der Insurgenten, Tököly, hatte sich den Türken angeschlossen, wurde jedoch 1685 gefangen und nach Kleinasien gebracht. Nochmals versuchte General Caraffa (Bd. III S. 777) 1687 durch das Blutgericht zu Eperies die Ungarn zu unterdrücken, aber L. durch die glänzenden Erfolge sicher gemacht, befolgte eine andere Politik, versöhnte den ungarischen Adel und war bemüht, die dynastischen und Kronrechte sicher zu stellen. Auf dem Reichstag zu Preßburg 1687–88 wurde die österreichische Erbfolge in Ungarn anerkannt, der alte Krönungseid geändert, das Recht des bewaffneten Widerstandes, welches die goldene Bulle von 1222 eingeführt, aufgehoben, der Gesetzartikel von 1681 zu Gunsten der Protestanten neuerdings bestätigt und zuletzt der Kronprinz Joseph I. am 9. December 1687 als erblicher König von Ungarn gekrönt. Auch Siebenbürgen erhielt durch das Diplom Leopolds vom 4. December 1691 seine alte Verfassung mit der politischen Autonomie der vier Nationen und wurde nach der Resignation des jüngern [319] Apaffy 1697 wieder mit dem Reiche vereinigt. Die Versuche einer Insurgirung der Süddonauländer gegen die Pforte waren 1688 und 1690 gescheitert; dafür übersiedelten 36,000 serbische und albanesische Familien nach Südungarn und Slavonien und verstärkten die südslavische Nation. L. gewährte ihnen in den Freiheitsbriefen 1690 (21. August) und 1695 (4. März) die Freiheit der griechischen Religion und eine autonome Verwaltung.

Weniger glücklich war L. in den Kriegen gegen Frankreich. Oesterreichische und deutsche Interessen flossen dabei ineinander, aber der Verlauf der ersten Kriege bezeichnete die Ohnmacht des Reiches, die Zerfahrenheit der Fürsten und den Einfluß Frankreichs auf geistliche und weltliche Höfe. Die vornehmste Ursache der Mißerfolge lag in dem veralteten militärischen System, von dem sich Frankreich damals befreite. Sicherheit und Schutz fand Deutschland damals nur in den selbständigen Militärkräften Oesterreichs und Brandenburgs. Der erste Krieg (1672–79) wurde von L. in Verbindung mit Deutschland und Spanien unternommen, um dem bedrohten Lothringen und Holland beizustehen. Die Erfolge waren am Rhein und in den Niederlanden wechselnd und gering. Die Franzosen siegten 1674 bei Senef in den Niederlanden, bei Sinzheim und Enzheim, 1675 schlug Montecuculi die Feinde bei Saßbach, drang über den Rhein und fiel in Frankreich ein. Im Ganzen blieb jedoch Ludwig XIV. durch seine Waffen und Politik den Verbündeten überlegen. Spanien und Holland verglichen sich mit Frankreich 1678 im Frieden zu Nymwegen, der Kaiser und das Reich schlossen sich demselben 1679 an. Frankreich behielt die Freigrafschaft, eine Reihe fester Städte in den Niederlanden, Freiburg im Breisgau, gab aber Lothringen nicht zurück. In der Friedenszeit von 1679–83 mußte Deutschland abermals den Uebermuth des Erbfeindes empfinden. Der König errichtete 1680 die sogen. Reunionskammern und ließ eine Reihe deutscher Landschaften, Städte und Dörfer mit Frankreich vereinigen. Ebenso entriß er mitten im Frieden 1681, von dem Verrathe einiger Stadträthe und des Bischofs Egon v. Fürstenberg (Bd. VII S. 297) unterstützt, dem Deutschen Reiche die freie Reichsstadt Straßburg. Der Congreß von Frankfurt, welcher 1681 diesen Gewaltthaten ein Ziel setzen sollte, führte zu keinem Resultate. L. trat 1682 dem Bündnisse zwischen Holland und Schweden bei und bemühte sich auch, die deutschen Reichsstände dafür