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Artikel „Questenberg, Gerhard von“ von Hermann Hallwich in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 41–44, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Questenberg,_Gerhard_von&oldid=- (Version vom 4. Oktober 2024, 21:09 Uhr UTC)
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Questenberg: Gerhard v. Q., Staatsmann des 17. Jahrhunderts. – Beglaubigte Urkunden nennen die Familie Q. unter den Patriciergeschlechtern der Stadt Cöln am Rhein bereits um das Jahr 1470. Als Erster dieses Namens erscheint Berthold Q., vermählt mit Margarethe von Blitterswich, deren Sohn Johannes 1538 starb. Johannes’ Enkel, Gerhard I., zeugte in seiner Ehe mit Katharina Therlein von Lennep vier Söhne: Caspar, Gerhard II., Hermann und Johann, die sämmtlich nach des Vaters Tod († 1587) ihre Vaterstadt verließen, um an dem Hofe Kaiser Rudolph’s II. in Prag Stellung zu suchen und zu finden. Caspar, der Aelteste, diente mehr als sechs Jahre in der kaiserlichen Reichskanzlei, als der Entschluß in ihm reifte, sich dem geistlichen Stande zu widmen. Er trat in das Prämonstratenserstift Strahow auf dem Berge „Zion“ in Prag, als dessen Abt er später zu großem Ansehen gelangte und am 28. Juni 1640 das Zeitliche segnete. Gerhard wurde am 1. August 1606 in der Hofkriegskanzlei als „lateinischer Concipist“ bestellt, während die beiden jüngsten Brüder bei der Hofkanzlei Verwendung fanden. Als Registrator und „der Kriegsexpedition Secretär“ trat Gerhard in die Dienste König Matthias’, den er zur Kaiserkrönung nach Frankfurt begleitete. Seiner und seiner jüngeren Brüder Bitte, „ihnen ihre vorhin habende Nobilitation – sintemalen sie jederzeit pro patritiis Coloniensibus und Adelsgenossen gehalten worden – gnädigst zu confirmiren oder, da vonnöthen, von Neuem zu verleihen“, willfahrte Kaiser Matthias mit Diplom vom 28. September 1613, welches neun Jahre später durch Ferdinand II. erneuert und zugleich auf den Bruder Caspar ausgedehnt wurde. Im selben Jahre (1622) vermählte sich Gerhard mit Maria Unterholzer, Tochter des kaiserlichen Hofkammerrathes Johann Unterholzer v. Kranichberg. Er war es, der, insbesondere durch seine intimen Beziehungen zu Wallenstein, die relativ bedeutendste und einflußreichste Position errang und lange Zeit behauptete. Mit großen Geistesgaben verband er einen außerordentlichen, unermüdlichen Fleiß, so daß er, vielseitig verwendet, sehr bald wol als die Seele, gewiß als die vorzüglichste, ja als die eigentliche Arbeitskraft des Wiener Hofkriegsrathes betrachtet werden konnte.

Als solche erkannte ihn Wallenstein vom ersten Augenblicke seiner Bewerbung um die Würde und die Bürde eines kaiserlichen Generalissimus. Bereitwillig unterzog sich Q., nachdem das neue „Generalcapo“ ernannt war, jenen unzähligen kleinen und größeren, zum Theil verantwortungsvollen und bei der ewigen Geldnoth des Kaisers äußerst schwierigen Obliegenheiten, die der Feldherr bei seinen Rüstungen im Interesse der Sache vom Hofkriegsrath heischte und heischen mußte. Das sicherlich mit vollem Recht von aller Welt bewunderte, weil unerhörte Kunststück Wallenstein’s, binnen weniger Wochen eine neue große Armee auf die Beine zu stellen, war nicht in letzter Linie die Arbeit Questenberg’s, was von maßgebender Seite auch bereitwilligst anerkannt wurde. Er galt darum mit gutem Grund als einer der Wenigen, denen bei dem sonst eben nicht sehr zugänglichen kaiserlichen Heerführer von Anfang an ein nachhaltiger Einfluß zugemuthet werden konnte. Daher auch seine Sendung durch den Kaiser in das Wallenstein’sche Lager schon bei der ersten größeren Bedenklichkeit, die sich im Frühjahr 1626 herausstellte. Im besten Sinne dieses Wortes „wirklicher Hofkriegsrath“, welchen Titel er damals erlangte, wußte er durch sein kluges, maßvolles Auftreten [42] die beiderseitige Verständigung herbeizuführen. Ihm