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Artikel „Oettinger, Eduard Maria“ von Franz Schnorr von Carolsfeld in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 567–568, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Oettinger,_Eduard_Maria&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 02:44 Uhr UTC)
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Oettinger: Eduard Maria Oe., belletristischer und historischer Schriftsteller, geb. am 19. Novbr. 1808 in Breslau, † am 26. Juni 1872 in Blasewitz bei Dresden, war der jüngste Sohn einstmals sehr reicher jüdischer Eltern, welche durch den Krieg verarmt waren. Er mußte wegen Mittellosigkeit, nachdem er das Gymnasium zu Maria Magdalena in Breslau bis zur Prima besucht hatte, seine Studienzeit abbrechen und ließ sich in Wien nieder, wo er den katholischen Glauben annahm. Hier entschied sich rasch sein Lebensberuf dadurch, daß er in Adolf Bäuerle einen väterlichen Freund fand, der seine schriftstellerische Begabung erkannte und ihn als Mitarbeiter an seiner Theaterzeitung in die journalistische Laufbahn einführte. Noch nicht 21 Jahre alt begann Oe. in Berlin ein humoristisch-satirisches Tageblatt „Eulenspiegel“ selbständig herauszugeben, und das Walten preßpolizeilicher Behörden ward fortan die Macht, welche vorzugsweise auf den Gang seines äußeren Lebens bestimmend einwirkte. Ermüdet durch die Bedenklichkeiten seines Berliner Censors und angezogen durch den Ruf der bairischen Preßfreiheit hatte er Berlin verlassen und in München seinen Wohnsitz aufgeschlagen, um hier in Cotta’s Verlag ein Tageblatt unter dem Titel „Das schwarze Gespenst“ erscheinen zu lassen. Dieses Blatt wurde jedoch schon nach drei Monaten unterdrückt und Oe. selbst wegen seiner Entgegnungen auf ein den Schauspieler Eßlair in Schutz nehmendes Edict des Königs in Anklagestand versetzt, zwar freigesprochen, aber vom Könige des Landes verwiesen. Er unternahm nun eine Reise nach Frankreich, Belgien und Holland und versuchte alsdann nochmals sein Glück in Berlin. Aber es wiederholte sich dort, daß sein am 1. Octbr. 1830 neu begonnener „Till Eulenspiegel“ dreizehn Monate später verboten wurde, und als ihm im October 1836, nachdem er bis dahin den „Berliner Figaro“ redigirt hatte, die Erlaubniß zur Herausgabe einer neuen Zeitschrift versagt wurde, siedelte er nach Hamburg über. Von Hamburg wegzugehen, wo er mit der Zeitschrift „Argus“ vielen Erfolg hatte, wurde er durch glänzende Versprechungen Bäuerle’s veranlaßt, der ihm im Sommer 1838 die Stelle Saphir’s an seiner Theaterzeitung übertrug. Oe. ahnte nicht, daß er schon wenige Wochen nach seiner Ankunft in Wien aus Oesterreich verbannt werden sollte und hierdurch, da auch der gegen ihn erlassene bairische Ausweisungsbefehl aufrecht erhalten wurde, genöthigt sein würde, eine Zuflucht in der Schweiz zu suchen. Sieben Monate hatte er in Zürich verbracht, als er sich von dort nach Stuttgart begab. Hier beschäftigte ihn der Buchhändler Cotta an dem Morgenblatt und der Allgemeinen Zeitung. Dies hinderte jedoch nicht, daß er den Entschluß faßte, Deutschland zu verlassen. Er beabsichtigte seinen Aufenthalt in Paris zu nehmen, erkrankte aber auf der Reise dahin in Mainz und ließ sich nach erfolgter Genesung von dem Mannheimer Buchhändler Heinrich Hoff bestimmen, die Redaction seines „Deutschen Postillons“ zu übernehmen. Die letzten Jahrzehnte seines Lebens verbrachte Oe., einige Jahre ausgenommen, während deren er in Paris und Brüssel verweilte und an ersterem Orte 1853 eine Verhaftung wegen seines Romans „König Jerome“ erlebte, in Sachsen, und zwar bewohnte er von 1842 an Leipzig, von 1861 an Dresden. In beiden Städten setzte er seine journalistische Thätigkeit fort und gab dort den „Charivari“ und den „Narren-Almanach“, hier kurze Zeit ein „Echo der Zeit“, einen „Satanino“ und einen „Drachen“ heraus. – Mit seinen zahlreichen journalistischen Unternehmungen ist nun aber Oettinger’s schriftstellerische Thätigkeit keineswegs erschöpft. Ueber ihren Umfang und Charakter belehrt uns ein von ihm selbst in dem 1868 erschienenen sechsten Bande seines Moniteur des Dates (S. 83) veröffentlichtes, auch Ungedrucktes enthaltendes Verzeichniß seiner Schriften, welches außer 12 von ihm redigirten Zeitschriften in fünf Unterabtheilungen und unter 69 Nummern „bibliographische“, [568] „biographische und geschichtliche“, „dramatische“ und „lyrisch-poetische“ Werke nebst „Romanen, Novellen und Satyren“ aufzählt. Oe. war ein Vertreter jenes für den Geschmack des großen Publikums und den geschäftlichen Erfolg arbeitenden Litteratenthums, zu dessen Wesen auch die Massenhaftigkeit der litterarischen Production gehört. Aber er besaß die Gabe geistvoller Unterhaltung in hohem Grade und vereinigte mit ihr einen staunenswerthen Fleiß, den er freilich nicht selten in den Dienst eines allzu stark hervortretenden Sinnes für Curiositäten stellte. Zwei wahrhaft verdienstliche Werke aus seiner späteren Lebenszeit, die sich ihrem Inhalte und Zwecke nach von den meisten seiner übrigen erheblich unterscheiden, sind besonderer Erwähnung werth. Es sind seine „Bibliographie biographique“ und sein „Moniteur des Dates“, der nach seinem Tode von Hugo Schramm fortgesetzt wurde.

(Wollheim), E. M. Oettinger, auch ein Zeitgenosse, Heft 1, Hamburg 1837. – K. G. Nowack, Schlesisches Schriftsteller-Lexikon, Heft 5, Breslau 1841, S. 123–127. – Aug. de Reume, Notice bio-bibliographique sur M. E. M. Oettinger, Brux. 1854. – Neuer Anzeiger für Bibliographie und Bibliothekwissenschaft, Jahrg. 1869, S. 1 ff., 45 ff. etc. – Schröder, Lexikon der Hamb. Schriftsteller, Bd. 5, Hamb. 1870, S. 580 f. – v. Wurzbach, Biograph. Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, Th. 21, Wien 1870, S. 29 bis 34. – Illustrirte Zeitung 1872, 27. Juli, S. 63 f.