zu gewinnen. Der Kurfürst von Brandenburg hielt jedoch zurück und L., von dem Türkenkrieg auf das höchste in Anspruch genommen, mußte 1684 in einem Waffenstillstand den Franzosen sämmtliche Landschaften, welche die Reunionskammern dem König zugesprochen hatten, sowie Straßburg und die Kehler Schanze überlassen. Als jedoch Ludwig XIV. 1685 nach dem Aussterben der Simmern’schen Linie des Hauses Kurpfalz den besten Theil der pfälzischen Länder als ein Erbgut der Herzogin von Orleans in Anspruch nahm, vereinigten sich 1686 der Kaiser und die meisten deutschen Fürsten im Augsburger Bunde zur Vertheidigung der deutschen Landesgrenze. Ludwig XIV. erklärte deshalb 1688 an den Kaiser den Krieg, der bis 1697 dauerte; das ganze Rheinland mit Ausnahme von Koblenz und Köln kam in französische Gewalt. Der König ließ 1689 die Pfalz und die badischen Lande durch seine Heerführer furchtbar verwüsten, die Städte brandschatzen und niederbrennen. Der Kaiser schloß damals mit dem großen Oranier Wilhelm III. von Holland und England, mit Spanien, Savoyen, Dänemark und mit den meisten deutschen Fürsten, besonders Hannover und Brandenburg die große Alliance, um Frankreich energisch zu bekämpfen. Es gelang ihm, das deutsche Land wieder zu befreien; aber der Krieg zeigte doch nur geringe Resultate. Die Verbündeten wurden bei Fleurus in den Niederlanden geschlagen, Ludwig von Baden drängte die Franzosen über den Rhein, konnte jedoch wegen der Uneinigkeit und Thatlosigkeit der deutschen Truppen [320] keinen Offensivkrieg führen. In Italien befehligte Prinz Eugen die kaiserlichen und savoyischen Truppen, drang in französisches Gebiet ein, nahm 1695 Casale, verließ jedoch, als der Herzog von Savoyen von dem Bündnisse 1696 abfiel, Italien und übernahm den Oberbefehl in Ungarn. Als dann endlich 1697 der Friede zu Ryswick zu Stande kam, mußte das Deutsche Reich die Bedingungen annehmen, die ihm die fremden Mächte stellten. Frankreich behielt die Landschaften, welche ihm die Reunionskammern im Elsaß zugesprochen, ebenso Saarlouis und Straßburg, alles andere, Freiburg, Luxemburg, Breisach, Mömpelgard u. a. mußte der König herausgeben; der kirchliche Zustand blieb im status quo, wodurch viele protestantische Gemeinden in der Pfalz katholisirt wurden. Den dritten Krieg mit Frankreich führte L. wegen der spanischen Erbfolge, welche die europäischen Mächte und namentlich Oesterreich und Frankreich schon seit 25 Jahren beschäftigte, weil das Erlöschen der spanischen Habsburger mit Philipp IV. und Karl II. in Aussicht stand. L. stützte sich dabei auf die alten Erbverträge der beiden Linien des Hauses Habsburg und auf das Erbrecht seiner ersten Frau, Margaretha Theresia, der jüngeren Tochter Philipps IV. Der König von Frankreich hielt das Erbrecht seiner Gemahlin Maria Theresia, der älteren Tochter Philipps IV., trotz der Verzichtleistung derselben für mehr begründet. Weil König Karl II. und die nationale Partei die spanische Monarchie ungetheilt erhalten wollten, wurde der Kurprinz von Baiern, Joseph Ferdinand, ein Enkel Leopolds von seiner Tochter Maria Antonia, als Thronfolger ausersehen. Frankreich und Oesterreich hatten sich schon 1668 in einem geheimen Vertrage über die Theilung der spanischen Monarchie geeinigt. Auch die Seemächte nahmen den Grundsatz der Theilung auf; sie schlossen mit Frankreich 1698 und als der Kurprinz 1699 nur sieben Jahre alt gestorben war, im März 1700 einen zweiten Theilungsvertrag, in welchem dem Hause Oesterreich Spanien und die Niederlande, dem Hause Bourbon die italienischen Lande zugesprochen wurden. In dem Testamente, welches Karl II. kurz vor seinem Tode (1. Novbr. 