übergab damals der Sieger in der Schlacht beim Dessauer Brückenkopf, der Q. persönlich beigewohnt hatte, die dort erbeuteten Fahnen und Standarten, um sie bei seiner Rückkehr nach Wien dem Kaiser zu Füßen zu legen. Als sich im nächsten Herbst schon wieder die Nothwendigkeit herausstellte, Namens des Hofkriegrathes dem General mündlich verschiedene Beschwerden vorzutragen, verstand es sich bereits von selbst, daß Q. mit dieser Mission betraut wurde. Als deren Resultat darf die berühmte Unterredung Wallensteins mit den Ministern Eggenberg und Harrach zu Bruck an der Leitha betrachtet werden, die für den ersteren bekanntlich einen vollen, entscheidenden Sieg über alle seine bisherigen Gegner im eigenen Lager zu bedeuten hatte. „Ich habe einen großen Freund lange Zeit an ihm gehabt“, schrieb Wallenstein von ihm nach wochenlangem, fast ununterbrochenem persönlichen Verkehr mit dem ebenso tüchtigen, in Sachen der Kriegsverwa1tung erfahrenen, wie ihm ergebenen, werkthätigen Anhänger. Noch einmal im December 1626 und wieder im Februar darauf war Q. bei Wallenstein. Auf ganz besondere Verwendung des Generalissimus erhob ein kaiserliches Diplom vom 17. März 1627 Gerhard v. Q. und dessen Bruder Hermann, nunmehrigen Reichshofrath, in den erblichen „alten Freiherrenstand“.

Neben dem Kriege, den Wallenstein im offenen Felde zu bestehen hatte, gab es für ihn, wie nunmehr allgemein bekannt, noch einen anderen, unblutigen und doch nicht minder schwierigen, erbitterten Kampf: mit der katholischen Liga. Als der getreuesten Bundesgenossen einer stand ihm in diesem Kampfe Q. zur Seite. Im August 1627 und im September 1628 wurde er vom Kaiser abgeordnet, in der gewichtigsten Streitfrage des General-Herzogs mit der Liga, der Heeresreduction, mit jenem zu verhandeln. Beide Male gelang es, einen Ausweg zu finden, der, ohne die Machtstellung der Kaiserlichen empfindlich zu schädigen, doch den Gegnern einigermaßen willfahrte. In gleicher Angelegenheit conferirte Q. mit Wallenstein zu Ende des Jahres 1629 in Halberstadt. Beide konnten sich nicht verhehlen, daß der Kaiser, der nun vor allem durch die Wahl seines Sohnes zum römischen Könige die Thronfolge gesichert wissen wollte, mehr und mehr dem Einflusse der katholischen Kurfürsten zu weichen begann. Man kennt den Verlauf des Kurfürstentages von Regensburg, der Wallenstein als kaiserlichen Oberfeldherrn entsetzte. Kurz vor Beginn der Verhandlungen befand sich Q. im Auftrage des Kaisers bei dem General in Memmingen, ihm eine höchst beachtenswerthe Weisung zu überbringen; gemeinschaftlich mit dem Grafen Johann Werdenberg traf er im September 1630 wieder daselbst ein, ihm die Entlassung anzuzeigen.

Fast noch lebhafter als während des ersten Generalates Wallenstein’s ist dessen Correspondenz mit Q. in den Jahren 1630–32. Sie ist eine Fundgrube der Geschichte dieser Jahre. In erster Linie den unausgesetzten Bemühungen Questenberg’s, so geht aus ihr hervor, war es zu danken, wenn der schwer gekränkte Fürst nach langem Widerstreben sich endlich doch bewegen ließ, erst nur „interimistisch“, dann aber definitiv den Oberbefehl über die freilich durch Gustav Adolf vollständig geschlagene oder vielmehr vernichtete kaiserliche Heeresmacht wieder zu übernehmen. Das erste Anerbieten, das Q. Anfang Novembers 1630 überbrachte, wurde entschieden abgewiesen. Auf Grund einer von ihm entworfenen Instruction kam im folgenden December ein Uebereinkommen in Znaim zu Stande, dem am 13. April 1632 zu Göllersdorf der Abschluß eines förmlichen Vertrags nachfolgte. Da wie dort war Q. die leitende Hand. Und wie im Frühjahr 1625, so war er im Winter 1631–32 nächst Wallenstein derjenige, welchem das Hauptverdienst um die Aufrichtung einer neuen, großen, vorzüglich organisirten [43] Armee zuzuschreiben ist; namentlich aber die Artillerie und die leichte „kroatische“ Reiterei dieser Armee waren Questenberg’s Schöpfungen.