1700) unterzeichnet hatte, wurde jedoch die ganze spanische Monarchie dem Enkel Ludwigs XIV., Philipp von Anjou, vererbt. Der König nahm das Testament an und sprach damals die kühnen Worte: „Es gibt keine Pyrenäen mehr!“ Während sein Enkel in Madrid als Philipp V. anerkannt wurde, bildete sich 1701 die große Coalition zwischen England, Holland, dem Kaiser und dem Deutschen Reich, mit Ausnahme von Baiern und Köln, welche zu Frankreich hielten. Auch Savoyen und Portugal traten zur Alliance. Auf Verlangen der Seemächte übertrug L. (16. September 1703) sein Erbfolgerecht in Spanien an seinen zweiten Sohn Karl; dieser kam im März 1704 nach Spanien, wurde von einer Partei als König Karl III. anerkannt und behauptete sich zumeist in Catalonien. Der Krieg wurde in Italien, in den Niederlanden, am Rhein und in Spanien mit Erfolg geführt. L. erlebte es noch, daß Frankreich gedemüthigt, Deutschland befreit und die Hoffnung auf einen ruhmvollen Ausgang eröffnet wurde. 1701 schlug Prinz Eugen die Franzosen bei Carpi und Chiari, 1702 bei Luzzara; 1703 scheiterte der Einfall der Franzosen und Baiern in Tirol an der mannhaften Erhebung des Volkes; 1704 siegten der englische Feldherr Marlborough und Prinz Eugen über die Franzosen und Baiern bei Hochstädt oder Blindheim am 13. August 1704. Dieser Sieg bewirkte den Rückzug der Franzosen über den Rhein und die Besitznahme Baierns durch Oesterreich, während die ungarischen Insurgenten unter Rágóczy II., Károly und Bercseny trotz des Sieges der Oesterreicher bei Tyrnau Oberungarn eroberten. Den Ausgang des großen Krieges und der ungarischen Revolution hat L. nicht mehr erlebt. Er starb am 5. Mai 1705, 65 Jahre alt, nach einer Regierung von 48 Jahren. In seiner Jugend war er unsicher, unerfahren, schwach und [321] wurde von Ministern und Günstlingen beherrscht; in der zweiten Hälfte seines Lebens griff er thätig und selbständig in die Politik und Regierung ein. Ein kluges Ausbiegen und Nachgeben, die zähe Ausdauer und das Vertrauen auf sein Recht verschafften ihm Glück und Sieg. Als deutscher Kaiser vermochte er bei der Landeshoheit und Selbständigkeit der territorialen Gewalten die Kräfte des Reiches niemals ganz zusammen zu fassen, aber in Oesterreich war er durchaus der gebietende Herr. Seine Enkelin sagte von ihm: „Leopold I. war unter meinen Vorfahren derjenige, so über seine landesfürstliche Autorität Hand hielt und solche gegen Jedermann zu mainteniren gedachte“. Er erschien als der erste Kaiser von Oesterreich, indem er überall das österreichische Staatsinteresse voranstellte. Durch die Eroberung von Ungarn und Siebenbürgen vollendete er den Staatsbau, wie ihn Ferdinand I. 1526 gegründet. Er vereinigte 1665, als die Tiroler Linie des Hauses Oesterreich mit dem Erzherzog Sigismund erlosch, Tirol wieder mit dem Reiche und verwendete die Gelderbschaft zur Einlösung der schlesischen Fürstenthümer Oppeln und Ratibor, welche Ferdinand III. an Polen verpfändet hatte. Als politischer Charakter hat er nicht die Höhe eines Maximilian I. oder Ferdinand I. erreicht, aber er genoß bei den Zeitgenossen wegen seiner Gerechtigkeit und seines Wohlwollens die höchste Achtung. Der Kaiser war klein, sein Blick düster, die Unterlippe nach Habsburger Art hervorragend. In seinen mittleren Jahren war er ein starker, gesunder, rüstiger Mann, ein tüchtiger Reiter und Jäger. Große Reisen hat er nicht unternommen, er lebte zumeist in Wien oder auf seinen Schlössern Laxenburg, Ebersdorf und Schönbrunn bei Wien. Er trug das spanische Kleid und eine mächtige Allongeperrücke. Der Hof war zahlreich, man zählte allein 200 Kämmerer. Die Gesandten berichten von dem majestätischen Anblick, wenn der Kaiser in der Stadt zu Pferde oder im Wagen erschien. Uebrigens waren seine Gebäude, die Einrichtung und das Einkommen nicht nach dem Range, den er als der erste Monarch der Christenheit einnahm. Bei besonders feierlichen Gelegenheiten entfaltete der Hof einen großartigen Prunk, so 1698 bei dem Besuche Peters des Großen in Wien. L. besaß Geist, ein kluges, rasches Urtheil, viel Neigung und Aufmerksamkeit für die Geschäfte, nur zeigte er in öffentlichen Dingen eine vorsichtige Zurückhaltung. Das Volk wünschte ihn mehr kriegerisch als fromm, aber er ist nie ein Soldat und Feldherr geworden, wie sein Vater. Gleich Philipp II. von Spanien regierte L. von seinem Cabinet aus. In seiner politischen Denkart war er ein absoluter Herr und leitete wie alle Fürsten der Zeit seine Gewalt von göttlichem Willen, von göttlicher Vollmacht ab. Gegen Andersgläubige zeigte er ebenso wenig Milde, wie die Ferdinande. Eine Reihe von protestantischen Adelsfamilien in Nieder- und Oberösterreich, welche seit Ferdinand II. eine persönliche Glaubensfreiheit genossen, wanderte damals (1655–88) nach Deutschland aus. Dabei unterstützte L. seinen Beichtvater, den Franziscaner Rojas-Spinola, in dem Bestreben, die christlichen Confessionen zu versöhnen und einen allgemeinen Kirchenfrieden herzustellen. Der Kaiser war in Sprachen wohlunterrichtet; er schrieb außerordentlich viel und meist deutsch mit italienischen, spanischen und lateinischen Worten untermischt. Die Staatssprache war in Oesterreich deutsch, in Ungarn lateinisch. L. zeigte eine Neigung zur historischen Wissenschaft und ließ durch seinen Hofgelehrten Peter Lambeck Bücher, Münzen und Antiken sammeln. Die Universitäten Innsbruck und Olmütz, in Deutschland Halle und Breslau, entstanden unter seiner Mitwirkung. Die deutsche leopoldinische Gesellschaft für Naturforschung trägt seinen Namen. Der große Leibniz stand bei ihm in Gunst. Eine besondere Vorliebe zeigte L. für die Kirchen- und Opernmusik seiner Zeit, er componirte selbst einige Kirchengesänge. [322] Der Aufwand für die „Hofmusikanten“ war bedeutend. In seinem Privatleben erschien L. makellos. Die venetianer Gesandten rühmen gegenüber dem Verderbniß der anderen Höfe seine Sittenreinheit, Frömmigkeit und Wohlthätigkeit. L. war dreimal verheirathet: in erster Ehe mit Margaretha Theresia von Spanien (1666–73), in zweiter mit Claudia Felicitas von Tirol (1673–76), in dritter Ehe mit der deutschen Prinzessin Eleonore von Pfalz-Neuburg (1676 bis 1705). Die letztere allein hat dem Kaiser Söhne geboren, die Erzherzoge Joseph und Karl, welche dem Kaiser in Deutschland und Oesterreich nachfolgten.

F. Wagner, Historia Leop. M. 1719 u. 1731, Rink, Leben u. Thaten Leopolds I., 1713, Noorden, Geschichte des 18. Jahrhunderts, I. II., Wurzbach, Biograph. Lex., VI. 418–432, Krones, Oesterreichische Geschichte, III. IV., Berlin 1878, Wolf, Fürst Wenzel Lobkowitz, 1869, R. Baumstark, Kaiser Leopold I., 1873.