Schon im October 1632, auf dem Marsche von Nürnberg nach Sachsen, berief der Generalissimus abermals Q. zu sich; die Unterredung fand jedoch erst im folgenden December, nach der Lützener Schlacht, in Prag statt. Es galt die Bestimmung der Winterquartiere in den kaiserlichen Erbländern, gegen die sich der Kaiser nach Kräften sträubte, und die neuerliche Instandsetzung des durch den Feldzug dieses Jahres sehr geschwächten Heeres. Mit dem alten unermüdlichen Eifer war Q auch hier wieder nach allen Richtungen vermittelnd und fördernd jederzeit zur Hand. Mit seiner Hilfe kam eine dritte Armee von mindestens hunderttausend Mann zu Stande. Und wie sonst gegenüber der Liga, so war er jetzt, da sich die Zahl der Freunde Wallenstein’scher Politik am Hofe täglich zu mehren schien, mit Leib und Seele dabei, ihr an maßgebender Stelle das Wort zu reden. Getragen von dem Vertrauen beider, beharrte er bis zum letzten Augenblick auf dem Posten eines Vermittlers zwischen dem Kaiser und dem kaiserlichen Feldherrr. Erwiesenermaßen war es nicht dieser sondern jener, durch welchen der Vertrag von Göllersdorf gebrochen wurde. Gegen den Geist und den Wortlaut dieses Vertrages wurde mit Umgehung Wallenstein’s gestattet, daß ein spanisches Heer unter dem selbständigen Commando des Herzogs Feria den deutschen Boden betrat; gegen denselben Vertrag erhielt hinter Wallenstein’s Rücken – in Questenberg’s Abwesenheit, wie betont zu werden verdient und von ihm auch nachdrücklich betont wurde – General Aldringen die Weisung, sich künftig nach den Befehlen Maximilian’s v. Baiern, nicht Wallenstein’s, zu richten. Damit war nicht allein des Letzteren sondern auch Questenberg’s Stellung tief erschüttert. Im August 1633 wurde von Wien schon nicht mehr Q. sondern Graf Heinrich Schlick in das Feldlager beordert, um die kaiserlichen Aufträge daselbst zu vertreten. Der Sieg bei Steinau hob noch einmal das Ansehen Wallenstein’s und der Wallensteiner – als durch den Fall von Regensburg und die Weigerung des Generalissimus, zur Wiedereroberung der Stadt einen Winterfeldzug zu eröffnen, die Krise, die Katastrophe herbeigeführt wurde. Um keinen Preis mehr wollte der Kaiser gestatten, daß sein Heer die Winterquartiere wieder in seinen Erbländern beziehe, deren Ruin, wie man ihm sagte, dadurch unvermeidlich würde. Den Willen des Kaisers durchzusetzen, entschloß man sich Q. nach Pilsen zu schicken; es war sein letzter Gang zu Wallenstein. Die Instruction, die ihm auf den Weg gegeben wurde, konnte ihn selbst kaum daran zweifeln lassen, was kommen werde; sie ließ den Kaiser von „allerhand Scrupeln“ bei „fremden Potentaten“ sprechen, „daß wir gleichsam einen Corregem an der Hand und in unseren eigenen Landen keine freie Disposition mehr übrig haben“. Vom 16. December 1633 bis 5. Januar 1634 befand sich Q. in Wallenstein’s Lager zu Pilsen. Die Briefe, die er von dort dem Kaiser sandte – es liegen deren sieben vor – zeigen dieselbe Ergebenheit, dasselbe volle, feste Vertrauen wie seine ersten Zeilen über Wallenstein; keine Spur jener engherzigen Arglist und Verschlagenheit, wie sie ihm angedichtet wurde. Mit drastischen Worten setzte er die Unmöglichkeit an der Hand von Thatsachen auseinander, den geforderten Winterfeldzug auszuführen, zumal vom Feinde nichts zu besorgen. „Eure Majestät“, schrieb er, „sollten allergnädigst versichert sein, da was dran wäre oder sein könnte, daß der Generalissimus, Eurer Majestät Dienst in Acht zu nehmen, eher zu Fuße selbst hinlaufen und die Nothdurft in Acht nehmen würde.“ Da aber der Feldzug unmöglich, so ergibt sich ihm von selbst die Nothwendigkeit, noch einen Winter hindurch das Heer im eigenen Lande zu erhalten, um es für eine letzte Kraftanstrengung zu stärken. Jede Gegenmaßregel wäre von den verderblichsten Folgen. „Der Generalissimus bittet Eure Majestät gehorsamst“, schreibt Q. [44] weiter, „Sie wollen sich nicht verleiten lassen, durch dergleichen Ordinanzen das Werk und sich selbst zu präcipitiren; Sie wollten ihm, dem Generalissimus, darum trauen und Alles auf ihn remittiren: er werde gewiß derselben nichts vergeben noch verwahrlosen.“ … Nach Wien zurückgekehrt, legte Q. nicht die Hände in den Schooß, sondern war er vielmehr in Gemeinschaft mit dem Fürsten Eggenberg redlich bemüht, dem Herzog reiflich erwogene Rathschläge zukommen zu lassen, „welchergestalt vielen Sachen geholfen werden könnte“. Noch ein Schreiben Wallenstein’s vom 20. Februar – fünf Tage vor seiner Ermordung – spricht den dringenden Wunsch nach einer Besprechung mit Q. und Eggenberg aus – „weil durch dergleichen Dissidenzen sowohl Ihrer Majestät Dienst als das bonum publicum leidet“.

An der nach Wallenstein’s Fall vertheilten überreichen Beute hatte Q. keinen Theil. Er hatte im Jahre 1624 die Herrschaft Jarmeritz in Mähren (Znaimer Kreis) erbeigenthümlich und fast gleichzeitig das der Gemeinde Schlaggenwald in Böhmen confiscirte Städtchen Vetschau pfandweise erworben, vier Jahre später mit Jarmeritz das Gütchen Bauschitz vereinigt und bald darauf das Gut Rappoltenkirchen in Niederösterreich (Bezirk Tulln) erkauft. Ein vortrefflicher Wirth gleich seinem großen Freunde, wußte er mit den ihm gebotenen Mitteln Haus zu halten und galt als vermöglicher Mann. Wie Eggenberg und andere bis dahin hochansehnliche, ja mächtige Personen trat auch Q. nach Wallenstein’s Beseitigung für einige Zeit in den Hintergrund. Zahlreiche Gegner suchten ihm seine Stellung gründlich zu verleiden. Seine Pflichttreue, seine Erfahrung, vor Allem aber seine über allen Zweifeln erhabene Rechtlichkeit und geschäftliche Tüchtigkeit machten ihn dem Kaiser unentbehrlich. Als Ferdinand II., bevor er zu dem Collegialtag in Regensburg im Jahre 1636 abreiste, eine Regentschaft für Ungarn, Ober- und Niederösterreich unter dem Erzherzog Leopold Wilhelm einsetzte, ernannte er auch Q. zum Regentschaftsrath. In gleichem Ansehen stand dieser bei Kaiser Ferdinand III. Derselbe berief ihn in den Geheimen Rath und bestellte ihn zum Vicepräsidenten des Hofkriegsrathes, als der er am 1. Juli 1646 mit Hinterlassung eines Sohnes Johann Anton Franz und mehrer Töchter starb. Letzterer, vermählt mit Maria Katharina Freiin v. Stadel, hinterließ bei seinem im Jahre 1686 erfolgten Tode einen minderjährigen Sohn Johann Adam, der über Einschreiten seines Vormundes, des Grafen Leopold Josef v. Lamberg, in Würdigung der vielen und ansehnlichen Verdienste seines Großvatets Gerhard Freiherrn v. Q. am 28. Januar 1696 in den Grafenstand erhoben wurde. Der Letzte seines Stammes, vererbte er seine Güter im J. 1752 dem Grafen Dominik Andreas v. Kaunitz, Bruderssohn seiner zweiten Gemahlin Marie Antonie, geb. Gräfin Kaunitz, der das Erbe zehn Jahre später antrat und Namen und Wappen der Grafen Q. mit denen der Grafen Kaunitz vereinigte. Noch heute blüht das Geschlecht der Grafen Kaunitz-Questenberg.

Nach Urkunden der Kaiserl. Archive in Wien etc.